Úterý 27. ledna 1931

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 97. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 27. ledna 1931 odpol.

1. Øeè posl. Krumpeho (viz str. 19 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Über die Tagesordnung der heutigen Parlamentsitzung müßte man als Regierungsmotto die Überschrift setzen: "Ut aliquid fecisse videatur". Dem äußeren Drang folgend, bemüht sich die Regierung den Anschein zu erwecken, als ob tatsächlich etwas geschehe, sie beruft das Parlament ein und unterbreitet ihm eine Tagesordnung, die tatsächlich den Gipfelpunkt von Verlegenheit darstellt. Darin liegt eine bewußte Herabsetzung des Parlaments und ich fühle mich gezwungen, auf die entschiedenste Weise gegen diese Bagatellisierung und Ausscheidung des Parlaments auf das Nachdrücklichste zu protestieren. Anderthalb Monate beläßt die Regierung das Parlament auf Ferien, zu einer Zeit, da die Verzweiflung durch das Land schreitet und der Schrei der Not von Tag zu Tag lauter und eindringlicher wird. Als Trost lesen die hungernden Volksmassen dann, daß die Wirtschaftsminister zwar getagt haben, aber sich nicht einigen konnten. Es ist begreiflich, daß das Volk zu dieser Wirtschaft der Wirtschaftsminister und der Gesamtregierung alles Vertrauen verliert, da Wirtschaftsminister und Regierung gemeinsam der Not und dem Elend tatenlos gegenüberstehen. Zu derselben Zeit sehen wir, wie das deutsche Parlament mit dem Reichskanzler Brüning an der Spitze Riesenaufwendungen macht und die Kräfte des ganzen Volkes und Staates mobilisiert, um der Not nur einigermaßen zu steuern. Bei uns dagegen glaubt man, daß man mit einer bescheidenen und ungenügenden Suppenmarkenaktion genug getan habe.

Es ist wohl überflüssig, die Arbeitslosenziffern und den Stand der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Bezirken anzuführen. Nur Eines will ich bemerken, daß die vom Referenten im Senat angeführte Ziffer der Arbeitslosen von 230.000 sicher um 100% hinter der Wirklichkeit zurückbleibt, weil die Bezirksmeldestellen nicht alle Arbeitslosen erfassen können. Viele Arbeitslose unterlassen nämlich die Anmeldung wegen ihrer vollständigen Zwecklosigkeit. Dazu kommt noch der Umstand, daß die Zahl der Erwerbslosen weit über den Kreis der bisher für die Zahlung allein in Betracht kommenden Arbeitsnehmer hinauswächst, da sich ihnen eine große Zahl ehemals wirtschaftlich selbständiger Handwerker und Kaufleute anschließt. Die Erwerbslosigkeit greift in erschreckender Weise auf den Stand der Kleingewerbetreibenden über und vernichtet Woche für Woche eine große Zahl bisher selbständiger wirtschaftlicher Existenzen.

Vor anderthalb Monaten schien die Regierung einen Anlauf zur Bekämpfung der Krise nehmen zu wollen, indem sie sich vom Parlamente einen Betrag von 150 Millionen zu diesem Zwecke bewilligen ließ. Wir haben seinerzeit an alle Wissenden, angefangen vom Minister bis zum Berichterstatter im Hause, die Frage gerichtet, was denn mit diesen 150 Millionen geschehen soll. Wir haben bis heute noch keine Antwort bekommen. So wiederholen wir diese Frage noch einmal und wissen uns dabei eins mit der ganzen Bevölkerung: "Was geschieht mit den 150 Millionen?" Wir müssen es als unerhörten Skandal bezeichnen, daß zur Zeit der höchsten Not sich die Regierung 6 Wochen lang darauf besinnen muß, was sie mit dem bewilligten Notkredit überhaupt anfangen soll. Größeres Versagen einer Regierung und einer Regierungsmehrheit ist wohl in der Parlamentsgeschichte noch nicht konstatiert worden. Ich gebe zu, daß die Austüftelei über die Verwendung der 150 Millionen in der Weise, daß der Aufwand nicht nur moralisch, sondern auch materiell restlos den Parteizwecken zugeführt wird, ziemlich schwierig und langwierig ist (Výkøiky nìmeckých soc. dem. poslancù.), da sowohl die Sozialdemokraten wie auch die Agrarier dringend eines Erfolges bedürfen, um die aufgeregten Volksmassen zu beschwichtigen. Beide Parteien haben sich durch den unsinnigen Zollkrieg mit Ungarn an der Not nicht nur mitschuldig gemacht, sondern sie stehen für weite Industriegebiete als die Haupt- und Alleinschuldigen da. 15.000 Textilarbeiter allein sind durch den Zollkrieg mit Ungarn brotlos geworden und rund 10.000 Arbeiter aus anderen Industriezweigen. Wenn die Handelsvertragsarbeiten mit Ungárn im bisherigen Tempo weitergehen, müssen wir erwarten, daß unserer Industrie und Wirtschaft unheilbare Wunden geschlagen werden. Daß damit wiederum ein Stück deutsche Industrie vernichtet wird und dadurch wiederum ein großer Bereich deutscher Arbeitsmöglichkeit, wird auch die deutsche Sozialdemokratie vor der deutschen Bevölkerung mitzuverantworten haben. (Posl. Schweichhart: Reden Sie von Thun!) Wir reden jetzt vom ungarischen Zollkrieg und nicht von Thun. Ich glaube, daß Sie vom ungarischen Zollkrieg nicht gerne reden, daß Ihnen das sehr unangenehm ist, Herr Schweichhart. Sie haben damals genug Lärm gemacht, aber Tatsache ist: wir haben die Meistbegünstigung mit Ungarn durchgesetzt und erreicht. Sie haben sie preisgegeben und den Zollkrieg mit Ungarn heraufbeschworen, der uns in unserem Industriegebiete den Hunger nachgeschickt hat. Dafür seid Ihr deutschen Sozialdemokraten mit verantwortlich.

Was geschieht mit den 150 Millionen? Wir haben erwartet, daß man damit den vor dem Zusammenbruch stehenden Gewerkschaften zu Hilfe kommen wird, denn das Rückgrat aller Arbeitslosenfürsorge sind die Arbeitslosenunterstützungen, ausgezahlt durch die Gewerkschaften nach dem Genter System. Die Verhältnisse haben ergeben, daß das Genter System wohl zu Zeiten wirtschaftlicher Beruhigung ein ganz annehmbares System sein mag, daß es aber bei größeren Störungen im Wirtschaftsleben unhaltbar ist und daß die Gewerkschaften den Verpflichtungen aus diesem Gesetze bei größeren und andauernden Wirtschaftskrisen nicht nachkommen können. (Posl. Schweichhart: Wir verlangen ja doch die Arbeitslosenversicherung!) Wir verlangen dasselbe, ganz genau dasselbe, vielleicht zu derselben Zeit wie Sie. Wir verteidigen das Genter System nicht, wir haben die Arbeitslosenversicherung schon früher im vollen Ausmaße und Umfange verlangt. Wenn Sie einen solchen Antrag einbringen werden - Sie sind ja in der Regierung - dann werden Sie uns dabei als Unterstützer finden. Hier ist jetzt der Platz, um die Tüchtigkeit zu zeigen, nicht nur schreien, draußen bei den Versammlungen! Das ist das Leichtere und Einfachere. (Výkøiky.) Früher haben die Herren genau gewußt, wie man regieren muß. Jetzt, wo sie drinnen sitzen, ist ihnen die Weisheit abhanden gekommen. Da hat die Regierung eine großartige Geste zur Unterstützung der Arbeitslosen gemacht. Sie gestattet den Gewerkschaftetn, den Arbeitern der Textil-, Metall-, Glas-, Leder-, Holz- und Bergbauindustrie und des Buchdruckereigewerbes die Arbeitslosenunterstützung 13 Wochen länger als bisher als sogenannte Krisenunterstützung auszubezahlen, ohne die Gewerkschaften zu fragen, wo sie die Mittel zu diesen ungeheueren Aufwendungen hernehmen sollen. Die Regierung tut aber noch ein Übriges. Sie hat nicht nur den Gewerkschaften keine Mittel für die Krisenunterstützung zur Verfügung gestellt, sie bleibt sogar den Staatsbeitrag, der ihnen nach dem Genter System gebührt, schuldig. (Výkøiky.) So sehen wir heute, daß zwei Textilverbände, der christliche Textilarbeiterverband und die Union allein schon ein Defizit von 15 Millionen aufweisen. (Posl. Grünzner: Das stammt doch aus Šrámeks Zeiten!) Reden Sie sich jetzt nicht auf den Šrámek aus. Hic Rhodus, hic salta! Sie haben jetzt einen Minister an der Stelle, die die soziale Fürsorge besorgen soll. Das ist eine billige Ausrede. Sie werden sich noch auf unsere Großmütter ausreden wollen. (Výkøiky posl. Grünznera.) Wenn jemand ein System zur Niederringung und Vernichtung der Gewerkschaften ersinnen wollte, hätte er nichts besseres tun können, als was die Regierung jetzt gegenüber den Gewerkschaften tut. Wissen Sie, was das heißt? Die Gewerkschaftler werden den Gewerkschaften entfremdet, die Gewerkschaften verlieren den Einfluß, und heute lauern schon die Industriekapitäne darauf, sie sehen die Not als Konjunktur an, um mit den Errungenschaften der Arbeiterschaft aufzuräumen und diese lästigen Mahner und Warner, die Gewerkschaften, endlich einmal beiseite schieben zu können. Daß sich dieser Vorgang in der Zeit abspielt, da die Sozialdemokratie in der Regierung ein mitents cheidendes Wort hat und an der Spitze des Sozialministeriums ein Sozialdemokrat steht, macht die Sache natürlich noch ganz besonders bemerkenswert. Das Sozialministerium spendet wohl Ernährungskarten mit fremden Mitteln, läßt die Gewerkschaften zahlen und bleibt die gesetzlichen Beiträge schuldig (Posl. Grünzner: Das sind Euere schlechten Gesetze!) Machen Sie doch jetzt bessere, dazu sitzen Sie doch um Himmelswillen da, macht bessere, wenn Ihr könnt, Ihr habt die Minister, verbergt nicht Euere Gescheitheit, wir lauern darauf, daß Ihr etwas tut. Aber nur draußen herumschreien könnt Ihr, hier macht Ihr nichts!

Was geschieht also mit den 150 Millionen? Wir glaubten, daß mit diesen Mitteln die Suppenaktion des Sozialministeriums aus ihrer jämmerlichen Dürftigkeit und Unzulänglichkeit herausgeschoben werden wird. (Posl. Schweichhart: Euer Ideal wäre wiederum die Klostersuppe!) Herr Kollege, viele Leute sind froh, wenn sie die Klostersuppe bekommen. Herr Schweichhart, wenn die Klöster nicht wären, müßten viele Leute verhungern, weil das Sozialministerium die Arbeiter verhungern läßt.

Das Gegenteil ist eingetreten. Einem großen Teil der Gemeinden ist im Jänner trotz Ansteigens der Arbeitslosenziffern die Menge der zugewiesenen Ernährungskarten sogar noch gekürzt worden, so daß die Not noch größer wurde. Es ist undenkbar, daß bei längerem Andauern dieser Krise die Unterstützung auf die 10 Kè-Lebensmittelkarte beschränkt werden kann. Ich erinnere an die ungeheuerlichen weiteren Bedürfnisse, die jetzt an die Arbeitslosen herantreten, deren Nichterfüllung furchtbare Folgen haben können. In wenigen Tagen ist der Mietzins fällig für Tausende und Abertausende Familien.

In großzügiger Weise hat man den Gemeinden die Arbeitslosenfürsorge überlassen. Aber sobald die Gemeinden im Namen der Menschlichkeit für diese Zwecke Mittel bereit stellen wollen, kommt eine kurzsichtige Bürokratie und verbietet ihnen den Aufwand von Mitteln. Der Fall von Komotau, wo der Bezirkshauptmann die Arbeitslosenfürsorge den Gemeinden direkt verboten hat, ist kein Einzelfall; ebensolche Klagen hören wir aus dem Bezirke Reichenberg, wo man den Landgemeinden die ungeheuerlichsten Schwierigkeiten bereitet, wenn sie zur Selbsthilfe greifen. In Schluckenau hat die Bezirkshauptmannschaft der Gemeinde Georgswalde verboten . . . . . (Posl. Schweichhart: Das sind doch nur die Folgen Eure Verwaltungsreform!) - warten Sie dringende Arbeiten zur Behebung der Arbeitslosigkeit durchzuführen und deshalb ein Darlehen aufzunehmen. Wir haben beim Gemeindefinanzgesetz gefordert, daß man unter dem Titel von Katastrophen auch die Selbsthilfe bei Industriekrisen einbezieht und daß man den § 20 in dieser Weise vernünftig und milde handhabt. Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am 23. Jänner die Beamten einer gewissen Sabotage in der Durchführung öffentlicher Arbeiten beschuldigt. Ich freue mich, daß der Ministerrat das eingesehen hat, wir könnten mit Beispielen solcher Sabotage dienen, wobei sich allerdings herausstellen wird, daß die Sabotage nicht so sehr von untergeordneten Beamten ausgeht, sondern von Ministern selbst, daß selbst im Budget bewilligte Ausgaben aus nationalen und parteipolitischen Gründen hintertrieben werden. (Posl. Schweichhart: Namen nennen!) Haben Sie es notwendig, sie zu verteidigen? Ein Beispiel ist der Ausbau der Abteilung 5 der deutschen technischen Hochschule für Landwirtschaft in Tetschen-Liebwerd, für den schon seit einer Reihe von Jahren im Budget die Beträge eingesetzt worden sind, ohne daß man bisher auch nur einen Ziegel zugefahren hätte. Die größte Sabotage aber betreibt das Finanzministerium selbst, welches die Mittel für die saisonmäßigen Bauten gewöhnlich erst in der zweiten Jahreshälftte bereit stellt, zu einer Zeit, wo infolge der notwendigen Fristausschreibung die Zeit zur Durchführung des Baues nicht mehr langt, wie es bei unseren Straßen der Fall ist; und der Nutznießer ist wiederum das Finanzministerium, weil wegen Terminverlust die Gelder wiederum ins Finanzministerium zurückfließen und dann in den nächsten Jahren wieder mühsam erbettelt, erquält und erschunden werden müssen. Ein rasches Tempo sowohl bei Gewährung der Mittel als auch bei der Durchführung der Arbeiten ist lediglich bei Erbauung der Minderheitsschulen festzustellen, hauptsächlich bei solchen, die in deutschen Gegenden gebaut werden, wo keine Èechen wohnen.

Was geschieht also mit den 150 Millionen? (Posl. Schweichhart: Sie können es nicht erwarten!) Nein ich kann es nicht erwarten und die Leute, die hungern, können es auch nicht erwarten. Sie, Herr Schweichhart, können es vielleicht erwarten. Es gab Optimisten, die glaubten, daß die Regierung anschließend an den gewährten Kredit einen Arbeitsbeschaffungsplan vorlegen würde, der auch den Rahmen der 150 Millionen hätte überschreiten können, da man der Geneigtheit des Parlaments, auch höhere Ausgaben zu bewilligen, absolut gewiß sein kann. Von all dem ist keine Rede.

Bald, meine Herren, schmilzt der Schnee, der jetzt barmherzig unser Straßenelend zudeckt, und bald werden 100.000 Arbeitslose über die löcherigen Straßen schreiten, jene Straßen, die heute Verkehr und Wirtschaft schädigen und die so viel dringende Arbeit verlagen und heischen, daß Tausende und Abertausende von Arbeitslosen die Suppenkarten mit dem Lohnzettel vertauschen könnten. Seit einem Jahr verfolgen wir die Vorlage eines großzügigen Arbeitsbeschaffungsplanes. Die ganze Arbeitslosenfürsorge muß aus ihrer bürokratischen Kleinlichkeit herausgehoben und vor allem von parteimäßiger Prestigepolitik befreit werden. Man möge die Versuche unterlassen, durch Ablenkungsmanöver die öffentliche Aufmerksamkeit von den dringenden Tagesfragen, von der Not des Volkes, abziehen zu wollen. Zu diesen Ablenkungsmanövern rechne ich auch den Plan eines staatlichen Monopols der Arbeitsvermittlung und die Umwandlung des Ernährungsministeriums in ein allgemeines Verbrauchsministerium. Beide Vorlagen wären zwar imstande, bedeutende Debatten hervorzurufen und die öffentliche Aufmerksamkeit nach längerer Zeit zu fesseln, aber ihr Erfolg wäre gleich dem der verschiedenen Augenauswischvorlagen, mit denen man das Parlament seit einem Jahre beschäftigt. Außerdem ist mir als Deutschem eine rein staatliche Arbeitsvermittlung sehr bedenklich. Dabei wollen wir keineswegs den jetzigen Zustand als ideal bezeichnen, da die jetzigen Bezirksvermittlungsstellen vielfach parteipolitisch und in anderer Weise mißbraucht werden. (Posl. Schweichhart: So! So!) Jawohl, Herr Schweichhart, in Bodenbach können Sie fragen, dort können Sie Antwort kriegen. (Posl. Schweichhart: Nicht verleumden!) Ich komme gleich auf etwas. Es mehren sich tagtäglich die Klagen, daß Kommunisten und Sozialdemokraten als Leiter der öffentlichen Fürsorgestellen die Zuweisung der Arbeitslosenfürsorge von der Vorlage der Parteikarte abhängig machen. (Posl. Schweichhart: Beweisen!) So wurde z. B. am 12. Jänner in Trinkseifen bei Neudek von Arbeitern der Austritt aus der Kirche verlangt, bevor man ihnen die Arbeitslosenkarte aushändigte. Tatsächlich wurden so 32 Personen zum Austritt aus der Kirche gezwungen. In Bodenbach, passen Sie auf, Herr Schweichhart, wies die Arbeitsvermittlungsstelle, Sie kennen ja den Machthaber, zwei arbeitslosen Frauen Arbeit zu, die darin bestand, daß sie mit empfängnisverhütenden Gummiartikeln hausieren gehen sollten. Als sich die beiden Frauen berechtigterweise dagegen wehrten, hat ihnen Herr Fister die Arbeitslosenkarte entzogen und erklärt, das sei Arbeitsverweigerung. (Posl. Schweichhart: Wann war das?) Vor vierzehn Tagen. Und es hat einer ganz großen Intervention bei der Bezirkshauptmannschaft in Tetschen bedurft, um diesen Frauen ihre Arbeitslosenkarte wieder zu verschaffen. Herr Schweichhart, fragen Sie Herrn Fister, ob es wahr ist? (Posl. Schweichhart: Ich bin überzeugt, daß es anders war!) Ich werde Ihnen noch andere Beweise geben, wenn Sie sie haben wollen. (Posl. Schweichhart: Das ist Tratsch!) Ja aber solcher, der von der Arbeitslosenfürsorgestelle stammt.

Daß das Ernährungsministerium dringend einer Reform bedarf, wird man zugeben. In letzter Zeit hat es sich mit vollem Recht den Titel eines Unterernährungsministeriums erworben. Die Reform des Ernährungsministeriums kann jedoch nur in der Aufhebung dieses überflüssigsten aller Ministerien bestehen, es würde keine fühlbare Lücke hinterlassen. Die Lebenberechtigung dieses Ministeriums halte ich erst dann für erwiesen, wenn es ihm einmal gelingt, gegen die Volksausbeutung durch die hohen Zuckerpreise wirksam aufzutreten.

Was geschieht also mit den 150 Millionen? Wir stellen folgende Forderungen auf: 1. daß den Gewerkschaften die rückständigen Staatsbeiträge nach dem Genter System sofort ausgezahlt werden, 2. daß den Gewerkschaften für die weitere Arbeitslosenunterstützung entsprechende Vorschüsse gewährt werden, 3. daß den Gewerkschaften das Defizit ihrer Arbeitslosenkassen ersetzt werde, 4. daß den Gewerkschaften für die dreizehnwöchige Auszahlung der Krisenunterstützung Mittel beigestellt werden, 5. die Ernährungsaktion ist auszubauen durch volle Zuweisung der Lebensmittelkarten an die Gemeinden nach deren Anforderung und Erhöhung des Betrages der einzelnen Karten, 6. die unverzügliche Vorlage eines großzügigen Arbeitsbeschaffungsprogrammes in Verbindung mit einem Investionsprogramm, das mit Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Bezirken aufzustellen ist, 7. die sofortige Aufnahme der Handelsvertragsverhandlungen mit Ungarn zwecks baldiger Beilegung des Zollkrieges.

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm muß sich aber den Bedürfnissen der einzelnen Bezirke anpassen und muß auf die dort herrschende Arbeitslosigkeit Rücksicht nehmen. Was bisher an Investitionsplänen der Regierung an die Öffentlichkeit gedrungen ist, kann uns nicht befriedigen, da die geplanten Investitionen namentlich das nordböhmische Industriegebiet fast gar nicht berühren. Dabei ist mir eine Nachricht zugekommen, die so unglaublich klingt, daß ich sie fast als nicht wahr annehmen wollte: Bei der unlängst erfolgten Vergebung von großen öffentlichen Lieferungen durch das Handelsministerium, die sich auf Fertigware der Textilindustrie beziehen, wurde das Warnsdorfer Gebiet fast zur Gänze ausgelassen. (Posl. dr Petersilka: Trotz Versprechungen des Handelsministers!) Trotz zahlreichen Interventionen und Zusagen hat man die notleidende Warnsdorfer Industrie, diesen großen Industrieplatz, ganz und gar beiseite gelassen, weil ja doch das erste Prinzip bei allem nicht das Elend ist, sondern die Möglichkeit, uns Deutsche dabei zu schädigen.

So richte ich an die Regierung den dringenden Appell, mit der Verwendung des 150- Millionenfonds nicht weiter zuzuwarten, aber auch nicht mehr zuzuwarten mit der Berichterstattung über dessen Verwendung an das Parlament, damit nicht erst Sensationsberichte der èechischen nationalsozialistischen Zeitungen über die Verwendung dieses Fonds zu Befestigungsarbeiten in der Slovakei die Bevölkerung in Aufregung versetzen. Man setze die 150 Millionen möglichst rasch in greifbare Fürsorge um und spreche gegebenenfalls auch weitere Mittel beim Parlamente an.

Ich muß feststellen, daß die große Notzeit eine kleine und unfähige Regierung gefunden hat, die auch heute noch das Parteiinteresse über das Volksinteresse setzt. Daher versuchen die Abgeordeten der Regierungsparteien, an der Spitze die deutschen Sozialdemokraten, durch scharfe Oppositionsreden in den Versammlungen die Bevölkerung über den Jammer der derzeitigen Regiererei hinwegzutäuschen. (Posl. Schweichhart: Das ist eine Jesuiterei, die Sie hier heute reden!) Das Bibelwort von den reißenden Wölfen, die in Schafskleidern zum Volke kommen, hat sich umgekehrt, Herr Schweichhart! Jetzt kommen die sozialdemokratischen Agitatoren und Abgeordneten im Gewand der reißenden Wölfe und unter diesem Gewand verdecken sie das Schafskleid der Regierungsfrommheit und Zustimmungsbereitschaft zu dem Experimente des Unsinns, wie es der Zollkrieg mit Ungarn darstellt.

Wir erwarten und fordern, daß die Regierung das Parlament nicht weiter mit Verlegenheitsprogrammen zum Besten hält, sondern ihm ein Programm der Arbeit und der Tat vorlegt. Das fordern wir nicht nur im Namen unserer Partei, das fordert das Volk und das fordert die Not. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Köhlera (viz str. 23 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Seit Monaten nimmt die gegenwärtige Wirtschaftskrise einen geradezu erschreckenden Umfang an. Sie wird beinahe zur Katastrophe. Das gilt insbesondere für unsere sudetendeutsche Wirtschaft. Das ficht aber die gesetzgebenden Körperschaften scheinbar nicht sonderlich an, denn wochenlang wird das Parlament auf Weihnachtsferien geschickt, monatelang wird über alles mögliche und unmögliche debattiert, nur nicht über das, was die Menschen in der gegenwärtigen Zeit wohl am stärksten berührt. (Souhlas.) Wie schon mein Vorredner sagte, ist die heutige Sitzung des Parlamentes geradezu bezeichnend für diesen Zustand der Teilnahmslosigkeit gegenüber den wichtigsten Vorgängen in der Wirtschaft.

Wir sehen auf dieser Tagesordn ung zunächst einen Bericht des technischen Beförderungsausschusses sowie des Außenausschusses über den Regierunsantrag, mit welchem der Nationalversammlung der Vertrag über das Statut über das internationale Hafenregime vorgelegt wird, welche beide am 9. Dezember 1923 in Genf unterzeichnet wurden. Zweitens den Bericht des Außen-, des Handels- und Gewerbeausschusses über den Regierungsantrag, mit welchem der Nationalversammlung das Handelsübereinkommen zwischen der Èechoslovakischen Republik und der Republik Chile, das in Prag am 18. September 1930 unterschrieben wurde, vorgelegt wurden. Sonst steht auf der Tagesordnung nur noch eine Reihe von Immunitätsfällen, die ja schon zum täglichen Behandlungsstoff des Parlamentes gehören. (Posl. Krebs: Da wundern sich die Herren über den Verfall des Parlamentarismus!) Das nennt man die Krise des Parlamentarismus. Bezeichnend ist dabei, daß selbst kritische Äußerungen zur Wirtschaftskrise schon der Zensur verfallen. Da hat mein Parteifreund Hans Krebs auf einer Kundgebung der Bergarbeiter des nordwestböhmischen Braunkohlengebietes über die Wirtschaftskrise und deren Folgen gesprochen. Ich sage, es ist bezeichnend für den Geist der heutigen Regierung und ihrer Helfershelfer, daß Äußerungen, die ich hier vortragen werde, nicht in die Presse kommen dürfen. Es handelt sich dabei um folgende Ausführungen des Parteigenossen Abg. Krebs: "Ein Notschrei der Bergarbeiter. Wir fragen heute die Arbeiter: wo ist denn die Volksherrschaft, die Demokratie in der Wirtschaft? Die Sozialdemokraten werfen uns Nationalsozialisten, die wir für eine bessere Wirtschaftsform kämpfen, vor, daß wir die Diktatur aufrichten wollen." (Posl. Schweichhart: Mussolini!) Wir wollen den Ständestaat, Herr Koll. Schweichhart! "Ja, wir fragen die Bergarbeiter und alle anderen Arbeiter, ob denn nicht heute schon unter dem Titel einer Demokratie, die die Sozialdemokraten verteidigen, die Diktatur des Finanzkapitals besteht. Hat irgendeiner der Tausende Arbeitsloser auch nur das geringste dreinzureden, wenn er aus dem Betrieb verjagt oder arbeitslos wird und so der Not und dem Elend preisgegeben wird? Man muß sich so recht fragen: Weiß denn die Regierung nicht, was draußen im Lande bereits vor sich geht? Wenn es schon die bürgerlichen Minister nicht wissen, so sollten doch die sozialdemokratischen Minister darüber auf das Genaueste informiert und unterrichtet sein. Das ist ohne Zweifel wohl auch der Fall. Umso unverständlicher aber bleibt die Passivität der Regierung, die geradezu von niemandem mehr verstanden werden kann. Da nützen auch die verschiedenen Ablenkungsmanöver, die sozialdemokratischen Versammlungen gegen den Faszismus nichts, denn die Massen, die hungern - und dieses Heer wächst von Tag zu Tag und wird größer und größer pfeifen auf diese Demokratie. Diese Massen sehen mit größter Sorge in die Zukunft und erwarten insbesondere von den Arbeitervertretern in der Regierung Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise, vor allem aber gegen den Hunger und das ganz unbeschreibliche Elend, das heute unter den Arbeitslosen herrscht. Aber nicht Palliativmittel verlangen Wirtschaft und Arbeitslose, denn damit sind wir bereits reich gesegnet, sondern ernste Arbeit von Regierung und Parlament."

Bezeichnend für diese Stimmung, wie sie überall im Lande anzutreffen ist, ist eine gestern stattgefundene Versammlung der Bürgermeister des Reichenberger Bezirkes, an der 21 Bürgermeister und Gemeindevorsteher teilgenommen haben. Der Reichenberger Bezirk gehört heute bereits zu den größten Notstandsbezirken dieses Staates. Das hängt vor allem mit dem geradezu katastrophalen Zusammenbruch zusammen, den die dort vorherrschende Textilindustrie in den

letzten Monaten erlitten hat. Die Arbeitslosigkeit ist deshalb auch im Reichenberger Bezirk weitaus stärker, als wir sie in anderen Bezirken, im Durchschnitt gesehen, finden. Das war auch schließlich und endlich die Ursache zur Bürgermeisterzusammenkunft in Reichenberg. Solche Zusammenkünfte haben sicherlich auch in anderen Bezirken stattgefunden - darüber hat die Presse laufend berichtet - die damit den Beweis erbracht haben, daß ihnen ein viel größeres Verantwortungsgefühl eigen ist als dem Staate und dem Parlament. Nur sind die Selbstverwaltungskörper leider nicht in der Lage, wirklich helfend einzugreifen, da es ihnen an den hiezu nötigen Mitteln fehlt. Das kam auch in der vorher genannten Reichenberger Vers ammlung sehr stark zum Ausdruck. Weil dem so ist, wurde umsomehr darüber Klage geführt, daß die staatlichen Behörden in der gegenwärtigen Zeit der Wirtschaftskrise so gut wie vollständig versagen. Ausdrücklich wurde in dieser Versammlung zum Ausdruck gebracht, daß es der Staat einfach der Gemeinde oder den Gemeinden überläßt, die höchst erbitterte und reizbare Bevölkerung zu beruhigen und von unüberlegten Handlungen zurückzuhalten. Aus den Zeitungsberichten über diese Tagung geht weiter hervor, daß alle Bemühungen um staatliche Aufträge für die Militärtuchlieferungen vollständig ergebnislos verlaufen sind. (Výkøiky nìmeckých nár. soc. poslancù.) Die Deutschen werden eben nach wie vor als "Gleiche unter Gleichen" behandelt, trotz der Teilnahme deutscher Sozialdemokraten an der Regierung und trotz der Tatsache, daß wir am stärksten an den Steuereinnahmen des Staates beteiligt sind.

Nicht weniger wurde in dieser Versammlung über die Ernährungsaktion der Regierung gesprochen und gleichzeitig darüber Beschwerde geführt, daß erstens einmal die Anzahl der Lebensmittelkarten nicht übereinstimmt mit der Zahl der wirklich bedürftigen Menschen, die dafür in Betracht kommen, und weiters wurde darauf hingewiesen, daß mit dem Betrag von 10 Kè für Ledige und 20 Kè für Familienerhalter auch nicht das allerbescheidenste Auslangen gefunden werden kann. (Posl. Krebs: Eine Verhöhnung der Arbeitslosen, der Not der Massen!) Jawohl.

Die Gemeinden sind aber auch gar nicht imstande, Zubußen zu gewähren oder können das nur ganz unzulänglich tun. Mit der produktiven Arbeitslosenfürsorge ist es ebenso. Die dafür bereitgestellten Mittel sind vollkommen unzureichend. Die Gemeinden aber können Darlehen für diese Zwecke nur zu einem unerschwinglichen Zinsfuß erlangen und außerdem ist damit im Augenblick gegen die Arbeitslosigkeit nichts getan, weil solche Darlehen nicht über Nacht zu haben sind. Die Beschaffung solcher Darlehen macht bekanntlich sehr oft außerordentliche Schwierigkeiten. Unerhört ist aber geradezu, wenn z. B. die Bezirksvertretung Reichenberg zur Linderung der Arbeitslosigkeit ein immerhin großzügiges Investitionsprogramm aufgestellt und beschlossen hat, das aber nicht durchgeführt werden konnte, weil die Aufsichtsbehörde die für dieses Programm notwendigen Mittel bis zum heutigen Tag nicht genehmigt hat. Auch daraus geht hervor, wie berechtigt die Beschwerden gegen die staatlichen Ämter sind, die scheinbar von größerer Sorge erfüllt sind um nationalsozialistische Versammlungen oder um deren Redner, um die Plakate hiezu u. s. w. (Rùzné výkøiky.), als um die furchtbare Wirtschaftsnot, in der sich besonders die sudetendeutschen Arbeitsmenschen befinden.


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