Pátek 27. listopadu 1931

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 149. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 27. listopadu 1931.

1. Øeè posl. dr Rosche (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr geehrten Herren! Wenn wir in der Generaldebatte über das Budget sprechen, müssen wir doch auch einen Standpunkt dazu beziehen, wie sich die Kritik verhalten soll. Und da glaube ich, daß heute die Kritik sowohl der Opposition als auch der Mehrheitsparteien sich nur in einer Richtung bewegen kann, mit Rücksicht auf die Krise, nämlich zu helfen. Es ist merkwürdig, daß heute die Politik eigentlich meistens im Kampf um die Macht besteht, wobei ein bestimmtes Drücken um die Führung und Verantwortung zu konstatieren ist. Die Kritik müßten wir doch eigentlich so führen, daß wir jederzeit in der Lage sind, die Verantwortung zu übernehmen, und sie so zu gestalten, daß sie in dem Momente wahr ist, wo man die Verantwortung übernimmt. Es lassen sich die Verhältnisse heute absolut nicht allein vom Standpunkt des Gefühls beurteilen. Wir müssen mit Verstand und Vernunft die Dinge sehen, so, wie sie in Wirklichkeit sind. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß es heute keinen Zweck hat, allzusehr in der Vergangenheit herumzuwühlen, allzusehr darüber zu reden, was wir hätten machen können, sondern, daß es viel wichtiger ist, darüber zu reden, was wir machen sollen.

Wenn man die Debatte über das Budget hauptsächlich im Ausschuß - verfolgt, so muß man konstatieren, daß im Grunde genommen meistens über die Vergangenheit gesprochen wird. Am allerwenigsten wird über die Zukunft gesprochen, die uns doch heute eigentlich die allergrößten Sorgen macht. Wir leben in einer Entwicklung, die in einem vervielfachten Tempo vorwärts eilt, wir leben in einer Zeit, wo sich die Verhältnisse überstürzen, in einer Zeit, wo das Wort von gestern heute nicht mehr wahr ist, in einer Zeit, wo wir nicht wissen, was das Morgen bringt, in einer Zeit, wo Erörterungen, Reden, die vor 14 Tagen, vor einem Monat gehalten wurden, eigentlich wie Märchen aus verklungenen Zeiten anmuten, sie klingen wie aus einer Zeit, von der wir alle sagen, damals war es besser. Und doch liegt diese Zeit ganz kurz zurück. Wenn wir heute sehen, daß es noch nicht einen Monat her ist, wo Ministerpräsident Udržal, Außenminister Dr. Beneš, Minister Trapl und am 28. Oktober Herr Präsident Masaryk gesprochen haben, wenn wir diese Reden kritisch betrachten, so finden wir, daß sie zum großen Teil nicht mehr wahr sind, nicht mehr wahr sind in dem Optimismus, der darin zum Ausdruck gebracht ist. Das Traurige bei der ganzen Sache ist aber doch, daß wir eigentlich alle zusammen vor einer vollständigen Ratlosigkeit stehen. Vor dieser Ratlosigkeit stehen nicht nur die Wirtschaftsführer der kapitalistischen Ordnung, vor dieser Ratlosigkeit stehen auch die Wirtschaftsführer der sozialistischen Planwirtschaft, aus dem einfachen Grunde, weil beide in die allergrößte Verlegenheit kommen und in dieser Verlegenheit sind, wenn sie vor die konkrete Frage gestellt werden: "Wie machen wir es anders?" Traurig ist es, daß wir eigentlich aus dem großen Chaos heute noch nicht einen einzigen Lichtblick herausschimmern sehen, der uns berechtigte Hoffnung zu einer Besserung gibt. Ich glaube, daß der recht hat, der sagt: "Wir leben in einer so ernsten Zeit, daß es absolut unrichtig wäre, heute nach festgelegten Programmen vorgehen zu wollen, daß wir uns heute damit beschäftigen, ich weiß nicht, welche großen Probleme lösen zu wollen, die eigentlich eine ungeheuere Zeit erfordern würden." Jawohl, wir diskutieren darüber, wir führen die Diskussion gegenseitig ab über diese Dinge, aber entscheidend ist in der heutigen Zeit, in der Zeit der sich überstürzenden Ereignisse, die Entscheidung über die Frage, wie wir das Morgen verbringen, wie wir den nächsten Tag erleben.

Eines glaube ich in dieser ernsten Stunde sagen zu dürfen: Es macht den Eindruck, als ob sich heute die Politik, als ob sich heute die Diplomatie nicht des Ernstes der Zeit in dem Maße bewußt wäre, daß sie sähe, wie leicht unter den gegebenen Verhältnissen, unter denen 60 bis 70 Millionen Menschen leiden, die Führung ihren Händen entgleiten kann. Es ist, glaube ich, auch ein großer Fehler, daß wir eigentlich immer eine Politik machen wollen, die nach unserem Willen geht, statt unter dem Zwang der Verhältnisse nur eine solche Politik, die möglich ist. Heute entscheidet in der Politik nicht das Wollen, sondern das Können, und wir dürfen wohl das Eine konstatieren, daß heute allenthalben die Politik doch größtenteils in Mißkredit geraten ist. Ich erlaube mir da auf eine Episode hinzuweisen, die mir persönlich passiert ist: Ich bin unlängst nach Hause gefahren und in meinem Abteil saßen zwei Mitreisende, die über die Verhältnisse sprachen. Da sagte der eine als Schlußsatz seiner Weisheit: "Man soll sämtliche Politiker totschlagen, an die Spitze Wirtschaftsführer setzen und in acht Tagen ist die Sache in Ordnung." (Posl. inž. Jung: Das war bestimmt ein Faszist!) Das weiß ich nicht, Herr Kollege. Ich habe übrigens eine ähnliche Zeitungsnachricht gelesen, die offenbar recht spaßhaft klingt, derzufolge ein Fleischermeister das Begehren gestellt hat, sämtliche Politiker abschlachten zu dürfen. Man lacht über diese Dinge, aber Eines kommt durch die breite Masse zum Ausdruck - die Ansicht, daß die Politik nicht imstande ist, die Dinge zu ändern.

In dem Zusammenhange möchte ich mir doch in der Einleitung den einen Satz gestatten, daß in diesen kritischen Verhältnissen gerade die 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen das korrekteste Verhalten an den Tag gelegt haben und ich möchte die èechische Seite besonders auf dieses korrekte loyale Verhalten seitens der Sudetendeutschen aufmerksam machen, das sie unter allen Umständen respektieren müßten. Wir werden, wenn wir über unsere Krone sprechen werden, auch davon zu reden haben, daß auch in dieser Hinsicht die Sudetendeutschen die Nerven, die Vernunft behalten haben, während wir gefunden haben, daß ein großer Teil der Èechen trotz des bezeichneten Patriotismus glatt von der Krone davongelaufen ist.

So sehen wir die Dinge als deutsche, als bürgerliche, aber auch als oppositionelle Abgeordnete. Und in diesem Zusammenhang auch ein Wort über die Opposition. Präsident Masaryk sagte: "Ich würde fast sagen, daß es uns gerade an einer richtigen, kritischen und dadurch mitschaffenden Opposition gebricht." Wenn wir von den Kommunisten absehen, die doch eine gesonderte Behandlung erheischen, können wir wohl mit Fug und Recht sagen, daß die gewaltige Mehrheit, wie sie heute besteht, eigentlich doch nicht eine derart starke Opposition hat, die ihr zu schaffen macht. Es werden mir vielleicht die Herren Nationalsozialisten in diesem Punkte nicht ganz recht geben wollen. (Posl. Knirsch: So ist es!) Aber trotzdem sage ich, daß heute die Opposition, wenn sie auf deutscher Seite zusammengeschweißt wäre, zu den Verhältnissen eine ganz andere Stellung beziehen könnte, als sie es in Wirklichkeit tut. (Posl. inž. Jung: Nur ist das die Kunst, das Zusammenschweißen!) Koll. Jung, dem Gedanken bin ich jedenfalls näher als Sie. (Posl. inž. Jung: Das Ziel haben wir aufgestellt!) Herr Kollege, über die Zusammenarbeit und über die gegenseitige Verständigung ist schon so viel gesprochen worden, und wenn ich die konkrete Frage an Sie stelle: Sind Sie bereit, zusammenzugehen? Bitte, geben Sie doch im Hause sofort Antwort! (Posl. inž. Jung: Auf Grund eines bestimmten Zieles gewiß, nicht aber ziel- und planlos!) Das ist natürlich einem Politiker gegenüber ein schwerer Vorwurf. Ich habe absolut nicht die Absicht, Ihnen mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Aber Herr Kollege, ob es das richtige Ziel ist, das Sie verfolgen? (Posl. Knirsch: Die Selbstverwaltung ist kein Ziel?) Über die Selbstverwaltung kein Wort. Die Selbstverwaltung ist nicht ihr allein Eigentum als Nationalsozialisten, sie ist genau so Eigentum der anderen deutschen Parteien. Sie haben kein Vorrecht, die Selbstverwaltung allein in Anspruch zu nehmen. (Posl. Knirsch: Das haben wir niemals getan!) Die Verhältnisse werden zeigen, ob die nationalsozialistische Bewegung die ist, die dem deutschen Volke draußen im Reich und hier in der Èechoslovakei allein weiterhilft. (Posl. Knirsch: Wir haben den Glauben und den Willen dazu!) Den Glauben haben auch wir und das ist die Hauptsache, daß wir gegenseitig guten Willen haben. Es läßt sich aber damit nicht nur Politik machen, daß man einfach sagt: "Ihr müßt alle nationalsozialistisch werden." Heute ist die Zeit dazu da, daß man eher eine Politik der Zusammenarbeit und des Zusammengehens macht, nicht aber sich im gegenseitigen Kampfe aufreibt. (Posl. Knirsch: Das ist doch nur ein Wortspiel. Man muß doch einen klaren Weg zeigen; es ist doch eine Täuschung, wenn man sagt: Schließt Euch zusammen, ohne klares Ziel!) Herr Kollege, es würde in der Budgetdebatte zu weit führen, wollte ich mich heute mit Ihnen über dieses Thema weiter auseinandersetzen. Ich bin dazu gerne an anderer Stelle bereit.

Was ich sagen will, ist die Tatsache des vollständigen Mißachtens der Opposition auf èechischer und auf deutscher Regierungsseite. Ich erinnere mich, daß ich mit Herrn Justizminister Meissner anläßlich der Steuerreform 5 Monate im Budgetausschuß gesessen bin. Fast bei jeder dieser Sitzungen sprach Dr. Meissner über die schmähliche Behandlung der Opposition; und heute, wo er als Justizminister in der Koalition sitzt, schert er sich absolut nicht um die Opposition genau so wie die anderen. (Posl. inž. Jung: Genau so wie Kollege Bergmann im Jahre 1926 gegen die Beamtengesetze aufgetreten ist, jetzt aber für sie eintritt!) Aber was wir feststellen müssen, ist das eine, das heute auch Ministerpräsident Udržal und Finanzminister Trapl absolut kein Wort für die Opposition haben. Wenn jemand über die Opposition gesprochen hat, so ist es Dr. Beneš gewesen. Das müssen wir ohne weiteres zugeben. Aber energisch müssen wir den Standpunkt des Abg. Rýpar, eines Funktionärs, eines Vizeprßsidenten des Budgetausschusses, in seiner Einstellung zur Opposition entgegentreten. Er hat wörtlich gesagt: "... die Opposition, die nichts anderes macht, als daß sie herkommt, ihre Reden aufsagt, aber sie weiter an gar keiner Arbeit, als ernste Opposition beteiligt". Und dieser Mann hat die Stirn noch hinzuzufügen: "Es wäre eine Schwäche dieser wirklich strebsamen, staatsschöpferischen Mehrheit, wenn sie eine solche Opposition beachtete, die sich an staatsbildender Arbeit nicht beteiligt." (Výkøiky.) Ich erkläre, daß Rýpar im Budgetausschuß diese unerhörte Behandlung der Opposition ungestraft vornehmen konnte und ich erkläre Schade, daß Herr Rýpar nicht hier ist - daß er weit von jener christlichen Nächstenliebe entfernt ist, die er als Priester vertreten sollte. Es ist ein Skandal, daß dieser Mann sich auch noch getraut, in einem Atem in derselben Debatte darüber zu sprechen, daß die Èechen sich mit den Sudetendeutschen schon 100%ig ausgeglichen haben und ein größerer Ausgleich ungesetzlich wäre. Während Präsident Masaryk, während Švehla, Èerný, Macek, Beneš und andere prominente Leute des èechischen Staates, sich darüber klar sind, daß etwas zu geschehen hat, müssen wir von Herrn Rýpar uns dies gefallen lassen. Vielleicht könnte man die Sache damit abtun, daß man den Menschen einfach nicht ernst nimmt. Im Grunde genommen müßte aber auch die èechische Seite zugeben, daß sie heute mit Ausnahme der Kommunisten doch eigentlich keine grundsätzliche Gegensätzlichkeit in der Opposition hat; daß die Opposition sich mit demselben Ernste mit den Dingen beschäftigt, wie die Regierungsmehrheit; das kann man mit Fug und Recht sagen.

Wenn ich heute in diesem Zusammenhange ein paar Worte über die Krise mir erlauben darf, so müssen wir feststellen, daß wir in unheimlich rascher Zeit, von dem Beginn der Krise in der Landwirtschaft und der sogenannten Industriedepression zur allgemeinen Krise, zur europäischen, zur Weltwirtschaftskrise gekommen sind, daß wir zu der allgemeinen Wirtschaftskrise die Finanzkrise, die Kreditkrise, die Vertrauenskrise und wenn Sie wollen, die Staatskrisen bekommen. Die Weltwirtschaftskatastrophe ist in ein entscheidendes Stadium getreten und die internationale Kooperation wird schleunigst beginnen müssen, wenn nicht alles verloren sein und sich in ein Chaos auflösen soll. Es ist traurig, daß wir bei Besprechung der Krise fast schon eine Krisenfestigkeit feststellen müssen. Ein typisches Beispiel dafür, in welchen Verhältnissen wir leben, ist das eine, daß Deutschland seit dem Jahre 1924 bis zum heutigen Tage für Arbeitslosenunterstützung beinahe 104 Milliarden èechische Kronen ausgegeben hat. Das ist eine Ziffer, die ungefähr mehr als dem elffachen des Verwaltungsbudgets der Èechoslovakei entspricht. Wir leben im Zeichen einer europäischen Verwirrung und eines europäischen Chaos, das sich zu einem erbitterten Wirtschafts-, Zoll- und Devisenkriege auswächst. Wir leben in einer vollständigen Katastrophen- und Panikstimmung, die hauptsächlich durch das Eintreten der Kreditkrise verursacht ist. Dazu kommen die vielen Wirtschaftsskandale, die allenthalben auffliegen. Wenn wir diese Wirtschaftsskandale so recht betrachten, sind sie eigentlich danach angetan, den noch vorhandenen Rest des Vertrauens der Bevölkerung zu ertöten. (Posl. Geyer: Es sind Verfallserscheinungen!) Nicht allein Verfallserscheinungen, solche werden wir in jeder Bewegung konstatieren. Verfallserscheinungen, oder Erscheinungen, die gegen das Programm einer Partei oder sagen wir gegen die planmäßige Wirtschaft gehen, werden zu allen Zeiten auftreten. Aber es wird sich darum handeln, in welchem Ausmaß und in welcher Höhe sie auftreten. (Posl. Geyer: Die Progression ist jetzt schon groß genug!) Das bestreite ich nicht, das habe ich gerade behauptet. Was wir in der gegenwärtigen Zeit am schwersten empfinden, ist das Hinzukommen der Kreditkrise zur Wirtschaftskrise, weil die Kreditkrise jenes Moment ist, das den letzten Rest der freien Bewegung in der Wirtschaft lahm legt. Wir stehen im Zeichen der Aufkündigung des Kredits, im Zeichen der Kreditverweigerung, der Kreditverneinung. Die Kreditkrise würde sofort eine Behebung erfahren, wenn die Bevölkerung Vertrauen zu den Dingen haben könnte und Aussicht auf die Zusammenarbeit der Völker bekäme. Es sind doch ganz merkwürdig, daß sich heute die gescheitesten Leute den Kopf über die Ursachen der Krise zerbrechen; es hat z. B. ein reichsdeutscher Professor es zustandegebracht, 163 Ursachen der Krise auszurechnen, aber dabei nicht eine einzige Abhilfsmaßnahme gebracht. Was wir vor allem beachten müssen, ist der Kardinalsatz, daß wir unter den gegebenen Verhältnissen keine Besserung bekommen können, wenn nicht in gedeihlicher Entwicklung bald ein bestimmtes Maß der Zusammenarbeit der Staaten und Völker erfolgt. Ohne diese internationale Zusammenarbeit in ruhiger Entwicklung werden wir nicht auskommen und keine Besserung finden, und die verantwortlichen Männer mögen sich doch einmal das eine vor Augen halten, daß es auf die Dauer unmöglich ist, 60 bis 70 Millionen Menschen, die unmittelbar von der Krise betroffen werden, mit Theorien und Phrasen abzuspeisein, wenn es ihnen nicht gelingt, ihnen Arbeit und Brot zu verschaffen. Wir haben eigentlich wenig Lichtblicke. Wenn wir international Umschau halten, so sehen wir die verschiedenen Chequers, zwischen Deutschland und England, zwischen England und Frankreich, zwischen Frankreich und Deutschland und wieder zwischen Deutschland und Frankreich, wir sehen das Chequers ausgedrückt in dem Besuch Lavals in Washington, wir sehen auf der einen Seite den Völkerbund in den primitivsten Dingen versagen, wie er nicht imstande ist, den Konflikt zwischen China und Japan beizulegen und wie er anderseits an Autorität einbüßt. Das sind Dinge im internationalen politischen Leben, die wenig Ausblick auf Besserung geben; und doch steht das eine fest, daß heute, europäisch gesehen, die Dinge sich nur werden ändern und bessern, wenn ein anderes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich eintritt. Wie weit die Dinge vorgetrieben sind, wie weit sich in dieser Hinsicht eine Besserung erwarten läßt, kann heute noch nicht gesagt werden. Wenn wir heute die Rede Lavals in der französischen Kammer durchlesen, so sieht man, daß man auch auf französischer Seite noch nicht so weit ist, die eigentliche Situation in Europa zu erkennen und so tief einschneidend zu ändern, daß wirklich Abhilfe zu erwarten ist. Wenn ich heute das Ding beim rechten Namen nennen soll, so habe ich das Gefühl, daß das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich derart ist, daß bildlich ausgedrückt Frankreich die Hand an der Gurgel von Deutschland hat und ihm nur so viel Luft läßt, als unbedingt zum Leben notwendig ist. Wenn wir die Dinge recht sehen, so wird zwangsläufig auch in Frankreich bald eine andere Auffassung eintreten müssen, weil Franknkreich bereits mit vielen Milliarden Passivum in der Handelsbilanz arbeitet; und wenn Sie die Reden des französischen Handelsministers verfolgen, so werden Sie heute schon manche andere Auffassungen beobachten. Heute geht Frankreich schon zum Schutzzollsystem über, es versperrt auch Baa die Grenze und geht daran, seine eigenen Arbeiter in der Schuhindustrie zu schützen und Baa mit hohen Zöllen zu belegen. Über dieses Kapitel werden wir dann noch ein paar Worte miteinander sprechen.

Wenn wir die Zeit betrachten, so darf ich wohl den einen Satz mit einflechten, daß es fast den Eindruck macht, als ob wir Menschen in dieser kritischen Zeit, in der wir leben, nicht mehr ohne eine bestimmte Lebensauffassung und Lebensphilosophie auskommen werden. Denn die Dinge werden in ihrer Entscheidung auch vielfach von unserer Anerkennung des Menschentums und der Menschenwürde abhängen, abhängen von dem Standpunkt, ob wir Menschen nicht auch uns selbst etwas bessern müssen, ob wir nicht einen bestimmten höheren Grad von Menschenliebe werden aufbringen müssen, daß wir von diesem konzentrierten Egoismus abrücken und die Not der anderen betrachten müssen. Heute gibt es keine Theorien allein, heute werden wir ohne diese bestimmte Lebensphilosophie, daß wir Menschen gegenseitig zusammenrücken müssen, nicht auskommen, heute werden wir Menschen ein bestimmtes Maß von Menschenliebe hineintragen müssen, um die Moral zu heben, die durch Krieg und Nachkriegsverhältnisse uns aus den Händen geglitten ist. Sie hören heute die reichsten Leute über die Verhältnisse sprechen, Menschen, die noch im Überfluß leben. Lauter schöne Reden, und wenn Sie sie fragen: "Was hast Du für die Armen getan?", da stellt es sich heraus: "Nichts." (Sehr gut!) Dieses Maß von Lebensphilosophie werden wir als Ergänzung zur Regelung der Dinge in Europa und in der ganzen Welt brauchen. Wir dürfen nicht übersehen den Satz, den ich anfangs erwähnt habe: Wir leben in einer Zeit, wo der Gang der ruhigen Entwicklung der Dinge nur noch kurze Frist übrig hat. Wir leben in einer Zeit, wo sich die Führung in Politik und Diplomatie darüber klar werden muß, daß wir der gewaltsamen Regelung der Dinge näher sind, als wir alle glauben. Ob es dann besser werden wird, weiß ich nicht. Oder sind wir so weit, daß wir uns heute schon zum bolschewistischen System bekennen wollen? In der Zeit, in der wir leben, zeigen sich Anomalien, die eigentlich dem normalen Gang der Dinge vollständig widersprechen. Wir leben in einer sehr schlechten Zeit, sehen aber, daß die Staaten mit neuen Erhöhungen der Steuern und so¿ialen Lasten kommen müssen. Wir sehen die Anomalie: Auf der einen Seite Überproduktion, auf der anderen Seite Mangel und Hunger. Wir sehen die Anomalie, daß wir einerseits in der Wirtschaft einen geringen Beschäftigungsgrad haben, auf der anderen Seite die größte Geldknappheit. Wo eigentlich die größte Geldflüssigkeit herrschen müßte, haben wir die größte Geldknappheit. Ich bin in der Lage, darüber später ein paar Worte zu sprechen. Wir leben in einer Zeit, wo Menschen, die sonst dem Freihandel huldigen, geschworene Schutzzöllner geworden sind, vielleicht in richtiger Erkenntnis der Dinge. Ich werde auch darauf zu sprechen kommen. Wir leben in einer Zeit, wo alle die Notwendigkeit der Entlastung von Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft konstatieren, auf der anderen Seite aber neue Belastungen beschließen. Wir leben in einer Zeit der verringerten Einnahmen und der vergrößerten Ausgaben; es wird die größten Schwierigkeiten machen, Widersprüche zu überwinden. Haben wir den Höhepunkt der Krise erreicht? Nein! Kein Ausblick, von keiner Seite, daß wir den Höhepunkt schon erreicht hätten.

Ein paar Worte zur Krise in der Èechoslovakei. Präsident Masaryk, die Minister Udržal, Beneš und Trapl legen in ihren Reden einen großen Optimismus an den Tag. Richtig, man kann ohne Optimismus nicht auskommen. Aber ich glaube, daß heute die Zeit da ist, weder im Pessimismus noch im Optimismus zu machen, wir müssen die Zeit so sehen, wie sie wirklich ist. Sie ist so, daß wir in der Èechoslovakei schon längst hätten erkennen müssen, daß die sogenannte Inseltheorie falsch ist. Es ist unmöglich, daß wir das Land sein und bleiben können, wo es überall und allenthalben besser geht, wenn rings um uns die Dinge schlechter werden. Das Eine steht fest, daß auch die Èechoslovakei in den Strudel des wirtschaftlichen Chaos hineingetrieben wird. Wenn wir heute den Ausweis der Nationalbank lesen, heißt es: Die Wirtschaftssituation bleibt schwer, der Druck vom Ausland her ist dauernd im Steigen. Der Außenhandel charakterisiert so recht die Situation, in der wir leben. Unser Außenhandel betrug im Jahre 1929 40.4 Milliarden, ist 1930 auf 33.1 Milliarden gesunken und in den ersten acht Monten 1931 auf 16 Milliarden. Sollen wir heuer auf 20 oder 25 Milliarden kommen, so entspricht das einer Einbuße von mehr als 20 bzw. 15 Milliarden. Ich will heute nicht von den Ursachen der Weltwirtschaftskrise und der Teilnahme der Èechoslovakei an diesen sprechen. Die Èechoslovakei ist in den Strudel der Vertrauensund Kreditkrise hineingezogen worden. Das beginnt bei der österr. Creditanstalt in Wien. Die Plaite der Creditanstalt in Wien verschärft die Kredit- und Vertrauenskrise in Deutschland und in ganz Europa, sie ist aber auch zum Teil mit die Ursache des Beginns der Kredit- und Vertrauenskrise in der Èechoslovakei. Seitdem die Creditanstalt fallit wurde, ist ein gewisser scharfer Abzug der Auslandsguthaben bei uns erfolgt. Es ist dies ungefähr ein Betrag von rund zwei Milliarden. Dazu ist natürlich die Thesaurierung im Inland gekommen, die man auch mit beiläufig einer Milliarde abschätzen kann. Wir haben dann den erhöhten Bedarf der Zuckerkampagne und überhaupt des Herbstes bekommen. Wir sehen auf der anderen Seite die zum großen Teil eingetretene Lahmlegung von Handel, Gewerbe und Industrie mit ihren ausländischen Forderungen, deren Einziehung durch die Devisenvorschriften gehemmt, zum Teil unmöglich gemacht wird. Dadurch ist natürlich eine große Verknappung des Geldes eingetreten. Wir haben heute eigentlich kein Geld und es muß der Finanzminister die größten Anstrengungen machen, sowohl bei der Behandlung des Budgets, als auch bei der Aufbringung der Mittel, als auch in der Stellungnahme zu den Steuerrückständen, um die Staatswirtschaft im Gange zu behalten, ohne dabei die Volkswirtschaft zugrunde zu richten. Wir sehen, daß heute die Volkswirtschaft zum großen Teil entlastet werden müßte, während die Finanzverwaltung gezwungen ist, bei der Einstellung eines großen Teiles der èechischen Mehrheit zum Budget, der Wirtschaft neue Lasten aufzuhalsen. Es wird aber auch auf èechischer Seite die Erkenntnis kommen, daß Abstriche beim Nationalverteidigungsministerium und beim Außenministerium gemacht werden können und müssen. Wenn Sie heute hinhorchen und Hampl und Patejdl sprechen hören, so sprechen sie von der notwendigen Abrüstung, die erfolgen muß, spricht Patejdl von dem Rüstungswahnsinn. Es ist auch auf èechischer Seite schon die Erkenntnis eingetreten, daß diese Dinge nicht so weiter gehen können. (Výkøiky.) Deswegen können wir ganz ehrlich sagen, daß wir auch in der Èechoslovakei nicht in den rosigsten Verhältnissen leben.

Bestimmt ist der Satz richtig, daß es in der Èechoslovakei noch besser geht als anderswo. Aber ich erkläre, daß es bei uns schlecht genug geht und daß die Frage auftaucht: "Wie lange geht es uns noch so, wie lange sind wir noch in der Lage, von besseren Verhältnissen bei uns zu sprechen?" Vergessen Sie das Eine nicht, daß die Devisenbewirtschaftung, daß die Einführung von Kompensationen, des Kontingentierungswesens, des Regimes der Ein- und Ausfuhrbewilligungen, der Einführung von Schutzzöllen Zwangsmaßnahmen sind, die uns eigentlich in die unmittelbare Nachkriegszeit führen. Das waren die Charakteristika der unmittelbaren Nachkriegszeit, jene Zwangsmaßnahmen, die eigentlich danach angetan sind, jede Entwicklung in kultureller, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Beziehung lahm zu legen. Diese Zwangsmaßnahmen sind imstande die Wirtschaft zu ersticken.

Wenn wir heute sehen, daß sich die Devisenbewirtschaftung in 16 Ländern eingei führt hat, wenn wir sehen, daß England zum Schutzzollsystem übergegangen ist, wenn wir sehen, daß dieses System schon auf Frankreich übergeht, wenn wir sehen, wie diese Devisenvorschriften imstande sind, den letzten Rest der Bewegungsfreiheit für das ganze Wirtschaftsleben zu ersticken, so müssen wir zugeben, daß wir zwangsläufig in Verhältnisse geraten sind, die alles andere als schön sind. Ich möchte aber doch sagen, daß wir in unserer Objektivität in der Kritik Demagogie unter allen Umständen vermeidend, anerkennen, daß auch die Èechoslovakei gezwungen ist, derartige Maßnahmen aufzunehmen. Es wäre demagogisch, heute nicht anzuerkennen, daß die Èechoslovakei eben in diesem Strudel der ganzen wirtschaftlichen Umgebung mitschwimmen muß, und es wird einmal zur Diskussion kommen müssen, ob es nicht vielleicht besser wäre, die Verhältnisse zwangsläufig zu forcieren, um endlich eine Besserung herbeizuführen. Denn man gewinnt durch die Maßnahmen den Eindruck, als wenn man einem sukzessiven Absterben entgegenginge. (Posl. dr Macek: Zcela správnì!) Wir sollten eher mit Rücksicht auf die ganze Umgebung, da ja nicht allein wir auf das Ausland angewiesen sind, sondern umgekehrt auch das Ausland auf uns, einmal gegenseitig die Zwangsmaßnahmen zur Diskussion stellen, ob wir nicht auch zu dieser verschärften Bewirtschaftung übergehen sollten. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen, ich bin nicht Anhänger des Schutzzolles, ich bin nicht Anhänger der Einfuhrbewilligungen, der Devisenbewirtschaftung, im Gegenteil; aber ich muß anerkennen: wenn die ganze Umgebung sich mit diesem Devisenzäunen versieht, die ganze Umgebung dieses Einund Ausfuhrbewilligungssystem aufrichtet und Schutzzölle einführt, so ist es für die Èechoslovakei unmöglich, davon keinen Gebrauch zu machen. Dabei müssen wir bis zum Heutigen Zeitpunkt ohne weiters anerkennen, daß die Èechoslovakei in ihren Maßnahmen lange nicht der rigoroseste Staat ist im Vergleich zu den anderen. Wir haben noch lange nicht das Schutzzollsystem, wie es England eingeführt hat, oder wie es Frankreich einführt (Posl. Šeba: Také Nìmecko!); auch Deutschland, es macht dieselbe schlechte Politik, aber auch Jugoslavien und Rumänien, wir müssen gerecht sein und auch die anführen. Aber wir haben noch lange nicht dieses ausgebildete Ein- und Ausfuhrsystem und lange nicht diese scharfen Devisenvorschriften, wie sie beispielsweise Österreich und Ungarn hat. Vergessen wir doch das eine nicht, daß wir bei der Beobachtung der Dinge konstatieren müssen, daß die Devisenvorschriften nicht mehr allein den Zweck verfolgen, die Währung zu schützen, sondern daß sie den Zweck verfolgen, die Wirtschaft, die heimische Produktion zu schützen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Die Devisenvorschriften sind in erster Linie da, die Währung zu schützen; heute finden Sie in Österreich, in Ungarn und besonders in Bulgarien zum Ausdruck gebracht, daß die Devisenvorschriften zum Schutze der heimischen Produktion da sind. Dort liegt der gewaltige Fehler, der gewaltige Unterschied, weil wir durch diese Verhältnisse eigentlich in die restlose Unmöglichkeit der Regelung unserer handelspolitischen Beziehungen kommen. Heute kann kein Mensch einen vernünftigen Handelsvertrag abschließen; er kann ihn noch so schön machen, wenn er nicht imstande ist, gleichzeitig die Regelung der Devisenwirtschaft mit zu behandeln, so nützt er nichts, denn die Staaten sagen: "Da lassen wir uns nicht hineinreden." Jede Handelspolitik, jeder Handelsvertrag wird durch die Devisenbewirtschaftung, wie wir sie jetzt in den europäischen Staaten haben, zunichte gemacht, und ich erkläre Ihnen, daß es heute für die Geschäftswelt ungeheuer schwer ist, ein Geschäft zu führen; das Exportgeschäft hat mit den Schwierigkeiten der eigenen Devisenvorschriften, des Ein- und Ausfuhrbewilligungssystems und des Schutzzollsystems zu kämpfen. Dazu kommen noch die Devisenvorschriften und Zwangsmaßnahmen der Umgebung. Im Grunde genommen muß jeder Geschäftsmann mutlos werden, weil er nicht ein und aus weiß.


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