Hohes Haus! In diesem Jahr wird uns das seltene Vergnügen zuteil, uns zweimal mit dem Staatshaushalt beschäftigen zu können. Man kann darüber Zweifel legen, ob es überhaupt ein Vergnügen ist, sich mit dem Budget zu beschäftigen, aber kein Zweifel kann darüber bestehen, daß es kein Vergnügen ist, sich mit dem diesmaligen Haushalt zu beschäftigen, denn die zwei großen Ziele einer gesunden Budgetierung, die erreicht und festgehalten zu haben der Ruhm der letzten Jahre und damit auch des vielgeschmähten Bürgerblocks war, diese beiden Ziele sind im vorliegenden Budget außeracht gelassen; Das Gleichgewicht und die Stabilität.
Das Gleichgewicht ist zwar äußerlich, ich möchte sagen scheinbar, noch gewahrt, denn der Haushalt schließt mit einem Aktivum von 5 Mill. Kè ab. Man hat uns oft genug betont, daß es auf die Höhe des Aktivums nicht ankomme, Hauptsache sei, daß der Staatshaushalt überhaupt aktiv sei. Das mag im Grunde richtig sein, aber wenn es sich um ein Aktivum von 5 Millionen bei einem gesamtbudget von 10 Milliarden handelt, ist doch wohl der leise Zweifel gestattet, ob dieses Aktivum als Wahrheit anzunehmen ist oder ob es sich dabei nicht nur um eine vorgeschätzte Aktivität handelt, und dieser Verdacht wird umso mehr begründet, wenn wir sehen, daß ja das Wachsen des Staatshaushaltes - er ist diesmal um mehr als eine halbe Milliarde gewachsen - daß dieses Wachstum des Staatshaushaltes, wie uns offiziell gesagt wird, nicht etwa mit einem erfreulichen und überraschenden Wachstum der Einnahmen zusammenhängt, sondern daß dieses Wachstum, dieses notwendige, betrübende und unvermeidliche Wachstum der Ausgaben nur künstlich gedeckt wurde, indem man die sogenannten Reserven herangezogen hat, das heißt, indem man diesmal versucht hat, ehrlicher zu budgetieren dadurch, daß man die Einnahmen mit dem vermutlichen wirklichen Reinertrag eingesetzt hat, während in früheren Jahren die Eingänge möglichst tief angesetzt waren, um eben eine größere Bewegungsfreiheit zu haben. Nun ist es aber an sich schon zweifelhaft, ob wir gerade im kommenden und in den nächsten Jahren mit solchen Überschüssen werden rechnen können. Sowohl Finanzminister wie Referent haben schon im Vorjahre vor einem übertriebenen Optimismus gewarnt und wir sehen namentlich aus dem Rechnungsabschluß, daß die Eingänge aus den direkten Steuern in geradezu erschreckender Weise zurückgegangen sind und daß der Steuerertrag hinter dem Voranschlag weit zurückgeblieben ist. Auch mit ungeheueren Rückständen an fälligen und schuldigen Steuern werden wir zu rechnen haben. Ferner wird uns gesagt, daß die Bedeckung der Lehrergehalte, die einige hundert Millionen ausmacht, im Budget nicht vorgesehen, also ebenfalls den Reserven zu entnehmen ist, und so dürfen wir wohl in der Tat mit Recht zweifeln, ob der Rechnungsabschluß über das kommende Jahr wirklich mit einem Aktivum enden wird.
Von vornherein verzichtet ist auf die Stabilität. Das heißt, es zeigen sowohl Einnahmen wie Ausgaben ein großes Wachstum, obwohl heuer im Frühjahr bei Beratung des letzten Staatshaushaltes ebenfalls Minister und Referent darauf hingewiesen haben, daß unser Budget viel zu hoch sei und man allmählich an einen Abbau, womöglich um 1 Milliarde denken müsse. Statt dessen ist das Budget heuer um eine halbe Milliarde gestiegen. Wir waren seit Jahren bemüht, die Ausgaben auf gleicher Höhe zu erhalten und Überschüsse zu erzielen, um allmählich gewisse Erleichterungen zu ermöglichen und schließlich hat sich zwar die Notwendigkeit gewisser Mehrauslagen ergeben, aber man hat sie durch entsprechende Ersparnisse auf der andern Seite wettgemacht. Erst die jetzige Mehrheit hat das unbestrittene Verdienst, von dem gesunden Grundsatz der Stabilität abgewichen zu sein und die Staatswirtschaft wieder zur reinen Verbrauchswirtschaft zu machen, die die Ausgaben nach den Bedürfnissen der einzelnen politischen Parteien richtet und es der Privatwirtschaft überläßt, dem Staate die nötigen Einnahmen zu liefern. Für diese Politik des erhöhten Steuerdruckes ist die Mehrheit verantwortlich, die den Staat als Mittel zur Erfüllung ihrer Parteiforderungen betrachtet, ohne Rücksicht darauf, ob diese Lasten für die Allgemeinheit noch tragbar sind. Die Ausgaben sind rechnungsmäßig um 471 Millionen - im Motivenbericht selbst wird ausgeführt um 545 Millionen - gewachsen, es ist mit einem Wort die zehnte Milliarde beinahe ziffernmäßig erreicht und sie ist in der Tat nicht nur erreicht, sondern überschritten, wenn man die Durchgangsposten, die auf der Einnahmenund Ausgabenseite sich ausgleichen und darum in das Budget nicht aufgenommen sind, obwohl sie in ein ordnungsgemäßes Budget gehören, hinzurechnet. Und fragen wir uns, was diesen Mehraufwand veranlaßt hat, so sehen wir zunächst einmal die Reparationen, die durch 37 Jahre mehr als 114 Millionen betragen werden. Es ist schon wiederholt bemerkt worden, daß dies finanziell eine durchaus tragbare Last ist und nach dem, was zu erwarten war, in gewisser Hinsicht sogar eine angenehme Überraschung bildet, aber in politischer Hinsicht ist es doch bemerkenswert, daß die Èechoslovakei bei diesen langwierigen, schwierigen Verhandlungen wesentlich ungünstiger abgeschnitten hat, als kleinere und sogenannte besiegte Staaten, während die Èechoslovakei doch zu den Siegerstaaten gehört. Wir können daraus einen gewissen Mangel an außenpolitischer Wertschätzung des Staates entnehmen, der daraus die weise Lehre ziehen sollte, daß er endlich seine Außenpolitik den wirklichen Verhältnissen anpassen und vor allem auf Freundschaft und guten Beziehungen mit den Nachbarstaaten aufbauen sollte, statt, daß verantwortungsvolle, ja leitende Minister öffentlich erklären, daß der Staat von lauter Feinden umgeben sei und ich weiß nicht wem zu Ehren und Freude die Rauf und Raublust des eigenen Staatsvolkes preisen.
Eine richtig eingestellte Außenpolitik würde gewiß mehr zur wirklichen Befriedung Europas beitragen und vor allem des daran lebhaft interessierten Mitteleuropa, als eine kostspielige Außenpropaganda, und es würde diese kostspielige Außenpropaganda erspart werden durch ein entsprechendes Entgegenkommen gegenüber Besuchern aus dem Auslande, womit nicht bloß solche aus dem benachbarten Deutschland, sondern auch solche aus England und Amerika gemeint sind, wenn wir uns erinnern, daß die englischen und amerikanischen Reisenden in Blättern, die in Millionen von Exemplaren verbreitet sind sich über die Art und Weise beklagen, wie man hierzulande gegen die Fremden vorzugehen pflegt.
Die zweite steigende Ausgabepost ist das Schulwesen. Das ist an sich nur durchaus zu begrüßen, denn für das Schulwesen kann niemals genug gescheh en. Das Mehr beträgt 55 Millionen, in erster Linie für Personalauslagen. Viel weniger erfreulich ist die nationale Verteilung des Schulbudgets. Ich will nur einige kleine Beispiele anführen. Für das Nationaltheater in Prag, das jetzt in Staatsverwaltung übergegangen ist, sind 14·5 Millionen ausgeworfen. Für alle anderen Theater der Republik zusammen 6 Millionen, für das èechische Konservatorium 3·3 Millionen, für alle übrigen Musikanstalten inklusive deut sche Musikakademie, die eigentlich neben dem èechischen Konservatorium aus verschiedenen Gründen besonderen Anspruch auf Berücksichtigung hätte, wieder zusammen eine Million und einige Hunderttausend. Die deutsche juridische Fakultät, die über 2.000 Hörer hat, hat weniger Personal als Brünn, das kaum die Hälfte der Hörer hat, die èechische Technik in Prag verfügt über 216 Assistenten, die deutsche Technik über 81; und wenn ich schon von dieser Frage spreche, so möchte ich sagen: Es ist sehr schön und wird sich namentlich in den sozialistischen Parteiblättern und vielleicht auch einmal in den Lesebüchern sehr schön lesen, daß der Unterrichtsminister wie der selige Harun al Raschid herumgeht und die Anstalten unerkannt inspiziert. So war er neulich auch auf der deutschen Universität und hat den Kopf geschüttelt und die Hände gerungen über die trostlose Art und Weise, wie die deutsche Universität untergebracht ist. Das hat aber nicht gehindert, daß einige Tage darauf ein untergeordnetes Amt der èechischen Universität eigenmächtig Räume in Besitz genommen hat, die bisher im Besitz der deutschen Universität waren und hergerichtet wurden, um neuen Zwecken zugeführt zu werden. Das geschieht, während der Unterrichtsminister angeblich bemüht ist, für die Belange des deutschen Schulwesens zu sorgen.
Wenn ich vom Schulwesen spreche, kommen weniger diese 55 Millionen Plus in Betracht, die im Schulressort ausgewiesen sind, als vielmehr Millionen, die wir im Ministerium für öffentliche Arbeiten finden. Das sind die Kredite für die Minderheitsschulen und für die Hochschulbauten. Wenn ich von den Minderheitsschulen spreche, möchte ich doch wieder einmal - es ist dies nicht das erstemal - zur Belehrung des Auslandes feststellen, was man hierzulande unter einer Minderheitsschule versteht. Ich habe absichtlich wiederholt Ausländern, die mich besucht haben, die Frage vorgelegt, was sie sich unter einer Minderheitsschule vorstellen. Sie haben natürlich gesagt: "Das sind Schulen für die nationalen Minderheiten des Staates"; und sie waren sehr erstaunt zu hören, daß von diesen sogenannten Minderheitsschulen, wie wir letzthin von offizieller Seite hörten, 1.400 für èechische und bloß 26 für nationale Minderheiten bestimmt sind. Der Name ist also irreführend, das ist die eine Tatsache, die ich feststellen wollte. Was nun die Sache selbst anbelangt, sind im Budget eingestellt 28 Millionen für Neubauten - u. zw. vorsichtiger weise gleich auf 10 Jahre festgelegt - 280 Millionen, noch dazu mit dem Zusatze, daß diese 280 Millionen nicht gerade in den 10 Raten verbraucht werden müssen, sondern in einem Jahre mehr, im anderen weniger und daß über die Höhe dieser Post in den künftigen Jahren nicht das Parlament entscheiden wird, sondern, daß die zuständigen Minister die Aufgabe haben, zu bestimmen, wieviel von diesem Konto Jahr für Jahr zu verwenden ist.
Ich kann es bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, mein Erstaunen auszudrücken, daß gerade deutsche Regierungsparteien dieser Post bedingungslos zustimmten, nachd em es früher gelungen war, die Post für Minderheitsschulbauten fast um ein Drittel herabzusetzen. Ich möchte betonen, um nicht ein Mißverständnis hervorzurufen, daß wir keine Feinde der Minderheitsschulen in dem oder jenem Sinne sind; wir sind der Ansicht, daß nicht genug Schulen für die Kinder errichtet werden können, meinen aber, daß dieser Grundsatz für die Kinder aller Nationen zu gelten hat und daß die Schulen in erster Linie Erziehungsanstalten und nicht nationale Propagandaanstalten sein dürfen und daß darum um keinen Preis Kinder der Minderheit in Schulen der Mehrheit gepreßt werden dürfen.
Was die Hochschulbauten anbelangt, ist es durchaus zu begrüßen, daß diese Frage endlich in größerem Stile gelöst werden soll; es sind für 15 Jahre je 60 Millionen vorgesehen. Ich habe auch hier das Bedenken, daß es mit dem demokratischen Prinzip und dem Budgetrecht des Parlamentes nicht recht verträglich erscheint, daß hier wie bei den Minderheitsschulen ein Fond geschaffen wird, der bei diesen Hochschulbauten 15 Jahre der Kontrolle des Parlamentes entzogen ist. Was die Hochschulbauten anbelangt, kann ich es nicht unterlassen, in dieeser Hinsicht pro futuro den Wunsch auszusprechen, daß bei der Verwendung dieser Kredite entsprechend Rücksicht genommen werde auf die Hochschulbedürfnisse der Minderheiten. Das ist im heurigen Budget nicht der Fall. Wir sehen, daß heuer 40 Millionen für Hochschulbauten ausgeworfen sind, darunter 8 Millionen für Mähren, unter diesen 8 Millionen ist nur ein nichtgenannter Betrag für Vorarbeiten zu einem Maschinenlaboratorium der deutschen Technik vorgesehen. Alles andere ist für die èechischen Hochschulen in Mähren bestimmt. In Böhmen sind 30 Millionen vorgesehen, davon 16 1/2 Millionen für die Zwecke der Techniken und von diesen 16 1/2 Millionen eine Million für die deutschen. Das scheint mir doch eine etwas ungerechte Verteilung, namentlich mit Rücksicht darauf, als es ja bekannt ist, daß die Bauverhältnisse der deutschen Hochschulen, der Universität und der Technik in Prag, besonders unerträglich und daher einer Neuordnung besonders bedürftig sind.
Der Aufwand für die Hochschulbauten allein genügt aber nicht, um das Hochschulwesen auf der Höhe zu erhalten. Gerade in den Hochschulfragen ist auch die Besoldungsfrage von großer Bedeutung und zwar deshalb, weil wir unsere Hochschulen auf dem internationalen, wenn ich so sagen darf, wissenschaftlichen Markt konkurrenzfähig erhalten müssen. Es besteht die Gefahr, daß niemand aus dem Ausland an unsere Hochschulen kommt, wenn die Bezahlung eine so schlechte bleibt, wie es bisher der Fall ist.
Wenn ich schon von der Besoldungsfrage spreche, muß ich in diesem Zusammenhang auch kurz der Bezirksschulinspektoren gedenken. Die Regelung der Verhältnisse der Bezirksschulinspektoren ist immer noch ausständig, obwohl sie schon unter der früheren Regierung beinahe spruchreif war, und diese Besoldungsfrage ist - darüber besteht zwischen Èechen und Deutschen kein Streit - einer Reform dringend bedürftig.
Wenn ich von den Hochschulen spreche, wäre eine andere Frage die, ob wir nicht umgekehrt an einer gewissen Hypertrophie an Hochschulen leiden. Man hat nach dem Umsturz eine Hochschule nach der anderen aus dem Boden gestampft und es zeigt sich, daß bei nüchterner Betrachtung eigentlich mehrere von ihnen nicht als lebensfähig bezeichnet werden können; andererseits hat man die berechtigten Wünsche nach Neugründungen und nach dem Ausbau bestehender Hochschulen bis heute nicht erfüllt. Es wäre mit anderen Worten auf dem Gebiete des Unterrichtsressorts in mancher Hinsicht möglich zu sparen, um dadurch dringende Bedürnisse besser befriedigen zu können. Ein Beispiel: wenn es richtig ist, was ich nicht sicher weiß, was mir aber von verläßlicher Quelle gesagt wurde, daß zum èechoslovakischen Juristentag in Bratislava - Preßburg - an dem ich selbst mit großem Vergnügen teilgenommen habe und der, wie ich feststellen konnte, einen sehr schönen und würdigen Verlauf genommen hat, wenn, sage ich, für diesen Juristentag 200.000 oder 250.000 Kè an Staatssubvention geopfert wurden, scheint mir das doch etwas übertrieben, wenn ich daran erinnere, daß der deutsche èechoslovakische Juristentag, der jedes zweite Jahr stattfindet und sich bereits allgemeines Ansehen errungen hat, der wesentlich dazu beigetragen hat, das Ansehen der èechoslovakischen Jurisprudenz in der Welt zu heben, daß dieser jedesmal mit einem Gesamtbudget von 80.000 bis 100.000 Kè auskommt und dazu höchstens 8.000 oder 10.000 Kè Staatssubvention erhält.
Die dritte Erhöhung der Posten betrifft das Ministerium für soziale Fürsorge. Auch das ist nur zu begrüßen. Man muß aber staunen, daß die Erhöhung so bescheiden ausgefallen ist. Das Plus bedeutet gegenüber dem Vorjahre nur 41 Millionen, obwohl die Erhöhung der Invalidenrenten und der Arbeitslosenunterstützung allein bei weitem mehr ausmacht. Des Rätsels Lösung liegt darin, daß trotz der Erhöhung der Invalidenbeträge die Gesamtkosten für die Invalidenfürsorge um 41 Millionen gegenüber dem Vorjahr gesunken sind. Ich glaube, daß man da nicht hätte sparen sollen, sondern daß man sich da endlich sagen müßte, wenn sich absolut an der Kriegsinvalidenfürsorge soviel ersparen lasse, daß endlich der Zeitpunkt gekommen wäre, den paar armen Invaliden, die noch existieren, eine entsprechende Aufbesserung und volle Befriedigung ihrer Forderungen zu geben.
Den größten Mehraufwand erfordern die gesteigerten Personalauslagen für die Pensionisten u. s. w. Darüber ist kein Wort zu verlieren. Die übrigen Ressorts sind im großen und ganzen unverändert geblieben. Aber wir sehen mit einem Wort eine ungeheure Steigerung der Auslagen ins Unermeßliche daher umso schmerzlicher die notwendige Sparsamkeit insbesondere bei den beiden Ressorts, bei deren Mangel an Sparsamkeit Jahr für Jahr allerdings immer mit derselben Erfolglosigkeit unterstrichen wird, dem Ministerium des Äußern und dem Ministerium für nationale Verteidigung. Es muß immer wieder betont werden, daß nicht Abneigung oder Mangel an Interesse für den Staat oder gar Feindschaft gegen diesen Staat es ist, wenn gerade diese beiden Ressorts immer wieder zur Sparsamkeit gemahnt werden. Ich will gar nicht erst die Frage aufwerfen, ob nicht in Zukunft unsere Außenpolitik an sich schon größere Ersparnisse erzielen würde. Ich will auch nicht die zwei beliebten Themen einer Partei berühren, die heute den Regierungsparteien assoziiert ist, nämlich die Abrüstung und die Neutralität. Ich stehe vielmehr auf dem Standpunkt der gegebenen Tatsachen und behaupte, daß auch unter den gegebenen Verhältnissen viel Geld in beiden Ressorts erspart werden könnte, wenn sie vernünftig nach kaufmännischen Prinzipen betrieben würden.
Fragt man nun, woher der Herr Finanzminister die Bedeckung für diese halbe Milliarde mehr genommen hat, so kann man es verstehen, wenn er zugleich mit seinem mit Recht gefeierten 50. Geburtstag angeblich auch die 25. oder 50. Wiederkehr seiner Demission gefeiert hat. Denn es muß ihm recht schwer gefallen sein, in der Zeit der allgemeinen Krise mit neuen Belastungen hervorzutreten, um die Steuerlast zu erhöhen, obwohl uns die Statistik lehrt, daß die Steuerlast des hiesigen Steuerträgers schon im Jahre 1929 doppelt so hoch war, als unmittelbar vor dem Kriege. Und es ist das umso unerfreulicher, als die Erhöhung der Steuerlasten, die im Budget nur vorsichtig angedeutet ist, nur der Anfang eines allgemein steigenden und erhöhten Steuerdruckes zu sein scheint. Denn eben jetzt haben wir erst gehört von dem traurigen Zustand der Landesfinanzen. Es ist schließlich durch ein rechnerisches Kunststück gelungen. z. B. im Landeshaushalt für Böhmen das Gleichgewicht herzustellen. Aber jeder weiß, daß die Kürzungen der Ausgaben doch nur zum Schein erfolgt sind, weil die vorhandenen Einnahmen die Ausgaben nicht decken, daß es sich aber um Ausgaben handelt, die schließlich doch werden gemacht und bedeckt werden müssen. Besonders schlimm ist das Verhältnis in der Slovakei, wo ein Defizit von fast 270 Millionen vorliegt, das sich durch solche rechnerische Kunststücke nicht allein wird aus der Welt schaffen lassen. Wir werden also mit einer starken Steigerung der Landesumlagen und Landeseinnahmsquellen zu rechnen haben. Nicht anders ist es mit den Gemeindefinanzen. Wir haben erst jetzt eine Reform des Gemeindefinanzgesetzes hinter uns, das zwar an den Mängeln, die man dem Gemeindefinanzgesetz an seiner ursprünglichen Fassung vorgeworfen hat, und die darin bestehen, daß es die Autonomie beschränkt, so gut wie nichts geändert und nur die Freiheit der Gemeinden zur Einführung von Umlagen in starkem Ausmaße erhöht hat. Es ist klar, daß die Mehrzahl der Gemeinden von dieser Erhöhung der Umlagen sehr rasch und in sehr weitem Umfange wird Gebrauch machen müssen.
Damit nicht genug müssen wir uns erinnern, daß es zwei große Probleme gibt, die in irgendeiner Form werden gelöst werden müssen. Das ist bei der steigenden wirtschaftlichen Not eine Neuregelung der Besoldung der Beamtenschaft und eine Neuregelung der Arbeitslosenfürsorge. Denn mit dem Bettel, um den neulich die Arbeitslosenfürsorge erhöht worden ist, werden die Folgen der Arbeitslosigkeit ebensowenig aus der Welt geschafft werden, wie durch die Weihnachtsremuneration die Notlage der Beamtenschaft. Es ist ja charakteristisch, daß man die Weihnachtsremunerationen kaum eingeführt hat und schon mit einer Erhöhung der Mietzinse rechnen muß, die durch die Weihnachtsremunerationen in den wenigsten Fällen zu decken sein wird.
Damit sind wir in finanzieller Hinsicht in eine sehr schwierige Lage geraten und wir kommen zu einem immer wachsenden Steuerdruck, statt daß entsprechend den gegebenen Verhältnissen eine Milderung der Steuern platzgreifen würde; denn wir dürfen auch eines nicht übersehen: Der Staatshaushalt Berücksichtigt in keiner Weise die allgemeine Preissenkung, die sich bereits bemerkbar macht, und darum wird die Last für den Steuerträger immer fühlbarer, weil diese Preissenkung noch nicht bis zum kleinen Konsumenten vorgedrungen ist. Der Herr Frnährungsminister, als Sprechminister der Regierung, spricht zwar sehr viel von Maßregeln, die dieser Senkung der Preise dienen sollen, aber wir sind gewöhnt, von dieser Regierung viel Reden zu hören, aber wenig Arbeiten, ich meine sichtbare Erfolge, zu sehen.
Es verdient übrigens hervorgehoben zu werden - was die Steuerlasten anbelangt daß ein Regime, unter dem sich der sozialistische Block eines großen Einflusses ja nicht bloß rühmt, sondern auch erfreut, an dem bisher geltenden Steuersystem so gut wie nichts geändert hat, obwohl gerade die Vertreter dieser Partei im Vorjahr, als sie für das erste Budget stimmte, sich damit ausredete, sie könne nichts anderes machen, weil die kurze Zeit nicht genüge, um die Prinzipien des Budgets zu ändern. Und wenn wir das heurige Budget mit dem vorjährigen vergleichen, so sehen wir - ich möchte mich nicht gern dieser agitatorischen Wendung bedienen - daß die sozialistischen Parteien, die antimilitaristischen Parteien, das Militärbudget um keinen Heller verringert haben. Wir sehen aber vor allem, daß an dem ganzen Steuersystem auch nicht das mindeste geändert worden ist, der einzige Unterschied ist der, daß die Steuerlasten um so und soviel Prozent gestiegen sind und daß das Mißverhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern gegenüber den früheren Zeiten womöglich noch krasser geworden ist, daß die indirekten Steuern mehr als 70% der gesamten Steuerlast ausmachen. Es ist bemerkenswert für den demokratischen Geist der heutigen Mehrheit und der heutigen Regierung, daß wir unter den Steuern, die im Budget bereits veranschlagt sind, Erträgnisse aus solchen Steuern finden, die zum Teil noch gar nicht genehmigt waren, als das Budget vorgelegt wurde und die auch heute noch nicht genehmigt sind, obwohl das Budget schon beschlossen werden soll. Ich meine die Erträgnisse einer Steuer, von der der Motivenbericht ausdrücklich sagt, daß diese Steuereingänge von ca. 20 Millionen Kc im Budget berücksichtigt sind, nämlich die Erhöhung der Eisenbahntarife, während bis heute offiziell von einer Erhöhung dieser Fahrpreise noch nichts bekannt ist.
Gegenüber dieser ungesunden Finanzwirtschaft muß man immer wieder betonen, daß es zwar vielleicht die gegenwärtigen Verhältnisse nicht gestatten, mit der im Interesse der Wirtschaft gebotenen Steuersenkung vorzugehen, daß aber immerhin doch alles andere eher hätte versucht werden sollen als eine Erhöhung der Steuern; und ein geeignetes Mittel wäre vor allem, bevor man an die Reform der Steuern geht, an eine ernste Reform der Finanzverwaltung zu denken, der der Referent im Vorjahre sehr wertvolle Bemerkungen gewidmet hat, die aber leider vollkommen unberücksichtigt geblieben sind. Es ließe sich der Ausfall der Steuern durch eine Verringerung der unproduktiven Ausgaben und durch Führung der Staatsbetriebe in wirklich kaufmännischem Sinne gewiß wettmachen. Denn es ist immerhin beachtenswert, ich möchte sagen, ein abschreckendes Beispiel, daß z. B. der ungeheuere Grundbesitz - Forst- und Güterbesitz - des Staates im Finanzhaushalt mit dem lächerlichen Ertrag von 20 Millionen Kè ausgewiesen ist. Durch eine vernünftige Wirtschaft ließe sich dann auch z. B. diese sehr unpopuläre Erhöhung der Fahrpreise auf den Eisenbahnen vermeiden, auf den Eisenbahnen, von deren trostloser Finanzlage wir ja erst aus dem Munde des Ministers selbst gehört haben. Denn alle diese Steuererhöhungen haben die Wirkung, daß sie entweder direkt eine Preissteigerung zur Folge haben oder zumindest die in der natürlichen Entwicklung der Dinge gelegene Preissenkung verhindern. Wenn in dem Biersteuergesetz die Vorkehrung getroffen ist, daß eine Erhöhung der Bierpreise nur mit Zustimmung der und der Minister erfolgen darf, so will ich nicht schwören, ob nicht die Zustimmung dieser Minister in sehr kurzer Zeit zu erreichen sein wird. Auch wenn das nicht der Fall ist, dürfen wir ganz sicher davon überzeugt sein, daß die geplante Senkung der Bierpreise, die bereits von großen Brauereien beschlossen war, in absehbarer Zeit nicht erfolgt.
Hand in Hand mit dieser ungesunden Finanzwirtschaft geht eine nicht weniger unglückliche plan- und ziellose Wirtschaftspolitik. Der Herr Finanzminister hat gelegentlich einmal dankbar anerkannt, daß es der einsichtigen Sparsamkeit der früheren viel geschmähten Mehrheit zu danken war, daß neben anderen vor allem die Reform der direkten Steuern möglich war, die einen Steuernachlaß von jährlich mehr als einer halben Milliarde herbeigeführt hat und daß überdies jene Reserven erzielt werden konnten, aus denen er nun vieles gewähren konnte, was er der seinerzeitigen Majorität aus Sparsamkeitsrücksichten, aber vielleicht auch mit manchem politischen Hintergedanken, versagt hat. Ob freilich die 300 Millionen an notleidende Banken eine solche zweckmäßige Verwendung der Reserven sind, in einer Zeit, die an einem Überfluß an unproduktiven Banken, aber an einem Mangel an produktiver Arbeitsfürsorge leidet, gerade eine zweckmäßige Fürsorge ist, moge dahingestellt bleiben. Wie denn überhaupt die Erwartung, daß das Bankwesen unter der sozialistischen Herrschaft irgendwie eine strengere Zucht erfahren werde, arg enttäuscht worden ist. Denn nach wie vor wird der ungesunde Ankauf eigener Aktien zur Kurskonsolidierung geduldet und nach wie vor wird gestattet, daß der jeder öffentlichen Kontrolle entzogene Stützungsfond Banken, die nicht mehr lebensfähig sind, auf künstliche Weise am Leben erhält, um dadurch den notwendigen Konzentrationsprozeß im Bankenwesen hintanzuhalten.
Es wäre ungerecht, die Wirtschaftskrise der Regierung zur Last zu legen. Aber was man der Regierung vorwerfen kann, das ist, daß sie sich von dieser Krise hat überraschen lassen und daß sie bisher nichts Ernsthaftes unternommen hat, um ihr zu steuern. Rechtzeitige Anleihen hätten genügend Geld gebracht, um die Wirtschaft neu zu beleben und die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Zweckmäßige Investitionen auf den Bahnen und nicht nach den Eingängen der Automobilsteuer engherzige, sondern großzüge Strassenbauten hätten der Wirtschaft und dem Ansehen des Staates mehr gedient als Milhonen für überflüssige Außenpropaganda. Ehrlich durchgeführte zweckmäßige Investitionen wozu ich leider die 280 Millionen für Wälderverstaatlichung und auch das in Aussicht genommene lnvestitionsgesetz für Wasserbauten deshalb nicht rechnen kann, weil diese Wasserbauten, wie man hört, schon wieder vorwiegend partei- und nationalpolitische Zwecke im Auge haben - ehrlich durchgeführte Investitionen hätten gewiß der bedrohlichen Arbeitslosigkeit steuern können, bedrohlich deshalb, weil die Zahl der amtlich erfaßten Arbeitslosen schon im Juni 75.000 betrug, wobei aber natürlich die wirkliche Zahl beiweitem nicht erfaßt ist. Insbesondere aber muß es beklagt werden, wenn nicht nur nichts Ernsthaftes geschieht, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern wenn geradezu aus nationalpolitischen Erwägungen heraus, möchte ich sagen, die Arbeitslosigkeit künstlich gefördert wird, wie im Falle Rothau, wo man ein Unternehmen aus dem dortigen deutschen Gebiet in èechisches Gebiet nach Mähren verpflanzt und dadurch die deutschen Arbeiter brotlos gemacht hat, ohne dafür zu sorgen, daß diese Leute irgendwie andere Beschäftigung finden, umso bedauerlicher, als gerade der Bezirk Graslitz, wo dieses Rothau liegt, ohnedies unter einer großen Arbeitslosigkeit leidet und alle Versuche des Bezirkes, irgendwie vom Staate Unterstützung zu erhalten, fruchtlos geblieben sind. Vor einigen Tagen haben wir gehört, daß auf Rothau ganz ähnliche Ereignisse in Neudek folgen sollen, das unmittelbar benachbart ist. Es ist unerhört, wenn in einer Zeit, wo ohnedies die Arbeitslosigkeit solche bedrohliche Formen annimmt, solche Dinge vorkommen. Dieselbe Passivität herrscht auf dem Gebiete der Handelspolitik. Wir haben Handelsverträge gekündigt, aber mit Ausnahme des Handelsvertrags mit Rumänien, der meines Wissens gerade keine überragende Bedeutung für unsere Exportindustrie hat, haben wir keine neuen Handelsverträge geschlossen. Die Verhandlungen mit Deutschland stocken noch immer, ebenso gehen die Verhandlungen mit Österreich nicht vorwärts, mit Ungarn stehen wir unmittelbar vor dem Ablauf des Handelsvertrags und die bisherigen Verhandlungen haben zu keinem greifbaren Erfolg geführt. Die russische Frage befindet sind noch auf dem toten Punkt. Man hat von der kleinen Wirtschaftsentente gesprochen, aber statt dessen haben wir nur von einer gewissen Annäherung der beiden anderen Mitglieder der Kleinen Entente an Ungarn und von einem gemeinsamen Schritt dieser Staaten in Genf bezüglich der Zollfriedenskonferenz gehört. Man hat von Versuchen gehört, einen Agrarblock unter polnischer Führung zu bilden. In der letzten Zeit waren es wieder die anderen Mitglieder der Entente und Ungarn, die in dieser Hinsicht engere Vereinbarungen getroffen haben, von der Èechoslovakei war keine Rede.