Støeda 20. kvìtna 1931
Meine Damen und Herren! Der zunächst im Senat eingeb rachte und verhandelte Antrag über die Erwerbung der Lokalbahn Reichenberg-Gablonz-Tannwald durch den Staat hat eine größere als ortspolitische Bedeutung. Wenn ich als Dolmetsch des Gablonzer Gebietes, meines Vertretungsgebietes, zu diesem Gegenstande das Wort ergreife, weiß ich aus diesem angeführten Grunde der größeren Wichtigkeit des Antrages, daß ich allgemeinen Interessen diene.
Ich möchte die Behauptung durch den Hinweis darauf bekräftigen, daß es sich in der in Absicht stehenden Verstaatlichung der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn um eine Fortführung der Aktion handelt, der Verstaatlichung der Lokalbahnen überhaupt, welche nicht immer aus wirtschaftspolitischen Anlässen heraus getätigt werden, wenngleich bei der heutigen Verfassung der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn die Verstaatlichung freilich als eine dringliche wirtschaftlich finanzielle Maßnahme aufscheint. Die Bahn arbeitet seit dem Jahre 1921 mit einem stets bedenklicher werdenden Defizit und schon im vorigen Jahre betrug hiedurch die Schuld an das Eisenbahnministerium über 20 Millionen Kè. Aber es darf doch nicht verschwiegen werden, um die Verstaatlichung nicht anders als eine Sanierungsmaßnahme, die ohne Schuld der Betriebsgesellschaft notwendig wurde, aufzufassen, daß die Defizite erst bei der staatlichen Betriebsführung entstanden, deren Art und Weise und Folgewirkungen wir ja nicht nur aus dem Defizite der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn kennen, sondern weit über das Ausmaß dieses Defizites hinaus durch das zugestandene Halbmilliarden-Defizit des gesamten Staatsbahnbetriebes für das Jahr 1930. Bei der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn waren aus der staatlichen Betriebsführung kommende Ursachen des Defizites z. B. auch die hohen Zugsförderungskosten bei verhältnismäßig niedrigen Tarifen, was durch die teilweise bedeutenden Steigungen bedingt ist, bei welchen man mit einer Lokomotive kaum die Hälfte befördern kann gegenüber geringem Gefälle, schließlich auch der Umstand, daß die Guthaben der Bahn in Wien mit dem Umsturze verloren gingen, während die Schulden an den Fiskus in èechoslovakischen Kronen aufgewartet wurden.
Also ist die Verstaatlichung der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn so vorbereitet worden, daß sie nunmehr als eine Sanierungsaktion sich allen jenen darstellt, welche um die Dinge nicht genaueres Wissen tragen. Wir haben in kurzen Zügen Gründe und Ursachen entworfen und fügen nur noch bei, daß wir bei der Verstaatlichung auch keine nationalen Risken mehr gesetzt bekommen können. In dieser Beziehung hat die staatliche Betriebsführung der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn so gründliche Arbeit geleistet, daß eine Verschlechterung derselben für uns kaum mehr eintreten kann. Kaum, daß die staatliche Betriebsführung begann, leitete man den großen Strom èechischer Eisenbahner und Arbeiter in den Betrieb und Arbeitsraum der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn, daß die Politisierung des privaten Unternehmens damit nahezu äußerst vollzogen wurde und es blieb fast kein deutscher Vorstand mehr in der Länge der ausschließlich durch deutsches Gebiet führenden Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn. Die deutschen Beamten wurden gesichtet, die deutschen Angestellten und Arbeiter, schließlich auch der letzte mit dem Betriebe irgendwie Beziehung habende Deutsche, wie z. B. die Bahnhofsgastwirte. So gibt es eigentlich nur eine Kette trüber Erinnerungen an die letzten Jahre, welche den Gegensatz in besonderer Weise aufzeigen, welcher zwischen dem, was heute ist und jenem besteht, von dem die Geschichte der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn als einer Geschichte von Selbsthilfe und autonomer Regelung der Verkehrsverhältnisse eines großen Wirtschaftsgebietes spricht.
Die Stadt Gablonz a. N., bzw. das Neißetal gegen Reichenberg abwärts war schon in den 50ger Jahren des vorigen Jahrhunderts von industrieller, gewerblicher, und handelspolitischer Bedeutung, mehr noch von Chancen erfüllt einer Entwicklung zu weiterer solcher Bedeutung. Als im Jahre 1856 der Ausbau der Süd-Norddeutschen Verbindungsbahn erfolgte, hätte Gablonz und das Neißetal berücksichtigt werden müssen, u. zw. so, daß deren Gebietskomplex in den Verkehr der neuen Bahn eingezogen wurde. Man erwartete in Gablonzer Interessentenkreisen, daß die Süd-Norddeutsche Verbindungsbahn von Reichenau oder Radl über Gablonz gelegt werden würde anstatt sie über Langenbruck zu führen. Eigenartigerweise übte man sich in der verkehrspolitischen Verkehrtheit, die Bahn über Langenbruck fahren zu lassen. So blieb das Gablonzer Industriegebiet weitere 30 Jahre ohne Bahn. Wir wollen hier nicht untersuchen, welches die Beweggründe dieser Handlungen gewesen sind.
Erst 1866/67 wurde von dem damaligen Gablonzer Bürgermeister Josef Pfeifer und weitblickenden Männern an ein Gablonzer Bahnprojekt geschritten. Es sollte eine Bahnlinie Eisenbrod-Tannwald-Gablonz-Langenbruck gebaut werden. Pfeifer starb jedoch frühzeitig, so daß er seiner Initiative keinen endgültigen Erfolg anhängen konnte. So vergingen wieder Jahre. Erst 1870 ließ die Bezirksvertretung, an deren Spitze damals Adolf Hübner stand, die Strecke Reichenberg-Tannwald entwerfen und überreichte 1871 einen diesbezüglichen Bahnbauplan dem Handelsminister. Man muß sich überlegen, welche Enttäuschung es war, als man auch damals die Pläne abgewiesen bekam. Die Wahl des Dr. Gross durch die Städtegruppe Gablonz - Liebenau - Friedland - Morchenstern - Neustadt - Raspenau und Rochlitz, welche 1875 erfolgte und zweckhaft deshalb erfolgte, diesen einflußreichen Mann in seiner Resistenz gegen die Gablonzer Bahnpläne umzustimmen, nützte desgleichen nichts.
So bildete sich 1882 unter dem Vorsitz des späteren Reichsratsabgeordneten Emil Müller, Gablonz ein Agitations- und Exekutivskomitee für den Bahnbau und so kam man endlich vorwärts. Am 3. Juli 1886 erhielt die Firma Lindheim und Co. in Wien das Recht zum Bau und Betriebe "einer als normalspurige Lokalbahn auszuführendenLokomotiveisenbahn von der Station Reichenberg der k. k. privilegierten Süd-Norddeutschen Verbindungsbahn über Maffersdorf nach Gablonz a. N. nebst einer eventuellen Fortsetzung von Gablonz nach Tannwald." Im Jahre 1888 organisierte sich die A. G. der Lokalbahn Reichenberg-Gablonz-Tannwald, ohne staatliche öffentliche Beiträge wurde der Bahnbau in Angriff genommen. Im November 1888 fand die Eröffnung der Bahn Reichenberg-Gablonz statt, 1894 der Strecke Tannwald, 1907 die Betriebnahme der Strecke Tannwald-Polaun (Staatsgrenze).
Die Geschichte ist lehrreich genug, weil sie aufzeigt, wie über altväterliche Gesinnung und knöcherne Administration eines Staatswesens die gesunden Glieder desselben sich doch fortzuhelfen vermögen, wenn auch mit vielen Opfern und Schwierigkeiten. Die Geschichte der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Bahn zeigt, daß im alten Österreich die Variation eines Wortes galt, so wie das Wort selbst anderswo: "Österreich ist groß, der Kaiser ist weit". Die Wiener Zentralstellen hatten ohne Zweifel nicht viel Zeit übrig, das ungeahnte wirtschaftliche Ausgreifen vieler Staatsgebiete wahrzunehmen, besonders zeigt sich das bei der Behandlung der Gablonzer Bahnpläne. Wäre es sonst möglich gewesen, daß Inspektionen eine solche Entwicklung wie sie z. B. das Gablonzer Gebiet in den Boer Jahren des vorigen Jahrhunderts schon angenommen hat, geradezu sträflich ignorierten.
Wir erhofften nunmehr eine Korrektur dieser Schildbürgerei, als der Umsturz gewissen Staub aus den Perücken gebeutelt hatte. Schließlich waren im neuen Staate die Verhältnisse auch besser zu übersehen. Die Erkenntnisse bezüglich der Notwendigkeit einer verkehrstechnischen Ausgestaltung des Gablonzer Bezirkes mußten auch in der Richtung laufen, die Bedeutung dieses Wirtschaftsgebietes für den neuen Staat zu erkennen. Die Hoffnungen auf eine neue Ära sind allerdings ebenso arg getäuscht worden, denn nunmehr wurde, den besonderen Fall von Gablonz betreffend, nicht nur jede sorgfältige Überprüfung der Verkehrssbedürfnisse unterlassen, die schon deshalb dringlich war, als die Nachkriegsentwicklung das in hervorragender Weise veranlaßte, jetzt bedrückte man auch die Absichten einer autonomen Regelung wie der geschilderten, daß sich die Dinge geradezu zur Unerträglichkeit gestalteten. (Výkøiky na levici.)
Wenn der Reisende von Reichenberg nach Gablonz bzw. Tannwald fährt, lernt er eines der hervorragendsten Industriegebiete des Staates und im Verhältnisse seiner Bedeutung sogar Europas und der Welt erkennen. Das Zentrum Gablonz ist eine Stadt von 40.000 Einwohnern, deren Name öfter genannt und bekannt ist, als der mancher europäischen Metropole. Selten hat eine Siedlung der Welt im Maßstabe ihrer Größe eine solche händlerische Bedeutung als Gablonz a. N. Der Markt dieser Stadt ist die Welt selbst, ihr Aktionsradius reicht tatsächlich von Pol zu Pol., Die Bahn, welche durch dieses Gebiet führt, läßt das alles allerdings nicht erkennen. Von Bahnhöfen ist an den Strecken dieser Bahn keine Spur. Bescheidene, ja bescheidenste Haltestellen sind fast ausschließlich die Stationsbauten. Die in Gablonz ankommenden Fremden - es sind ihrer alljährlich Tausende aus aller Welt - vermögen es kaum beim Betreten des Bodens der Stadt innerhalb des Bahnhofsgebietes zu erfassen, daß sie in der bekannten Exportstadt Gablonz eingefahren sind. Ich habe auf die Mangelhaftigkeit der Bahn- und besonders der Bahnhofsanlagen von Gablonz a. N. schon einmal verwiesen, als ich den Herrn Minister für Eisenbahnen wegen des Bahnhofsneubaues in Gablonz a. N. interpellierte. Ich verwies bei meiner damaligen Interpellation nicht zuletzt darauf, daß der Fortbestand des heutigen Zustandes geradezu für Leben und Gesundheit der Passagiere gefährlich ist. Hierauf antwortete mir der Herr Minister für Eisenbahnen unter dem 20. Mai 1930 folgend:
"Die Verkehrs- und technischen Mängel der Lokalbahn Reichenberg-Gablonz-Tannwald sind dem Eisenbahnministerium bekannt.
Ich kann die Erwartung aussprechen, daß die Verstaatlichung der Lokalbahn, worüber soeben verhandelt wird, die Abhilfe beschleunigen wird, da die staatliche Eisenbahnverwaltung für den Fall der Übernahme der Bahn in das Eigentum des Staates bereits ein ausführliches Investitionsprogramm ausgearbeitet hat, in dessen Rahmen in erster Reihe der Umbau des Bahnhofes in Gablonz a. N. vorgenommen werden soll. Wenn jedoch keine Verzögerungen eintreten sollen, kann dieses Projekt nicht mit dem Ausbaue der Eisenbahnverbindung zwischen Gablonz a. N. und der Strecke Prag-Turnau-Reichenberg-Seidenberg in Zusammenhang gebracht werden, was wegen Mangels der notwendigen Finanzmittel und wegen der derzeit zweifelhaften Rentabilität erst einer ferneren Zukunft vorbehalten ist. (Výkøiky posl. Geyera.)
Eine Tarifdurchrechnung kann vor Verstaatlichung aller restlichen privaten Lokalbahnen nicht verwirklicht werden."
Das Exposé des Herrn Bürgermeisters der Stadt Gablonz K. R. Fischer führte die Verkehrsverhältnisse von Gablonz a. N. betreffend in einer Interessentenberatung vom 8. Mai 1929 aus: "Das Ein- und Aussteigen auf dem Gablonzer Bahnhofe isst eine gefährliche Sache. Die Geleise sind so kurz, die einzelnen Züge decken oft einander, so daß man, um in den rückwärtigen Zug zu gelangen, über den vorstehenden Zug steigen muß. Lange Strecken zwischen nahe beieinander stehenden Wagenreihen sind zu durchschreiten, wo ein Ausweichen besonders im Winter bei Glatteis unmöglich ist. Dazwischen befinden sich Laternenpfähle und Wasseranlagen, so daß besonders Reisenden mit Handgepäck das Zu- und Abgehen bei den Zügen unmöglich gemacht ist. Zugsgarnituren auf freien Geleisen können nicht bereitgestellt werden, die Garnituren sind daher ständig in Bewegung, um die notwendigen Verschiebungen durchzuführen. Das Einsteigen muß plötzlich erfolgen, weil das Geleise bzw. der Zugang von einem anderen Zug befahren werden muß. Bei einer jährlichen Frequenz von fast 1 Million Reisenden müßte die gleichzeitige Fahrkartenausgabe bei mehreren Schaltern möglich sein. Der Andrang vor Abgang der Züge ist derart groß, daß das Lösen der Fahrkarten in Gablonz a. N. eine große Qual bedeutet. Die Abfertigungsstelle für das Reisegepäck ist gänzlich unzureichend. Größere Koffer, besonders Musterkoffer, können dort nicht untergebracht werden, ja nicht einmal Handgepäck kann in hinreichendem Maße aufbewahrt werden, weil kein eigener Raum für die Gepäckaufbewahrungsstelle vorhanden ist. Ein eigener Warteraum besteht überhaupt nicht, die Bahnhofswirtschaft ist mehr als primitiv zu bezeichnen.
Wie der Reisende, welcher aus Ländern mit einwandfreien Verkehrseinrichtungen kommt, derartige Zustände beurteilt, brauche ich nicht besonders zu betonen.
Über die Mißstände im Güterverkehr werden andere berufene Personen Näheres ausführen. Ich will hier nur kurz darauf verweisen, daß am Gablonzer Bahnhofe jährlich mindestens 15.000 Waggons zur Be- und Entladung gelangen. Auf dem einzigen zur Verfügung stehenden Zollgleis werden jährlich über 3000 Waggons abgefertigt. Man kann ruhig behaupten, der Umstand, daß die Stadt Gablonz a. N. an keine Vollbahn angeschlossen ist, legt ihr eine Kontribution nur an Frachtsätzen von mindestens 5 Millionen Kè jährlich auf. Nicht berücksichtigt sind darin die Auswirkungen, welche die erschwerte Approvisionierung in den Preisen der Lebensmittel hervorruft.
Die Verhältnisse im Zollamte sind gleichfalls unhaltbar und einer Exportstadt unwürdig. Die Ausgestaltung des Zollamtes und die Schaffung eines Zollfreilagers ist schon lange dringend notwendig."
Die Hauptforderung für die Stadt Gablonz a. N. und das gesamte Gablonzer Glasgebiet ist aber und bleibt die nach dem Anschluß an die Hauptlinie. Wenn dieser Forderung Verwirklichung zuteil würde, so würde für das interessierte Gebiet ein großer Nutzen gestiftet, ohne daß eine andere Stadt oder Gemeinde hierdurch ins Nachteil käme. Die Forderung ist ebenso hauptsächlich, als sie in der jetzigen Zeit noch notwendigerer, günstiger Verkehrsbedingungen eine größere Rolle spielt als ehedem. Schließlich muß einem solchen Wirtschaftsgebiete wie dem des Gablonzer Industriegebietes in seinen verkehrstechnischen Forderungen Gerechtigkeit widerfahren, denn es ist nicht einzusehen, daß dieses Gebiet jährlich für viele Millionen Kronen direkt oder indirekt seiner ungünstigen Verkehrsverhältnisse wegen Tribut leisten muß, umsomehr, wenn auf der anderen Seite festgestellt werden kann, daß die Beseitigung der rückständigen Verhältnisse auch nicht die unerschwinglichen Opfer fordert, von denen in der Antwort des Herrn Ministers gesprochen wird.
Übersichtlich lassen sich die Verkehrsforderungen der Stadt Gablonz a. N. und ihres Gebietes, für das ich heute wiederholt plädieren will, in Folgendem zusammenfassen:
1. Die Verkehrslage der Stadt Gablonz a. N. und das Glasindustriegebiet kann grundlegend nur durch den Anschluß an die Hauptverkehrslinie und Ausbau der Linie Radl-Gablonz a. N.-Reichenberg als Hauptbahn den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend gebessert werden.
2. Jede Veränderung des Hauptbahnhofes in Gablonz a. N., dessen Umgestaltung dringend notwendig ist, darf nur unter Berücksichtigung des erstrebten Anschlusses an die Linie Radl-Gablonz-Reichenberg durchgeführt werden.
3. Jede Verbesserung des Verkehrs auf der Strecke Reichenberg-Gablonz-Grüntal wird begrüßt, dabei darf jedoch die Forderung der Stadt Gablonz a. N. an die Hauptstrecke angeschlossen zu werden, nicht außeracht gelassen werden.
Von den Gablonzer Verkehrsforderungen ist das Ministerium für Eisenbahnen auch durch die Eingabe der Reichenberger Handelskammer unterrichtet worden. Ich lasse zur Unterrichtung des Hohen Hauses bezüglich des Gegenstandes der heutigen Tagesordnung diese Eingabe im Wortlaut folgen:
"In der Beilage gestatten wir uns die Niederschrift über die am 8. Mai d. J. im Rathaussaale der Stadt Gablonz a. N. abgehaltene Beratung über die Verkehrsforderungen der Stadt Gablonz a. N. und Umgebung vorzulegen.
Alle vorgebrachten Wünsche und Forderungen und zwar:
1. daß die Stadt Gablonz a. N. einen direkten Anschluß an die Hauptlinie erhält,
2. daß der Bahnhof in Gablonz a. N. den heutigen und künftigen Verkehrsbedürfnissen entsprechend umgebaut und vergrößert werde und daß am Hauptbahnhof in Gablonz größere Räumlichkeiten für das Zollamt zur Verfügung gestellt werden,
3. daß auch andere Stationen und Haltestellen auf der Reichenberg-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn ausgestaltet werden,
4. daß die Verkehrsleistungen der Bahn erhöht werden,
5. daß die Tarife der Lokalbahn mit denen der Hauptbahnlinie durchgerechnet werden mit Rücksicht auf die ungemein hoch entwickelte Industrie der Stadt Gablonz a. N. und des ganzen oberen Neißetales, welche zusammen ein dicht besiedeltes, wirtschaftlich durch die verschiedensten Beziehungen eng verknüpftes Gebiet darstellen, das für den Außenhandel der Èechoslovakischen Republik die größte Bedeutung hat - sind vollauf berechtigt.
Mit Rücksicht darauf, daß die Erfüllung aller dieser Forderungen Geldbeträge erfordern würden, die der èechoslovakischen Staatsbahnverwaltung augenblicklich und in nächster Zeit infolge der Einschränkungen des sogenannten Kommerzialisierungsgesetzes kaum zur Verfügung stehen, bezeichnet die gefertigte Kammer folgende Maßnahmen als besonders dringend und zwar:
1. Verstaatlichung und tarifarische Durchrechnung der Lokalbahn Reichenberg-Gablonz-Tannwald.
2. Umgestaltung des Gablonzer Bahnhofes in einer den heutigen Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragenden Weise unter Bedachtnahme auf einen künftigen Anschluß der Stadt Gablonz an die Hauptbahnlinie, sowie Zuweisung größerer Räumlichkeiten für das Zollamt.
3. Erhöhung der Verkehrsleistungen der Bahn, welche durch die ohnedies geplante Elektrifizierung wohl zu erwarten sein werden.
4. Ausgestaltung auch anderer Stationen, insbesondere der Station Schlag und
5. Verbesserung der Verkehrsverbindung in der Strecke Morchenstern-Josefstal-Maxdorf, eventuell durch Zuteilung eines Schienenautobusses.
Die Kammer ist sich bewußt, daß auch diese Maßnahmen recht ansehnliche Beträge erfordern, glaubt aber betonen zu müssen, daß der wirtschaftlichen-Bedeutung des Gablonzer Industriegebietes endlich einmal wird Rechnung getragen werden müssen und daß durch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auch die Verkehrseinnahmen steigen werden, dadurch, daß die heute der Bahn entgehenden recht ansehnlichen Gütermengen dieser wieder zur Beförderung zufließen werden.
Über all dem darf aber das Projekt eines direkten Anschlusses von Gablonz an die Hauptbahn nicht in den Hintergrund geschoben werden, denn eine dauernde und wirksame Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ist nur auf diesem Wege möglich.
Wir ersuchen das geehrte Eisenbahnministerium, die Durchführung der von uns vorgeschlagenen wichtigsten Verkehrsverbesserungen schon für die allernächste Zeit ins Auge zu fassen und uns von dem Veranlaßten zu verständigen.
Reichenberg den 17. Mai 1929.
Die Verwaltungskommission der Handelsund Gewerbekammer."
Ich appelliere an das Hohe Haus,
die Berechtigung der dargetanen Verkehrsforderung der Stadt Gablonz
a. N. nicht nur theoretisch anzuerkennen, sondern bemüht zu sein,
diesen Forderungen eine praktische Berücksichtigung zuteil werden
zu lassen. Das kann am besten hiedurch geschehen, daß das Hohe
Haus heute beschließt, die in Betracht kommenden Verwaltungsstellen
dringlich zu beauftragen, daß diesen Verkehrsforderungen eine
Verwirklichung zuteil wird. Zu diesem Behufe habe ich entsprechende
Resolutionsanträge für die Antragberatung eingebracht. Ich bitte
das Hohe Haus, daß es für dieselben stimmt. (Potlesk.)