Úterý 27. ledna 1931

Die schon mehrfach genannte Versammlung der Reichenberger Bürgermeister und Gemeindevertreter verlangt zum Schluß von der Staatsverwaltung Folgendes: Lebensmittelkarten in der angeforderten Anzahl, Erhöhung des Wertes der Lebensmittelkarten von 10 Kè auf 50 Kè und von 20 Kè auf 100 Kè, dann unverzinsliche Darlehen des Staates für Zwecke der produktiven Arbeitslosenfürsorge und schließlich staatliche Investitionen, die selbstverständlich für den Reichenberger Bezirk in Betracht kommen sollen. Das sind unseres Erachtens durchaus bescheidene und berechtigte Forderungen, die ohne weiteres erfüllt werden können, wenn die Regierung dafür den gleichen guten Willen aufbringt, wie für die Ausgabefreudigkeit im Rahmen des Jahresbudgets für 1931. (Posl. Geyer: Man soll sich nur die Ausweise der Nationalbank vorlegen lassen!) So ist es. Es besteht auch kein Zweifel, daß die Banken im Jah re 1930 wieder die guten Geschäfte gemacht haben wie im Jahre 1929. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.)

Meine Damen und Herren! Es ist gewiß erfreulich, daß die Vertragsverhandlungen mit jenen Staaten, mit welchen die Èechoslovakei im Warenverkehr steht, in der letzten Zeit einen gewissen Fortschritt aufzuweisen haben. Mit den Handelsverträgen ist aber unserer Wirtschaft unseres Erachtens und nach der Meinung der hauptsächlichen Wirtschaftsvertreter erst dann gedient, wenn sie jene Länder betreffen werden, mit denen wir im regsten Warenverkehr stehen. Das sind vor allem Deutschland, Österreich, Ungarn und Südslavien. Mit Österreich und Südslavien wird ja gegenwärtig verhandelt und es ist wohl anzunehmen, daß in absehbarer Zeit auch mit diesen Staaten ein regelrechtes Handelsabkommen zum Abschluß kommt. Inzwischen sind wir allerdings zum Zollkrieg mit Ungarn gekommen. Es ist richtig, wie schon gesagt wurde, daß dieser Zollkrieg nicht auf die leichte Achsel zu nehmen ist. Die Textilindustrie des èechoslovakisischen Staates konnte im Jahre 1929 noch 470 Millionen Kronen Ware nach diesem Staate schaffen. Es besteht gar kein Zweifel, daß durch den Zollkrieg mit Ungarn ein sehr bedeutender Teil dieser früheren Ausfuhr uns verloren gehen kann. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß uns dieses bisher gute Absatzgebiet vielleicht auf lange Sicht oder überhaupt verloren geht, sowie wir ja auch auf dem Balkan außerordentlich stark verdrängt wurden. Es ist also höchste Zeit, daß wir mit Ungarn so rasch als möglich wieder zu einem regelrechten Handelsabkommen gelangen.

Dieser Zollkrieg hat die Arbeitslosigkeit, insbesondere wiederum im sudetendeutschen Gebiete, noch mehr vermehrt, so daß man heute schon von rund 450.000 Arbeitslosen in diesem Staate spricht und wohl auch sprechen kann. Dazu kommen alle die Hunderttausende von Kurzarbeitern, die das Heer derjenigen ganz ungeheuerlich vermehren, die geradezu aus dem Konsumtionsprozeß ausscheiden. Das muß selbstverständlicher Weise zu einer weiteren Verelendung der Landwirtschaft, aber auch der weiteren Wirtschaft führen. Daß die Not der Arbeitslosen geradezu eine grenzenlose ist, muß jeder verstehen, der weiß, daß ja nur ein kleiner Teil dieser Menschen überhaupt Arbeitslosenunterstützung erhält. Wir leiden ja immer noch unter der Auswirkung des sogenannten Genter Systems, das trotz der Wirtschaftsnot beibehalten blieb. Man nimmt an, daß auf Grund der Bestimmung des Genter Systems ungefähr ein Drittel Arbeitslose Unterstützungen durch die Gewerkschaften beziehen und damit den sogenannten Staatsbeitrag zur Arbeitslosenunterstützung erhalten. Ich weiß nicht, ob sich die Regierung schon einmal ernstlich die Frage vorgelegt hat, wovon die übrigen zwei Drittel der Arbeitslosen eigentlich leben sollen. Wächst die Arbeitslosigkeit so weiter, so wird aber auch das eine Drittel, das bisher durch die Gewerkschaften unterstützt werden konnte, bald ohne Unterstützung sein, da die Gewerkschaften einfach nicht mehr in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Schuld an diesem Zustand trägt unseres Erachtens vor allem das Ministerium für soziale Fürsorge, das von den Gewerkschaften Millionenvorschüsse auf die Staatsbeiträge verlangt, die durchwegs erst nach 6 Monaten refundiert werden. Das ist für alle die Gewerkschaften ein unmöglicher Zustand und ich darf bei dieser Gelegenheit auch feststellen, daß alle Gewerkschaften ganz einheitlich dieser gleichen Meinung sind. Es ist aber doch wohl zu bedenken, was es für die Arbeitslosen bedeuten würde, wenn unter dieser ungeheueren Last, die man den Gewerkschaften aufhalst, diese zusammenbrechen würden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Gewerkschaften ihren satzungsgemäßen Verpflichtungen auch nachkommen können. Wir verlangen deshalb, daß die Gewerkschaften aus dem 150 Millionen-Kronen-Fonds saniert werden.

Auch bei dieser Gelegenheit geben wir der bestimmten Erwartung Ausdruck, daß die Gewerkschaften auf Grund ihrer Mitgliederzahl und auf Grund der Inanspruchnahme ihrer Stellenlosenkassen auch den Anteil, der ihnen zukommt, aus dieser Sanierungsaktion erhalten. Wir haben dazu im Parlament einen Antrag gestellt - als über den 150 Millionenfonds gesprochen wurde - dahingehend, daß eine parlamentarische Kontrolle eingesetzt werden möge, die dem Parlamente über alle Ausgaben aus diesem Fonds Bericht zu erstatten hätte. Diese parlamentarische Kontrolle ist bekanntlich von der Mehrheit seinerzeit abgelehnt worden, so daß der Protektion hier ganz zweifellos Tür und Tor geöffnet sind. Deshalb erkläre ich, daß wir unter allen Umständen den Anspruch der völkischen Gewerkschaften von dieser Stelle aus geltend machen. Der Staat hat durch die Überwälzung der Arbeitslosenfürsorge auf die Gewerkschaften viele hunderte Millionen Kronen ersparen können. Es ist deshalb nur recht und billig, wenn der Staat jetzt Gelegenheit nimmt, einen Teil der riesigen Last, die bisher allein die Gewerkschaften zu tragen hatten, übernimmt und dafür Sorge trägt, daß die Gewerkschaften ihren Verpflichtungen unter allen Umständen entsprechen können. Ich meine damit die Zuschüsse aus dem Sanierungsfonds. Diese müssen unter allen Umständen mit der größten Unparteilichkeit erfolgen. Es wäre ein Verbrechen an der Demokratie, aber auch an zehntausenden unschuldigen Arbeitslosen, wenn nur jene Gewerkschaften unterstützt würden, die ihre Vertreter in der Regierungskoalition haben. Grundsätzlich erklären wir, daß wir das Genter System so rasch wie möglich beseitigt wissen wollen zugunsten einer Arbeitslosenversicherung, die allen Arbeitslosen Anrecht und Anspruch auf eine Arbeitslosenunterstützung gibt. Waren für die Sanierung der &anken Hunderte von Millionen Kronen zur Verfügung (Posl. Geyer: 1659 Millionen!) - der Betrag ist wahrlich hoch - so muß auch Geld gegen die Verelendung der Arbeitsmenschen da sein, die ja schließlich die Träger der Produktion und der Wirtschaft sind.

Wie wäre es, wenn die Èechoslovakische Republik oder die Regierung einmal eine Tat wirklich praktischer Friedenspolitik auslöste? Von den Beteuerungen und Entschließungen in Genf hat niemand etwas. Auch davon haben unsere Erwerbslosen nichts, wenn der Außenminister Vorsitzender der Abrüstungskommission wird. Würde dagegen die Regierung für das Jahr 1931 auf einige hundert Millionen aus dem Heeresetat zugunsten der notleidenden Wirtschaft und der Arbeitslosen verzichten, dann könnte außerordentlich vielen Menschen geholfen werden. (Posl. inž. Jung: Auch wenn der Finanzminister in seinen Ausführungen zum Staatsvoranschlag für 1931 daran festgehalten hätte, daß das Budget um eine Milliarde zu hoch ist! Statt ein um eine Milliarde niedrigeres hat er ein um 500 Millionen höheres Budget vorgelegt!) Er konnte auch von einer Milliarde Ersparnisse im Jahre 1929 berichten, das bekanntlich ein gutes Steuerjahr war. Was dem Ministerium für soziale Fürsorge für die Zwecke der Wirtschaftskrise zur Verfügung steht, ist wahrhaftig ein armseliger Bettel. Bedenken Sie doch einmal, daß Deutschland durch die Arbeitslosenversicherungsanstalt und durch die Wohlfahrtsämter der Gemeinden im Jahre 1930 rund 24.000 Millionen Kronen für die Arbeitslosenunterstützung ausgegeben hat, während unser Ministerium für soziale Fürsorge für das Jahr 1931 ganze 74 Millionen für die gleichen Zwecke zur Verfügung stellt. Dazu kommen noch einige wenige Millionen Kronen für die Ausspeise- und sonstigen Aktionen, die allerdings alle miteinander nur einen Tropfen auf den heißen Stein der Arbeitslosigkeit bedeuten. Was nützt es, daß innerhalb der produktiven Arbeitslosenfürsorge einige Millionen Kronen vorhanden sind, wenn die Städte, die am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, nicht die Mittel aufbringen können, um diese für die produktive Arbeitslosenfürsorge praktisch zu verwenden. (Posl. Geyer: Wie lange müssen sie auf die Erledigung ihrer Eingaben warten!) So ist es. Im übrigen liegen die Dinge ja so, daß die einzelnen Minister das, was sie zur Verfügung stellen, zunächst einmal auf das èechische Gebiet verteilen. Es ist bekannt, daß die Hauptstadt Prag mit außerordentlich reichen Investitionen bedacht wird. Davon aber haben die Arbeitslosen des sudetendeutschen Gebietes nicht, und um die geht es uns. (Posl. Krebs: Im Erzgebirge und Adlergebirge herrscht eine entsetzliche Not, die beispiellos ist!) So ist es. Was nützt es, wenn der Minister die außerordentliche Krisenunterstützung aufnimmt und die Gewerkschaften mangels Geld die Durchführung der Krisenfürsorge gar nicht vornehmen können. (Posl. Kasper: Der Staat soll Vorschüsse geben, dann werden die Gewerkschaften das auszahlen können!) So ist es.

Mit den Ernährungsaktionen ist es nicht viel anders. Was seitens des Staates auf diesem Gebiete geschieht, ist ganz unzulänglich. Die Durchführung obliegt bekanntlich den Gemeinden. Es ist nur selbstverständlich, daß die Gemeinden die Ernährungsaktion, wie in Aussig und anderen Orten auf alle Bedürftigen auszudehnen trachten. Das kostet natürlich wiederum viel Geld, so daß die Gemeinden oft das Vielfache dessen für den gleichen Zweck auszugeben haben, was das Ministerium für soziale Fürsorge ausgibt. Kein Wunder also, wenn das Ministerium immer mehr Gegenstand der heftigsten Kritik wird, wenn auf keinem Gebiete ganze Arbeit gesehen wird. An Anregungen hat es gewiß nicht gefehlt. Aber damit ist nichts getan, wenn der Minister z. B. die Gewerbeinspektoren auffordert, den Achtstundentag zu überwachen und Überstunden möglichst einzuschränken, wenn die Gewerbeinspektoren mit ihrem Personal das Auslangen nicht finden können und also gar nicht in der Lage sind, den an sie gestellten Anforderungen zu entsprechen. (Posl. Kasper: Höchstens ein Viertel der Betriebe können sie besichtigen!) Sehr richtig! Die von uns verlangten Arbeitsinspektoren hat man uns bis zum heutigen Tage nicht bewilligt. (Posl. Krebs: Überstunden werden gar nicht mehr nötig sein! Die Fabriken sind schon gesperrt!) Soweit wird es in naher Zeit kommen. Was nützt es, wenn der Minister auf eine Interpellation wegen des notwendigen Kündigungsschutzes für ältere Angestellte antwortet, daß das Justizministerium bereits den Entwurf eines neuen Angestelltenrechtes ausgearbeitet hat. Das war vor einem Jahr, bis heute aber ist nichts davon zu merken. Oder haben die älteren Angestellten etwas davon, wenn die Novellierungskommission einberufen wird, Gesetzesanträge stellt, die die Zustimmung sowohl der Angestellten als auch der Unternehmer finden aber keine Möglichkeit hat, auf die Gesetzgebung Einfluß zu nehmen, und der Minister nichts veranlaßt, damit endlich die von der Novellierungskommission ausgearbeitete Vorlage ins Haus kommt. Nicht viel anders verhält es sich mit der Preisabbauaktion. Was ist dabei bisher herausgekommen? Weitere Verschlechterungen der wirtschaftlichen Lage, statt Hebung des Reallohns der Arbeitnehmer Lohnsenkungen, die weit über das Maß der bisher erreichten Preissenkungen hinausgehen. (Posl. Geyer: Die Deflation ist, das grandiose Gegenstück zur gaunerhaften Inflation!) So ist es! Damit wurde die Kaufkraft weiter Konsumentenmassen noch mehr verschlechtert. Wir meinen, daß man auf diese Weise die Wirtschaft keinesfalls anzukurbeln vermag. Daß bei dieser Preissenkungsaktion der Staat mit dem schlechteren Beispiel vorangegangen ist, das nimmt nach allen bisherigen Erfahrungen niemanden mehr Wunder. Inzwischen sind bekanntlich viele Postgebühren erhöht worden und Hand in Hand damit ist die 20% ige Fahrpreiserhöhung erfolgt. Also Maßnahmen, die durchwegs Erschwerungen des wirtschaftlichen Lebens mit sich gebracht haben oder bringen werden. Das gilt auch von dem Voranschlag für dieses Jahr, der bekanntlich um 500 Millionen erhöht wurde. So ist eine Änderung der Verhältnisse bestimmt nicht herbeizuführen.

Soll es anders werden und darnach rufen bereits Millionen, muß der Staat mit gut em Beispiel vorangehen. (Posl. Krebs: Vor allem in einem anderen Tempo, wie diese Vorlage, die stammt aus dem Jahre 1923! Also mehr als 7 Jahre, so werden die Sachen verschleppt!) Wir verlangen Sparsamkeit in der inneren Verwaltung des Staates, aber auch in der äußeren Vertretung, Herabsetzung der Rüstungsausgaben, Herabsetzung der ungebührlich hohen Steuern, Herabsetzung der Wucherzinsen, großzügige Hilfsmaßnahmen für die Arbeitslosen, für das darniederliegende Gewerbe, für die Kleinlandwirte, für den Wiederaufbau der zugrunde gerichteten Industrien. (Posl. inž. Jung: Wenn die Staatsmänner hier einen Funken Verstand hätten, dann wüßten Sie, daß die reichsdeutschen Tributzahlungen die Hauptursache der Krise sind! Wenn man jährlich 24 Milliarden Kronen über Frankreich nach Amerika aus Europa ausschöpft, dann muß die Krise kommen! - Posl. Krebs: Das haben wir den Herren schon im April vorausgesagt, bei der Einführung der Goldwährung!) So ist es! Durch wesentliche Verbesserung der sozialen Gesetzgebung soll für den Schutz des Arbeitsplatzes der älteren Angestellten gesorgt werden, um zu verhindern, daß sie auf ihre alten Tage betteln müssen. Hier handelt es sich vor allem um den Ausbau der Sozial- und Pensionsversicherung. Ebenso dringend ist die Schaffung eines zeitgemäßen Tarifrechtes, das die Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützen soll. Die Regierung möge sich endlich darüber klar werden, daß die èechoslovakische Wirtschaftskrise nicht durch ein Wunder, auch nicht von außenher beseitigt werden wird, sondern nur durch Maßnahmen der Regierung eine ernste und wesentliche Erleichterung zunächst erfahren kann. Wir erwarten, daß dem Parlamente ehestens entsprechende Vorlagen zugehen. Denn Hunderttausende hungern und sind voller Verzweiflung. Niemand wundere sich, wenn sich diese Menschen eines Tages Luft machen und vor nichts mehr zurückschrecken werden. Schon heute machen wir dafür die Regierung verantwortlich. (Potlesk.)

3. Øeè posl dr Keibla (viz str. 26 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Auch ich bin genau so wie meine Vorredner der Ansicht, daß die heutige Tagesordnung eigentlich eine Verhöhnung des Parlamentes bedeutet. Es gehört doch sicher ein robustes Gewissen dazu, in einer so überaus ernsten Zeit der Volksvertretung eine solche Tagesordnung vorzusetzen. Ich sehe darin den Versuch, über die bestehenden geheimen und offenkundigen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinweggleiten zu wollen. Der Versuch ist aber mit untauglichen Mitteln unternommen worden. Umsomehr ist es Pflicht der freien Volksvertreter, sich nicht an die offizielle Tagesordnung zu halten, sondern im Bewußtsein der in diesen schweren Zeiten auf ihnen ruhenden Verantwortung laut und vernehmlich über alle jene Dinge zu sprechen, welche die offizielle Regierungskunst ängstlich vor der breiten Öffentlichkeit zu verheimlichen bemüht ist.

Bereits im Herbste vorigen Jahres habe ich, sowie alle meine Parteikollegen, gleichwie eine große Reihe anderer Parlamentarier bei den verschiedensten Angelegenheiten festgestellt, daß die allgemeine und die besondere èechoslovakische Wirtschaftskrise sich ständig, sozusagen von Tag zu Tag, verschärfen, daß sie schließlich zu einfach unerträglichen Zuständen führen muß, die notwendigerweise die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung nicht bloß zu gefährden, sondern zu vernichten geeignet sind. Denn am Ende aller dieser Dinge stehen Elend, Hunger, Verzweiflung und allgemeine Not, die eben auch die eisernste Ordnung bricht. Heute sind wir von diesem Schlußpunkt einer gewiß unerwünschten Entwicklung gar nicht mehr weit entfernt. Die Tatsachen, die diese Behauptung rechtfertigen würden, sind allgemein bekannt. Dabei ist die Fülle dieses furchtbaren Materials so groß, daß ich stundenlang darüber reden könnte, ohne es auszuschöpfen. Mag sein, daß gewisse Regierungskreise sich durch die offiziellen Statistiken gerne bluffen lassen, um an allen diesen Dingen leichtfertig vorbeisehen zu können. Wir, die wir draußen im Leben stehen, wissen es besser. Wir sehen die zahlreichen zu Ruinen gewordenen Betriebsstätten, wir sehen die sterbenden Industrieorte, wir schauen die Züge der hungernden und frierenden Arbeiter, die zerlumpten Kinder, die vergeblich nach Brot und Arbeit schreien.

Ich wiederhole: Alle diese Tatsachen sind allgemein bekannt, aber auch deren Ursachen sind ebenso bekannt. Gerade in der jetzigen Parlamentssession ist von ihnen viel und eindringlich gesprochen worden. Ich würde mir den Vorwurf machen müssen, daß ich diese überaus wichtige Angelegenheit, die wichtigste vielleicht, die dieser Staat seit seiner Entstehung zu ordnen hat, nur ungebührlich verzögere, wenn ich den Umfang und die Schwere der heutigen Krise besprechen wollte. Diese Aufgabe fiele im gegenwärtigen Zeitpunkte der Regierung zu. (Souhlas.) Sie hätte die Pflicht, durch den Ministerpräsidenten oder durch die Ressortminister, die es angeht, hierüber zum Hause zu sprechen. Sie hat es bisher unterlassen. Für uns aber kann es nicht gleichgültig sein, was die Regierung in solchen schweren Zeiten vorzukehren gedenkt. Ja, wir haben allen Grund zu besorgen, daß ihr die Ereignisse über den Kopf zu wachsen beginnen und sie selbst nicht recht weiß, was sie tun soll. Denn nur aus Zeitungsnachrichten haben wir erfahren, daß die Regierungsparteien mit der Regierung über die Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit geheime Beratungen gepflogen haben. Ein positives Ergebnis haben sie offenbar nicht gehabt, wenigstens ist davon nichts zu sehen und nichts zu hören. Deshalb halten wir es für nötig, daß die Herren Minister der Finanzen, der sozialen Fürsorge, für öffentliche Arbeiten und des Innern nicht nur hier im Hause erscheinen, sondern auch über den Stand der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit, sowie darüber erschöpfend berichten, wie sie sich die Lösung dieser Fragen vorstellen, nicht großartige Reden halten, sondern mit kurzen Worten klipp und klar erklären, ob es aus diesem Labyrinth noch einen Ausweg gibt und wie er beiläufig ausschauen soll. Denn wir müssen den Standpunkt der Regierung kennen.

Bisher hat die Regierung nur mit verschränktenArmen zugesehen, höchstens durch ihre Maßnahmen, überstürzte Steuereintreibung, Erhöhung der Tarife und ihre famose Zollpolitik mit Ungarn und Deutschland und anderes mehr die Krise nicht lindern, sondern verschärfen helfen. Die Tatsache, daß sie sich in viel heftigerer Weise im deutschen Siedlungsgebiete auswirkt als im èechischen, scheint den Regierenden nur willkommen zu sein. (Souhlas.) Wieder eine Gelegenheit mehr, die Deutschen an die Wand zu drücken, ihre Lebensmöglichkeit zu zerstören. Ich klage hier die Regierung öffentlich an, daß sie mit Fleiß und Absicht die Arbeitslosigkeit im deutschen Siedlungsgebiet vermehren hilft. Wie wäre es denn anders möglich, daß seit Jahren und auch jetzt in dieser Notzeit kein staatlicher Bau einer deutschen Firma vergeben, keiner mit ortsansässigen arbeitslosen Arbeitern aufgeführt wurde? Èechische Bauführer, èechische Arbeiter verdrängen mit Hilfe der Regierung den deutschen Arbeiter von seiner angestammten Arbeitsstelle. Hier wird mit dem Hunger offiziell Schindluder getrieben. Es haben meine Vorredner eine ganze Reihe ähnlicher Fälle angeführt.

Ich gebe aber gerne zu, daß mit Klagen allein niemandem geholfen wird. Jetzt gilt es, zunächst vorwärts zu schauen. Die Volksvertretung muß auch ihrerseits die Pflicht in sich fühlen, positive Vorschläge zur Linderung der Wirtschaftsnot zu machen. Der Worte sind genug gewechselt, jetzt laßt uns auch endlich Taten sehen!

Der Grundsatz ist wohl als Gemeingut aller Parteien anzusehen, daß den Arbeitslosen am besten dadurch zu helfen ist, daß man ihnen Arbeit verschafft. So segensreich die Unterstützung der Arbeitslosen durch bloße Geldzuwendungen auch sein mag, sie lehnen sie selbst mit Recht ab, weil sie entwürdigend wirkt und einer Armenunterstützung zum Verwechseln ähnlich sieht. Also ist die Losung: Produktive, Werte schaffende Arbeitslosenfürsorge. Für geleistete Arbeit ist der angemessene Lohn zu zahlen. Aber gezahlt muß immer werden. Daher ist diese Frage zunächst und im Wesentlichen eine Geldfrage, daher gebührt hier das erste Wort dem Herrn Finanzminister und nicht etwa dem Herrn Minister für soziale Fürsorge, der beim besten Willen nichts machen kann, wenn er vom Finanzminister kein Geld bekommt. Wir fühlen, ja wir wissen alle, daß die Krise und ihre Folgen lange dauern werden. Ebenso sind wir überzeugt, daß wir es nicht wie der selige Kaiser Karl IV. nötig haben, eine wertlose Hungermauer bauen zu lassen, sondern daß überall Arbeitsmöglichkeit übergenug vorhanden ist. Post, Eisenbahn, Straßen, Wege sind in einem verwahrlosten Zustand. Das Land, die Bezirke, die Gemeinden, wirtschaftliche Organisationen aller Art haben Arbeitsmöglichkeit eine ganze Menge. Selbst der private Unternehmer möchte investieren, wenn er könnte. Bedenken wir das alles, so kommen wir zur Überzeugung, daß zur wirklichen produktiven Arbeitslosenfürsorge viel, ja sehr viel Geld notwendig sein wird. Und doch kann nur eine großzügig angelegte Arbeitslosenfürsorge zweckentsprechend sein, nur für eine solche kann das Parlament vor der Öffentlichkeit die Verantwortung tragen.

Meine Partei wird einen Gesetzesantrag einbringen, in dem sie für diesen Zweck einen Kredit von 3 Milliarden Kè fordert. Der Betrag ist gewiß riesengroß, aber gemessen an seinem Zweck vielleicht noch zu klein. Es ist klar, daß eine solche Summe nicht auf dem gewöhnlichen Wege hereingebracht werden kann. Die gewöhnliche Steuereinhebung muß hier versagen. Diese Summe ist nur im Wege einer Anleihe, wahrscheinlich einer Anleihe im Ausland zu beschaffen. Der Herr Finanzminister hat sich bis jetzt stets gesträubt, eine Auslandsanleihe aufzunehmen. Er hatte auch seine guten Gründe hiefür, die ich gewiß anerkenne. Aber Ausnahmszeiten rechtfertigen auch Ausnahmsverfügungen. Es möge der Herr Finanzminister bedenken, daß auf diese Weise dauernde Werte für das Volksvermögen geschaffen und daß vor allem wieder Ruhe und Sicherheit ins Wirtschaftsleben einziehen werden, etwas, was nicht hoch genug bewertet werden kann. Die Vermögensbilanz des Staates wird durch diese Schuld nicht sonderlich ungünstig beeinflußt werden. Es ist weiter klar, daß man für die Verzinsung und Abdeckung dieser Schuld vorsorgen muß. Ich glaube, daß unter den jetzigen Verhältnisen auf dem Weltgeldmarkt ein jährlicher Betrag von 10% der ganzen Summe, also jährlich 300 Millionen Kè für Begebung, Verzinsung, Verwaltung und andere Spesen eher zu hoch als zu niedrig angenommen ist. Ich glaube weiters, daß unter den Bedingungen, die ich mir im folgenden vorzulegen erlauben werde, ganz gut jährlich 500 Millionen Kè zur Amortisierung dieser Schuld bereitgestellt werden könnten, so daß insgesamt zur Verzinsung und Tilgung der Schuld 800 Millionen Kè nötig wären und die ganze Schuld nach 6 Jahren getilgt wäre.

Diese 800 Millionen Kè wären nach unserem Dafürhalten nachstehend aufzubringen: Erstens hätten die 315 Millionen Kè, die jährlich nach dem Gesetze vom 17. Dezember 1926, Z. 240, in den Rüstungsfonds fließen, nunmehr in diesen neuen, eigentlichen Krisenfonds zu fließen, daher wird die entsprechende Abänderung des betreffenden Gesetzes und des Staatsvoranschlages für 1931 beantragt. Die Gründe, die uns zu dieser Maßnahme bewogen haben, sind folgende: Der Rüstungsfond ist jener Fond, der beim einsichtigen Teil der Staatsbürger den allerschwersten Bedenken begegnet. Er ist unpopulär. Ich will nicht alles wiederholen, was diesbezüglich hier schon vorgebracht wurde. In Zeiten der allgemeinen Not muß gespart werden und da sind die Rüstungsausgaben just diejenigen, an denen am ehesten und leichtesten gespart werden kann. Übrigens kommt dadurch der Herr Landesverteidigungsminister gar nicht ganz um seine Rate, denn er figuriert ja gleichzeitig als Ressortminister der Schwerund Rüstungsindustrie und kann als solcher wieder einen Teil des neuen Fondes für diese Industrie beanspruchen. Wir wollen doch nicht die vielen Tausende von Arbeitern der Schwerindustrie in Not und Elend stürzen. Aber etwas mehr als bisher wird ihm auf die Finger gesehen werden müssen und das kann, denken wir an die ständigen Überschreitungen seines Budgets, nur von allgemeinem Vorteil sein.

Zweitens wären die 150 Millionen Kè, die nach dem kürzlich beschlossenen Gesetz vom 19. Dezember 1930, Z. 190, als Krisenfond bestimmt wurden und mit denen man, so scheint es, nichts Richtiges nzufangen weiß, schon ihrer Bestimmung gemäß diesem neuen Krisenfond zuzuführen.

Wir haben davon Abstand genommen, die vielen anderen schon bestehenden Fonde mit besonderer Zweckbestimmung diesem von uns beantragten neuen allgemeinen Krisenfond zuzuführen. Wir wollen eben diese besonderen Fonde ihrer Bestimmung nicht entziehen, im Gegenteil, ihnen die Möglichkeit bieten, sich aus dem neuen Fond im Notfalle zu alimentieren. Auf diese Weise wären von dem jährlichen Bedarfe von 800 Mill. Kè schon im Jahre 1931 465 Mill. Kè und in den folgenden Jahren 315 Mill. Kè gesichert.

Drittens bleiben demnach noch unbedeckt 335 Mill. Kè für das Jahr 1931 und je 485 Mill. Kè für die folgenden Jahre. Dieser Betrag ist nicht mehr gar zu groß. Da kann allerdings nur die Steuererhebung helfen, doch soll sie nach unserem Dafürhalten keine allgemeine sein, sondern nur die Reichen treffen. Ihnen wird durch den Gesetzesantrag sozusagen der ungestörte Besitz ihres Einkommens und Geschäftsertrages, vorläufig wenigstens, gesichert, sie können daher dafür ruhig eine Art Versicherungsgebühr bezahlen. Als "reich" haben wir jede physische oder juristische Person angenommen, die ein jährliches, der Einkommensteuer unterliegendes Einkommen, resp. bei juristischen Personen einen der allgemeinen oder besonderen Erwerbsteuer unterliegenden jährlichen Geschäftsreinertrag von mindestens 200.000 Kè hat. Die sich dabei ergebende Doppelbesteuerung kann mit Rücksicht auf den Zweck der Sache wohl ertragen werden, zumal der ärmere Teil der Bevölkerung in zahlreichen Fällen schonungslos einer doppelten und mehrfachen Besteuerung ausgesetzt ist. Wir müssen bedenken, daß der ärmste Teil der Bevölkerung durch die Umsatzsteuer viel härter getroffen wird, als die reichen Leute, welche neben ihrem Einkommen noch das gleiche Einkommen aus Tantiemen beziehen, deren Einkommen von der Gesellschaft selbst versteuert wird. Was den Armen ohne weiteres zugemutet wird, das können schließlich und endlich auch die Reichen ertragen.

Aus begreiflichen Gründen haben wir als maßgebendes Jahr nicht das laufende, sondern als Steuerjahr 1929 gewählt, weil da an den Bekenntnissen und Bilanzen kaum mehr etwas zu ändern ist.

Der Kreis der Steuerpflichtigen ist zwar beschränkt, wird aber doch genügend groß sein, um die neue Steuer, die wir "besondere Einkommensteuer von größeren Einkünften" nennen wollen, im Rahmen des Erträglichen zu halten. Wir sind der Ansicht, daß bei den Umständen, wo sowohl der Kreis der Steuerpflichtigen feststeht, als auch die Höhe des Steuerbedürfnisses, es infolgedessen nicht notwendig ist, die Steuer vielleicht in Prozenten von der Steuergrundlage festzustellen, sondern daß es genügt, wenn der nötige Steuerbetrag auf die Steuerpflichtigen aufgeteilt, einfach kontingentiert wird.

Da das beantragte Gesetz ein reines Zweckgesetz sein soll, so hat es von selbst zu erlöschen, wenn sein Zweck, die Bezahlung der aufgenommenen Schuld, erreicht ist, das ist in 6 Jahren nach Beginn seiner vollen Wirksamkeit. Bis dahin, voraussichtlich käme der 31. Dezember 1938 in Betracht, muß auch die Weltwirtschaftskrise ihre Lösung gefunden haben, oder aber es hat die ganze Welt ein Brand erfaßt, der sie von Grund aus verändert und wo dann auch solche kleine Auskunftsmittel wie das von uns beantragte Gesetz vollkommen wirkungslos erscheinen und von selbst ihre Geltung verlieren.

Wir Deutschnationalen haben bisher stets und aus guten Gründen uns gegen die Errichtung der verschiedenen Fonde im Haushalte dieses Staates gewendet. Nun sehen wir uns durch die harten Tatsachen gezwungen, selbst einen solchen Fond zu beantragen. Die Öffentlichkeit wird es daher verstehen, wenn wir in unseren Gesetzesantrag Bestimmungen aufgenommen haben, welche uns geeignet erscheinen, in unserem Falle jene Unzukömmlichkeiten zu vermeiden, welche wir bisher bei den anderen bestehenden Fonden feststellen mußten. Dazu gehört die Bestimmung über die Aufgaben und Zusammensetzung des Verwaltungsausschusses. Wir wollen dem Finanzministerium einen Verwaltungsausschuß zur Seite stellen, der ihm behilflich ist, seine gewiß schwere Aufgabe zu erfüllen. Wir stellen uns vor, daß der Fond vom Finanzministerium und diesem Ausschuß verwaltet wird. Der Finanzminister kann zwar der Vorsitzende bleiben, aber in vielen Fällen ist er an den Beschluß dieses Verwaltungsausschusses und an seine Mitwirkung gebunden. Es ist klar, daß dieser Verwaltungsausschuß nicht groß sein soll. Andererseits ist es unmöglich, alle Interessenten in einem allzukleinen Ausschuß zu vereinen und infolgedessen schien es, daß die Zahl von 22 Mitgliedern vielleicht die richtige sein könnte. Wir stellen uns vor, daß von diesen 22 Mitgliedern 4 von der Regierung ernannt werden sollen, 3 soll die Handelskammerzentrale wählen, 3 wählen die Vertreter der Produzenten, 3 die der Konsumenten, 3 die Landeskulturräte und nun, meine Herren, käme eine Neuerung, daß auch das Parlament durch 9 gewählte Vertreter in diesem Ausschuß vertreten sei, von denen 6 dem Abgeordnetenhaus und 3 dem Senat angehören würden. Eine weitere Neuerung wäre die, was auch im Gesetz festgelegt werden müßte, daß auch die parlamentarische Opposition mindestens durch zwei ihrer Mitglieder im Ausschuß vertreten sein müßte, damit die Herrschaften nicht gar zu sehr unter sich seien und machen können, was und wie sie wollen, wie wir es eben bisher bei den verschiedenen Fonden erlebt haben, etwas, was die Quelle und Ursache unseres Widerstandes ist.

Wir beantragen weiter, daß die Rechnungen dieses Fondes, also Voranschlag und Abrechnung, jährlich dem Parlamente zur Verhandlung und Genehmigung mit dem Staatsvoranschlage und der Staatsabrechnung vorgelegt werden. So glauben wir, daß wir einen brauchbaren Vorschlag gemacht haben, um in dieser schweren Zeit die Mittel herbeizuschaffen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, um eine Behörde, wenn sie wollen, oder eine Organisation zu schaffen, die die Theorie in die Praxis umsetzt und selbst wieder alle Maßnahmen erforscht und vollzieht, die notwendig sind, um hier produktive Aroeitslosenfürsorge zu leisten, um auch in dieser schweren Zeit wiederum Wohlstand und Arbeit in die Höhe zu bringen. Wir sind uns der Schwere dieser Zeit bewußt, wir wissen, daß nicht nur für diesen Staat, sondern ich möchte sagen, fast für alle Staaten in Europa und auch außerhalb Europas geradezu die Schicksalsstunde geschlagen hat, in welcher es sich entscheiden muß, ob die gegenwärtige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung noch soviel gesunde Kraft hat, die schwere Krankheit, in die sie durch den Versailler Vertrag, und das ist doch schließlich die letzte Ursache an diesen Dingen, hineingeraten ist, zu überwinden, oder ob sie reif ist für den verdienten Untergang. Wir halten unseren Gesetzesantrag für eine brauchbare Grundlage für eine parlamentarische Beratung, wir haben damit unserer Ansicht nach unsere Pflicht getan, tun Sie, meine Herren, die Ihrige. (Potlesk.)

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