Úterý 16. záøí 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 67. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 16. záøí 1930.

1. Øeè posl. Horpynky (viz str. 35 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1920 gibt es fast jedes Jahr in den gesetzgebenden Körperschaften eine Kriegsbeschädigtendebatte. Jedes Jahr unterzieht sich eine Reihe von Rednern der Mühe, das ganze Problem der Kriegsbeschädigtenfürsorge einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Berichterstatter und die Redner der Regierungsparteien zählen auf, wieviel die Invalidenversorgung den Staat kostet und verteidigen die planmäßige und angeblich richtige Gesetzgebung auf diesem Gebiete. Die Redner der Oppositionsparteien kritisieren sachlich und hart alle Mängel der èechoslovakischen Kriegsbeschädigtenfürsorge, zählen alle Forderungen und Wünsche der Kriegsbeschädigten in ihren Parlamentsreden, in Initiativanträgen, in Abänderungs- und Resolutionsanträgen zu den Regierungsvorlagen auf. Das Ergebnis aller dieser Anstrengungen war bisher immer ein sehr geringes. Die Èechoslovakische Republik hat mit dem Gesetz vom 8. April 1919, Z. 199, die Grundlagen der staatlichen Fürsorge für die Kriegsopfer ausdrücklich festgelegt und im Gesetze vom 20. Feber 1920, Z. 142, das Recht der Kriegsopfer auf staatliche Versorgung unzweideutig anerkannt.

Wegen der großen Zahl der Opfer eines fünfjährigen Weltkrieges beschränkte die Èechoslovakische Republik die Invalidenfürsorge aber nur auf jene Opfer des Krieges, die außer ihrer gesundheitlichen Schädigung auch eine materielle Schädigung nachweisen konnten. Bei diesem Grundsatze machte der Staat ein gutes Geschäft. Er konnte durch Fixierung einer sehr niedrigen Einkommensgrenze 5.000 Kè bei wirtschaftlich selbständigen Personen und 10.000 Kè bei wirtschaftlich unselbständigen Personen - eine ganze Reihe von anspruchsberechtigten Invaliden, Witwen, Nachkommen und Vorfahren von vornherein von jedem Rentengenuß ausschließen. Außerdem hat die Überschreitung der Einkommensgrenze im Laufe der Zeit, die Versäumnis der Anmeldefrist, die hohe Sterblichkeit der Invaliden, die Wiederverehelichung der Kriegswitwen, die Erreichung des 18. Lebensjahres bei Kriegswaisen usw. die Zahl der Rentner ständig verringert. Gerade wegen dieser Vorteile, die sich der Staat beim Versorgungsgesetz sicherte, mußte dasselbe doch allgemeine Ablehnung erfahren, weil die Höhe der Renten die ganze Versorgung als vollkommen unzulänglich erscheinen ließ.

Die Èechoslovakische Republik rückte in der Reihe der kriegsführenden Staaten an letzte Stelle, das heißt, sie versorgt ihre Kriegsopfer am schlechtesten. An dieser Tatsache änderte die erste Novelle zum Versorgungsgesetz, die als Gesetz vom 25. Jänner 1922, Z. 39, publiziert wurde, gar nichts. Sie brachte nur eine geringe Erhöhung der Renten für Kriegsinvalide mit 55 bis 100% Erwerbsunfähigkeit und eine teilweise Erhöhung der Hinterbliebenenrenten. Alle anderen Forderungen der Kriegsinvaliden blieben unberücksichtigt. Seit der Gesetzwerdung dieser Novelle ist in der Versorgung der Kriegsopfer überhaupt nichts geschehen. Im Gegenteil. Eine Zeit lang wurden die Kriegsopfer durch die Pläne des Finanz- und Fürsorgeministers beunruhigt, daß den 20 bis 35 % igen Invaliden die Rente überhaupt entzogen und auf deren Kosten dann den Schwerinvaliden eine Aufbesserung gewährt werden soll. Dieser Plan fand aber unter der bürgerlich-konservativen Regierungsmehrheit keine Verwirklichung.

Heute liegt die vom Senat bereits genehmigte zweite Novelle zum Versorgungsgesetz dem Abgeordnetenhause vor. Sie bringt den 85 % igen Invaliden eine Rente von 4.800 Kè, den Kriegsblinden eine Zulage von 1.800 Kè, den arbeitsunfähigen Witwen eine Zulage von 360 Kè jährlich. Außerdem kann die Regierung, in diesem Falle repräsentiert durch das Ministerium für soziale Fürsorge, den Invaliden, die ständig fremde Hilfe brauchen, eine Jahreszulage von 1.800 Kè bewilligen, ferner Nachmeldungen von Waisen zum Rentenbezug unter gewissen Bedingungen entgegennehmen. Natürlich entspricht auch diese Novelle bei weitem nicht den Wünschen und Forderungen der Kriegsinvaliden. Es gehört schon ein unbelehrbarer Optimismus dazu, wenn jemand 10 Jahre nach dem Erscheinen des Versorgungsgesetzes in dieser Novelle die erste Abschlagszahlung auf die berechtigten Wünsche und Forderungen der Kriegsopfer erblicken will.

Die Ursachen dieser Behandlung des Kriegsbeschädigtenproblems in der Èechoslovakischen Republik sind keineswegs in der Frage nach der Bedeckung der Kosten zu suchen. Bei uns ist die Fürsorge für die Kriegsopfer leider auch Gegenstand des Parteikampfes geworden. Weil schon seit Jahren beobachtet werden kann, daß die Mehrzahl der Kriegsinvaliden aller Nationen in diesem Staate sich immer mehr und mehr den sozialistischen Parteien zuwendet, so haben die Parteien der bürgerlich-konservativen Regierungsmehrheit für die Kriegsinvaliden nichts getan. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.) Und jetzt, da auch die sozialistischen Parteien in der Regierung sitzen und wenigstens eine teilweise Realisierung ihrer Wahlversprechungen ihren Anhängern bringen wollen, kann selbstverständlich das Kompromiß zwischen den bürgerlichen und sozialistischen Parteien nur eine unvollkommene Frucht zeitigen. Objektive Menschen müssen eine solche Erscheinung als Verfallserscheinung des èechoslovakischen Parlamentarismus bezeichnen.

Aber noch ein anderes Moment spielt bei der hier üblichen Behandlung der Kriegsbeschädigtenfrage eine Rolle. Die Kriegsbeschädigten aller Länder und aller Nationen haben sich auf ihrer internationalen Tagung wiederholt restlos in den Dienst der Devise: "Nie wieder Krieg!" gestellt. Das ist natürlich in allen Staaten, die den Gedanken der Abrüstung, wie er in den Friedensdiktaten verankert ist, bisher erfolgreich sabotiert haben, eine sehr unerwünschte Tatsache. Besonders in der Èechoslovakischen Republik, deren Außenminister Dr. Beneš jede Änderung der Bestimmungen der Friedensdiktate auch dann, wenn sie die Grenzen der Èechoslovakei überhaupt nicht berühren, als casus belli von vornherein bezeichnet, der seine ganze Außenpolitik nur auf Kriegsbündnisse gegen Deutschland, Österreich und gegen Ungarn aufbaut, müssen die Kriegsinvaliden mit einer solchen pazifistischen Tendenz sich jede Sympathie der regierenden Kreise verscherzen. Ich habe schon in einer früheren Parlamentsrede darauf hingewiesen, daß die Èechoslovakische Republik mit ihrem stehenden Heere und bei der Möglichkeit, jeden Augenblick durch eine unklare Politik in ein Kriegsabenteuer verwickelt zu werden, doppelt darauf bedacht sein sollte, die Kriegsopfer zu befriedigen, damit sie wenigstens bei den Angehörigen des Staatsvolkes die notwendige Begeisterung erhalte, jeden Augenblick Gut und Blut für das èechische Vaterland zu opfern. Wenn heute den Kriegsinvaliden wieder ein Brocken hingeworfen wird, so macht das unter den jetzigen weltpolitischen Verhältnissen beinahe den Eindruck, als ob sich die Kriegsgefahr für diesen Staat vergrößern würde.

Die unerträglich gewordene Spannung zwischen Italien und Frankreich einerseits, zwischen Italien und Jugoslawien andrerseits, die drohende Änderung der Staatsform in Ungarn, die Anschlußbestrebungen zwischen Deutschland und Österreich, die Aggressivität Polens gegen Deutschland, die zur Explosion drängenden Verhältnisse auf dem Balkan, die Stellung, die zu all diesen Erscheinungen die èechoslovakische Außenpolitik einn immt, läßt auch hier bei uns gewisse Tatsachen unter ganz anderem Gesichtspunkte betrachten.

Planmäßig hat die Regierung seit Jahren möglichst große Kapitalien in eigenen Fonden gesammelt oder bei Stellen aufgespeichert, wo sie zum größten Teil jeden Augenblick für die Regierung greifbar sind. Der Herr Finanzminister lehnt jede Auslandanleihe auch zu Investitionszwecken in Zeiten größter Arbe tslosigkeit ab, trachtet sogar während einer der schwersten Produktions- und Absatzkrisen den letzten Heller aus den Taschen der Steuerzahler mit unerhörter Härte herauszupressen. Die Auslagen für das stehende Heer steigen von Jahr zu Jahr, und niemand wagt auch nur ein Wort gegen diese unproduktiven Ausgaben zu sagen, weil er sofort als Hochverräter gemaßregelt wird. Selbst sozialistische Parteien votieren widerspruchslos das Militärbudget. Und jetzt benimmt man sich so, als ob man auch den Kriegsopfern der Jahre 1914 bis 1918 den Mund stopfen wollte. Vielleicht kommt jetzt auch der schlafmützigste Bürger zur Besinnung und erkennt das Pulverfaß, auf dem wir hier in diesem Staate sitzen.

Wir Nationale haben immer darauf hingewiesen, daß die unseligen und unhaltbaren Bestimmungen der Friedenskonferenz in den Pariser Vororten die einzige und größte Bedrohung des europäischen Friedens sind. So lange sie unverändert bleiben, wird niemand einen neuen Weltkrieg verhindern können. Wir Nationale sehen der Entwicklung in der Zukunft ruhig und vollkommen vorbereitet entgegen. Wir sind überzeugt, daß einmal der Tag kommen wird, wo den 40 Millionen Minderheitsmenschen, denen man das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten hat, ihr ewiges und natürliches Recht von allen Staatslenkern wird zuerkannt werden müssen. Wenn irgendwo der Kriegsfunken zünden und wieder zum Weltbrand werden wird, dann wird Europa irredenta ihr Haupt erheben und sich die Freiheit erkämpfen, ohne die es in Europa niemals auf die Dauer Frieden geben wird. Völkerfrieden auf Grund von Völkerfreiheit ist unser Ziel, und das werden wir erreichen. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Simma (viz str. 42 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! (Posl. Höhnel: Nieder mit dem Faszismus!) Sie werden sich das noch abgewöhnen!

Meine Damen und Herren! Ich habe die ehrenvolle Aufgabe übernommen, namens meiner Partei aus Anlaß des Wahlsieges, den die deutsche nationalsozialistische Arbei terpartei bei den am 14. September stattgefundenen Wahlen in den deutschen Reichstag errungen hat, dieser die herzlichsten Grüße zu übermitteln. (Posl. inž. Jung: Heil! - Posl. Höhnel: Nieder mit dem Faszismus!) Wir werden Sie noch einmal ruhig machen, wir werden es Ihnen beibringen, solche Redewendungen nicht mehr zu gebrauchen, merken Sie sich das! Ihre reichsdeutschen Gesinnungsgenossen haben es heute schon verlernt, die Sprache ist ihnen im Munde stecken geblieben!

Und wir knüpfen daran die Hoffnung, daß es der Partei gelingen wird, die große, ihr nun zukommende Aufgabe glücklich zu Ende zu bringen. Diese Aufgabe besteht zunächst darin, der deutschen Nation eine innere Wiedergeburt zu bereiten, im Zuge dieser Arbeit der Nation einen neuen Lebenswillen zu gestalten, der stark genug ist, einer ständigen Beeinflussung des Lebens des deutschen Volkes ein Ziel zu setzen und der Nation und ihrem wirklich nationalen Staate in der Welt neue tatsächliche Geltung zu schaffen.

Es mag Kreise geben, welche den Vorgängen im Deutschen Reiche keine besondere Bedeutung beimessen oder ihnen eine falsche Deutung geben. Wir warnen vor dieser Schätzung der Entwicklungen. Leute, welche an vorderster Stelle der europäischen Politik stehen, dürften einer solchen Schätzung der Dinge überhaupt nicht verfallen. Vielmehr sollte alles, was verantwortlich für die Gestaltung eines besseren zukünftigen Lebens der europäischen Völker ist, je eher, umso besser einsehen, daß die heutigen Ordnungen für diese Gestaltung keine Grundlage abgeben können und daß je eher je besser die Revision vorgenommen werden muß.

Der Friedensvertrag von Versailles, der Hauptpfeiler der heutigen Ordnung, war auf der naiven Meinung begründet, daß es möglich ist, ein Volk von 65 Millionen Menschen, das dazu in die europäische Mitte gelagert ist, vom Leben zum Tod zu überführen, ohne daß sein Riesensterben auf die übrigen Teile einen Einfluß übt. Das ist unmöglich, ganz und gar, wenn dieses Volk nach einem anfänglichen Ergeben in ein aufgezwungenes Schicksal schließlich doch nicht freiwillig zum Sterben bereit ist, sondern seine letzten Energien zur Fortsetzung seines Lebens gebraucht.

Das mußte die große Erwägung sein, welche sich an den Wahlausgang in Deutschland knüpft und aus der heraus als logische Folge die Erkenntnis zu reifen hat, daß eine tatsächliche Beruhigung Europas nur auf der Grundlage wirklicher Befriedigung aller Völker und Nationen aufgerichtet werden kann.

In dieser Form, der deutschen Nation die ihr gebührende Stellung zu erreichen, ist die Aufgabe des deutschen Nationalsozialismus und alles, was an falscher Einschätzung desselben mit dem Aufgebote ungeheuerer Mittel verbreitet wird, wird nicht hinlangen, diese Aufgabe zu verdunkeln. Alle Deutschen, welche den heutigen Zustand der Versklavung der deutschen Nation unwürdig empfinden und untragbar für die Zeit, fühlen, daß der Weg des deutschen Nationalsozialismus der rechte ist und folgen auf diesem Wege. Aus den Tausenden deutscher Menschen, welche zunächst die Gefolgschaft des deutschen Nationalsozialismus ausmachten, sind Millionen geworden. Das deutsche Volk erwacht, macht einer falschen Politik ein Ende und beginnt eine klare und mutvolle Sprache zu sprechen. Der Erfolg dieser neuen Politik wird, ohne die Katastrophe, von der die andern reden, herbeizuführen, der sein, daß einer grenzenlosen Erfüllungspolitik, welche die anderen unersättlich bis zum Exzeß machte, ein Ende bereitet wird. (Posl. Babel: Die deutschen Arbeiter werden Euch ein Ende bereiten!) Die deutschen Arbeiter werden bei uns sein, in absehbarer Zeit, u. zw. zur Gänze und nur Mob und Gesindel wird nicht bei uns sein!

Wir begrüßen unsere reichsdeutschen Gesinnungsgenossen deshalb herzlich und aufrichtig und wissen, daß sie millionenfache Hoffnungen verelendeter und gemarterter deutscher Menschen erfüllen werden. Die reichsdeutschen Wahlen sollten in besonderer Weise eine Erwägung auch für die Politik des èechoslovakischen Staates sein, die, soweit sie das sudetendeutsche Volk berührt, von ähnlicher Absicht getragen ist, wie die Politik von Versailles gegenüber der deutschen Nation im Reiche. Auch hier macht sich wahr: Man will uns in Ausnützung eines sogenannten Sieges um alles bringen, die Versklavung in demselben Maße wie bei der Gesamtmasse des Volkes vervollkommnen. Die deutsche Kultur und Wirtschaft, die wir in einer Reihe ungezählter Generationen aufgerichtet haben, soll beendet werden.

Wir Sudetendeutsche, voran wir sudetendeutsche Nationalsozialisten kämpfen auf unserem eigenen Boden dagegen unseren eigenen Kampf. Aber wir wissen auch, daß dieser Kampf durch ein starkes Deutschland Hilfe geleistet bekommt, ein starkes Deutschland, dem es selbstverständliche Pflicht ist, die in anderen Staaten gelagerten Volksteile wirksam zu betreuen. Von diesem Gesichtspunkte aus hängen wir unsere Erwartung an die Wandlung der Verhältnisse in Deutschland und senden wiederholt den reichsdeutschen Nationalsozialisten unsere brüd erlichen Grüße!

Und nun zu der vorliegenden Gesetzesvorlage. Meine verehrten Damen und Herren! Ich hatte oftmals Gelegenheit, zu dem Problem des vorliegenden Gesetzentwurfes der Regierung, der heute von zwei Fachausschüssen zur Annahme empfohlen wird, meine und meiner Partei Stellungsnahme darzulegen. Ich tue das auch heute wieder. Wenn wir allerdings die Wirkung einer Rede zu einem Regierungsantrag an der Aussicht messen wollten, wie sie imstande ist, ein Elaborat, dem die Mehrheit zweier Ausschüsse ihre Zustimmung gegeben hat, zu ändern, dann erübrigte es sich, heute hier zu sprechen, umsomehr als es manchmal auch zwecklos ist, in den Ausschüssen selbst an der Gestaltung eines Gesetzes als Oppositioneller mitzuarbeiten. Wir haben das oft versucht, die Geschichte unserer Arbeit und Mitarbeit an den von der Regierung eingebrachten Gesetzen beweist das, aber es ist immer wieder vorgekommen, daß jedes und auch das beste und positivste Argument, das wir etwa zu einer Meinung der Regierung und der Koalition vorbrachten, einer unübersteigbaren Mauer begegnete. Es erübrigt sich also auch zu der Vorlage, die den Tisch der Regierung heute ziert, zu sprechen. Die Dinge haben sich schließlich und endlich seit unserer Stellungnahme zu manch anderen Gesetzesvorlagen, die in dieser Art und Weise verliefen, nicht geändert. Der Zustand des Parlamentes in der Gegenwart ist, was die Praxis der Führung der Geschäfte anbelangt, nicht anders geworden als etwa früher. Aber es gibt Pflichten, sich zu einer Frage zu äußern, von der wir annehmen, daß sie eine bedeutende Frage des Staates ist, auch wenn diese Stellungnahme, wie ich dies andeutete, die verantwortlichen Faktoren des Staates nicht sonderlich berührt. Diese Pflicht, auch unter diesen Umständen zu sprechen, besteht auch als Pflicht gegen uns selbst. Wir wollen durch unsere Stellungnahme zu dem heutigen Gesetze erklären, daß wir uns keineswegs identifiziert halten mit der Form, in der die Frage der Invaliden neuerlich die Sanktion der Mehrheit erhalten soll.

Ich möchte meiner Stellungnahme die Kritik der Bagatellisierung des Gegenstandes vorwegnehmen. Diese Bagatellisierung nehmen wir die Jahre immer wieder wahr, wenn es zur Beratung etwa eines Teiles der Gesetzgebung für die Kriegsbeschädigten kam, wie etwa zur Beratung des alljährlich vorgelegten Gesetzes über die Einkommensgrenze für die Kriegsbeschädigten. Wir sehen, daß die Regierung niemals in der Lage war, einen großen legislatorischen Wurf zu wagen, der dieser bedeutenden sozialen Frage des Staates eine Bereinigung tatsächlich gegeben hätte. Es ist auch heute wieder so, auch die heutige Regierung wird schuldig an dem schweren Problem, das das Invalidenproblem für den Staat darstellt, wenn sie nichts anderes schafft als das Gesetz, das jetzt die Beschlußfassung des Abgeordnetenhauses sowie die Beschlußfassung des Senates erhalten soll. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß wir seitens des Herrn Ministers für soziale Fürsorge ohne Zweifel starke Bemühungen wahrnehmen konnten, das Meritorische des vorliegenden Gesetzesantrages etwas zu beeinflussen und günstig zu gestalten.

Die ganze schwere Seite der Kriegsbeschädigtenfrage, so wie sie als schwerwiegende soziale Frage besteht, kann man erst erfassen, wenn man die Historie der Kriegsbeschädigtengesetzgebung kennt. Unsere heutige Kriegsbeschädigtengesetzgebung basiert auf dem Gesetz vom 20. Feber 1920, Z. 142. Schon als die Revolutionsnationalversammlung dieses Gesetz zur Regelung der Kriegsbeschädigtenfrage beschloß, mußte man einsehen, daß die in demselben normierten Bezüge durchaus nicht den geltenden wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber genügend sein würden. Aber, meine sehr Verehrten, man beschloß dieses Gesetz vom Jahre 1920 dennoch, weil man annahm, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich bald ins Gleichgewicht bringen würden. Man erwartete die Konsolidierung. Damit erhoffte man, daß das spärliche Maß an materiellen Zugeständnissen für die Kriegsbeschädigten immer mehr und mehr genügen würde. Man machte also ein Experiment auf eine ganz vage Hoffnung, so ähnlich dem Experiment vom Jahre 1926 gegenüber den Staatsbeamten. Nun ist zwar das ganze Leben von Experimenten erfüllt und auf Experimente begründet sich so manche Entwicklung. Das stimmt. Wenn aber der Gegenstand eines Experimentes, wie dies hier der Fall ist, der Mensch ist, müßte man mit dem Experimentieren doch etwas vorsichtiger sein. Schließlich sah man sich im Jahre 1922 genötigt, an eine Novellierung des Gesetzes vom 20. Feber 1920 zu schreiten. Aber wer erhofft hätte, daß dieselbe die schweren Mängel und Schäden zu beheben versuchen würde, der wurde wieder enttäuscht. Denn das Gesetz vom Jahre 1922 brachte leider nur für einen Teil der Interessenten eine Besserung für einen anderen Teil sogar eine Verschlechterung gegenüber den Bestimmungen vom Jahre 1920. So schieden z. B. durch das neue Gesetz aus der Rentenversorgung alle Witwen aus, die keine Kinder besaßen und nicht mindestens 30% erwerbsunfähig waren. Das war ein großer Teil der Witwen. Ein Ausgleich an die wirtschaftlichen Verhältnisse - man hätte aus diesem Grunde in der Hauptsache die Novellierung mit Inhalt versehen müssen - fand wieder nicht statt. Man verbesserte einen Teil der Kriegsbeschädigten im Jahre 1922 nur in dem Ausmaße, als man die Mittel hiefür erhielt durch Verschlechterung der Behandlung eines anderen Teils der Kriegsbeschädigten. Nach dem Jahre 1922 aber blieb die Kriegsbeschädigtengesetzgebung bis zum heutigen Tage ein Gegenstand, dem die Regierung nicht mit dem gebotenen Interesse begegnete. Ein achtjähriges Vakuum liegt hinter uns. Und doch wäre es nötig gewesen, nicht einmal ausschließlich aus staatssozialen Gründen, die Kriegsbeschädigtengesetzgebung auf neue sichere Grundlagen zu stellen.

Die staatssoziale Seite der heutigen Kriegsbeschädigtengesetzgebung ist allen klar, aber es muß auch die staatsmoralische Seite der heute geltenden Gesetzgebung klar liegen und klar sein. Es ist Tatsache, daß die èechoslovakische Gesetzgebung dieser Art zu einem internationalen Skandal geworden ist. So viele internationale Tagungen der Kriegsbeschädigten die letzten Jahre stattgefunden haben, so oftmals ist auf ihnen von den Teilnehmern die Kriegsbeschädigtengesetzgebung der Èechoslovakischen Republik einer Kritik unterzogen worden. Oft ist festgestellt worden, daß es keinen Kulturstaat gibt, der eine solche Kriegsbeschädigtengesetzgebung sein Eigen nennen muß, wie die Èechoslovakische Republik, daß in keinem Staate Europas wenn ich nur den neueuropäischen Staatenkomplex in Betracht ziehe - weder in den sogenannten Siegerstaaten, noch in den besiegten Staaten, die Kriegsopfer unter einem solchen Mangel von sozialer Einsicht leiden, wie bei uns. Ich erspare es mir, in diesem Hause zur Illustration des sozialen Zustandes der Kriegsbeschädigten die nach der geltenden Gesetzgebung feststehenden Bezüge der Kriegsbeschädigten anzuführen. Das Haus ist in allen seinen Teilen in genügender Kenntnis des Inhaltes der heutigen Gesetzgebung. Das Haus weiß in allen seinen Teilen und Parteien, daß diese Kriegsbeschädigtengesetzgebung unter dem Niveau der gleichen Gesetzgebungen aller Staaten steht, selbst des armen Bulgariens, wie die Organisationen der Kriegsbeschädigten sehr richtig in einer Darstellung der Verhältnisse der èechoslovakischen Kriegbeschädigtengesetzgebung anführen.

Ist der Rentensatz, den ich jetzt illustriert habe, gänzlich ungenügend, so verschlimmert sich die Sache noch durch die Bestimmung des § des Versorgungsgesetzes über eine Einkommensgrenze, nach deren Errechnung der Bezug der Rente sich ausschheßt. Diese Bestimmung ist eine besondere Tragik für die Invaliden und wer nur einigermaßen mit der Betreuung der Interessen von Invaliden draußen zu tun hat und immer und immer wieder erfahren muß, daß schließlich und endlich auch das spärliche Ausmaß der Kriegsbeschädigtenfürsorge, wie sie in dem vorliegenden Gesetz verankert ist, durch diese Bestimmung des Versorgungsgesetzes konterkarriert wird, wird mit uns der Meinung sein, daß in dieser Bestimmung die größte Tragik liegt, die eher als alles andere einer Bereinigung zuzuführen wäre. Die Höchstgrenze, unter welcher den Kriegsbeschädigten die volle Rente gewährt wird, beträgt nach dem Gesetz bei wirtschaftlich Selbständigen 5.000, bei wirtschaftlich Unselbständigen 10.000 Kè, oder anders gesagt, es schließt sich der Bezug einer Rente bei den Kriegsbeschädigten schon für den Fall aus, als das tägliche Einkommen 13 Kè 9 h bezw. 27 Kè 38 h beträgt. Kein anderer Staat - es wurde schon in der Wechselrede angeführt - darf sich eines so traurigen Gesetzes rühmen, wie die Èechoslovakische Republik. Ein reichsdeutscher Kriegsbeschädigter kann jährlich 5.000 Mark verdienen, bevor bei ihm eine Rentenverkürzung eintritt. Aber selbst bei Erreichung dieser Einkommensgrenze wird er nicht ganz der Rente verlustig. Es wird dann nur eine Verringerung der Rente verfügt, die Schwerbeschädigtenzulage und die Ortszulage wird absolut belassen.

Namens meiner Partei habe ich oftmals gegen diese Bestimmung polemisiert und habe erst gestern wieder die tragische Auswirkung dieser Gesetzgebung durch den Bericht einer Deputation von Kriegsbeschädigten wahrnehmen können. Ich vertrat bei den Beratungen immer die Meinung, daß der Kriegsbeschädigte für das der Gesellschaft, dem Staate geleistete Opfer die Rente unter allen Umständen zu beanspruchen hat und daß kein wie immer gearteter Grund vorhanden sein darf, dem Kriegsbeschädigten diese Rente zu verkürzen oder sie ihm ganz zu nehmen. Sie ist unserer Auffassung nach der Beweis für die Größe der Anerkennung, welche der Staat einem Menschen, der in schwerster Zeit für ihn eingestanden ist, zu geben hat. Wehe dem Staate, der sich nicht zu dieser Auffassung emporschwingt! Die Administrative feiert dazu Orgien, um dieser schlechten Kriegsbeschädigtengesetzgebung in ihrer wirklichen Auswirkung noch das schlechteste anzuhängen. Dagegen wendete ich mich schon in meiner Rede im Vorjahre. Ich kritisierte im Vorjahre den Auftrag der Regierung an Krankenkassen, Steuerämter, Gendarmerie, Arbeitgeber und sonstige Hilfsorgane, einer unsinnigen Verwaltung Material zu schaffen, welches unter allen Umständen geeignet sein soll für eine Entscheidung gegenüber einem Versuch vielleicht des einen oder anderen Kriegsverletzten, seine Ren te weiter zu behalten. (Posl. Geyer: Ein wahres Spitzelsystem herrscht da!) Den Triumpf der Administrative in dieser Richtung können wir wahrnehmen bei den Revisionen, die gegen die Kriegsbeschädigten geführt werden und die, wie Koll. Geyer so treffend in einem Zwischenruf dargetan hat, in der Tat als ausgeklügeltestes System einer Bespitzelung der Lebensverhältnisse der Kriegsbeschädigten betrachtet werden können, angetan dazu, diese verzweifelten Menschen bei diesen an und für sich unerträglichen Verhältnissen noch weiter zu demütigen, noch weiter zu verelenden.

Sucht ein Kriegsverletzter um Unterstützung infolge seiner über ihn gekommenen Notlage oder um Gewährung eines Darlehens zur Existenzgründung an, so tritt die Revisionsuntersuchung in ihr triumphalstes Stadium. Die ärztliche Untersuchung wird dann gewiß in 99 von 100 Fällen in einer solchen Art und Weise geführt, daß eine Herabsetzung der Erwerbsunfähigkeitsprozente eintritt, um nur ja die Höhe des angeforderten Anlehens oder der angeforderten Unterstützung engstens begrenzen zu können. Auf das Darlehen hat der Kriegsbeschädigte aber auch nach einem solchen peinlichen Verfahren nicht im Augenblick der Beendigung desselben Anspruch. Er muß monatelang, oftmals jahrelang warten, bis das Ergebnis des Verfahrens eine praktische Form findet. Wir haben Fälle zu verzeichnen, in denen solche Darlehenswerber erst nach 2 Jahren zu einem Ziel gelangen. Einer Information des Bundes der Kriegsbeschädigten entnehme ich Folgendes: Ein 60%ig Kriegsbeschädigter suchte um eine Notstandsunterstützung an. Es folgte auf Grund des Ansuchens die übliche Revisionsuntersuchung, bei welcher die Erwerbsunfähigkeit des Werbers auf 45 % herabgesetzt wurde. Dagegen erfolgte wie in allen Fällen die Berufung an die Landeskommission, allerdings ohne jeden Erfolg, denn diese Kommission stellt sich meist auf die Seite der erstentscheidenden Behörde. Nach längerer Frist bekam der Kriegsbeschädigte auf sein Ansuchen eine Entscheidung, aus der zu ersehen war, daß auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1925 eine Notstandsunterstützung nicht gewährt werden könne, weil er nicht mindestens 50% erwerbsunfähig ist; deshalb die vorausgegangene Revisionsuntersuchung, deshalb die vorausgegangene Herabsetzung des Erwerbsunfähigkeitsprozentsatzes unter diese Grenze, um den Werber ja nicht in befriedigender Weise bescheiden zu müssen. Die ständigen Revisionsuntersuchungen und rigorosen Überprüfungen des Einkommens der Kriegsbeschädigten führen zu den bekannten Fällen der Vorschreibung von Rückzahlungen zuviel bezogener Rente. Diese Praxis, von den Kriegsbeschädigten Übergenüsse zurückzufordern, hat heute geradezu katastrophale Formen angenommen. Wir, die wir im praktischen Leben draußen stehen und denen täglich die Klagen der Kriegsbeschädigten über die Praxis der Behörden in dieser Richtung vorgetragen werden, wir haben es hier in der Tat notwendig, die verantwortlichen Faktoren aufmerksam zu machen. Es bestand schon vor Jahr und Tag auf Regierungsseite die Einsicht, diese Frage der sogenannten Übergenüsse zu regeln. Ich erwähne davon nur die vom Abgeordnetenhaus und Senat bei Behandlung des Staatsvoranschlages 1927 angenommene Resolution. Dieser Antrag trug dem Ministerium für soziale Fürsorge klar und deutlich auf, wie es sich in der Frage der sogenannten Übergenüsse zu verhalten hätte. Der Antrag lautete: Das Ministerium für soziale Fürsorge wird aufgefordert, die Rückzahlung der ausgezahlten Unterstützung von Kriegsbeschädigten nicht zu fordern, wenn bis Ende 1925 das rechtsgültig versteuerte Einkommen des betreffenden Perzipienten nicht den Betrag von 13.000 Kè jährlich übersteigt.


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