Die Schlußankündigung des Herrn Finanzministers sollte eigentlich der Anlaß sein, daß der Budgetausschuß sofort wieder zusammentritt, um über Sinn und Inhalt seiner Ausführungen ins Klare zu kommen und vor allem den bisherigen Budgetvoranschlag nur als Provisorium zu erklären, bis die wirkliche ziffernmäßige Voranschlagsfestsetzung fertig ist. Das wäre meiner Ansicht nach das einzig richtige ini einem solchen Zeitpunkt. Nicht mit Ausnahmen drohen, nicht Gesetze in die Beratung des Voranschlages einschalten, die an und für sich wieder vollständige Veränderungen des Voranschlages selbst mit sich bringen, sondern dem Parlament im Voranschlag reinen Wein einschenken und eine vollständige Klarheit über die Gebarung des nächsten Jahres ihm rechtzeitig verschaffen, nicht Formalitäten, sondern Inhalt dem Parlamentarismus geben. Es ist Bedingung für eine wirklich parlamentarische Verhandlung des Voranschlages, daß das Parlament selbst die Staatswirtschaft des kommenden Jahres bestimmt. Aber leider ist es nicht so bei uns. Wir legen entschiedenste Verwahrung dagegen ein, daß wieder nach den letzten Worten des Finanzministers der Schwerpunkt in die Regierungsbeschlüsse gelegt wird, die über das Parlament hinweg die eigentliche Entscheidung bringen. Wir sehen eine solche Ankündigung als Ausschaltung des Parlaments und als Vorläufer der ohnedies vom Ministerpräsidenten, allerdings zensuriert, angekündigten Diktatur an und erheben im Namen des Parlamentarismus entschiedenste Verwahrung gegen solche neue Methoden in der Behandlung des Staatshaushaltes. Überdies legen wir noch eine ganz besondere Verwahrung auch dagegen ein, daß etwa auf verwaltungstechnischem Gebiete, wie die Formulierung lautet, Änderungen des Staatshaushaltes sozusagen legitimiert werden. Diese Änderungen sind ja ohnedies leider gang und gäbe, da jedes Jahr der Voranschlag ohne die geringsten Änderungen des Parlaments angenommen wurde, im Rechnungsabschluß sich aber zeigte, daß zwar das Parlament zum Jahresvoranschlag nichts dreinzureden hatte, daß aber die Bürokratie Einnahmen und Ausgaben so bestimmte, wie sie wollte. Und jeder Jahresabschluß war eine Blamage für das Parlament. Der Voranschlag, wie er angenommen war, war im Rechnungsabschluß weit überschritten und die Genehmigung des Rechnungsabschlusses war gleichzeitig eine Indemnität für die Selbständigkeit der Kassagebarung, der Wirtschaftsgebarung durch die Bürokratie.
Wir haben das immer schon peinlich empfunden. Es hat sich nichts gebessert; aber wenigstens war das noch früher etwas mundgerechter dadurch gemacht, daß es niemals offiziell zugegeben wurde, daß derartige praktische Folgen aus den Beschlüssen des Parlaments über den Staatsvoranschlag entstanden; derzeit aber, wo das bereits angekündigt ist als Sparmaßnahme auf verwaltungstechnischem Gebiete, sehen wir das als reinen Triumph der Bürokratie an, gegen den wir ebenfalls entschiedenst Verwahrung einlegen müssen, zumal nicht die Sachkenntnis, nicht die Arbeit der Bürokratie da allein in Betracht kommt, sondern bei den verschiedenen Ministerien gleichzeitig die Parteistellung der Minister selbst. Wir wissen, daß eines der größten Übel, das sich hier eingebürgert hat, der Umstand ist, daß nahezu jedes Ministerium den äußeren Anstrich einer Parteifarbe trägt und daß unsere Ministerien nur Parteiministerien sind. Diese Machtvollkommenheit, die damit eingeräumt wird, können wir nicht gutheißen und wenn wir hundertmal hören, daß die betreffenden Herren Minister Vertrauensmänner nötig hätten, so müssen wir uns doch ganz entschieden dagegen verwahren. Nur eine parteilose Führung der Zentralverwaltung kann Gewähr für eine objektive Staatsverwaltung sein, die wir unentbehrlich brauchen.
Es ist zweifellos, daß der Ernst der Zeit zur Besonnenheit zwingt, auf der andern Seite aber ein Erfordernis braucht, das bisher leider viel zu viel und häufig gefehlt hat, nämlich die Aufrichtigkeit. Es wird jetzt als Losung für die Sanierung der Weltkrise überall ausposaunt, daß ei Dinge notwendig sind, damit sich die Verhältnisse zum Besseren wenden: erstens Sparsamkeit, zweitens Sicherheit. Bei beiden gewichtigen Worten ist aber der Inhalt verloren gegangen. Leider sind diese Worte nur mehr Schlagworte geworden, mit denen man gerade das bekämpft, was man eigentlich machen sollte, womit man täuscht über wirkliche Sparsamkeit und womit man täuscht über wirklich ehrliche Tendenzen, die Sicherh eit allüberall und unter allen Umständen zu gewährleisten. Hierzulande sind auch als Ersparungsmaßnahmen Heilmittel bereits angekündigt, wie z. B. die Vorlage über die Verwaltungssparmaßnahmen, welche bereits heute in diesem Hause im Druck aufgelegt worden ist. Ersparungen am rechten Fleck wird niemand bekämpfen, was aber an Opferbereitschaft verlangt wird, muß Opferbereitschaft aller sein, ebenso wie die Gewähr vorhanden sein muß vorbehaltloser Gerechtigkeit bei Aufteilung der Opfer. Demgegenüber hat man sich aber diesmal bei uns wieder zuerst auf die Staatsbeamten gestürzt und sie als erste Opfer der Sparmaßnahmen in Aussicht genommen.
Ich bin überzeugt, daß mit dieser Methode der Wirtschaft nicht geholfen werden kann. Die Senkung der Kaufkraft ist ohnedies eines der Grundübel unseres Wirtschaftslebens. Diese Verminderung der Kaufkraft noch dadurch zu verschärfen, daß man weiten Schichten des Beamtenstandes, deren Familien und Angehörigen den Lebensstandard noch mehr drosselt und erniedrigt, ist sicher keine Grundlage des Aufstiegs der Wirtschaft, wie er von dieser Maßnahme erwartet werden sollte. Ich bin überzeugt, daß dieser Vorgang ganz verfehlt ist, wie überhaupt das Prinzip der Senkung der Kaufkraft durch Zwangsabbau an Löhnen und Gehältern. Es wäre viel richtiger, das Gegenteil anzuwenden, nämlich der Volkswirtsch aft mehr Mittel zuzuführen, damit durch Umlauf und Absatz eine Belebung des Marktes und der Wirtschaft eintreten könnte. Ich möchte die Wirtschaft mit dem menschlichen Organismus vergleichen, der auch an allen Organen Schaden nimmt, wenn man ihm Blut nimmt. Das Blut sind in dies em Falle die Geldmittel, und diese, dem gesellschaftlichen Organismus im Staate entzogen, bedeuten eine Schwächung und Schädigung der übrigen Organe und des Organismus im ganzen. Dieses falsche Prinzip, weiter ausgeführt, kann zu nichts anderem führen als zur größeren und noch gesteigerten Verelendung, nicht aber zu einer Besserung der Wirtschaftsverhältnisse. Wenn die einzelnen Maßnahmen, die da in Betracht gezogen sind, noch im besonderen erwähnt werden müssen, so bin ich der Ansicht, daß speziell mit der Kürzung der Weihnachtszulage ein schwerer Mißgriff geschieht.
Ursprünglich als Bluff im Vorjahre von der neuen Koalition als 13. Monatsgehalt großartig verkündet, hat sich ohnedies dieser 13. Monatsgehalt bereits im Vorjahr als ein Schein herausgestellt, der wieder nur eine Teillösung darstellt, indem ja nicht der volle Gehalt eines Monates, sondern nur 70% des Grundgehaltes zur wirklichen Auszahlung gelangten, weshalb der Name dann auch verschämt in "Weihnachtszulage" umgeändert werden mußte. Wenn diese Zulage damals ein gesetzlicher Anspruch wurde, so besteht er unserer Meinung nach auch heute noch aufrecht. Zur Zeit, wo der Weihnachtsmarkt unmittelbar vor der Tür steht, in der schweren Wirtschaftskrise noch das Einkommen der Statsangestellten zu kürzen, halten wir für vollkommen unberechtigt und als eine schwere Schädigung der Interessen der öffentlichen Angestellten. Wir sind uns bewust, daß diese Ersparnis, die angeblich im Gesamtbetrag von 290 Millionen erwartet wird, zum Nachteil der gesamten Volkwirtschaft sein wird, und daß sie sich bereits am Weihnachtsmarkt nicht nur bei den Kaufleuten, in Handel und Gewerbe, sondern auch bei der Industrie ungünstig auswirken wird. (Výkøiky.)
Diese Maßnahme ist jedenfalls ungeeignet, als Sparmaßnahme am rechten Platz angesehen zu werden. Nicht minder gilt dies aber auch von jenen weiteren Verfügungen über die Staatsangestellten, die halt unmittelbar in der Hand der Regierung sind und über die man sehr leicht herrschen kann: Aufnahmssperre und Beförderungsstillstand. Zwei Dinge, die ebenfalls eine Schädigung des Staatsapparates mit sich bringen müssen, da sie ausnahmslos ganz undurchführbar sind und sicherlich nicht geeignet sind, den Arbeitseifer und die Arbeitsfreudigkeit der Staatsangestellten zu heben.
Wenn man diese Maßnahmen sieht und demgegenüber weiß, daß die Arbeit im Staatsdienste ständig wächst, daß die bevorstehende Wohnungsverteuerung nicht mehr abzuwenden ist, daß die Steuern, Abgaben und Gebühren ständig erhöht werden und daß deshalb das allgemeine Schicksal der Festbesoldeten einer sehr traurigen Zukunft entgegengeht, so muß man es besonders verwunderlich finden, daß gerade in einer sogenannten sozialen Zeit eine Koalition, welche so sozialistisch durchsetzt ist, mit diesen Sparmaßnahmen vor das Haus tritt. Es wird immer die Systemisierung vorgeschoben als der eherne Panzer, über den man nicht hinauskann. Meine Damen und Herren! Es ist, wenigstens vielen Mitgliedern des hohen Hauses, bisher nicht gelungen, die Geheimnisse der Systemisierung zu entschleiern. Das ist ein Geheimbündel von Hausnummern für uns, wir wissen nicht, was es ist, wir hören nur immer ein Schlagwort, die Systemisierung, als ewiges Hindernis dafür, daß das natürliche geschieht, daß nämlich für Tüchtigkeit und Fleiß ein freies Fortkommen ermöglicht wird.
Wenn dem so ist, daß die Maßnahmen der Aufnahmssperre und des Stillstandes der Beförderungen sowie die Erschwerung der Aufnahmen durch die Systemisierung ein Hindernis sind für die Befriedigung der berechtigten Forderungen der Staatsangestellten, und wenn daran derzeit nichts geändert werden kann, so fordern wir, daß wenigstens eines wieder gutgemacht wird, was wir seinerzeit bei dem Gehaltsgesetz des Jahres 1926 mit Rücksicht auf die erhöhten Gehalte aufgehoben haben: die Wiedereinführung der Zeitvorrückung, welche der einzige Ausgleich sein kann, um die wirtschaftliche Senkung der Kaufkraft und der Einkommensverhältnisse der Staatsangestellten einigermassen zu paralysieren.
Diese Maßnahmen werden ja noch Gegenstand der Debatte in diesem Hause sein. Ich will nur unsere entschiedenste Verwahrung dagegen vorwegnehmen, daß diese Maßnahmen als gerechte Sparmaßnahmen verkündet werden.
Eine weitere Maßnahme, welche wahrscheinlich via facti als Sparmaßnahme gelten soll, welche aber für die Festbesoldeten und deren Interessen schwere Nachteile bereits gebracht hat, ist das Altpensionistengesetz, von dem man sich auch so viel versprochen hat und das nicht die Erwartungen erfüllt hat, die daran geknüpft wurden, durch die Verschleppung der verschärften und zum Teil gesetzwidrigen Durchführungsbestimmungen. Dadurch hat man die Vorteile des Gesetzes nahezu zunichte gemacht. Ich verweise auf die Denkschrift der Organisation der staatlichen Ruheständler und ich erkläre mich im Namen meines Klubs identisch mit ihren Forderungen. (Potlesk.) Wir sehen, daß da ein Spiel getrieben wird, das verderblich ist und das von unserem sozialen Standpunkt aus von uns entschieden verurteilt werden muß.
Ein neues Kapitel, wo ebenso nachweisbar ist, daß die Sparmaßnahmen sicher am unrechten Platze durchgeführt werden, ist die Frage der Krisenhilfe im allgemeinen. Wir sind der Ansicht, daß die 11 Millionen für die Ausspeisung der Ausgesteuerten oder nicht einbezogenen Arbeitslosen ein Bettel sind, und daß damit eine wirkliche Krisenhilfe gar nicht platzgreift. Wir sind überzeugt, daß es ganz anderer Maßnahmen bedürfen würde, wenn man wirklich der Wirtschaftskrise der Ärmsten der Armen, der Arbeitslosen, beikommen wollte, z. B. durch eine ausreichende Sanierung der notleidenden Gewerkschaftskassen. Versprechungen wurden wiederholt schon gegeben, aber die Einlösung ist bis heute nicht erfolgt. Ebenso eine Sanierung der Bruderladen, die bisher auch immer - und das geht schon Jahre hindurch - feierlich angekündigt, aber bis zum heutigen Tage nicht verwirklicht worden ist. Nicht minder stellen wir fest, daß ein vollständiges Versagen bei der Entschuldungsaktion der Selbstverwaltungskörper nachweisbar ist, daß überall, wo Schulden aufgehäuft wurden, zwar gelegentlich an maßgebender Stelle von Sanierung gesprochen wird, daß aber tatsächlich gar nichts geschehen ist, um das Übel ex radice zu heilen. Und während das alles, vielleicht heute, weil größere Beträge erforderlich sind, damit begründet wird, daß eben die Staatskasse leer ist und die dazu erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung stehen, so erwidere ich dem gegenüber, daß sehr viel Geld noch ganz überflüssig ausgegeben wird, weit über jene Beträge hinaus, welche notwendig wären, um Sanierungspläne durchzuführen. Wir sehen z. B. gar keine Sparsamkeit in der Hinsicht, daß wir dem Abrüstungsgedanken noch gar nicht ehrlich näher getreten sind. Wir haben zwar eine Mitteilung von der Staatsregierung nach Genf ergehen lassen, die prinzipiell die Bereitwilligkeit zur Abrüstung - unter Vorbehalten, die das ganze wieder aufgeben - ausdrücken, aber diese Bereitwilligkeit wird nicht gleichzeitig ziffernmäßig bewiesen, denn wir hahen aus dieser Aufstellung ersehen, daß über 1800 Millionen tatsächlich der Aufwand für das Rüstungswesen eines Jahres gewesen sind. Demgegenüber müssen wir feststellen, daß gesetzlich nur 1400 Millionen zulässig wären und daß diese Jahresquote, ergänzt aus dem Rüstungsfond per 315 Millionen, in Summa 1.715 beträgt, aber nicht über 1800 Millionen. Man sieht, daß jährlich rund 100 Millionen mehr für das Militär ausgegeben werden, als es nach den hierzulande gültigen Gesetzen überhaupt zulässig ist. Das allein ist eine nach außen sehr bemerkenswerte Ausgabe, die wir nicht gutheißen. Viel verschleierter, aber nicht minder gefährlich ist die sogenannte Auslandspropaganda, die vom Ministerium des Äußern betrieben wird. Da wissen wir die Ziffern überhaupt nicht, denn die sind nach allen Regeln der Kunst verschleiert, wir wissen nur, daß das Geld ins Ausland hinausgeht, vollkommen vom inländischen Schauplatz verschwindet und daß dafür Haß und Feindschaft gesät wird, oder dort, wo diese im Verschwinden waren, neu aufgerichtet wird. Wir müssen wünschen, daß die großartigen Delegationen aufhören, die von hier aus bei jeder Gelegenheit mit besonderem Pomp ins Ausland entsendet werden, die letzte sogar unter Zuziehung von Parlamentariern, damit diese auch noch Zeugen der Großartigkeit dieser ausländischen Veranstaltungen sind. Mindestens sollten diese Delegationen während der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise des Staates sistiert werden und der Herr Außenminister sollte auch einmal zuhause bleiben und hier Ordnung machen. (Výkøiky posl. dr Petersilky a dr Schollicha.) Diese Sparsamkeit würde sich sehr gut lohnen, und ich habe da einige Worte von ihm aus dem Außenausschusse in angenehmer Erinnerung. Er hat nämlich auf die schädlichen, wilden Triebe der deka denten Zeit hingewiesen. Mit dieser Kennzeichnung, mit der wir vollkommen übereinstimmen, hat er eigentlich das Stichwort für seine Tätigkeit hierzulande gegeben, und er könnte hier seine ganze Persönlichkeit und Macht in sehr dankenswerter Weise einsetzen, um endlich einmal eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. Das wäre keine kostspielige, sondern im Gegenteil eine erträgnisreiche Tätigkeit, die er hier entfalten könnte.
Das wären so gewisse Grundprinzipien, die eingehalten werden müßten, nämlich, daß einmal die Volksherrschaft vor die Nationalherrschaft gestellt wird in unserer Demokratie und daß die Staatspolitik vor die Koalitionspolitik gestellt wird. (Souhlas.) Diese beiden Grundsätze müßten eine ausgezeichnete Wirkung haben und könnten eine vollkommen veränderte Situation schaffen, nämlich daß statt der Scheinlösungen, wie sie bisher immer üblich sind, dann wirkliche ganze Arbeit für Staat und Bevölkerung geleistet werden könnte. Diese Ansicht wird auch von einem so überwiegenden Teil der Bevölkerung geteilt, daß sie auch vom demokratischen Standpunkt aus vollkommen zu rechtfertigen wäre. Bisher ist es nicht geschehen, bis jetzt fehlt es an dieser Demokratie, und weil der Voranschlag nach allgemeiner westlicher Demokratie und ihrer Auffassung den Anlaß zur Kritik des politischen Geschehens innerhalb eines Jahres bietet, so will ich noch einzelne Punkte berühren, die speziell wir als deutsche Staatsbürger in diesem Staat besonders beschwerlich finden, so daß wir sie hier zur Sprache bringen müssen, um Abhilfe zu verlangen.
Vor allem möchte ich auf die Volkszählung aufmerksam machen, die vor einem Jahre durch die untergeordneten Organe durchgeführt wurde, deren Ergebnis aber ziffernmäßig bis heute noch nicht offiziell feststeht. (Rùzné vykøiky.) Im September hat man das Ergebnis schon gewußt, denn sonst hätten in ungezählten Gemeinden nicht die Mandate nach den neuen Volkszählungsergebnissen festgestellt werden können; aber bis heute herrscht im übrigen amtliches Stillschweigen über die Resultate; gelegentlich erfährt man durch eine Notiz in eingeweihten, bevorzugten Blättern Mitteilungen, aber nichts offizielles, obwohl seit der Zählung, schon ein Jahr vergangen ist. Allerdings, es ist ein offenes Geheimnis, daß etwas dahinter steckt, nämlich die einzige Rubrik, die so charakteristisch ist, die der Nationalität. Man weiß durch die Zählung genau, daß in diesem Staat die absolute Zahl der deutschen Staatsbürger gestiegen ist; trotzdem will man das deutsche Volk sprachenrechtlich noch mehr entrechten. Weil die relativen Zahlen, die da die wichtigsten sind, nicht das erwartete Ergebnis sind, wartet man möglichst lange zu, dar über zu sprechen, um dann bei einer anderen Gelegenheit, die vielleicht günstiger ist als eine Wirtschaftskrise, mit der ganzen Schärfe noch mehr mit der. Sprachenentrechtung vorzugehen.
Die Volkszählung ist allerdings in einer Hinsicht noch immer nicht beendet für die Bevölkerung, soweit sie als befragte Partei in Betracht kommt. Im Hultschiner Ländchen z. B. gibt es jetzt Hunderte von Vorladungen und neuen Strafen wegen falscher Nationalitätenangabe, wahrscheinlich ist das auch ein Reservekonto, das im Staatsvoranschlag für die kommenden Jahre gelten soll. Jedenfalls ist es charakteristisch, daß dort jeder, der sich als Deutscher nach eigenem Willen bekennt, einem hochnotpeinlichen Verfahren unterzogen wird. Das geht soweit, daß ein in unserem Klub der Bezirksvertretung eingereihter Herr, der vom Ministerium des Innern im Jahre 1928 als deutscher Vertreter in diese Bezirksvertretung ernannt wurde, namens Oswald Beneck in Buslawitz, 300 Kè Geldstrafe bekam, weil er sich bei der Volkszählung als Deutscher bekannt hat. Ebenso ist es geradezu monströs, ein Landesvertreter, der seit 1928 als gewählter deutscher Landesvertreter in Brünn sein Mandat ausübt, muß sich erst sein Recht erkämpfen. Das alles geschieht, obwohl der Minister des Innern vor der Volkszählung feierlich erklärt hat, daß jeder ohne Scheu der Wahrheit gemäß unter allen Umständen seine Nationalität frei bekennen kann. (Rùzné výkøiky.) Hunderte Leute werden so gepeinigt und dazu behauptet, es gäbe dort keine Deutschen. Ob es dort Deutsche gibt, haben wir nicht zu entscheiden, sondern das Volk dort, und wenn sich dieses trotz der Opfer, die ihm Jahrzehntelang auferlegt werden, noch immer zum Deutschtum bekennt, so muß dieses Deutschtum doch echt sein. Dieses Bekenntnis ist ein vollgültiger schlagender Beweis vor der ganzen Welt. (Souhlas.) Aber die Nebenregierung, die dort herrscht, will es nicht anerkennen. Aber sich bei der Volkszählung als Deutscher zu bekennen ist eine schwere Gefahr, auch im Erwerbsleben. In der dortigen Gemeinde Kauthen wurde einer Frau Antonia Peterek die Verlängerung des Hausierscheines verweigert mit der Begründung, daß sie nach ihren Vermögens-, Familien- und Erwerbsverhältnissen nicht auf das Hausiergewerbe angewiesen ist. Die Verhältnisse in der Familie liegen so, daß ihr Ehemann Kriegsbeschädigter ist und daher nicht voll erwerbsfähig ist; sie hat ferner drei unmündige Kinder im Alter von drei, sieben und zwölf Jahren; der zum Teil erwerbsunfähige Mann, der als Maurer nur Gelegenheitsarbeit machen kann, hat einen Arbeitsverdienst von maximal 4.000 bis 5.000 Kè jährlich. Diese Familie hat ein kleines Häuschen, hat 29 a Acker und 11 a Wiese, worauf eine Schuld von 7000 Kè lastet. Ich frage nun alle, die unbeteiligt und objektiv diese Verhältnisse beurteilen können, ob eine fünfköpfige Familie mit drei unversorgten, unmündigen Kindern, bei 7000 Kè Schuldenlast und 40 a, d. i. 40% eines Ha Gesamtbesitz, derart gestellt ist, daß nicht die Frau verdienen muß und daß ihr bei Abweisung des Hausierscheines gesagt werden darf, daß sie nicht in so ungünstigen Verhältnissen sei, daß sie nach dem Gesetz einen Anspruch erheben könnte, den Hausierhandel weiter zu betreiben. Das alles ist aber nur Schein, in Wirklichkeit ist es eine Strafe für die Frau dafür, daß sie eine Deutsche ist, sich mit der Familie so bekennt und ihre Kinder deutschen Privatunterricht genießen läßt. (Výkøiky.) Es ist haarsträubend, was man unter dem Titel "Gerechtigkeit" alles zu verbergen wagt.
Nun ist die Situation nicht nur im Hultschiner Gebiet, sondern überhaupt in puncto Demokratie ganz eigenartig. Auch wir in anderen Gebieten, außerhalb des Hultschiner Ländchens, sind nicht in der Lage, frei demokratisch verwaltet zu werden. Da möchte ich ein Ereignis, einen kleinen Vorfall erwähnen, der unlängst bei uns viel Staub auf gewirbelt hat. In Troppau ist ein österreichisches Bühnenstück aufgeführt worden, wie überall, eine Revue, die aus dem altösterreichischen Lustspiel "Im Weißen Rößl" zusammengestellt wurde, um dem modernen Geschmack zu entsprechen. Da dieses Theaterstück auf ein typisch altösterreichisches Milieu und Niveau zugeschnitten ist, wurde dort, wahrscheinlich um das Stück interessanter zu machen, vom Autor die Person des Kaisers Franz Joseph auf die Bühne gebracht. Überall wird es so aufgeführt, auch im èechischen Theater in Troppau wurde diese Aufführung glatt zugelassen, die Hoheit erscheint in der Maske Franz Josephs und in Generalsuniform. Die deutsche Aufführung in Troppau ließ die Zensur allerdings zu, beanständete aber die Person des alten Kaisers und verfügte, daß diese Person nur ein Herzog sein dürfe. Die Wiedergabe der Herzogsgestalt durch den Schauspieler war nun so, daß er in der Maske und Haltung dem alten Kaiser stilgerecht erschien, was wegen der sinngemäßen Wiedergabe den Beifall eines Teiles des Publikums fand. Daß man im Theater applaudiert, ist selbstverständlich, und - daß zensurierte Stücke applaudiert werden dürfen, war bisher eine allgemeine Regel, an der niemand Anstoß genommen hat. Anders bei diesem Stück: die Polizei nahm diesen Applaus zum Anlaß, um zwei Personen, die Beifall geklatscht haben, zu ansehnlicher Geldstrafe wegen polizeiwidrigen Verhaltens zu verurteilen. Es wurde das ganze von der Polizei als eine monarchistische Kundgebung dargestellt und dem Direktor angedroht, daß für den Fall, als der Herzog den Kaiserbart das nächstemal nicht weglassen sollte und bei seinem Erscheinen applaudiert werden sollte, 20 Polizisten zur Verfügung stehen würden, um die Applaudierenden zu verhaften, und falls das wegen der Zahl nicht möglich sein sollte, die Fortsetzung der Vorstellung untersagt und der Zuschauerraum geräumt würde. (Smích a výkøiky na levici.)
Ich muß schon sagen, ich habe mir das Stück angesehen: es ist wie überall auch in Troppau gar kein Anlaß für irgendwelche monarchistische Evolutionen. Das Stück ist ein Kitsch, der für die moderne Sensationssucht der Zuhörer bestimmt war und nur aus diesem Grund ist die historische Figur des Kaisers auf die Bühne gebracht worden. Es ist nichts dahinter was berechtigen würde, nach tieferen Motiven zu schürfen. Charakteristisch ist, daß die bloße Gestalt in diesem Stück schon genügt, um eine hysterische Angst zu erzeugen und die merkwürdige Konstellation zu schaffen, daß ein Theaterskandal nicht durch das Publikum, sondern durch die Polizeidirektion hervorgerufen wird. "Vom Erhabenen bis zum Lächerlichen ist nur ein Schritt." Das ist hier schon geschehen. Es wäre viel sympathischer, wenn die Polizei statt nach Applaudierenden endlich nach den vielen Einbrechern fahnden würde, die in Troppau ihr Unwseen treiben und die Geschäftswelt sehr beunruhigen. (Rùzné výkøiky.) Jedenfalls aber als Resultat des Ganzen: wo ist die demokratische Freiheit, wenn wir nicht mehr einem zensurierten Theaterstück, das auf der ganzen Welt ungestört und unverändert in Szene geht, und der Wiedergabe eines Künstlers auch dem ihm gebührenden Beifall zollen dürfen? Sicherlich ein kleines, aber symptomatisches Zeichen der Zeit.
Gehen wir jetzt auf das größere politische Gebiet. Wie schaut es da aus? Was sehen wir da nicht alles! Auch in diesem Hause eine vollkommene Ergebnislosigkeit aller Bestrebungen, die Gerechtigkeit für die nationalen Minderheiten hier im Staate sicherzustellen, endlich einmal die Schlagworte abzuschaffen und ein wirklich gedeihliches Zusammenleben und Zusammenarbeit der in diesem Staate wohnenden Völker zu ermöglichen. Wir haben am 3. April 1930 im Hause einen Antrag eingebracht, der nichts anderes wünscht als die Einsetzung eines Ausschusses, und über das nationale Problem an den gesetzgebenden Stellen zu diskutieren und Lösungsversuche zu unternehmen. Diese edle und sicherlich nützliche Tätigkeit wird aber nicht zugelassen, die Regierung verschließt sich nach wie vor unter allen Umständen der Behandlung des Antrages und unlängst erst, als die Verhandlung des Antrages für die nächste Sitzung des verfassungsrechtlichen Ausschusses beantragt wurde, wurde der Antrag von der èechischen Koalitionsmehrheit geschlossen abgelehnt. Wir sehen den traurigen Fall, daß wir trotz aktivistischer Politik und vielfacher Versuche, die Mitarbeit im Staate zu einer Gesamtarbeit zu gestalten, nichts erreichen als daß das, was wir geben, von den anderen genommen wird, uns aber dafür nichts geboten wird. (Sehr gut!) Ebenso daran ist das Schicksal meines Antrages auf Berichterstattung der Regierung, über die Ausnahmsverfügungen im Hultschiner Gebiet, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet ist. Auch hier liegt dem Ganzen leider die Tatsache zugrunde, daß gar kein ehrlicher offener Wille vorhanden ist, zu einer friedlich-schiedlichen Lösung der Nationalitätenfrage zu kommen. Das ist äußerst bedauerlich, weil alle Bestrebungen der Welt in gleicher Richtung gehen und wir als erster Staat berufen wären, ein gutes Beispiel für nationale Verträglichkeit und Zusammenarbeit zu geben. Hie und da hören wir ein Wort, es ist eine Seifenblase. Sehr schöne Farben, sie zerrinnen in nichts, und die Tatsache, daß die Entnationalisierung der Minderheiten fortgesetzt wird, als ob der Staat eigens dazu gegründet worden wäre, um die Millionen fremdnationaler Staatsbürger zu entnationalisieren oder wenn sie nicht freiwillig wollen, in ihrer Existenz zu vernichten. (Výkøiky.) Darum wäre die Aufgabe, die hier am besten gestellt wäre, die, bei aller Wirtschaftlichkeit des Denkens auch dieser Lösung näherzutreten, weil in der nationalen Frage sehr viel Kern für die wirtschaftlichen Mißverhältnisse gelegen ist, unter denen wir leiden. Würden wir andere nationale Verhältnisse schaffen, so bin ich ganz überzeugt, wäre die Grundlage zur Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse geschaffen und dieser Arbeit sollten doch alle gutgesinnten, konstruktiven Elemente ihre ganze Kraft weihen wollen und tatsächlich widmen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)
Die Tatsache ist aber die, daß es überall in der Welt an der Aufrichtigkeit fehlt, als jener Voraussetzung, die wir als wichtigste ansehen würden, damit es eine Besserung der Verhältnisse geben kann. Alles, was für die wirkliche Sanierung der Verhältnisse auf wirtschaftlichem oder nationalem Gebiet unternommen wird, wird unter dem Schlagworte sabotiert, daß vorher Sicherheit notwendig ist; erst bis die garantiert ist, geht alles andere. Das ist ein Schlagwort, das auch hier bei uns gern übernommen wird. Und was ist Tatsache? Je mehr nach Sicherheit gerufen wird, eine desto größere Unsicherheit macht sich auf allen Gebieten bemerkbar; alles die Folge der Unaufrichtigkeit, die sich eingeschlichen hat, die zur Heuchelei gesteigert, ein Krebsschaden ist, an dem unsere heutige Zeit leidet, die der Herr Minister des Äußeren selbst so treffend charakterisiert hat als die wilden, schädlichen Triebe einer dekadenten Zeit. Die Situation verlangt, daß wir aufrichtig und offen sagen, was fehlt, um wenigstens nicht mehr die Verantwortung tragen zu müssen für das, was dadurch versäumt wird. Wir sind entschieden der Ansicht, daß sich auf dem Gebiete der Wirtschaft, auf dem Gebiete der Finanzen auch nur eine Besserung der Verhältnisse entwickeln kann, wenn wir volle Wahrheit und Klarheit in allem und jedem finden und von der Regierung endlich ein leuchtendes Vorbild dafür erhalten. Solange das nicht der Fall ist, leiden wir unter den Schäden. Die Staatsbeamtengehalte und die Weihnachtsremunerationen werden gekürzt, die Krise nimmt immer weiteren Umfang an und es geschieht doch eigentlich nichts bis auf ein paar Devisenvorschriften und die Grundübel unserer Zeit werden nicht beseitigt, auch auf rein wirtschaftlichem Gebiete nicht. Ich nehme nur die Bodenreform. Wir haben nicht einmal, sondern ungezähltemale darauf hingewiesen, welcher Schaden für die Volkswirtschaft aus der Durchführung der Bodenreform entstanden ist, wie Milliarden zunichte gemacht wurden, um nur weiter das Volksvermögen zu verarmen und zu verelenden und nichts zu bringen. Ein großer Teil der Glücklichen, welche protektionsweise in den Besitz von Wald und landwirtschaftlichen Gütern gekommen sind, sind schon verkracht, die Schulden, die sich aufgehäuft haben, haben schon sehr ansehnliche Ziffern. Noch ärger ist es mit der Bewirtschaftung jener Teile, welche der Staat übernommen hat. Der Staat ist heute der größte Waldbesitzer mit ungezählten Zehntausenden Hektaren. Man möchte meinen, daß dies ein Reservoir wäre, aus dem der Herr Finanzminister schöpfen könnte, wenn in der lau fenden Gebarung der Staatskassa Löcher entstanden sind. Man möchte meinen, der Ertrag dieses Wir tschaftsunternehmens müßte mehrmals ausreichen, um dieses Manko auszugleichen und zu beheben. In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil der Fall. Diese Wirtschaftsunternehmungen werfen nicht nur keinen Ertrag ab, sondern sie sind ein neues Defizit für die Staatswirtschaft und es ist geradezu ungeheuerlich, wenn man bedenkt, daß die großen wirtschaftlichen Unternehmungen des Staates, bei denen jeder Private Millionen an Steuern jährlich aus dem Ertrag zahlen müßte, passiv sind und daß der Staat gezwungen ist, aus der Staatsgebarung im letzten Jahre angeblich sogar 900 Millionen zuzuschießen, um nur den laufenden Betrieb dieser Unternehmungen aufrecht erhalten zu können. Das muß eine ungeheure Mißwirtschaft sein. Dort wäre der Hebel anzusetzen, neue Einnahmen zu schaffen, aber nicht bei den armen Staatsangestellten, hungernden Arbeitern und Arbeitslosen aller Kategorien. Das, meine verehrten Damen und Herren, ist nur ein Kapitel. Die Art, wie noch weiter Bodenreform gemacht wird, ist unverändert und dem Hohen Hause schon längst bekannt. Die einen wissen es und sagen darüber nichts, die anderen nehmen den Kampf dagegen auf, konnten aber nichts erreichen. Auch ein Spiegelbild unserer Zeit, von der der Herr Minister des Äußeren so richtig gesagt hat, daß es eine dekadente Zeit ist.