Hohes Haus! Jeder Bürger, der gezwungen ist, in diesem Staate zu wohnen und der eine vernünftige Wirtschaftspolitik vertrtritt, muß es begrüßen, wenn der Staatshaushalt, die Staatsfinanzen in Ordnung sind. Wir haben es deshalb mit Genugtuung empfunden, daß der Auße nminister Dr. Beneš im Außenausschuß offiziell die Erklärung abgab, daß die Finanzen des Staates in bester Ordnung sind, da wir sozusagen in der Èechoslovakei die glänzendsten Verhältnisse Europas haben.
Nun, meine Verehrten, kaum 6 Wochen nach dieser offiziellen Erklärung des Herrn Außenministers Dr. Beneš kommt uns nun der Herr Finanzminister mit der Überraschung, daß der Staatshaushalt ins Wanken geraten ist, und das in einer Zeit von 6. Wochen. Man nimmt doch die Äußerung eines Außenministers ernst oder soll sie ernst nehmen. Und es mutet nun eigentümlich an, wenn jetzt nach kaum 2 Monaten der Herr Finanzminister uns das Gegenteil von dem mitteilt, was der Herr Außenminister offiziell erklärt hat. Der Staatshaushalt ist ins Wanken geraten, und wie der Bericht des Budgetausschusses besagt, muß er um jeden Preis in Ordnung gebracht werden. Dieser Preis, meine Verehrten, wird ein sehr teuerer sein. Denn man will den Staatshaushalt durch eine Steuer in Ordnung bringen, die unsozial war und ist, durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer, mit welcher man nicht nur die großen Unternehmer, die vielleicht etwas noch zu verlieren haben, sondern die Kleinsten, ganz besonders den kleinen Gewerbetreibenden und auch den Konsumenten treffen wird, auf den ja schließlich und endlich die Steuer wieder abgewälzt werden muß.
Meine sehr Verehrten! Hunderte Millionen Reserven wurden von der jetzigen Regierungskoalition im Jahre 1929 übernommen, sogar Reserven aus dem laufenden Staatshaushalt. Diese Reserven sind weg, eine Anleihe nach der anderen wird gemacht. Auch diese Anleihen sind weg, Inlandsanleihe, Auslandsanleihe, und nun sind wir mit unserer Staatskunst fertig. Heute geht es an den Lebensnerv des Bürgers: Einführung neuer Steuern und Erhöhung bestehender Steuern. Es ist nicht genug daran, daß man in den letzten Monaten die Bahntarife erhöht hat, was in Wirklichkeit doch auch eine Steuer ist, nicht genug, daß man die Zündholzsteuer, respektive den Zündholzpreis erhöht hat, daß man Tabak und Bier verteuert hat, alles ist verschwunden und verbraucht und der Finanzminister findet noch immer nicht das Auslangen und man greift jetzt sogar zur Erhöhung dieser unsozialen Umsatzsteuer.
Meine Verehrten! Es hat lange gedauert, bevor der Kampf in der Koalition um diese Steuer formell beendet war, bevor man sich einig geworden ist. Man wollte nicht recht daran, weil man sich fürchtete, vor das Volk draußen hinzutreten. Als wir im Jahre 1926 in der Bürgerregierung der bloßen Verlängerung der Umsatzsteuer zugestimmt haben, wurden wir draußen in den Massen als Verräter an den Gewerbetreibenden und an den Unternehmern hingestellt, und dieselben Herren, welche uns als Verräter des Gewerbes hingestellt haben, stimmen heute nicht nur für die Verlängerung dieser Steuer bis 1935, sondern sogar für ihre Erhöhung. Deshalb hat man so lange Zeit gebraucht, bevor man sich darüber einig war; und wie man eben den Kuhhandel schon gewohnt ist, hat er sich auch beim Zustandekommen dieser Steuer wieder bewährt. Als man im Jahre 1923 die Umsatzsteuer eingeführt hat, war diese Steuer als vorübergehend gedacht, und wir haben im Laufe der letzten Jahre wiederholt angeregt, ihre Pauschalierung wenigstens für die meisten Bedarfsartikel vorzunehmen. Und was geschieht jetzt? Nicht nur keine Pauschalierung, sondern sogar eine Erhöhung! Und nun ist ein Zuckerl darin, das uns die Sache verdaulicher machen soll: Die Steuer beginnt erst bei einem Umsatz von 150.000 Kè! (Posl. Krumpe: Das ist ja Augenauswischerei!) Jawohl, das ist Augenauswischerei. Wir sind das aber schon gewohnt. Schon vor Wochen hat man von diesen 150.000 Kè gesprochen, dann hieß es auf einmal, es wird mit 100.000 Kè begonnen werden. Damit aber die Herren, welche gehandelt haben, wenigstens etwas für ihre Leute herausschlagen, hat man sich dann auf 150.000 Kè geeinigt. Das ist keine Umsatzbasis für - minderbemittelte kleine Geschäftsleute, Greisler und Gewerbetreibende mit einem 10%igen Reinertrag, mit einem Jahresreinerträgnis von 15.000 Kè, was in den Großstädten allein auf Miete aufgeht. Und wieviel Gewerbetreibende gibt es, welche nicht einmal 10% des Umsatzes verdienen! Die Vorlage ist insofern unsozial, weil ein Gewerbetreibender, bzw. Unternehmer mit einem Umsatz von 100.000 oder 150.000 Kè, der dabei 70.000 Kè verdient, denselben Prozentsatz Umsatzsteuer zahlt, wie einer, der nur 10.000 oder 15.000 Kè verdient, unsozial auch deshalb, weil sie bei einzelnen Konsumgegenständen oft zehnmal entrichtet werden muß, bei jenen Gegenständen, die nicht pauschaliert sind.
Meine Verehrten! Diese Umsatzsteuer bringt aber auch eine Verteuerung des Lebensniveaus, eine Verteuerung der wichtigsten Bedarfsartikel mit sich. (Souhlas.) In einer Zeit, wo wir ohnedies 7 Milliarden oder noch darüber Steuerrückstände haben, davon 3 Milliarden Umsatzsteuerrückstände, wagt man es noch, diese Steuer, die wir nicht imstande sind zu bezahlen, zu erhöhen. Man rechnet mit einem Erträgnis von 600 Millionen. (Posl. Krumpe: Ob man sich nicht verrechnet hat?) Man hat sich ganz bestimmt verrechnet. Denn, wenn diese 3 Milliarden Steuerrückstände heute schon bestehen, können wir uns eine Vorstellung machen, wie die 600 Millionen eingehen werden. Im Budgetausschuß hat einer der Herren sozialdemokratischen Kollegen erklärt: Wir brauchen diese 600 Millionen für die Arbeitslosenunterstützung. Meine Herren! Wir sind auch für die Arbeitslosenunterstützung, für jene, die schuldlos arbeitslos geworden sind. Auch wir unterstützen die Arbeitslosen, aber nicht auf Kosten des kleinen Mannes. Es heißt in dem Ausschußbericht, daß keiner der Oppositionsredner irgend eine Ersatzsteuer namhaft gemacht hat. Wiederholt wurde aber im Ausschuß darauf hingewiesen, daß man keine Ersatzsteuer braucht, um diese 600 Millionen hereinzubringen, sondern daß man einsparen kann im Kapitel "nationale Verteidigung", im Kapitel "Ministerium des Äußern" und auch wenn die Wirtschaft des Bodenamtes richtig geführt oder überhaupt unterbleiben würde, würde uns das diese 600 Millionen spielend bringen, die man uns jetzt durch diese unsoziale Steuer auferlegt. Man weist darauf hin, daß auch in Deutschland und Ungarn die Umsatzsteuer erhöht worden ist. Wir als dieser reiche Staat als Siegerstaat, wir wollen uns mit diesem armen ausgemergelten Deutschland und Ungarn vergleichen? Ich meine, es ist von uns nicht schön, daß wir uns mit diesen beiden Staaten vergleichen. Außerdem ist in diesen beiden Staaten die Umsatzsteuer nicht auf drei, sondern nur auf 2 1/2% erhöht worden. Also die besiegten, die ausgebeuteten Staaten haben eine Umsatzsteuer von 2 1/2% und unser reicher Siegerstaat geht sofort auf 3% hinauf. Es heißt weiter, die erhöhte Umsatzsteuer beginne erst mit 150.000 Kè, sie treffe ja den kleinen nicht. Von wem aber bezieht denn der Kleine seine Waren? Bezieht er sie nicht von dem, der über 150.000 Kè Umsatz hat? Er findet jetzt auf der Faktura nicht mehr 2%, sondern 3% Umsatzsteuer angerechnet. Diese 150.000 Kè sind also ein Bluff. Erstens muß schon ein mittlerer Kaufmann diesen Umsatz haben, wenn er ein reelles Geschäft hat, weil er sonst nicht leben kann und weil, wie schon gesagt, selten ein Geschäft über 10% Reinertrag vom Umsatz abwirft. Zweitens muß auch der Kleine, der nicht 150.000 Kè Umsatz hat, diesen Prozentsatz bezahlen, weil es ihm der Große in Rechnung stellt, nur mit dem Unterschied, daß es der Große zweimal bezahlen muß und der Kleine nur einmal an den Großen und nicht an den Staat.
Eine weitere Bestimmung in dieser Vorlage betrifft die sogenannten großen Unternehmungen. Früher war die Rede von zwei Filialen, jetzt hat man durch die tüchtige Arbeit des Ausschusses wieder soviel herausgeschunden, daß man von zwei auf drei Filialen geht, weil man sonst vielleicht der einen oder der anderen Großfirma zu nahe getreten wäre. Wer also drei Filialen hat, muß außerdem ein viertes Prozent Umsatzsteuer bezahlen. Siehe da, die Firma Baa kündigt jetzt schon Preiserhöhungen an und sagt: Früher hat es geheißen: Viel Umsatz und wenig verdienen, und in dem Staat machen Sie Gesetze nach der Devise: wenig Umsatz und viel verdienen. Wenn es aber nur so wäre, wenn nur die Möglichkeit bestünde! Nun, diese 4% sollen eigentlich die Firma Baa betreffen, man will dabei die lex Baa erledigen, die im vorigen Jahr, bevor wir in die Ferien gegangen sind, in dem sog. kleinen Arbeitsprogramm des Parlaments enthalten war. Man ist aber bis heute noch nicht dazugekommen, und diese 4% sollen diese lex Baa ersetzen. Wir verwahren uns entschieden dagegen, daß man damit vielleicht die Anträge, die diesbezüglich hier liegen, über Bord wirft und ad acta legt. Wir müssen darauf bestehen, daß den 60.000 Schuhmachern wenigstens die Reparaturen zukommen und daß man ihnen nicht den letzten Bissen vom Munde wegnimmt. Warum traut man sich denn nicht seitens der Regierungsparteien an die lex Baa heran? Ist es gar so schwer, der Firma Baa die Flick- und Reparaturarbeiten wegzunehmen und wieder den 60.000 Schuhmachern zu geben mit den 240.000 Familienmitgliedern, die darben und hungern? Dieses vierte Prozent ist also eine Augenauswischerei. Gehen wir doch auf den Kern der Sache, geben wir den Schuhmachern, was ihnen gebührt. Es beträgt per Schuh bei der Firma Baa die Mehrleistung ungefähr 50 Heller. Dadurch wird der Schuhmacher nicht einen Tag länger Arbeit haben, nicht eine Krone mehr verdienen. Wenn man schon dieses eine Prozent von den Großunternehmen, die ihre Filialen draußen haben, verlangt, dann gehört es sich auch, daß dieses eine Prozent jene kleinen Unternehmer bekommen, welche durch die großen Unternehmer zugrunde gerichtet worden sind. Ich habe deshalb einen Resolutionsantrag eingebracht, wonach diese 70% bzw. diese Krone - jetzt ist man ja heruntergegangen - dem Fond für arbeitslose Kleingewerbetreibende beim Sozialministerium überwiesen werden. Man hat in dem Staat für alle Geld, nur nicht für den Gewerbestand im allgemeinen und das Kleingewerbe im besonderen. Vor kurzem wurde im Sozialministerium ein zwei Millionen-Fond geschaffen; man wollte uns auch zeigen, daß man für die Kleingewerbetreibenden Verständnis habe; aus diesem Zweimillionenfonds sollen arbeitslose gewerbetreibende Heimarbeiter beteilt werden. Man hat sich das so gedacht, wie sich die Herren im Ministerium selbst äußerten, daß so ein armer Teufel, der schon jahrelang arbeitslos ist, wenigstens einmal 100 Kè bekommt. Als die Sache verlautbart war, waren binnen 14 Tagen schon 16.000 Anmeldungen beim Ministerium, so daß wir rechnen können, daß die Zahl der Anmeldungen solcher arbeitsloser notleidender Gewerbetreibender, auf 40.000 bis 50.000 steigen dürfte, so daß dann nicht mehr 100, sondern höchstens 20 bis 30 Kè auf einen arbeitslosen Kleingewerbetreibenden entfallen. Das ist ein Bettel, ein Hohn und deshalb habe ich beantragt, daß der Betrag, der aus diesem einem Prozent eingeht, dem Fonds überwiesen wird, weil durch diese großen Unternehmungen die Kleingewerbetreibenden hauptsächlich in Mitleidenschaft gezogen worden sind.
In dem Ausschußbericht wird uns noch eine schöne Sache vorgemacht, die Überwälzung. Man sagt: "Ihr braucht nicht bezahlen, ihr könnt die Steuer überwälzen." Das ist ganz schön. Wir Kleingewerbetreibenden können auf unsere Rechnung schreiben, zwei oder drei Prozent Umsatzsteuer oder 10 oder 12%, das ist ganz gleich, wir bekommen es doch nicht. Wir müssen froh sein, wenn man uns von unserer Rechnung nicht mehr abhandelt, als die 2 oder 3 % Umsatzsteuer. Auch die Steuerbehörden urteilen nur vom grünen Tisch. Wenn man heute in einer Steuerangelegenheit, Steuerrückstand oder. Steuerschuld in der Steuerabteilung des Finanzministeriums verhandelt, so heißt es: "Erwerbssteuer oder Einkommensteuer, da wollen wir Nachsicht üben, aber bei der Umsatzsteuer ist es anders, die habt ihr eingehoben und nicht abgeliefert, darum habt ihr den Staat betrogen." Das ist ein Urteil vom grünen Tisch. Die Herren sollen nur hingehen und arbeiten und dann die Faktura hinausschicken. Ein halbes Jahr wartet man, bevor man das Geld kriegt, dann bekommt man einen Teil und womöglich den Rest überhaupt nicht. Wenn man uns nicht mehr abhandelt als die Umsatzsteuer, so können wir von Glück reden. Mit der Überwälzung sieht es also nicht so aus. Ein Großunternehmen ist vielleicht in der Lage, diese Steuer auf den Kleinen zu überwälzen, aber wir Kleinen, die durch die Umsatzsteuer mehr in Mitleidenschaft gezogen sind, kommen für die Überwälzung nicht in Betracht.
So wie in den meisten oder fast allen Gesetzen sind auch wieder einige Unklarheiten in diesem Gesetz u. zw. im § 1, Abs. 3 und 4. Dort wird von der Pauschalierung gesprochen, es wird dem Finanzminister die Macht und das Recht gegeben, daß er diese Pauschalierung ausdehnen kann. Der Ausschuß sitzt wochenlang beisammen und auch in der Regierungskoalition hat man sich damit befaßt. Warum hat man nicht gleich das Verzeichnis der pauschalierten Gegenstände zur Hand genommen und auch andere dazugezogen? Warum heißt es: "kann" und immer wieder das ewige "Kann". Aus diesem "Kann" wird niemals eine Tatsache herauskommen. Es steht zwar im Gesetz, aber es wird niemals gehandhabt. Ich habe erwähnt, daß wir 7 Milliarden Steuerrückstände haben, von diesen ungefähr 3 Millarden Umsatzsteuer. Es liegt mir vollständig ferne, säumige Steuerzahler in Schutz zu nehmen, die in der Lage sind zu bezahlen. Mit großen Steuerschuldnern wird man sehr leicht fertig. Mit denen finden Ablaßverhandlungen statt, denen stehen ihre Rechtsfreunde zur Seite und es kommt nicht selten vor, daß man hört, daß diesem oder jenem Großindustriellen 40, 50, ja selbst 60 Millionen an Steuer abgeschrieben wurden. Aber um den Kleinen handelt es sich hauptsächlich und wie man gegen ihn bei der Eintreibung der Steuern vorgeht. Wir haben im Steuergesetz den § 276. Das Steuergesetz sollte die Steuermoral heben, und in diesem Paragraphen heißt es: "Bei Existenzgefährdung ist die Steuerbehörde berechtigt, die Steuern ganz oder teilweise zur Abschreibung zu bringen." Wir müssen aber feststellen, daß von diesem Paragraphen sehr selten Gebrauch gemacht wird. Hier muß ich auch feststellen, daß, je höher die Behörde, sei es das Ministerium oder die Finanzlandesdirektion, sie häufig desto entgegenkommender ist. Aber die unteren Behörden, die Steueradministrationen und die Steuerämter, gehen gegen die Steuerzahler unmenschlich vor. In den letzten 14 Tagen ist es in einem Steueradministrationsbereiche vorgekommen, daß man einem Landwirt wegen eines Steuerrückstandes von 90 Kè eine Kuh im Werte von 3.000 Kè aus dem Stall herausgeführt hat. Käufer sind dort nicht gewesen, aber man bringt sich schon den Fleischer oder den Käufer mit und er führt die Kuh weg. Die Kuh wird mit 1.000 Kè geschätzt, der Landwirt bekommt das übrige Geld heraus, er kommt aber um die 2.000 Kè, um die die Kuh niedriger geschätzt worden ist. Im selben Steueradministrationsbezirke hat man einem Sattlermeister wegen 185 Kè Steuerrückstände eine Maschine im Werte von 5.000 Kè gepfändet und weggeführt, weil kein Käufer dort gewesen ist. Es laufen die Rekurse, die Steuer wird abgeschrieben, die Rekurse werden aber nicht erledigt, und wenn die Steuer dann einmal bezahlt ist, sei es im Exekutionswege oder von selbst, bekommt der betreffende, wenn er auch im Rechte mit der Abschreibung gewesen ist, nur in den seltensten Fällen einen Heller zurück. Was einmal gezahlt ist, ist bezahlt, da gibts nichts mehr zu machen. Das ist die Praxis bei den Steuerämtern. Wir sind neugierig, wie es jetzt werden wird. Es kommen jetzt neue Arbeiten dazu. Rekurse laufen monatelang, oft über ein Jahr lang, werden absichtlich nicht erledigt und kommt die Partei zur Steueradministration, so kommt es oft vor - es gibt solche Steueradministrationen - daß man diesen armen Schuldner, der schon den Kopf über in Schulden steckt und aus ihnen nicht heraus weiß, noch höhnt und über ihn Glossen macht, um noch eine Amtsehrenbeleidigung zu provozieren; und dann ist der arme Mensch erledigt. Wir verlangen ein liberaleres Vorgehen bei den unteren Behörden, bei den Steuerbehörden in der Richtung, daß Exekutionen nicht durchgeführt werden, so lange der Rekurs läuft, daß man sich möglichst bemühe, die Rekurse etwas rascher zu erledigen. Wir wissen, daß in einzelnen Ämtern es oft eine Überhäufung an Arbeit gibt. Das ist aber keine Entschuldigung. Es gibt aber wieder Behörden, wo wenig Arbeitsmaterial vorliegt, wo in den Kanzleien die Leute zusammenstehen. Dorthin soll man die Steuerrekurse schicken zur Aufarbeitung.
Ich habe auch zu diesem Steuergesetz einen Resolutionsantrag eingebracht, wonach den Gemeinden wiederum 10% aus der Umsatzsteuer überwiesen werden sollen. Wir wissen, daß mit dem Gemeindefinanzgesetz die Gemeindefinanzen nicht in Ordnung, sondern in Unordnung gebracht worden sind, und daß selbst die Novellierung dieses Gesetzes aus den vergangenen Jahren das Gesetz nicht verbessert hat, es wurde nur der Namen des Fonds geändert, aus dem die Selbstverwaltungskörper jetzt unterstützt werden. Durch die 10%, die wir den Gemeinden überweisen würden, die mit ihren höchsten Umlagen nicht das Auslangen finden, könnten wir wieder einzelne Gemeinden sanieren. Ich bin nur begierig, ob der Herr Finanzminister einen derartigen Erlaß herausgeben wird oder ob die Gemeinden sich noch lange werden ansehen müssen, wie sie nichts unternehmen, keine produktive Arbeitslosenfürsorge durchführen können, weil ihnen die Mittel hiezu fehlen. Heute reicht es ja bei manchen Gemeinden nicht mehr dazu, um die Beamten und die laufenden Auslagen zu bezahlen. Erst vor 14 Tagen war eine Deputation des Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper beim Finanzminister, der die Unterstützung der Gemeinden zugesagt hat. Jetzt ist dazu die Möglichkeit, wo dieses Gesetz trotz unserer Opposition unverändert angenommen wird, nach der Annahme des Gesetzes den notleidenden Gemeinden wiederum 10 % aus der Umsatzsteuer zu geben, wie es schon früher einmal der Fall gewesen ist.
Die Ursache, warum wir mit unserem Gelde nicht das Auslangen finden, warum alles weg ist, die Reserven, die Inlands- und die Auslandsanleihen, warum neue Steuern eingeführt und bestehende erhöht werden, warum wir, die wir in einem reichen Staate leben und wohnen, nichts davon haben - es wurde im Ausschusse mehrmals betont, die Währung sei schuld, bzw. wir müssen diese Steuererhöhung durchführen um die Währung zu halten - die Hauptursache liegt in unserer ungünstigen Auslandspolitik. Gerade durch die ungesunde Auslands- und Handelspolitik vermehrt sich das Heer der Arbeitslosen von Tag zu Tag. Man beabsichtigt jetzt eine Donauföderation zu schaffen und geht herum wie die Katze um den Brei, um nur Deutschland auszuweichen, man will Deutschland nicht hineinhaben. Aber die Staaten, die man jetzt in der Donauföderation, in dem Donaubund zusammenstecken will, können nicht voneinander leben, sie essen sich von selbst auf, weil eine Wirtschaftseinheit Europas ohne Deutschland nie eine gesunde Wirtschaft mit sich bringen wird. Wir in der Èechoslovakei haben ganz besondere Veranlassung, uns dessen anzunehmen, weil Deutschland einer unserer größten Abnehmer gewesen ist. Unsere Ausfuhr nach Deutschland ist größer als die nach Österreich und Ungarn zusammen. Wenn man Deutschland mit Gewalt aus der europäischen Wirtschaft herausdrängen will, dann werden wir es erleben, daß man dasselbe Deutschland Rußland in die Arme treibt. Wir hatten 1930 und 1931 einen Export nach Deutschland und nach Österreich und Ungarn von 52 und 49%, nach Polen von 5.6% und 5.3%, England 7ÿ8% und 10 %, nach Frankreich 2.3% und 3ÿ5 %, Rumänien 3.4% und im letzten Jahre nur 2ÿ6 %; also Deutschland, Österreich und Ungarn haben uns im Jahre 1930 52% unserer gesamten Ausfuhr und im Jahre 1931 49% abgenommen, die anderen Staaten kommen als Abnehmer überhaupt fast nicht in Betracht. Daß mit unserer Ausfuhr der Inlandsmarkt in ganz enger Verbindung steht, ist erwiesen. Je mehr wir exportieren können, desto weniger Arbeitslose werden wir hier haben. Unsere gesamte Ausfuhr ist vom Jahre 1930 auf das Jahr 1931 von 17ÿ5% Milliarden auf 13 Milliarden gesunken und wenn wir uns die gesamte Handelsbilanz zur Hand nehmen, finden wir, daß das Jahr 1930 mit 159 Millionen aktiv ist und das Jahr 1931 mit 73 Millionen passiv ist. Meine Herren! Das spricht Bände, hier liegt die Ursache der Arbeitslosigkeit, die Ursache der Not bei uns im Staate und das ist auch die Ursache, warum sie jetzt zu Mitteln greifen, diese Übelstände auszugleichen, die alles andere als sozial sind.
In der letzten Zeit ist eine neue Absperrungsmethode bei uns eingetreten und leider haben sich 17 europäische und 8 überseeische Staaten diese Absperrungsmethode, die sogenannte Devisenwirtschaft zu eigen gemacht. (Posl. Horpynka: Wie viel Devisen bekommt Dr. Beneš zugeteilt, wenn er nach Genf geht?) Sehr richtig! Man muß staunen, wenn man um eine Devisenbewilligung ansucht. Heute wird sie untersagt mit der Begründung, daß es im Prinzip gelegen ist, diese oder jene Artikel nicht hereinlassen zu können und zu dürfen. Wenn man aber drei oder vier Tage später kommt, oder jemanden anderen hinschickt, bekommt er diese Bewilligung. Eine Woche darauf ist es wieder anders. Man greift hier in die Aktion der Wirtschaftsministerien ein. Die Ausfuhragenda ist eine Sache der Wirtschaftsministerien und wir haben sie durch die Devisenverordnung vollständig der Nationalbank überwiesen. Durch die Devisenwirtschaft ist natürlich der Auslandshandel weiter unterbunden, denn wir dürfen doch nicht rechnen, wenn wir jetzt vom Auslande nichts herein lassen und wir uns an die Devisenbewilligung binden, daß man gegen uns nicht ebenso vorgeht.
Durch die Drosselung des Auslandshandels tritt eine Vermehrung der Arbeitslosigkeit ein. Die 600 Millionen aus der Steuer sollen den Arbeitslosen überwiesen werden. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß dies auch ohne diese 600 Millionen Steuererhöhungen geht, daß wir diesen Betrag durch Ersparungen hereinbringen können und daß es das Wichtigste ist, daß wir endlich einmal Schluß machen mit der fortschreitenden Arbeitslosenunterstützung, und Schluß können wir nur dann machen, wenn wir zu einer vernünftigen Auslandshandelspolitik übergehen, daß wir diesen engen chauvinistischen Selbsterhaltungstrieb der Kleinstaaterei endlich einmal beiseite lassen und uns umsehen um jene Wirtschaftsgebiete, mit denen wir eine gesunde Wirtschaft führen können. Denn auf die Dauer wird es sich nicht halten. Wenn heute die Donauföderation gebildet wird und Frankreich mit seinen Goldschätzen dahinter steht, um dieses neue Gebilde zu unterstützen und zu sanieren, so ist es ungesund, weil diese Unterstützungen sich auf die Dauer nicht halten können, weil die Staaten sich selbst erhalten müssen. Geradeso ist es bei uns mit der Arbeitslosenunterstützung. Auf die Dauer kann es nicht gehen. Wir müssen eine Produktion suchen, wir müssen Arbeit suchen, denn einmal hört sich das Spiel mit den Steuererhöhungen und dem Schuldenmachen auf. Das Schuldenmachen hat sich schon selbst aufgehört, denn wir haben sowohl im Inland als auch im Ausland fast keinen Kredit mehr. Jetzt geht man daran, den Bürger im Inlande noch durch neue Steuern zu schröpfen. Das hält sich aber auch nicht auf die Dauer, weil dadurch wieder eine Anzahl kleiner Existenzen zugrunde gerichtet wird.
Man sagt uns, daß man die 600 Millionen für die Arbeitslosenunterstützung braucht. Wir Deutschen haben die meisten Arbeitslosen. Wir sollten eigentlich an dieser Arbeitslosenunterstützung ein Interesse haben. Wir haben es auch, aber nicht aus diesen Mitteln. Wir Deutschen haben die meisten Arbeitslosen, weil wir recht stiefmütterlich im Staate behandelt werden. Ich verweise da nur auf unsere Steinindustrie. In meinem Bezirk allein liegen 10.000 Waggon Würfel und wenn man im Nachbarbezirk Königgrätz eine Straßenpflasterung ausschreibt, nimmt man statt des schlesischen Steines den Skuèer Stein oder anderen, nur damit der schlesische Stein nicht verarbeitet wird, damit er dort liegen bleibt und immer mehr Arbeitslose bei uns werden. Bisher haben wir uns mit unserer Steinindustrie noch halbwegs gehalten. Aber jetzt sind wir auch da mit unserer Kunst fertig. In kleinen Bezirken liegen 10.000 Waggons Würfel. Die Unternehmer können nicht mehr weiter und wir müssen die Arbeiter der Steinindustrie entlassen, weil das Lager nicht abnimmt, weil man unseren deutschen Stein, obwohl er der beste ist, nicht nimmt, weil er sabotiert wird. Es ist deshalb kein Wunder, daß die Anzahl der Arbeitslosen bei uns Deutschen bedeutend größer ist als bei den Èechen.
Das Gesetz wird, trotzdem wir dagegen sprechen, angenommen werden. Wir warnen aber davor, daß man wieder mit der Eintreibung der Steuern so weiter vorgeht, wie bisher. Denn ein großer Teil der Steuerzahler, der bis jetzt die 2 % Umsatzsteuer nicht bezahlen konnte, wird auch die 3 % nicht bezahlen können. Wir verlangen vom Finanzministerium, daß es die Weisung an die Finanzlandesdirektionen herausgibt, wonach die Steueradministrationen angewiesen werden bei der Eintreibung sowohl der Rückstände als auch der neuen Steuern menschlich vorzugehen. Wir warnen auch vor neuen Belastungen. Gestern hat auf der Sophieninsel eine große Protestversammlung des Bäckergewerbes stattgefunden, weil man beabsichtigt, die Hefepreise gleich um einige 100 Prozent zu erhöhen. Nun haben sich diese Berufe zusammengeschlossen und der Regierung energisch zu verstehen gegeben, daß es mit ihrer Geduld bald zu Ende wäre. Und wir warnen auch vor der neuerlichen Biersteuererhöhung, die in Aussicht genommen ist, sowie vor jeder neuen. Belastung des kleinen Mannes, weil sie sich schließlich und endlich wieder auf den Arbeitslosen und auf den armen Konsumenten abwälzen muß. Wir sehen, daß wir mit der Klassenpolitik, wie sie jetzt in den letzten Jahren geführt wird, nicht vorwärts kommen. Uns hat man vernadert, als wir für die Verlängerung der Steuer gestimmt haben, und dieselben Leute stimmen nicht nur für die Verlängerung, sondern für die Erhöhung der Steuern. Wir bekämpfen diese Klassenpolitik, weil sie keine gesunde Wirtschaftspolitik ist, und verlangen eine gesunde Politik, eine Wiri schaftspolitik, die nicht nur unsere Wirtschaft, unseren Außenhandel und unsere gesamte Großwirtschaft belebt, sondern auch bis in das Mark des kleinsten Mannes eingreift. Dann erst werden wir Frieden und Ruhe im Lande bekommen, dann erst werden wir die Arbeitslosigkeit wieder eindämmen können. Denn unser Arbeiter will keine Arbeitslosenunterstützung, sondern Arbeit haben. Diese Arbeit müssen wir zuerst beschaffen, dann erst die Unterstützungen.
Wenn wir ernstlich daran gehen,
wieder Arbeit im Staate zu schaffen, dann wird sich das soziale
Problem von selbst lösen. Wir müssen diese Vorlage ablehnen, weil
sie an das Mark des Bürgers greift, weil sie eine Drosselung seines
ohnedies schmalen Einkommens bedeutet und weil sie nicht volkswirtschaftlich
ist, sondern unwirtschaftlich und die Anzahl der Arbeitslosen
noch vermehren muß. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Vor uns liegt der Gesetzentwurf, mit welchem die Präsenzdienstzeit in der èechoslovakischen Armee endlich auf 14 Monate herabgesetzt wird. Wenn wir zu diesem Antrag Stellung nehmen, so tun wir dies aus unserer ernsten Auffassung heraus, daß wir uns verantwortlich fühlen für das Wohl und Wehe der auf Grund der gesetzlichen Bestimmung alljährlich einberufenen Rekruten und vor allem der Rekruten unseres sudetendeutschen Volksstammes.
Der Referent zu diesem Antrag Koll. Špatný hat in seiner Begründung eine Reihe von Dingen vorgebracht, die unbedingt einer Erwiderung bedürfen. Bevor ich mich aber diesen seinen Ausführungen zuwende, möchte ich vor allem einige Worte über den eigentlichen Zweck dieses Gesetzes verlieren. In der Öffentlichkeit wurde vor allem von den sozialistischen Parteien der Gesetzantrag in der Richtung begrüßt und begründet, daß er die Aufgabe habe, unter besonderer Berücksichtigung der derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse einen Abbau der ungeheuer hohen Militärlasten herbeizuführen. Die Sozialdemokraten, und zwar sowohl die deutschen als auch die èechischen Sozialdemokraten, haben dies nicht nur in Wort und Schrift verkündet, sondern sogar am 1. Dezember 1931 in Form eines Antrages, und zwar eines Antrages der Abg. Pohl, Heeger, Hummelhans, Srba, Stivín, Pik, Winter und Gen. unter Druck Nr. 1565 niedergelegt, und in diesem Antrag haben sie die Einführung der regelmäßigen 12monatigen Präsenzdienstzeit verlangt. Es ist wohl interessant, auf die Begründung dieses Antrages hinzuweisen und dann diese Begründung mit der Begründung des Regierungsantrags in Vergleich zu ziehen, für den heute die gleichen Sozialdemokraten ihre Stimme erheben werden. In der Begründung des sozialdemokratischen Antrages heißt es wörtlich: "Die außerordentliche wirtschaftliche Not erfordert dringend, daß die größten Ersparungen in den Ausgaben des Staates durchgeführt werden. Der Aufwand für die Erhaltung der Wehrmacht bildet den größten Voranschlagsposten. Durch Verkürzung des militärischen Präsenzdienstes würden große Ersparungen des Ministeriums für nationale Verteidigung und an den Staatsausgaben erzielt werden, ganz abgesehen davon, daß sie ein neuer Beweis für die friedliebenden Bestrebungen unseres Staates wäre und zugleich ein beispielgebendes Muster für die Abrüstungskonferenz, die im nächsten Jahr in Genf stattfinden soll." Diese Begründung muß man sich gut merken, wenn dem vorliegenden Regierungsantrag die Einbringer des vorgenannten Antrages, den ich zur Verlesung gebracht habe, nun ebenfalls zustimmen, und besonders, wenn man sich außerdem die Ausführungen des Generalberichterstatters vor Augen führt. Die gesamte Öffentlichkeit hat also erwartet, wenn es endlich einmal zur Herabsetzung der Präsenzdienstzeit kommen wird, daß damit vor allem neben einer persönlichen Erleichterung für die einrückenden Rekruten diese mit einem bedeutenden Ersparnisse an Militärausgaben verbunden sein wird.