Støeda 25. kvìtna 1932

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 189. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 25. kvìtna 1932.

1. Øeè posl. Katze (viz str. 4 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Das zur Behandlung stehende Gesetz über die Entschädigung der Berufskrankheiten ist sicherlich eine sehr notwendige und überaus wichtige Ergänzung unserer sozialen Gesetzgebung und wir haben es wohl in der Hauptsache nur der unermüdlichen Initiative des Fürsorgeministers Dr. Czech zu danken, wenn das schwere Unrecht, das bisher auf diesem Gebiete für die Arbeiterschaft bestand, nun endlich beseitigt wird. Es ist zweifellos ein Erfolg der sozialistischen Parteien in der Regierungskoalition, daß in einer Zeit, wo man in anderen Staaten Verschlechterungen an der sozialen Gesetzgebung durchführt, bei uns ein derartiges Gesetz geschaffen werden konnte. Wir müssen die Tatsache registrieren, daß es die frühere Bürgerregierung nicht der Mühe wert gefunden hat, dem in dieser Frage schon seit dem Jahre 1925 bestehenden internationalen Abkommen beizutreten; für sie schien die Frage, ob die Arbeiter infolge einer Berufskrankheit berufsunfähig werden oder große Einbußen an der Erwerbsfähigkeit erleiden, bedeutungslos.

Ich glaube, ohne Übertreibung sagen zu können, daß dieses Gesetz eine hervorragende sozialpolitische Tat ist, wodurch für viele Arbeiter manche Not und manches Elend gemildert werden kann. Den Tausenden Arbeitern und Arbeiterinnen, die in den besten Jahren durch ihren Beruf ganz oder teilweise erwerbsunfähig werden, wird es eine gute Stütze für ihr weiteres Fortkommen sein. Wenn wir dabei noch in Betracht ziehen, daß die fast in allen Betrieben durchgeführte Technisierung und Rationalisierung des Produktionsprozesses das Gefahrenmoment für die Berufskrankheiten noch wesentlich erhöht, so können wir erst so recht den sozialen Wert des Gesetzes für die Arbeiter beurteilen. Es wird für die Arbeiter eine große Erleichterung bedeuten, wenn sie im Falle der Herabminderung der Erwerbsfähigkeit zu ihrem geringen Lohn einen Zuschuß erhalten oder im Falle der gänzlichen Berufsunfähigkeit neben der kleinen Rente der Sozialversicherung, die meistens zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist, noch eine weitere Entschädigung bekommen.

Mit diesem Gesetze wird endlich auch eine alte Forderung der Joachimsthaler Radiumbergarbeiter erfüllt, die schon jahrelang einen zähen Kampf um eine bessere Versorgung führen. Man hat diesen Arbeitern, bei denen bekanntlich die Berufsunfähigkeit durch die schreckliche Erkrankung an Lungenkrebs viel früher eintritt als bei anderen Berufen, zwar von verschiedenen Stellen Versprechungen gemacht, aber eingehalten wurden sie nicht. Erst durch dieses Gesetz werden sie ihre Versorgungsgenüsse erhöht erhalten. Nur wer weiß, unter welch furchtbaren Verhältnissen diese Arbeiter ihren Beruf ausüben, wird ermessen können, wie wichtig für sie die Bestimmung ist, daß die Erkrankung an Radiumemanation als Berufskrankheit anerkannt wird. Sind doch die Joachimsthaler Radiumbergarbeiter meistens schon mit 37 Jahren arbeitsunfähig oder, wie es im Munde dieser Arbeiter heißt, "bergfertig". Wie diese Krankheit unter den Arbeitern wütet, sagen uns einige Ziffern. Es gab im Jahre 1928 bei 299 Arbeitern 340 Krankheitsfälle, die sich im Jahre 1929 bei nur 289 Arbeitern auf 487 erhöhten und auch in den folgenden Jahren eine steigende Tendenz aufweisen. 96% der Mitgliedsbeiträge, die die Joachimsthaler Radiumbergarbeiter an die Revierbruderlade in Falkenau, bei welcher sie krankenversichert sind, abführen, werden für Krankengelder ausgezahlt. Während im Lande Böhmen auf je 1000 Todesfälle 16 auf Lungenkrebs entfallen, sind es im Bezirke Joachimsthal schon 25. Diese wenigen Ziffern zeigen wohl die ungeheuere Gefahr auf, unter welcher diese Arbeiter leben.

Das jetzige Gesetz garantiert doch wenigstens die Erhöhung der Versorgungsgenüsse, die natürlich die Ursachen nicht beheben, die zur Erkrankung der Radiumbergarbeiter führen. Es wäre daher hoch an der Zeit, daß auch die anderen Ministerien, vor allem die Staatsgrubenverwaltung, endlich jene Forderungen verwirklichen würden, die notwendig sind, um die Sicherungen und den Schutz des Lebens dieser Arbeitér zu ermöglichen. Man sollte meinen, daß gerade von der Staatsgrubenverwaltung alles unternommen werden müßte, um das traurige Los dieser Menschen zu erleichtern. Wir müssen aber das Gegenteil konstatieren. Das, was sich bisher die Staatsgrubenverwaltung mit diesen Arbeitern erlaubt, ist alles nur nicht sozial und gerecht. Nicht nur, daß sie alles getan hat und heute noch tut, um die notwendigen Untersuchungen der Radiumarbeiter zur Feststellung der Krankheit zu erschweren, sabotiert sie auch alle Vorschläge und Forderungen, die seitens der Betriebsräte und ihrer Organisation, der Union der Bergarbeiter, zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse unterbreitet werden. Präsident Masaryk hat zwar in hochherziger Weise 300.000 Kè zur Erforschung der Krankheitsursache gespendet. Bisher wissen wir aber nicht, was mit diesen 300.000 Kè geschehen ist und in welcher Weise man beabsichtigt, sie ihrem Zwecke zuzuführen.

Ich habe gesagt, daß die Staatsgrubenverwaltung alle Vorschläge sabotiert, die zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse bei den Radiumbergarbeitern hinzielen, u. zw. mit der Begründung, daß die Gruben unrentabel seien; sie widersetzt sich dringenden Maßnahmen, sowohl in technischer als auch in sanitärer und hygienischer Hinsicht. Die Bürokratie bei der Grubenverwaltung herrscht vollkommen absolut, ohne daß ihre Angaben überprüft werden können. Auch die Möglichkeit einer Kontrolle, ob die Gruben tatsächlich rentabel sind, wird nicht zugelassen. Es genügt aber wohl die Feststellung, daß in Joachimsthal ein Erzlager im Werte von 2 Millionen Kronen deponiert liegt und daß im Staatsvoranschlage die Joachimsthaler Gruben im Jahre 1931 mit 125.500 Kè und im Jahre 1932 mit 231.000 Kè Reingewinn figurieren. Aber selbst wenn die Unrentabilität der Gruben vorhanden wäre, könnte und dürfte das kein Grund sein, um nicht alles zu veranlassen, das Leben dieser Arbeiter entsprechend zu sichern. Wenn das Radium Tausenden Menschen Heilung und Genesung bringt, ist man schon moralisch verpflichtet, alles zu unternehmen, um die bei der Gewinnung des Radiums beschäftigten Arbeiter vor der Erkrankung zu schützen. Dafür ist aber bei der staatlichen Grubenverwaltung wenig Verständnis zu finden. Statt Verbesserungen plant man Verschlechterungen, man beabsichtigt sogar einen indirekten Lohnabbau durchzuführen, obwohl die Wochenlöhne der Radiumarbeiter bei 6 Arbeitsschichten bedeutend niedriger sind als die Wochenlöhne im Kohlenbergbau, wo im Durchschnitt bloß 4 Schichten gearbeitet wird. Man geht jetzt daran, durch Einführung der Fünftagewoche den Lohn der Arbeiter abzubauen. Wenn diese Maßnahmen durchgeführt würden, würde der Lohnabbau einen Betrag von 400.000 Kè im Jahr erreichen. Über Einschreiten der Union der Bergarbeiter und über Bemühungen des Koll. Pohl ist es gelungen, den benachteiligten Radiumbergarbeitern eine Urlaubsentschädigung von 72.000 Kè zu verschaffen. Auf der einen Seite gibt man ihnen einen Betrag, auf der anderen aber will man ihnen wieder das Sechsfache nehmen. Dabei ist die Vorgangsweise, die speziell die Bürokratie anwendet, eine geradezu unerhörte und grenzt schon ans Faszistische. Bei einer Verhandlung, die mit dem Betriebsrat und der Grubenverwaltung geführt wurde, hat man den Organisationsvertretern nicht gestattet, sich auch nur mit einem Worte zur Sache zu äußern. So etwas erlaubt sich heute nicht ei nmal mehr ein privater Unternehmer. Wir müssen diesen Herren doch schon sagen, daß wir weder im zweiten, noch im dritten Reiche leben und daß wir uns eine solche Behandlung unter keinen Umständen bieten lassen werden. Diese Herren hätten, wenn sie schon bei den Staatsgruben sparen wollen, bei anderen Dingen ein sehr weites Feld der Betätigung, ohne auf die ohnehin elenden Löhne der Arbeiter greifen zu müssen.

Feststellen müssen wir, daß das Ministerium für soziale Fürsorge den Joachimsthaler Bergarbeitern gegenüber seine Pflicht restlos erfüllte. Auch konnte die Union der Bergarbeiter durch die Bemühungen des Koll. Pohl eine Verlängerung der Urlaubsdauer für diese Arbeiter durchsetzen, ein Erfolg, der sich besonders in gesundheitlicher Hinsicht außerordentlich gut auswirken wird. Wenn die anderen Ministerien dieselbe Initiative entwickeln würden, wie das Ministerium für soziale Fürsorge, würde der Schutz für die Radiumbergarbeiter schon längst ein besserer sein.

Ich muß auch ein Wort über unsere Gegner sagen, von denen vor allem die Kommunisten und Nationalsozialisten ein großes Verratsgeschrei über uns erhoben und unsere Vertrauensmänner in der üblichen Weise beschimpften, als wir den Kampf um die Verbesserung der Lage der Radiumbergarbeiter einleiteten. Ich erinnere nur daran, daß seinerzeit die Kommunisten eine maßlose Hetze gegen unsere Partei, gegen die Union der Bergarbeiter und vor allem gegen mich und den Koll. Müller inszenierten. In ihren Zeitungen und auch in massenhaft verbreiteten Flugblättern wurde behauptet, daß wir im Initiativausschuß gegen die Weiterleitung des kommunistischen Antrages auf Ergreifung von Maßnahmen zum Schutze der Radiumbergarbeiter gestimmt hätten. Wir konnten damals freilich sofort diese Unwahrheit widerlegen und feststellen, daß die Kommunisten die Sache der Radiumbergarbeiter so ernst genommen haben, daß sie in der Sitzung, in welcher ihr eigener Antrag zur Verh andlung stand, nicht einmal anwesend waren. Genau so war es bei den vielen Verhandlungen, Sitzungen und Kommissionen, die zur Besserung der Lage der Radiumbergarbeiter von uns eingeleitet wurden und bei denen wir die positive Arbeit leisteten, während sich die Gegner von derselben drückten oder im besten Falle als stille Teilnehmer mit wirkten. Es wundert uns auch weiter nicht, wenn die Kommunisten gegen das Gesetz sprechen und stimmen, vielleicht mit der bei ihnen üblichen Begründung, daß sich dasselbe gegen den Bestand der Sowjetunion richtet. Eines aber werden auch die Radiumbergarbeiter konstatieren können, nämlich die Tatsache, daß, wenn sie auf die Hilfe der Kommunisten und Nationalsozialisten hätten warten müssen, für sie bis jetzt auch nicht das geringste geschaffen worden wäre.

Hervorheben wollen wir ferner die rührige Tätigkeit und bereitwillige Unterstützung der Wissenschaftler und Ärzte, vor allem die Arbeiten des Professors Dr. Julius Löwy, die zur Erforschung der Krankheitsursache führten und durch die der Lungenkrebs als Berufskrankheit für die Radiumarbeiter anerkannt wurde. Die Vorteile des Gesetzes werden auch einer Reihe anderer Industriearbeiter zugute kommen, so den Arbeitern in der Glas- und Porzellanindustrie, wo die Lungentuberkulose als Berufskrankheit auftritt, sowie bei den chemischen Arbeitern bei der Stickstofferzeugung, wo die Zahl der Erkrankungen der Atmungsorgane beträchtlich steigt. Gerne gesehen hätten wir auch, wenn noch einige Krankheitsarten, wie beispielsweise bei den Bergarbeitern und in den Textilbetrieben die Erkrankung der Atmungsorgane, in das Gesetz einbezogen worden wären. Dieser Mangel wird sich vielleicht im Laufe der Zeit noch dadurch beheben lassen, daß man nach § 7 des Gesetzes eine Erweiterung des Verzeichnisses der Berufskrankheiten durchführt.

Eine Befürchtung haben wir bei der Durchführung des Gesetzes, die wir bei dieser Gelegenheit gleich aussprechen wollen, die Befürchtung nämlich, daß der überaus große Erfolg, den das Gesetz den Arbeitern bringt, von der geradezu unheimlichen Praxis, die bei den Arbeiterunfallversicherungsanstalten, zunächst bei der Anstalt für Böhmen besteht, zum größten Teil zunichte gemacht wird. In dieser Anstalt haben sich in der letzten Zeit Zustände herausgebildet, die mit sozialer Fürsorge und menschlichem Verständnis für die elende Lage der Unfallskrüppel nichts mehr zu tun haben. Der bürokratische, sozialfeindliche und reaktionäre Geist, der sich dort eingebürgert hat, erstickt das bißchen sozialen Inhaltes, den das Unfallversicherungsgesetz noch besitzt. Die engherzige Bürokratie, die bei dieser Anstalt sehr oft ohne jedes Menschlichkeitsgefühl und soziales Rechtsempfinden nach Herzenslust schaltet und waltet, hat es verschuldet, daß die Arbeiter zu dieser Anstalt, die sie mit Recht nur noch als eine "Rentenquetsche" bezeichnen, jedes Vertrauen verloren haben. Obzwar ein Vermögen von fast 900 Millionen Kè vorhanden ist, konzentriert sich die Haupttätigkeit der Anstalt auf eine Massenhinrichtung der Rentner. Oftmals werden gegen jedes Recht und Gesetz die Renten ohne ärtzliche Untersuchung kurzerhand herabgesetzt, Personen, die kaum drei oder vier Monate im Genuß der bei Abschluß des Heilverfahrens festgesetzten Rente stehen, wird dieselbe eingestellt oder fühlbar verringert, obwohl innerhalb dieser kurzen Zeit unmöglich eine Besserung des Zustandes eingetreten sein konnte. Unzählige Beispiele könnte ich da anführen: so wurde einer Arbeiterin, die um ein Auge kam, die 30 %ige Rente nach und nach auf 6% verkürzt; viele Arbeiter gibt es, die einen Arm, ein Bein, den Fuß oder die Hand verloren haben, denen nach wenigen Monaten die Rente wesentlich herabgesetzt wird, obzwar die Anstalt weiß, daß die fehlenden Gliedmaßen nicht wieder nachwachsen können und daß sich die Erwerbsunfähigkeit auch nicht durch Anpassung und Gewöhnung an den Zustand ändern kann. Die Zuweisung der Renten erfolgt nach Abschluß des Heilverfahrens viel zu spät, oft müssen die Anwärter monatelang warten, bis das im amtsschimmelmäßigen Tempo eingeleitete administrative Verfahren abgeschlossen ist. Wovon der Arbeiter in der Zeit, in der er kein Krankengeld mehr erhält und noch nicht im Besitze der Rente ist, leben soll, ist den Bürokraten in den Krankenversicherungsanstalten gleichgültig. Die geringfügigen Vorschüsse, die wiederum viel zu umständlich gewährt werden, reichen zum Lebensunterhalt in der Regel nicht aus.

Die Folgen dieser Verhältnisse sind, daß sich die Strittfälle beim Schiedsgericht der Anstalt ungemein häufen. Um diesen entgegenzuwirken, glaubt man, die Klagen in einer Weise durchführen zu müssen, die dem Unfallsrentner im vorhinein jeden Glauben an das Gerechtigkeitsgefühl raubt. Kann der Arbeiter zu einer objektiven Entscheidung eines Gerichtes Vertrauen haben, wenn er sieht, daß im Eilzugstempo die Verhandlungen abgehaspelt werden, ohne daß eine gründliche ärztliche Untersuchung erfolgt und ohne daß auf die sonstigen Gründe, die in der Klage angeführt sind, Rücksicht genommen wird? Wie können bei diesem Gerichte gerechte Urteile gefällt werden, wenn an einem Tage 60 bis 80 Strittfälle zur Erledigung kommen? In 5 Minuten wird ein Strittfall erledigt, also sozusagen am laufenden Band die Festsetzung der Erwerbsfähigkeit durchgeführt. Mit einer solchen Behandlung wird dem am Schlachtfeld der Arbeit zum Krüppel gemachten Rentner ein schweres Unrecht zugefügt. Hier wäre eine Änderung dieser mehr als beschämenden Methoden sehr am Platze. Wie der Rentner, der gezwungen ist, sein Recht vor dem Schiedsgericht geltend zu machen, eingeschätzt wird, dafür sind schon die Rume, in denen die Verhandlungen stattfinden, ein sehr beredtes Zeugnis. Wer diese elenden, dumpfen und finsteren Löcher der Verhandlungsräume betritt, dem fallen unwillkürlich Dantes Worte ein: Laßt alle Hoffnung draußen, die Ihr da eintretet! Ganz instinktiv fühlt man, daß sich in diesen Räumen unmöglich die Gerechtigkeit aufhalten kann. Ein Wartesaal dritter Klasse in einer der letzten Eisenbahnstationen in Karpathorußland ist ein Salon gegen die Lokale, in denen die Schiedsgerichtsverhandlungen tagen. Zwar hat die Unfallversicherungsanstalt ein neues Gebäude erbaut mit soviel Räumen, daß ein ganzer Trakt dem Statistischen Staatsamte abgetreten wurde, aber für anständige Verhandlungsräume ist in diesem neuen Hause kein Platz. Um die Häufung von Klagen hintanzuhalten, hat sich die Anstalt eine Praxis zurecht gelegt, die schon mehr einer nackten Erpressung an den Rentnern gleichkommt. Sie gab einen Ukas heraus, in welchem verkündet wurde, daß der Ersatz der Fahrtspesen der klagenden Partei nur bei der ersten Klage in der vollen Höhe erfolgt, bei der zweiten Klage werden nur mehr die Kosten der Rückfahrt vergütet, während bei weiteren Klagen die Fahrtkosten nur dann gewährt werden, wenn dem Klagebegehren stattgegeben wurde. Damit will man den Rentnern die Möglichkeit ne hmen, überhaupt Klagen einzubringen, weil die meisten nicht in der Lage sind, die Kosten der Fahrt nach Prag aus ihren eigenen Mitteln zu tragen. Der Willkür der Anstalt wird dadurch Tür und Tor geöffnet. Trotzdem in einer Entscheidung vor dem Bergsenat des Schiedsgerichtes dieser sonderbare Ukas aufgehoben wurde, mit der sehr zutreffenden Begründung des Vorsitzenden, daß die Unfallversicherungsanstalt für die Versicherten und nicht die Versicherten für die Anstalt hier sind, wird dieser Ukas noch weiter den Vorladungen zur Klageverhandlung beigeschlossen. Der Öffentlichkeit gegenüber gibt sich die Anstalt als sozial fühlende Institution aus, besonders wenn es gilt, bei den diversen Jubiläumsfeierlichkeiten in den Vordergrund zu treten. Anläßlich des lojährigen Bestandes der Republik wurden an Aufbesserungsbeiträgen für die Altersrentner 6 Millionen Kronen ausgeworfen, die natürlich bei weitem nicht ausreichen, um die ungemein niedrigen Renten entsprechend zu erhöhen. Gleichzeitig wurde auch beschlossen, die Versicherungsprämien um ein halbes Prozent herabzusetzen, womit man den Unternehmern ein Geschenk von 11 Millionen Kronen jährlich macht. Und das in einer Zeit, wo bereits feststand, daß die Einnahmen aus den Versicherungsprämien zurückgingen. Die Einnahmen sanken vom Jahr 1929 von 145.49 Millionen auf 140ÿ48 Millionen Kc im Jahre 1930 und auf 125.91 Millionen Kè im Jahre 1931. Hingegen sind die Beträge für die Gesamtentschädigung an Unfällen von 92.17 auf 104.41 Millionen Kè gestiegen. Trotzdem wurde die Beitragsleistung für die Unternehmer herabgesetzt. Nach dieser Sachlage besteht die Gefahr, daß die vorhandenen 11.000 Altersrentner die freiwilligen Zuschüsse zu ihren geringen Renten verlieren.

Nach dem Gesetze Slg. Nr. 606/1919 erhalten nur jene Rentner einen Teuerungszuschuß, die mit mindestens 42 % erwerbsunfähig sind. Die übrigen Altersrentner beziehen noch immer Renten von 5 bis 20 Kè monatlich. Daß diese armen Teufel hart betroffen würden, wenn sie jetzt die Zuschüsse nicht mehr bekommen sollten, brauche ich nicht zu begründen. Das Gesetz über die Unfallversicherung, das seit dem Jahre 1888 unverändert geblieben ist, bedarf überhaupt dringend einer Novellierung. Schon die technische Umwälzung, die sich seither in den Betrieben vollzog, macht dies notwendig. Es wird heute nicht mehr allein die Dampfmaschine im Produktionsprozeß verwendet, sondern Elektrizität, Motore und Explosivstoffe verschiedener Art, sodaß die Gefahren für die Betriebsunfälle ganz gewaltig gesteigert wurden. Als Beweis dafür sei angeführt, daß allein bei der Unfallversicherungsanstalt für Böhmen die Zahl nur der entschädigten Unfälle von 9.308 des Jahres 1921 auf 20.445 des Jahres 1931 gestiegen ist. Eine Benachteiligung der Rentner wird auch dadurch herbeigeführt, daß der anrechenbare Jahresverdienst nur mit 12.000 Kè festgesetzt ist, während er in der Vorkriegszeit 2.400 Kronen betrug. Die Bemessung der Renten erfolgt daher gegenüber dem tatsächlichen Verdienste zu gering.

Alle diese Mängel sagen uns, daß das alte Gesetz immer unhaltbarer wird. Es muß weiters der beschämende Zustand beseitigt werden, daß die landwirtschaftlichen Arbeiter noch immer keiner Unfallversicherungspflicht unterliegen. Heute, wo im kleinsten landwirtschaftlichen Betrieb die Motoren und Maschinen ihren Einzug gehalten haben, muß es als soziale Rückständigkeit betrachtet werden, daß für die in der Landwirtschaft zu Krüppeln gemachten Arbeiter auch nicht die geringsten Versorgungsansprüche bestehen.

Was ich hier über die Unfallversicherung aufgezeigt habe, schreit direkt nach einer Reform des Gesetzes. Nur wenn diese durchgeführt sein wird, werden die Vorteile des Gesetzes über die Entschädigung der Berufskrankheiten voll zur Geltung kommen. Wir hoffen und wünschen nur, daß es dem Fürsorgeminister, der in seiner bisherigen Tätigkeit so großes soziales Verständnis und menschliches Empfinden an den Tag gelegt hat, gelingen möge, die Widerstände zu beseitigen, die sich ihm bei der Lösung dieser Aufgabe entgegenstellen werden.

Zum Schluß will ich noch ein Wort zu den Vorgängen sagen, die sich jetzt beim Bauarbeiterstreik in Nordböhmen abspielen. Es ist eine nackte, brutale Vergewaltigung, die seitens der Bauunternehmer an den Bauarbeitern begangen wird, gegen die wir auf das schärfste protestieren müssen. Bei diesem Kampfe haben die Bauarbeiter das Recht unstreitig auf ihrer Seite. Bekanntlich hat das Lohnschiedsgericht in Prag, also eine Einrichtung, die auf gesetzlichen Grundlagen beruht, die Löhne der im Baugewerbe beschäftigten Arbeiter für den Handelskammerbezirk Reichenberg in derselben Höhe wie im Vorjahre festgesetzt. Die Herren Baumeister haben sich aber über diesen rechtlichen Schiedsspruch kaltblütig hinweggesetzt und einen Lohnabbau von 10% vorgenommen. Außerdem wurden den Arbeitern Reverse zum Unterschreiben vorgelegt, wonach sie sich verpflichten sollten, zu den willkürlich erniedrigten Löhnen zu arbeiten, ansonsten die Entlassung erfolgt. Die Arbeiter haben darauf begreiflicherweise mit dem Streik geantwortet. Die Unternehmer setzten nun alle Hebel in Bewegung, diesen Streik zu unterdrücken. (Posl. Babel: Ihr selbst!) Sie hätten am allerwenigsten Ursache, etwas zu sagen, wenn Sie die Haltung betrachten, die Ihre Partei im Streikgebiet spielt. Der Unternehmerverband scheut sich sogar nicht, auf jene Unternehmer, die den Schiedsspruch einhalten, einen unerhörten Druck auszuüben, ja sie direkt zur Nichteinhaltung des Schiedsspruches zu zwingen. In diesem unglaublichen Entrechtungsfeldzug gegen die Bauarbeiter betätigt sich in besonders scharfmacherischer Weise der Sekretär des Unternehmerverbandes Dr. Pettera, der vor keiner Drohung zurückschreckt, um diesen offenkundigen Rechtsbruch bei allen Bauunternehmungen durchzusetzen.

Man sollte nun glauben, daß dieser durchaus gerechte Kampf der Bauarbeiter allseits Unterstützung finden sollte und daß zunächst die Behörden, die doch eine gewisse Verpflichtung dazu hätten, alles tun müßten, den Schiedsspruch des Prager Lohnschiedsgerichtes zur Geltung zu bringen. Das ist aber keineswegs der Fall. Statt daß die Behörden sich bemühen mitzuhelfen, um den Streik zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen oder wenigstens einen neutralen Standpunkt einzunehmen, ergreifen sie offen für die Unternehmer Partei. Speziell im Teplitz-Schönauer Bezi rke stellen sich die staatlichen Behörden offen in den Dienst der Baumeister. Sie haben kein anderes Mittel, als Gendarmerie und Polizei auf die Streikenden loszulassen. Jede Ansammlung der Bauarbeiter wird auseinandergetrieben, jedes Streikpostenstehen verboten. Das Koalitionsrecht ist aufgehoben. Mit einer Brutalität sondergleichen traktieren die Gendarmen die Arbeiter mit Gewehrkolben und Fußtritten. Der dortige Bezirkshauptmann ist nicht zu bewegen, dem rücksichtslosen Wüten der Gendarmerie Einhalt zu gebieten. Es scheint fast so, daß alles darauf angelegt wird, ein neuerliches Blutbad in diesem Bezirk heraufzubeschwören. Das skandalöse Verhalten der Behörden läßt die Annahme zu, daß sie mithelfen, diesen gerechten Streik abzuwürgen, und die Bauarbeiter zwingen wollen, den unverschämten Lohnabbau der Unternehmer anzuerkennen.

Wir verlangen daher von der Regierung, daß sie hier eingreift und die rücksichtslose, provokatorische Handlungsweise der Behörden gegen die streikenden Bauarbeiter sofort einstellt. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Blatné (viz str. 12 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Vorlage, die uns heute zur Beschlußfassung vorliegt, will eine Reihe von Ungerechtigkeiten beseitigen. Das schwerste Unrecht liegt darin, daß die èechoslovakische Gesetzgebung eine strenge Unterscheidung zwischen Entschädigung von Krankheiten und Entschädigung von Unfällen macht. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr Lukavský.) Eine solche Unterscheidung ist vom sittlichen Standpunkt aus nicht länger aufrechtzuerhalten. Es ist nicht nur moralisch nicht zu rechtfertigen, sondern auch absolut unlogisch, wenn eine Unterscheidung in der Entschädigung von Arbeitern gemacht wird, etwa von einem Arbeiter, er von einer Leiter abstürzt und sich dabei ein Bein bricht, und in der Entschädigung eines anderen Arbeiters, etwa eines Bleiarbeiters, der durch seine Tätigkeit jahraus jahrein, täglich, stündlich, chronisch sich durch kleine Giftmengen vergiftet und eventuell dadurch gänzlich arbeitsunfähig wird.

Die meisten der anderen Staaten haben längst das Unrecht, das in einer so strengen Unterscheidung liegt, erkannt, und so kam es bereits am 24. Juni 1927 anläßlich der internationalen Arbeitskonferenz in Genf zur Aufstellung einer Liste von Berufskrankheiten, die als entschädigungspflichtig gelten sollen. Die meisten Staaten haben diese Genfer Konvention nicht nur ratifiziert, nicht nur diese Richtlinien durch ihre Parlamente annehmen lassen, sondern sind im Geltungsbereich weit darüber hinausgegangen. Ja, die meisten dieser Staaten haben gar nicht auf die Genfer Richtlinien gewartet.

Die Schweiz war der erste Staat, der eine Gruppe von Berufskrankheiten gesetzlich als unfallversicherungspflichtig festgelegt hat, und zwar vor nahezu 60 Jahren. Schon am 23. März 1877 hat die Schweiz im sogenannten Fabriksgesetz den Grundsatz festgelegt, daß eine Reihe von Berufskrankheiten als entschädigungspflichtig gelten sollen, sie hat für Krankheiten, die man sich im Berufe zuzieht, das Prinzip der Berufsgefahr aufgestellt. Im Artikel 5 dieses Gesetzes wird gesagt, daß solche Krankheiten als entschädigungspflichtig gelten sollen. Seit nahezu 60 Jahren ist in der Schweiz die Liste der sogenannten Giftstoffe immer wieder erweitert worden, und die letzte Novellierung vom 20. August 1920 erfaßt bereits 82 sogenannte Giftstoffe. In Spanien bestehen analoge Bestimmungen seit dem 30. Jänner 1900. Griechenland hat sein Gesetz den französischen Bestimmungen nachgebildet. Portugal hat seine gesetzlichen Bestimmungen seit dem 10. Mai 1919 und Jugoslavien seit 1922. Sowjetrußland hat seit 1925 ausgezeichnete Bestimmungen über die Entschädigung der Berufskrankheiten, und zwar mit ruckwirkender Geltung vom 1. Jänner 1925. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika schließen von 42 Unfallentschädigungsgesetzen 6 durch die Fassung der Unfallsdefinition auch Berufskrankheiten ein. In Mexiko ist die Entschädigung gewisser Berufskrankheiten bereits durch die Landesverfassung festgesetzt. In Ecuador, in Japan, in Argentinien, in Brasilien bestehen seit langem gesetzliche Bestimmungen über die Entschädigung der Berufskrankheiten. In England gelang es im House of Commons am 6. August 1897, für bestimmte Berufskrankheiten, hinsichtlich derer eine allgemeine Meinung bestand, die gesetzliche Regelung der Unfallsverpflichtung durchzusetzen, dieselben Bestimmungen gelten seit diesem Zeitpunkte auch für alle britischen Dominions. In Deutschland kam am 12. Mai 1925 eine Verordnung heraus, die auch den Schneeberger Lungenkrebs umfaßt, und eine bestimmte Anzahl von Berufskrankheiten als versicherungspflichtig erklärte. Die Gesetze von Ungarn und Luxemburg sind auf demselben System aufgebaut, wie die reichsdeutsche Verordnung, und auch das èechoslovakische Gesetz, das uns heute zur Beratung vorliegt, ist auf einem ähnlichen System aufgebaut. Es erfüllt uns dabei mit einer besonderen Genugtuung, konstatieren zu müssen, daß unser èechoslovakisches Gesetz in seinem Geltungsbereich weit über die deutschen Bestimmungen hinausgeht. Das österreichische Gesetz über die obligatorische Unfallsversicherung kennt keine besonderen Bestimmungen über die Berufskrankheiten. Indessen erklären dort sowohl die durchführenden Behörden als auch die Schiedsgerichte in vielen Fällen die Berufskrankheiten als entschädigungspflichtig. Überdies kommt in Österreich dazu, zum großen Unterschied von der Praxis bei uns, die ja hier unser Parteifreund Katz sehr eingehend geschildert hat, daß die österreichische Unfallsversicherungsanstalt in Bezug auf die Berufskrankheiten eine sehr liberale Praxis einnimmt. Außerdem haben in Österreich die Krankenkassen - und mit besonderem Erfolg in Wien - große Anstrengungen gemacht, um das sanitäre und auch das hygienische Niveau der Arbeiterschaft zu heben. Das gilt ja wohl auch für die Èechoslovakei. Aber wenn wir uns, meine verehrten Herren und Frauen, die Gesetzgebung der verschiedenen Staaten betrachten und miteinander vergleichen, so müssen wir feststellen, daß die Èechoslovakei auf diesem Gebiete den traurigen Ruhm hat, neben einigen wenigen anderen Staaten, in der Hauptsache neben einigen Agrarstaaten, in denen Berufskrankheiten nahezu nicht vorkommen, in denen sie absolut keine Rolle spielen, hintennach zu marschieren. Erst durch die Annahme dieses Gesetzes kommt dieÈechoslovakei auf das soziale Niveau der einschlägigen Gesetzgebung der anderen Staaten und erfüllt eine selbstverständliche Pflicht gegenüber den arbeitenden Menschen. Erst durch die Annahme dieses Gesetzes kommt die Èechoslovakei in die Lage, die Genfer Konvention unterzeichnen zu können. Da gebietet es uns unsere Erkenntnis der sozialen Entwicklung in den verschiedenen Ländern, da gebietet es uns unsere Dankespflicht, bei dieser Gelegenheit des Ministers Dr. Ludwig Czech zu gedenken und zu konstatieren, daß erst ein sozialdemokratis her Minister kommen mußte, um diese arge Rückständigkeit zu beseitigen.

Das Gesetz enthält 26 Krankheitsgruppen, welche als versicherungspflichtig gelten sollen. Es wurden dabei die Erfahrungen des In- und Auslandes berücksichtigt. Da wir aber in der Èechoslovakei bisher die so außerordentlich notwendigen statistischen Erhebungen über die Berufskrankheiten nicht kennen, so mußte man sich eine gewisse Beschränkung auferlegen und konnten nur jene Berufsgruppen aufgenommen werden, über die bestimmte Erfahrungen vor liegen. Darum ist es zweifellos, wie auch der Artikel 7 sagt, in nächster Zeit, nachdem bestimmte Erfahrungen vorliegen, wahrscheinlich, daß weitere Krankheitsgruppen aufgenommen werden. Es ist ja auch höchstwahrscheinlich, daß durch die Entwicklung der Technik und der Industrie, daß insbesondere durch die Entwicklung auf dem Gebiete der chemischen Industrie, in naher Zukunft neue Berufskrankheiten entstehen werden, die diese Liste neuerlich erweitern werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die Genugtuung aussprechen, daß es durch die Beratung des sozialpolitischen Ausschusses gelungen ist, auch die Berufskrankheiten der Textilarbeiter und der Porzellan- und Glasarbeiter mit aufzunehmen, und ich möchte hier die Hoffnung aussprechen, daß es in der nächsten Zeit schon möglich sein wird, die Staublunge der Textil- und Glasarbeiter, dann den Spinnerkrebs und den Rheumatismus aufzunehmen, der durch die chemischen Auswirkungen der Industrie entsteht. Als eine spezifisch èechoslovakische Berufskrankheit ist auch der Joachimsthaler Lungenkrebs mit aufgenommen worden. Sie wissen ja, meine verehrten Herren und Frauen, daß so eine grausame Form des Lungenkrebses nur noch in einem einzigen Orte der ganzen Welt vorkommt, u. zw. nur in Schneeberg in Sachsen, und da er dort ebenfalls als entschädigungspflichtig behandelt wird. Es ist ein Fakt selbstverständlichster Gerechtigkeit, daß der Lungenkrebs der Joachimsthaler Arbeiter in diese Liste mit aufgenommen wird u. zw. in folgender Form: "Lungenkrebs, hervorgerufen durch Radiumstrahlen oder durch Radiumemanation". Und das ist gut so. Denn es war ein beliebtes Argument der Gegner der Regelung der Joachimsthaler Angelegenheit, sich immer darauf zurückzubeziehen, daß die Wissenschaft ihr letztes Wort noch nicht gesprochen habe. Der Streit der Wissenschaft ist aber nicht um das Wesen der Krankheit selbst gegangen, sondern lediglich um das Wesen des Krankheitserregers, ob Radiumstrahlen oder Radiumemanation, und darum finden wir die Formulierung dieser Bestimmung sehr glücklich gewählt.

Durch die Durchführung des Gesetzes ist den Joachimsthalern viel geleistet. Aber noch sind durchaus nicht alle ihre berechtigten Wünsche und Forderungen erfüllt. Wenn auch das Ministerium für soziale Fürsorge alles getan hat, was in seinem Wirkungskreise überhaupt in Bezug auf diese brennende Frage geschehen konnte, möchten wir fragen: Wo bleiben die anderen Faktoren, wo bleibt das Gesundheitsministerium? Wenn auch in den letzten zwei Jahren gewisse Maßnahmen durchgeführt werden, die Staubentwicklung im allgemeinen etwas herabzumindern, so ist die Staubentwicklung am Herd der Gefahr, im Zentrum der Gefahr, an der Einbohrstelle, genau so stark wie früher. Der Unterschied ist der, daß die arbeitenden Menschen den ganzen Tag in der Nässe zu arbeiten haben.

Wo bleiben die Blutuntersuchungen? Mein Parteifreund Abg. Katz hat bereits darauf hingewiesen, daß Herr Präsident Masaryk 300.000 Kè im Interesse der Joachimsthaler Arbeiter gespendet hat. Wo bleibt die so notwendige Durchlüftung der Gruben, wo bleibt die systematische Überwachung, wo bleibt das Arbeitsministerium? Wenn nun auch die alten Wünsche erfüllt und auf das ewige Drängen der Union der Bergarbeiter der vierwöchentliche Urlaub durchgeführt wird, so bleibt dies so lange eine halbe Maßnahme, als die übertagsbeschäftigten Menschen von dieser Regelung ausgeschlossen sind. Jahr für Jahr hat die Union der Bergarbeiter ihre Eingaben gemacht, die Wissenschaft hat sich gerührt. Die Unterkommission zur Erforschung der Berufskrankheiten in Genf, eine Unterkommission des Völkerbundes, hat ihre Richtlinien an die verschiedenen Staaten geschickt. Einer der bekanntesten und bedeutendsten Kenner dieser Sache Professor Julius Löwy hat gemahnt und gemahnt, aber seine Mahnungen sind ungehört verhallt. Die Abgeordneten Pohl, Brožík, die Senatoren Jarolim und Dr. Hollitscher haben Initiativanträge eingebracht. Die Union der Bergarbeiter hat Eingaben gemacht und diese mit erschütternden Zahlen belegt, von denen mein Vorredner Abg. Katz eine Anzahl genannt hat, die ich noch um einige wenige ergänzen möchte. Im Jahre 1928 starben an Lungenkrebs 2 Joachimsthaler Bergleute nach 16 bzw. 18 Dienstjahren, im Jahre 1929 9 Joachimsthaler Bergleute nach 13 bis 22 Dienstjahren, im Jahre 1930 5 Joachimsthaler Bergleute nach 14 bis 24 Dienstjahren. Im Vergleich zur Sterblichkeit in anderen Bergbaubetrieben, die ja ohnedies zu den besonders gefährlichen Arbeitsstätten gehören, ergibt sich Folgendes: Auf je 100 Mitglieder der Bruderlade entfallen im Jahre 0ÿ49 Todesfälle, in Joachimsthal 1.29 Todesfälle. Das Durchschnittssterbealter beträgt bei allen Bruderladenmitgliedern 43 Jahre, bei den Joachimsthaler Mitgliedern nur 37 Jahre. Diese Zahlen könnten sich fortsetzen lassen.

Die Bergbehörden erwidern uns immer, an der hohen Mortalitätsziffer der Joachimsthaler Bergarbeiter sei zum guten Teil die traditionelle Unterernährung der Erzgebirgler schuld. Es ist richtig: Die Erzgebirgler kennen das Hungern, auch in den Zeiten der Konjunktur ist dort die Sorge daheim. Es gibt kein Industriegebiet weit und breit, in Joachimsthal gibt es nur den staatlichen Bergbau, die staatliche Tabakfabrik, und das staatliche Kurhotel mit seinen Dependencen. Aber in die staatliche Tabakfabrik, in das staatliche Kurhotel und seine Dependencen werden deutsche Bergarbeiter nahezu nicht mehr aufgenommen. Trotzdem gilt das Argument nicht, denn während das Durchschnittsalter der Joachimsthaler ein niedriges ist, ist das Durchschnittsalter der Joachimsthaler Bergleute noch wesentlich niedriger, und während die Joachimsthaler Bergleute frühzeitig zugrunde gehen, leben die Frauen, die Witwen länger unter denselben Ernährungsschwierigkeiten, unter denselben schlechten Existenzmöglichkeiten. Ich wünschte nur, meine Herren und Frauen, Sie würden ein wenig herumstreifen in der herrlichen Natur des Erzgebirges und würden dort die Weiberdörfer kennen lernen, in denen die Bergarbeiterwitwen leben, die die Männer in der Blüte des Lebens verloren haben, sie dort eines schweren Todes sterben sahen, die Väter ihrer Kinder elend zugrundegehen sahen, nicht nur erfüllt von seelischem Leid, sondern bedrückt vom größten materiellen Elend; denn da ihre Männer frühzeitig starben, nur 15 bis 16 Dienstjahre hatten, wurde den Witwen die Provision nicht nach den besonderen Verhältnissen berechnet, sondern lediglich nach den kurzen Dienstjahren.

Darum frage ich: Wo bleibt die endliche Erledigung des Initiativantrages Pohl, Brožík, auf die wir schon lange warten? Die Kosten der Durchführung des vorliegenden Gesetzes, die den Versicherungsträgern auferlegt werden, stehen in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Vorteilen des Gesetzes. Denn hier wird nicht nur das schwere Unrecht beseitigt, das Unrecht, das zwischen der so verschiedenartigen Behandlung von Arbeitern liegt, es werden nicht nur die erkrankten Arbeiter jetzt bis zur vollständigen Herstellung einer Schädigung dem Betrieb entzogen, sondern es geschieht weiter darüber hinaus nach den Erfahrungen, die man überall im Ausland gemacht hat, Folgendes: Nunmehr liegt es im materiellen Interesse des Versicherungsträgers, die Krankheit schon rechtzeitig zu erkennen. Nunmehr liegt es im materiellen Interesse der Unternehmer, zur Verhinderung, zur Verbeugung der Erkrankung, zur Beseitigung der schädigenden Faktoren rechtzeitig die gewerbehygienischen Maßnahmen heranzuziehen. Hier wird nicht nur ein schweres Unrecht beseitigt, sondern es wird eine grundlegende Maßnahme Gesetz zur Erhaltung der Gesundheit, besonders der Gesundheit der in der Industrie beschäftigten Arbeiterschaft. Darum werden wir für dieses Gesetz stimmen.

Die Arbeit soll den Menschen nicht krank machen, die Arbeit darf den Menschen nicht zum Krüppel machen. Die befreiende Kraft, die der Arbeit innewohnt, soll den Menschen unabhängig und frei machen. Sie wird erst seine ganze Persönlichkeit entfalten. Das Gesetz, über das wir heute abstimmen werden, ist nur eine Etappe auf diesem Wege, aber es ist ein wichtiger Schritt zu unserem Ziel. (Potlesk.)

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