Pøedseda (zvoní):
Pane øeèníku, upozoròuji
vás, že vaše øeènická lhùta již dávno uplynula. (Výkøiky posl.
dr Schollicha.)
Posl. dr Hassold (pokraèuje): Die Anzeige lautet folgendermaßen: "Rentmeister Müller ist verdächtig . . ." - ich übernehme für das Deutsch des Berichtes natürlich keine Verantwortung und ich möchte mich nicht damit identifizieren.
"Rentmeister Müller ist verdächtig strafbarer Handlungen nach dem Schutzgesetz, u. zw. § § 2, 5, 6 . . ." (Pøedseda zvoní.) Ich werde mich tummeln, damit ich mehr herauskriege. Sie sehen bereits, daß es Aufgabe des Gendarmen war, nicht den Tatbestand mitzuteilen, sondern zu beurteilen, nach welchen Punkten des Schutzgesetzes Müller sich vergangen habe. Also es heißt dann weiter: . . . "welche Taten er begangen hat dadurch, daß er in Verbindung getreten ist mit fremden Tätern (Militärpersonen) . . ." - das war Kapitän Kircheis, der im Fischkutter nach Amerika gefahren ist, und der zweite war Kapitän Köhl, der über den Ozean geflogen ist; der uniformierte Dorfnachtwächter kennt ja natürlich derartige Namen nicht, was auch nicht weiter überraschend wirken kann - . . . "in der Absicht, hinterrücks gegen die Èechoslovakische Republik hinzuarbeiten (Briefe an den unbekannten Kapitän), welche ausspähen solche Taten und Gegenstände, welche vor einer fremden Macht verheimlicht werden sollen, welche Tatsachen für eine fremde Macht Wert haben können, weiters, daß er Mitglied des Bundes der Deutschen in Böhmen ist, welcher, wenn auch amtlich bewilligt, wahrscheinlich in Wirklichkeit nach gesammelten Mitteilungen den Zweck hat, gegen den Staat zu arbeiten." Eine Unverschämtheit von einem Dorfgendarmen, sich über solche Dinge überhaupt ein Urteil zuzumuten! Den Hauptmann Köhl kennt er nicht, aber Staatsfeindlichkeiten von einer Bundesortsgruppe kennt er. "Müller vom Bund der Deutschen in Böhmen, Sitz in Teplitz, dessen Hauptführer er für die ganze Èechoslovakische Republik ist, gab verschiedene Nachrichten, welche er von seinen unterstellten Führern abverlangte, was in den Satzungen nicht genehmigt ist, z. B. die bei Oberlehrer Schuster beschlagnahmten Schriften, mit vorgedruckten Fragen, weitere Fragen zur Beantwortung dem Schuster durch Müller gestellt werden." Ein schauderhaftes Kauderwelsch, aber eine Anzeige, wie sie landesüblich ist! "Diese Handlungen wurden verübt bereits längere Jahre, wie aus der Korrespondenz erhellt und wurden verübt möglicherweise auf dem gesamten gemischten Gebiete Böhmens. Diese Handlungen wurden wahrscheinlich von Müller, sei es allein verübt oder begangen, welcher öfter ins Ausland reiste, oder mit Hilfe des Schriftstellers J. Schwarz, welcher als Redner des Bundes der Deutschen in Böhmen auftragsgemäß die Grenzgebiete in Böhmen bereiste und auch nach Deutschland fuhr. Robert Müller ist èechenfeindlicher Gesinnung, wie aus seiner Korrespondenz erhellt und hat Neigungen zu staatsfeindlichen Handlungen, besonders Propaganda gegen den Staat." So ein Mann stellt Neigungen bei jemandem fest und ist nicht imstande, die primitivsten Tagesereignisse zu begreifen! "Dem èechoslovakischen Staate entstand durch seine Handlungsweise ein gewisser Schaden dadurch, daß die Gesinnung vieler Personen vielleicht gewonnen wurde für staatsfeindliche Richtung (èechenfeindlich), welche vorher loyaler Gesinnung waren, nachher sich dies änderte, und nachdem der Staat ein Interesse an der Zufriedenheit seiner Bewohner hat, wurde daher der Staat geschädigt. Die aus der Korrespondenz hervorgehende strafbare Handlung ist genügend inhaltsreich, wird weiter gesichtet und wird dann dem Kreisgericht in Eger zugestellt werden. Zeugen, welche gegen den Verdächtigten aussagen könnten, wurden bisher nicht sichergestellt." Er ist also bemüht, solche. Zeugen zu konstruieren. "Sachverständigengutachten sind hier keine, nachdem diese dann aus den Schriften nach erfolgter Sichtung der gefundenen Vergehen zu machen sein werden. In der Sache wurde von der hiesigen Station die Verfolgung durchgeführt und bei den Hausdurchsuchungen bei Robert Müller und Oberlehrer Schuster, bei welchem Korrespondenz beschlagnahmt wurde, welche nach Sichtung zugeschickt wird vom Gendarmeriekommando dem Gerichte. Die Hausdurchsuchung bei W. Peter war ohne Erfolg. Protokoll liegt bei. Die Handlungen wurden begangen aus nationalen Gründen und aus staatsfeindlicher Gesinnung." Das steht alles in dem Gendarmeriebericht. Es kommt aber noch schöner, meine Herren! Jetzt kommt sofort die Justifizierung, er spricht sofort das Urteil, ohne das Gericht zu hören, aus. "Nachdem es sich hier um schwere strafbare Verbrechen gegen den Staat handelt seitens der Verdächtigen und die Möglichkeit der Beeinflussung von Zeugen besteht, welche noch nicht bekannt sind, desgleichen nicht die allfälligen Mitschuldigen, nach denen noch geforscht wird, wurde Robert Müller am 1. Dezember 1932 um 18 Uhr 15 Minuten verhaftet und am gleichen Tage dem Kreisgerichte in Eger eingeliefert um 20 Uhr 45 Minuten. Bei seiner Leibesvisite wurden vorgefunden 200ÿ60 Kè, welche gleichzeitig mit dem Eingelieferten übergeben werden." Es ist noch ein Nachtrag, der ebenfalls wertvoll zu hören ist. "Die Station Gossengrün, welche Müller verhaftet hat, sandte uns weiters zwei Reisepässe des R. Müller, welche bei Müller beschlagnahmt wurden. Aus den Pässen ist ersichtlich, wann und wohin Müller ins Ausland reiste. Dieser fuhr nach Deutschland, Österreich und auch nach Ungarn (!!!)." Hinter Ungarn sind in Klammer drei Ausrufzeichen enthalten. "Der Stationsposten Gossengrün teilt uns weiter mit, daß nach Aussage verschiedener Vertrauter sich Müller in der Zeit des letzten Putsches in Österreich aufgehalten haben soll und schon vordem beim ersten Putschversuch in Österreich er Österreich passiert haben soll auf einer Fahrt nach Italien. Es sind dies Annahmen, nach Erhebung des Gendarmeriepostens Gossengrün, wornach Müller zur Zeit des Putsches auf der Fahrt als Beobachter zwecks Studium derartiger Unternehmungen sich befand. Wie aus den Schriften, welche der Anzeige als zugehörig hervorgeht, suchte Müller Verbindung mit Hitler in Deutschland." Selbstverständlich, was hätte er denn sonst machen sollen? Jetzt wird noch der liebe Gott kommen und dann sind wir komplett! "Es ist daher anzunehmen, daß Müller von den Putschen in Österreich wußte."
Meine sehr geehrten Herren! Der Tatbestand ist tatsächlich der: In einer Reisegesellschaft ist dieser Müller im Auto durch Österreich nach Italien gefahren, wobei er vier Stunden auf österreichischem Boden geweilt hat. Irgendwo in Österreich war ein kleiner Putsch. Wenn man einen Putsch studieren will, ist es nicht gut, nach Österreich zu fahren, man kann dort nicht viel profitieren. Aber er fuhr in einem Lande, wo irgendwo in ganz entgegengesetzter Richtung ein Putsch war, vier Stunden lang nach Italien und dieser Gendarm, der glaubt, daß er das Graswachsenhören erfunden oder gepachtet hat, hat darauf entdeckt, daß er zu dem Zwecke des Studiums eines Putsches nach Österreich gefahren ist und ihn wahrscheinlich in der Èechoslovakei nachmachen will. Ich bitte Sie, wenn einer vorgesetzten Behörde ein solcher Blödsinn vorgelegt wird, wäre es doch das Mindeste, daß der betreffende in Disziplinaruntersuchung gesetzt wird und wenn nicht, daß er als zu dumm für seinen Dienst hinausgeworfen wird. Wenn ein anderer einen solchen Blödsinn schreibt, wird er als unfähig für seinen Posten abgebaut; in einem Zeitalter, in dem man die fähigsten Menschen im besten Alter hinauswirft, wäre es kein Schaden gewesen, wenn man noch den nachgeworfen hätte. Und dafür mußte Müller 4 Monate im Kerker sitzen, weil der Mann ihn in einer solchen unverschämten Weise angeschwärzt hat. (Posl. dr Schollich: Vielleicht war der Mann besoffen!) Das müßte sein gewöhnlicher Zustand gewesen sein.
Es ist noch eine weitere Anzeige von diesem Fähnrich Kaòkovský erfolgt. Er hat etwas zustandegebracht, was die Spionage in überzeugender Weise nachweist. Er hat eine Spezialkarte von Bodenbach nach Pirna gefunden, auf welcher grüne Striche eingezeichnet gewesen sind mit gewissen geheimnisvollen Zeichen und verdächtigen Punkten und Farben, woraus er entnommen hat, daß dies militärische Stützpunkte des kommenden Weltkrieges zwischen Norden und Süden sein werden. Es wären sogar auch Munitionsdepots und Verpflegsmagazine eingezeichnet! Und wissen Sie, was sich herausgestellt hat? Es hat sich um eine Spezialkarte gehandelt, auf welcher die Landesgrenze, die doch allgemein bekannt sein dürfte, laufend grün eingezeichnet gewesen ist, und auf der der Kammweg nach den Bezeichnungen des Erzgebirgsvereines eingezeichnet gewesen ist. Auch das hat der Mann nicht begriffen, daß auf einer Spezialkarte die Kammwege mit den farbigen Orientierungen eingezeichnet sind, so daß man sich auskennt, wenn man auf Bäumen eine Malerei sieht, wo man weiter gehen soll; oder soll man hinter den Bäumen riechen, ob dort Munitionslager zu finden sind oder der Herr Fähnrich Kaòkovský mit seiner Weisheit?
Aus solchen Dingen heraus entstehen dann Verfolgungen, wie sie sich im Prozeß in Pilsen abgespielt haben. Dieses Verbrechen nach § 2 - Verbindung mit dem Ausland - der Angeklagten hat darin bestanden, daß die Angeklagten, nicht einmal der Angeklagte Müller, sondern nur der Angeklagte Schwarz, beim "Verein für das Deutschtum im Auslande" wiederholt Vorträge gehalten hatt. Was er dort gesprochen hat, ist eine zweite Frage. Ich will zuerst die grundsätzliche Frage beantworten, ob es möglich ist, die Tatsache von Vorträgen bei diesem Verein zu verfolgen. Es liegt ein Präjudiz vor, ein Auslieferungsbegehren des Kreisgerichtes in Brüx, in welchem die Strafverfolgung des Kollegen Knirsch verlangt wurde. Bei diesem Fall wurde ein Gutachten des Ministeriums des Äußern eingeholt über die Qualifikation des genannten Vereines. Der Verein ist im Jahre 1881 gegründet worden. Ich glaube, daß diese Jahreszahl allein genügt, um einzusehen, daß damals der Verein nicht zum Zweck einer Irredenta gegen die èechische Republik gegründet worden ist. Nach dem Gutachten des Außenministeriums wurde dieser Verein als ungefährlich erklärt und die Auslieferung des Koll. Knirsch wurde damals abgelehnt. Bei der Verteidigung beim Kreisgericht in Pilsen habe ich das mitgeteilt, aber der Staatsanwalt hat sich in seiner übereifrigen Erfüllung seiner Pflichten nicht überzeugen lassen, daß es sich hier nicht um ein Vergehen oder ein Verbrechen nach Absatz 1, § 2 des Schutzgesetzes handelt, das mit Kerker von einem bis fünf Jahren zwingend bestraft wird. Die ganze Anklage hat sich aufgebaut als Quellen auf Zeitungsmitteilungen und Zeitungsnachrichten. Wir als Parlamentarier wissen doch, was nach einer Versammlung alles oft in den Zeitungen steht, wie die Dinge oft entstellt wiedergegeben werden, oft aus unrichtiger Auffassung, manchmal auch mit verschiedenen Absichten. Es ist das oft eine mehr als fragliche und zumindest unsichere Quelle. Man müßte zumindest die objektive Wahrheit dieser Zeitungsnachrichten überprüfen.
Was weiters ein besonderes Verbrechen des Angeklagten war oder als solches bezeichnet wurde, war die angebliche Absicht der Einstellung von reichsdeutschen Arbeitskräften in der Èechoslovakei an der Sprachgrenze, ein Problem, das uns in seiner Größe in Erstaunen setzen würde und uns viel Arbeit gäbe. Tatsache ist, daß dieser Schwarz versucht hat, einige Arbeitskräfte, und zwar Knechte, auf Bauernhöfen unterzubringen. In Wirklichkeit ist dabei nicht einmal ein halber Knecht, geschweige denn ein ganzer angestellt worden, aber der Versuch des Schwarz wurde als Vorbereitung zur Einstellung von deutschen Arbeitskräften an der Sprachgrenze erklärt. Wenn diese Arbeit was war dann die Bodenreform? Das war dann ein Verbrechen, auf welches Hunderte von Jahren Kerker verabreicht werden müßten, gegenüber diesem kleinlichen Versuch.
Ein weiteres schweres Verbrechen hat der Angeklagte begangen, indem er den Enkel ich bitte nicht zu erschrecken, das Wort allein kann keine Grenze lösen - eines Fürsten Bismarck besuchen wollte, der zwar nicht zu Hause war, bei dessen Gattin er aber einen Kaffee getrunken hat. Es ist ihm weiter nichts nachgewiesen worden, als daß er dort einen Studenten besucht hat, der dort wohnte. Weil er bei dem Enkel eines Bismarck war, ist daraus schon ersichtlich, daß er von staatsfeindlichen Gesinnungen dorthin getrieben worden ist! Eine Behauptung, die ernstlich in der Anklageschrift wiederzufinden ist. Die Staatsanwaltschaft hat eine staatsfeindliche Gesinnung in der Tätigkeit des Angeklagten auch darin gesehen, weil in Leipzig sechs Straßen mit Namen nach sudetendeutschen Städten bezeichnet wurden. Daraus sei ersichtlich, welche staatsfeindlichen Auswirkungen die Tätigkeit des Vortragenden haben mußte, wenn eine solche Stadt wie Leipzig sich veranlaßt gesehen hat, Straßen mit sudetendeutschen Namen zu belegen. Was müßte da mit Baxa geschehen nach dem Schutzgesetz, der jetzt damit beschäftigt ist, die Straßen von Prag mit dem nationalen Besen durchzukehren, damit kein staatstreues Auge verletzt wird, wenn die großen Umzüge in der nächsten Zeit kommen werden.
Mit so ungeheuerlichen Kleinigkeiten hat sich die Anklage abgegeben. Ich habe immer gewartet, was da Ernstliches noch nachkommen wird, ich habe aber vergeblich gewartet. Im Prozeß wurde nicht ein einziger Zeuge von der Verteidigung geführt, weil sie es nicht für notwendig fand, Entlastungszeugen anzubieten. Und als das letzte Zeugenprotokoll gehört worden war, habe ich festgestellt, daß bisher nur Entlastungszeugen gesprochen haben. Ich habe den Vorsitzenden gefragt, wann die Belastungszeugen kommen werden, worauf er antwortete, solche Zeugen gebe es nicht.
Der § 6, militärischer Verrat, der ebenfalls herangezogen wurde, wurde aufgebaut auf einen Bericht aus dem Prachatitzer Bezirke, einen Bericht aus dem Jahre 1922, der vom Schutzverein herausgegeben wurde, eine kulturelle und nationale wissenschaftliche Studie, in der die Siedlungsverhältnisse angegeben waren, die Einteilung der Bevölkerung nach Altersklassen, Frauen, Männer, Berufsschichtungen und Berufsstände, zu dem Zwecke, damit die Statistik einen Überblick über die kommenden Gemeindewahlen gebe. Ferner hat man die Zahl der Militärpersonen angeführt, die in Prachatitz sind, weil man das Wahlergebnis für die Gemeindewahlen wissen wollte, wieviel Deutsche und Èechen in der Garnison sind, da es ja, wie bekannt, öfters vorkam, daß bei Gemeindewahlen Militär in die Städte gegeben wurde, damit die Minderheiten verstärkt werden. Es wurde ferner angegeben, daß 371 Betten in den Kasernen vorhanden sind, so daß schlimmstenfalls bei voller Besetzung so und so viel èechische Wähler zuwachsen können. Daraus hat man geschlossen, daß es sich um militärischen Verrat handelt, weil die Stärke der Garnison angegeben ist, ja sogar der Nationalitätenschlüssel, ferner die Anzahl der Betten, die im Falle eines Krieges belegt werden könnten. Auf diesem Prachatitzer Bericht war hauptsächlich die Anklage aufgebaut worden.
Es steht nicht dafür, über die
§ § 14 und 15 zu sprechen und ich will nur noch eines, die Frage
der Spionage in diesem Prozeß, berühren. Es ist natürlich auch
Spionage vermutet worden, obwohl doch bis jetzt kein Fall bekannt
ist, wo ein Deutscher der Spionage durch ein Gerichtsurteil überführt
wurde.
Pøedseda (zvoní):
Upozoròuji pana øeèníka,
že jeho øeènická lhùta již uplynula. (Výkøiky.)
Posl. dr Hassold (pokraèuje): Bisher war es Falout und eine ganze Anzahl anderer Falotten. Aber andere Fälle sind mir nicht bekannt. Man hat sonderbarerweise auch ein geheimnisvolles Konto angeführt, was beweise, daß es sich tatsächlich um Spionage gehandelt hat, obwohl das Geld auf dem Konto, das festgestellt wurde, sage und schreibe 144 Mark ausgemacht hat. Eine solche billige Spionage hat es auf der Welt noch nicht gegeben. Wäre wirklich jemand so dumm, daß er sich wegen 144 Mark in ein solches Unternehmen einließe? Trotz alledem hat man folgendermaßen den Beweis der vorhandenen Spionage geführt: Der Angeklagte ist ein Idealist, hieß es in dem militärischen Gutachten, er hat aus reinem Idealismus spioniert, hat auf Bezahlung verzichtet, der niedrige Betrag von 144 Mark sei also kein Gegenbeweis dafür, daß keine Spionage vorhanden sei. Man hat vergessen, daß man auf der einen Seite ein "Habe die Ehre" vor dem Idealismus des Angeklagten machen mußte, auf der anderen Seite aber haben wir einen Menschen, dem trotz des Sachverständigengutachtens, daß dieser ein Idealist war und aus reinen Motiven handelte, für drei Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte abgesprochen wurden. Also einen ärgeren Zirkus, als wir ihn hier zu sehen bekommen, kann es doch bei Gott schon nicht mehr geben!
Das Gutachten hat sich mit Schlußfolgerungen ohne Tatsachenanführung begnügt. Beispielsweise wurde ein schriftlicher Verkehr mit einem gewissen Dr. Steinböck, der bei der österreichischen Heimwehr ist, angeführt. Das hat genügt, darauf hinzuweisen, daß diese Verbindung beweise, daß auch die Heimwehr wahrscheinlich zum Zwecke dieses studierten Putsches in Bewegung gesetzt werden sollte. Die drei genannten Kapitäne heißen Kircheis, Köhl und Spindler, drei "unbekannte Personen", von denen lediglich bekannt war, daß sie einmal Kapitäne gewesen sind und die deshalb unbedingt spionageverdächtig sein müssen. Es hieß, daß die Angeklagten, weil sie sich national betätigten, sicher auch Spionage getrieben haben mußten; weiter heißt es, der Verkehr mit Personen in anderen Ländern ermöglichte ihnen, Nachrichten zu verbreiten, die im Interesse des Staates geheim gehalten werden müssen. Und von Müller kann überhaupt nur behauptet werden, daß er wahrscheinlich von diesen Dingen gewußt haben mußte.
Man hat sich in diesem Gutachten auch dazu verstiegen, zu erklären: Im sudetendeutschen Gebiet existiere eine ganze Anzahl von irredentistischen Organisationen, welche Nachrichten sammeln. Ich war außerordentlich neugierig, endlich diese Quellen zu erfahren und habe infolgedessen die ganz konkrete Anfrage an den Sachverständigen gerichtet: "Also bitte, zählen Sie mir diese irredentistischen Organisationen auf! Erstens, zweitens, drittens!" Aber nichts konnte er aufzählen. Ich mußte dann feststellen und zu Protokoll geben, daß hier mit vagen Behauptungen und mit Phrasen in Fällen gearbeitet wird, wo es sich um jahrelangen Kerker handelt und daß man im Falle ganz konkreter Fragen auch nicht eine einzige konkrete Antwort tatsächlich geben konnte.
Zur Illustration noch ein Beispiel: Dieser Müller wurde auch auf Grund des § 7 des Schutzgesetzes, von dem ich vorhin gesagt habe, daß er die Minister unter besonderen Schutz stellt, angeklagt. Dem Anklagema terial des Staatsanwaltes lag folgender Sach verhalt zugrunde: Aus Wien hatte Müller einen Brief von einem gewissen Herrn Rogler erhalten. Ich zitiere zunächst die inkrimi nierte Stelle. Es heißt da: " . . . wenn schon jemand Selbstmord begeht, könnte er doch wenigstens noch jemanden mitnehmen und könnte noch einen Zweck erfüllen, und er könnte jene Minister beseitigen, welche Aus rottungspläne gegen das Deutschtum hegen oder durchführen wollen."
Das war die aus dem Zus ammenhang des Briefes gerissene Stelle. In dem Brief selbst schrieb Herr Rogler, daß seine Tochter 17 Jahre alt sei, daß seine Frau außerordent lich viel ausgehe, was viel Auslagen verur sache, weil sie als Gardedame mitgehen müsse, und es werde sowieso immer schlech ter und wenn man schon sich das Leben nehmen müsse, könnte man ein paar Minister mitnehmen, die das Deutschtum ausrotten wollen. Zum Schluß folgt eine Mahnung: Sie sind mir noch so und so viel Kronen schuldig und ich mache Sie aufmerksam, daß ich Ihnen Zinsen anrechnen werde.
Dieser Satz von dem Ministerabschießen - das ist keine Faschingszeitung, sondern eine Anklageschrift - wurde vom Staatsan walt aufgegriffen und es wurde erklärt, das bedeute eine Bedrohung der Sicherheit der Minister, die in Lebensgefahr geraten. (Výkøiky posl. Zajièka.)
Meine Herren! Das Unterhaltende an die ser Sache ist, daß es hier heißt, daß nur jene Minister beseitigt werden sollen, welche Aus rottungspläne gegen die Deutschen durch führen. Wenn solche nicht vorhanden sind, können keine erschossen werden. Ich habe dem Staatsanwalt erklärt: Sie haben den Mi nistern keinen Gefallen erwiesen, denn ich habe jetzt den gerichtsordnungsmäßig durch geführten Beweis, daß alle Minister dieses Staates, wie es hier heißt, Ausrottungs pläne gegen das Deutschtum hegen. Wenn sie solche Ausrottungspläne hegen, sollen sie abgeschossen werden, es wird kein Schade sein! Ich glaube aber, daß keiner von den Herren einbekennen wird, daß er solche Ausrottungspläne hegt. Ich habe den Herrn Staatsanwalt gefragt, ob er wirklich glaubt, daß die Minister Ausrottungspläne gegen das Deutschtum hegen und ob er nicht von dieser Anklage zurücktreten wolle. Er hat mir erklärt, er könne natürlich nicht zurücktreten, worauf ich ihm erwiderte: Ich an Ihrer Stelle würde wohl zurücktreten. (Posl. dr Schollich: Wie heißt denn dieser Staatsanwalt?) Ich möchte nicht indiskret sein, ich will die Person aus dem Spiele lassen.
Das Material, das dort zusammengetragen worden ist, hat nicht weniger als zwei volle Kisten umfaßt. Es ist ein Unikum, daß der zweite Verteidiger, als er bei Gericht die Akten verlangte, die Antwort bekam, er möge zu den Akten kommen, weil sie intransportabel sind. Es waren allein einige Kilo Liebesbriefe vorhanden.
Nun, meine Herren, diese Dinge haben die Grundlage zu einem Prozeß gegeben und wenn ich jetzt ganz sachlich feststellen soll, was eigentlich vorhanden war, so war bei Rentmeister Müller überhaupt nichts vorhanden, nur bei dem jugendlichen Schwarz waren ein jugendlicher Überschwang und ein schwärmerischer Idealismus vorhanden, er machte in seiner Ausdru cksweise und Schreibweise aus seinem Herzen keine Mördergrube, er hatte noch nicht gelernt, was man in diesem Staate ganz besonders lernen muß: Eine aalglatte Doppelzüngigkeit der Ausdrucksweise. Es ist nur eine Frage der Form und diese Form hat er noch nicht gefunden und wegen dieser Formverletzung wird er nunmehr schwer büßen, denn das Urteil war außerordentlich hart. Es ist vielleicht in gewissem Sinne dadurch erklärlich, weil es nach dem Schutzgesetz nur einen Freispruch oder ein schweres Urteil gibt. Das Urteil lautet, daß der Angeklagte auf Grund des Materials laut § 2 wegen Anschlägen gegen die Republik verurteilt wird, auf Grund der § § 14 und 15 wegen Verhöhnung der èechischen Nation, außerdem noch wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes und, weil er bei sich in der Wohnung einen Revolver hatte, ohne einen Waffenpaß zu besitzen, wegen Vergehens des Tragens von Waffen, so daß also der Zusammenhang von Vergehen und Verbrechen gegeben erscheint. Daraufhin bekam er zwei Jahre schweren Kerkers, verschärft durch eintägiges Fasten jedes Vierteljahr, Aberkennung der Ehrenrechte auf 3 Jahre, ohne Bedingtheit mit sofortigem Strafantritt.
Wenn Sie glauben, daß Sie zur
Zusammenführung der Völker mit solchen Mitteln beitragen können,
oder wenn Sie der Meinung sind, daß Sie Jugendbewegungen dadurch
unterdrücken können, daß Sie einen 22-jährigen Burschen, der in
der Gefahr ist, nicht gesund aus dem Kerker herauszukommen, in
den Kerker werfen, dann muß ich schon sagen: Sie haben weder aus
der eigenen Geschichte etwas gelernt, noch haben Sie einen Begriff
von einer tatsächlichen Freiheitsbewegung eines Vokles. Er ist
einer von vielen, aber es wäre bedauerlich und ein Volk wäre zum
Verdorren verurteilt, wenn es nicht noch eine Jugend hätte, die
Entschlußkraft hat und die schließlich und endlich im Lager jener
politischen Gesinnung steht, die wir Abgeordnete teilen; es ist
selbstverständlich, daß wir uns hinter unsere Jugend stellen und
ich möchte nur den warnenden Ruf erheben: Wohin soll das führen,
wenn Sie in diesem ersten Prozeß so hart urteilen, mit 2 Jahren
schweren Kerker, und eine große Anzahl von Prozessen noch vor
uns ist, wo eine ganze Anzahl von Studenten verfolgt werden, nur
deswegen, weil sie auch irgendwelchen Vereinen angehört haben
oder in Deutschland da und dort eine Tagung und dgl. besucht haben,
wenn man diese Leute mit Kerkerstrafen verfolgt, was nichts anderes
bedeutet, als daß man die Gesundheit von Einzelnen das Glück von
Familien zerstört und auch die Existenz von einer Unzahl von Personen
bedroht! Es ist kein Zufall, daß dieser Prozeß - und ich möchte
es zum Schluß feststellen - eine Wirkung gehabt hat, die denen,
die den Prozeß inszeniert haben, unerwartet und wahrscheinlich
auch unerwünscht sein wird. Der verurteilte Schwarz hat in Deutschland
eine ganze Zahl von Vorträgen gehalten. Was immer er gesagt haben
mag, er mag vielleicht manchmal drastisch gesprochen haben, er
mag vielleicht die Vorfälle vom 4. März 1919 geschildert haben
und es mag manchen Reichsdeutschen in seiner Unkenntnis der bedrohlichen
Verhältnisse im Grenzland phantastisch geklungen haben, was er
da vorgebracht hat, und mancher wird dem jungen Mann nicht alles
geglaubt haben, wenn er ihn in dem Vortrag gehört hat. Nun haben
aber Sie ein Urteil nicht nur gegen einen Sudetendeutschen gefällt,
sondern gegen jemaden, der, obwohl er ein junger Bursche ist,
die Aufmerksamkeit jetzt erst recht in Deutschland und Österreich
finden wird und das Urteil wird nicht nur hier gehört werden,
sondern im gesamten deutschen Sprachgebiet, wo man sich sagen
wird: Es muß denn doch alles wahr sein, was dieser Schwärmergeist
erzählt hat, und der beste Beweis ist das Urteil, das er, gefaßt
und ohne mit der Wimper zu zucken, vernommen und die Kerkerstrafe
angetreten hat. Einer von vielen - und wenn noch mehr nachkommen,
so sind Sie nur daran, das zu unterstützen, was wir in diesem
Ausmaß gar nicht könnten: die Radikalisierung der Jugend. Sie
werden nur zu einem Geiste beitragen, der nie zur Versöhnung der
Völker führen wird, sondern zwischen den Völkern neben den Toten
des 4. März auch noch Kerkermauern aufrichten wird, die uns immer
mehr auseinanderreißen, was letzten Endes ihnen zum Schaden sein
wird und uns zur Freiheit führen wird. (Potlesk.)
Es ist sehr viel über das Gesetz, welches hier zur Behandlung steht, gesprochen und geschrieben worden, aber den einfachen wahren Kern dieses Gesetzes hat niemand von allen, die hier gesprochen und geschrieben haben, zum Ausdruck gebracht, obwohl er klar auf der Hand liegt. Dieses Gesetz hat den Zweck, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. èervna 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz tìsnopiseckou zprávu o 192. schùzi posl. snìmovny.] wieder einige Hundert Millionen zu verschaffen, und zwar auf Kosten der breiten werktätigen Massen, auf Kosten der Arbeiter und aller werktätigen Schichten. Es wird darüber gesprochen und diskutiert, ob es sich hier um eine Inflation handelt oder nicht. Es wird darüber gesprochen und diskutiert, was notwendig sei zur Rettung dieses bankerotten kapitalistischen Systems, ob Deflation oder Inflation. Aber es wird an der einfachen Tatsache vorübergegangen, daß jemand da sein muß, aus dessen Taschen diese Hunderte Millionen herausgeholt werden, die sich die Regierung durch dieses Gesetz verschafft. Um welchen Betrag handelt es sich? Auch hier versucht man Verwirrung zu schaffen und die Massen [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. èervna 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] zu täuschen; man erklärt, daß durch das Gesetz ein Betrag von 442 Millionen Münzen, der in Umlauf ist, um 244 Millionen erhöht werden kann. Das neu geschaffene Geld beträgt 244 Millionen, wovon abzuziehen ist der Münzenwert dieser 244 Millionen [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. èervna 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] fast 250 Millionen aus den Massen herauszuholen, das bedeutet schon etwas. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen größeren Raub. Der Betrag, den die Staatskasse durch dieses Gesetz gewinnt, sind nicht nur diese 244 Millionen, sondern auch die 514 Mililonen kleinen Banknoten, welche durch das Gesetz aus der Summe, die gedeckt werden muß, herausgenommen werden. Denn es ist ganz selbstverständlich, daß die Regierung die Möglichkeit hat, diese kleinen Banknoten, die jetzt nach dem Gesetz nicht mehr zu der Summe, die bankmäßig gedeckt werden muß, gehören, durch große Banknoten zu ersetzen, ohne daß dadurch das Deckungsverhältnis irgendwie geändert wird. Daß das keine platonische Verfügung ist, sondern eine sehr ernste und für die Regierung notwendige und wichtige Maßnahme, um einen breiten Spielraum für die Ausgabe von Banknoten zu haben, geht aus der Tatsache hervor, daß nach den amtlichen Berichten das Deckungsverhältnis unserer Banknoten bis auf 35ÿ2% gesunken ist, d. h., daß der gesetzmäßige Spielraum erschöpft war, daß kein Spielraum mehr vorhanden gewesen ist und daß nur durch vorübergehende Tatsachen dieses Deckungsverhältnis geändert wird; es beträgt heute 40.3 %, aber nur deshalb, weil die Devisen aus der französischen Anleihe hier eingetroffen sind, was selbstverständlich nicht auf die Dauer vorhalten wird, sondern in ganz kurzer Zeit wird sich die Regierung vor der Tatsache sehen, daß sie nicht einmal den gegenwärtigen Banknotenumlauf aufrecht erhalten könnte auf Grund der bestehenden Deckungsvorschrift. Infolgedessen muß die Regierung die Möglichkeit haben, den Spielraum zu erweitern; das ist eine Bestimmung, von welcher die Regierung Gebrauch machen wird: die Regierung kann die ihr zur Verfügung stehenden Geldmittel um 244 und 514 Millionen erhöhen, also zusammen um 758 Millionen. Das ist die Summe, die sich die Regierung auf diese Weise verschafft.