Pátek 2. kvìtna 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 45. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 2. kvìtna 1930.

1. Øeè posl. dr Sterna (viz str. 10 tìsnopisecké zprávy):

Als ich hier das letztemal von dieser Stelle aus gegen den Justizminister dieser demokratisch-faszistischen Republik die schwersten Beschuldigungen vorgebracht hatte, da erschien in der Presse eine Antwort des Herrn Justizministers, in der er sich zunächst einmal darüber beklagte, daß ich meine Vorwürfe hier in seiner Abwesenheit vorgebracht habe. Ich konstatiere, daß ich diesmal den Herrn Justi zminister davon verständigen ließ, daß ich hier nochmals über diese Sache sprechen werde. Der Justizminister weiß, daß ich diesmal darüber sprechen werde, er ist wiederum nicht hier, er traut sich nicht, das anzuhören, was ich ihm zu sagen habe; und er wird sich dann nachher wahrscheinlich wiederum beklagen, daß ich auch ein zweitesmal in seiner Abwesenheit über diese Dinge gesprochen habe. Wenn der Herr Justizminister gestern an einigen der gewaltigen Kundgebungen teilgenommen hätte, mit denen die revolutionäre Arbeiterschaft ihre Entschlossenheit zum Kampfe gegen den Hungerplan, gegen Faszismus und gegen den imperialistischen Krieg bekundet hat, hätte er wahrnehmen können, daß die Arbeiter über diese Beschuldigungen nicht so hinweggehen, wie er vielleicht glaubt, mit ein paar Bemerkungen über diese Dinge hinweggehen zu können. Er hätte wahrnehmen können, daß die Arbeiter diese Tatsache, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 58 této tìsnopisecké zprávy.]

Pøedseda (zvoní): Pane øeèníku, volám vás k poøádku za tato urážlivá slova.

Posl. dr Stern (pokraèuje): [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] daß die Arbeiter diese Dinge nicht so leicht nehmen, wie der Herr Justizminister vielleicht glaubt, mit derartigen Bemerkungen über diese Sache hinwegzukommen. Diese Berichtigung, welche der Herr Justizminister durch die Presse gehen ließ, ist nichts anderes, als das Gestammel [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] In dieser Berichtigung wagt es der Justizminister nicht, zu sagen, daß ich lüge, nicht zu sagen, daß ich verleumde, er wagt es nicht einmal, solche bescheidene Worte zu gebrauchen, wie "unwahr" oder "unrichtig". Wenn mir jemand derartige Dinge vorgeworfen hätte, wie ich sie dem Herrn Justizminister vorgeworfen habe, würde ich öffentlich erklärt haben: "Das ist ein Verleumder, das ist ein Lügner." Und der Herr Justizminister wagt es nicht einmal zu sagen: "Das ist nicht wahr", oder: "das ist unrichtig". Er traut sich nicht, das Geringste gegen diese Erklärungen zu sagen, nur zum Schlusse der ganzen Erklärung, in der nicht einmal das Wort "unwahr" oder "unrichtig" vorkommt, heißt es: "Was die Behauptung des Herrn Dr. Stern betrifft, daß ich von der Kommerzbank Geld bekommen habe, so weise ich sie als erfunden zurück." Diese einzige Behauptung wird zurückgewiesen; merkwürdigerweise die Behauptung, die ich gar nicht gemacht habe. Ja, ich erklärte: "das, was ich behauptet habe und was ich festgestellt habe und was ich weiter behaupte, läßt den Verdacht sehr begründet erscheinen, daß der Herr Justizminister auch von der Kommerzbank Geld bekommen hat." Aber es handelt sich um einen Verdacht, wenn auch um einen noch so begründeten. Ich kann das nicht beweisen. Weder die Herren von der Kommerzbank noch der Herr Justizminister waren so freundlich, mir mitzuteilen, ob er etwas bekommen hat oder nicht. Infolgedessen konnte ich das auch nicht behaupten und ich mußte mich darauf beschränken, den Herrn Doktor zu fragen, ob und wieviel er vielleicht für diesen großen Dienst, den er den Dieben, den Korruptionisten in der Kommerzbank erwiesen hat, bekommen hat; und diese eine Behauptung, die ich also gar nicht gemacht habe, wo ich mich auf eine Frage beschränkt habe, die wird als erfunden zurückgewiesen. All die Schweinereien aber und Verbrechen, die ich behauptet habe, von denen wagt der Herr Justizminister nicht einmal zu sagen, daß sie unrichtig und unwahr sind, die werden durch seine Erklärung vollauf und buchstäblich bestätigt. Der Herr Justizminister macht sich die Sache sehr leicht, er glaubt, daß er ein Minister [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] nicht für die Justiz. Er gibt eine Erklärung in die Presse, die keinen anderen Zweck hat, als die Öffentlichkeit zu betrügen und irrezuführen. Da werden ein paar Dinge erzählt, die niemand bestreitet, als ob das die Hauptsache wäre und das, worauf es ankommt, wird verschwiegen und es soll der Eindruck erweckt werden, als ob nur etwas ganz harmloses geschehen wäre. Der Herr Minister sagt: "Ich konstatiere: Der Herr Dr. Stern hat behauptet, daß ich an einer Korruption teilgenommen habe. Er sagt nicht, das ist unwahr oder gelogen, sondern er sagt, ich konstatiere, daß es sich um keine Korruption gehandelt hat, sondern um eine Forderung nach Auszahlung des Dienstgehaltes." Es hat kein Mensch bestritten, daß es sich um eine Forderung der Auszahlung des Dienstgehaltes gehandelt hat. Aber was ist bei dieser Geschichte herausgekommen? Davon soll der Herr Justizminister sprechen; was dabei herausgekommen ist, ist eben die Mitwirkung des damals gewesenen und jetzigen Justizministers an einer ungeheuer schändlichen Korruptionsgeschichte. Er sagt dann weiter: "Die Bank lehnte es zunächst ab, überhaupt über eine Einigung zu verhandeln. Und verlangte geradezu, daß geklagt würde." Da sollte der Eindruck erweckt werden, als ob die Bank gar nichts zu fürchten gehabt hätte, als ob sie ein Interesse daran gehabt hätte, daß die ganze Sache zu Gericht kommt. Ich frage den Herrn Dr. Meissner, ob es wirklich jemanden gibt, der so dumm wäre, daß er glauben könnte, die Bank hätte ein Interesse daran gehabt, daß es zur Klage kommt, wenn sie 300.000 Kè dafür zahlt, daß es nicht dazu kommt. Das hätte die Bank viel billiger und einfacher haben können, wenn die Behauptung des Herrn Dr. Meissner wahr, wenn sie keine aufgelegte Lüge wäre, um die Öffentlichkeit zu betrügen. Sie brauchte ja nur den Mann klagen zu lassen und hätte keinen Heller dafür zu bezahlen gehabt, wenn sie sich danach gesehnt hätte, daß die Geschichte vor Gericht kommt, sie hätte nicht dafür zahlen müssen, daß es zum Prozeß nicht kommt. Der in Rede stehende Direktor hat von einer Gesellschaft von organisierten Einbrechern gesprochen und dafür zahlt ihm die Bank noch 300.000 Kè, weil sie Sehnsucht danach hat, daß die ganze Geschichte vor Gericht kommt! Es liegt klar auf der Hand, daß man in der Bank und daß auch Herr Dr. Meissner gewußt hat, daß die Verbrecher dort etwas zu vertuschen haben, und [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Er sagt hier weiter - und das zeigt, wie raffiniert Dr. Meissner die Erklärung abgefaßt hat, um zu täuschen, das zeigt, wie schuldbewußt er sich fühlt - er sagt, sein Klient habe erst gefragt, ob eine Aussicht auf Durchsetzung der Klage besteht. Darauf hin habe er ihm geantwortet, "daß der Prozeß durch drei Instanzen gehen würde, daß er kostspielig und der Ausgang unsicher sei." Das ist ein Eingeständnis dessen, was ich behauptet habe, daß Doktor Meissner seinem Klienten zu diesem Ausgleich zugeredet hat, daß Dr. Meissner mitgewirkt hat, daß sein Klient auf diesen Vergleich eingeht. Nachdem er das so verschlechtert zugegeben hat, sucht Herr Doktor Meissner die Sache anders darzustellen. Er erklärt, daß der Klient in ihn gedrungen ist, es nicht zum Prozeß kommen zu lassen und einen Vergleich herbeizuführen; aber erst auf die Bemerkung Dr. Meissners erklärte der Klient, sich auf den Prozeß nicht einlassen zu wollen, nach der Erklärung des Dr. Meissner also, daß dieser Prozeß viel kosten werde und aussichtslos sei. Aber ich muß noch etwas hinzufügen, damit es vollständig klar ist, wie sich die Dinge verhalten haben. Bei dieser Aufklärung, ob der Prozeß Aussicht habe, gewonnen zu werden oder nicht, hat Dr. Meissner - wenn er hier wäre, würde ich ihn fragen, ob es wahr ist oder nicht - seinem Klienten erklärt: "Ja, wenn Sie keinen solchen Ausdruck gebraucht hätten, wenn Sie nicht von einer Einbrecherbande gesprochen hätten, wenn Sie diese Leute als Betrüger oder als Diebe bezeichnet hätten und nicht als Einbrecher, hätte dieser Prozeß vielleicht gewonnen werden können. So aber würde es Ihnen schwer fallen, den Nachweis zu erbringen, daß es sich um Einbrecher handelt." Das heißt also, daß Doktor Meissner gewußt hat: Man kann diesen Leuten einen Betrug oder einen Diebstahl nachweisen, aber man kann ihnen keinen Einbruch nachweisen; und trotzdem, wie aus diesen Worten hervorgeht, er genau gewußt hat, daß dem so ist, geht er hin, und regt einen solchen Vergleich an, worin derjenige, der von all diesen Dingen weiß, sich verpflichtet, niemals davon Gebrauch zu machen, daß diese Dinge enthüllt werden und daß diejenigen, die sie verschuldet haben, zur Verantwortung gezogen werden.

Nun kommt aber das Schönste dieser Erklärung eines betrügerisch vertuschten Verbrechens.

Pøedseda (zvoní): Pane øeèníku, volám vás znovu k poøádku a žádám vás, abyste mluvil k vìci.

Posl. dr Stern (pokraèuje): Sie müssen mich nicht zur Ordnung rufen, sondern Herr Dr. Meissner möge mich klagen, er möge mich vor das Klassengericht ziehen. Ich habe ihm ja dazu die Möglichkeit gegeben, er möge mich dort verurteilen lassen. Er hat ja gar keine Ausrede. Mich hier zur Ordnung zu rufen, wenn ich einen Korruptionisten Korruptionisten nenne, hat gar keinen Zweck. Was geschah also schließlich? Weiters heißt es: "Der Direktor gab gemäß der Forderung der Bank die erwähnte Erklärung ab, in der er beleidigende Ausdrücke revozierte." Kann es etwas Unschuldigeres geben, als wenn jemand, der von einer organisierten Einbrecherbande sprach, diese beleidigenden Worte dann wieder zurücknimmt? Das hat Dr. Meissner getan, ein unschuldiges Lämmchen. Jemand hat beleidigt und hat einen Ausgleich gemacht, der betreffende hat die Beleidigungen zurückgenommen. So sucht Dr. Meissner die Sache darzustellen. Das ist eine bewußte Lüge, ein Betrug; denn so waren die Dinge nicht. Ich habe festgestellt, wie die Dinge waren. Wenn sie so waren, warum sagt nicht Dr. Meissner, daß ich gelogen habe, warum sagt er nicht, daß es unwahr ist, was ich gesagt habe; wenn es sich wirklich nur darum gehandelt hat, daß die beleidigende Erklärung zurückgezogen werden sollte? Nein, nicht darum hat es sich gehandelt, sondern darum, daß der betreffende Beamte sich verpflichtet hat, alle Dokumente herauszugeben, durch die jemand von diesen Dieben belastet werden könnte, daß der betreffende Beamte sich verpflichtet hat, niemals eine Mitteilung zu machen, durch welche die Bank, oder irgend jemand von diesen Lumpen, belastet werden könnte, daß der betreffende Beamte sich verpflichten mußte, auch gegen solche leitende Persönlichkeiten, die nicht mehr in der Bank sind, sondern früher in der Leitung derselben wa ren, nichts zu sagen, mit anderen Worten, der betreffende Beamte mußte sich verpflichten, mitzuhelfen, alles zu vertuschen. [Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.]

So stehen die Dinge. Wenn Dr. Meissner nicht wüßte, was er angestellt hat, wenn er nicht wüßte, daß er schuldig ist, so würde er das auch zugeben und sagen, daß sich in diesem Vergleich der Beamte verpflichtet hat, die Dokumente herauszugeben und keine Behauptungen mehr vorzubringen. Warum verschweigt er diese Tatsache? Warum will er die Sache so darstellen, daß der Beamte nur eine Ehrenerklärung abgegeben hat? Weil er, Dr. Meissner, weiß, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] indem er an diesem Vergleich mitgewirkt hat, weil er weiß, daß er damit Sachen begangen hat, worauf selbst in einem kapitalistischen Staat Strafe steht. Wenn in einem solchen Staat nur ein bißchen Schamgefühl vorhanden wäre, dürfte ein solcher Mann nicht mehr auf der Ministerbank sitzen; die Arbeiter haben gestern richtig darüber geurteilt, als sie erklärten, daß dieser Justizminister [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] und alle proletarischen Gefangenen, die darin sind, gehören hinaus. Ich wäre beinahe versucht zu sagen, daß dort hinein solche Leute gehören, die auf den Ministerbänken der kapitalistischen Staaten sitzen und daß dort alle Korruptionisten hingehören. Ich behaupte, daß man über solche Beschuldigungen, wie ich sie hier vorgebracht habe, nicht mit einem Fetzen Papier wird hinweggehen können. [Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Sie werden darüber nicht hinwegkommen. Dr. Meissner könnte sagen, Dr. Stern hat das unter dem Schutz der Immunität gesagt und kann deshalb nicht geklagt werden. Aber ich habe diese Behauptung in der Presse öffentlich, mit meinem Namen gezeichnet wiederholt, ich habe im Namen meines Klubs hier erklärt, daß der Klub dafür stimmen wird, daß ich ausgeliefert werde. Und wenn ich das selbst nicht erklären würde, Sie haben ja doch die Mehrheit, Sie können mich jederzeit ausliefern. Der Herr Justizminister könnte mich klagen, wenn er sich nicht vor seinem eigenen Gericht fürchten würde, wenn er nicht wüßte, daß dabei die schmutzigsten Schweinereien und Verbrechen an den Tag kommen würden, weil man sehen würde, wie die Herren ausschauen, die die Proletarier einkerkern, wie die Herren ausschauen, die Maikundgebungen auflösen und von der Polizei auseinanderjagen lassen. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèeny z tìsnopisecké zprávy.] So stehen die Dinge. Der Herr Justizminister Meissner wird sich täuschen. Es wird nicht so gehen, wie er es sich vorstellt. Wir werden nicht ruhen und nicht rasten, bis diese ganze Sache vollständig aufgeklärt ist, bis sich zeigt, wie die Herrschaften aussehen, die hier sitzen und bis sich zeigt, wie die Herrschaften alle ausschauen [Další vìty byly usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 2. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèeny z tìsnopisecké zprávy.] Das zeigt, wie faul dieses ganze System ist und wie nahe seinem Untergang. Die Arbeiter werden dafür sorgen, daß dieser Untergang beschleunigt wird. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Roschera (viz str. 15 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Als im Jahre 1921 dem Deutschen Gewerkschaftsbund mitgeteilt wurde, daß die Regierung die Absicht habe, einen Gesetzentwurf einzubringen, der sich auf den Staatsbeitrag zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung aufbaut, hat der Deutsche Gewerkschaftsbund ein Gutachten abgegeben und darin ausgesprochen, daß wir ein System der Arbeitslosenfürsorge, aufgebaut auf dem Staatsbeitrag zur Gewerkschaftsunterstützung nur für normale wirtschaftliche Verhältnisse als ausreichend erachten, u. zw. nur dann, wenn die Zahl der Arbeitslosen gering und die Dauer der Arbeitslosigkeit möglichst kurz ist. Wir waren überzeugt, daß sich ein solches System der Arbeitslosenfürsorge bei jeder starken Erschütterung der Industrie oder einzelner Zweige derselben als unzureichend und unbrauchbar erweisen muß. Fünf Jahre Wirksamkeit des gegenwärtigen Arbeitslosenunterstützunggesetzes haben den Beweis erbracht, daß bei größerer, lang andauernder Arbeitslosigkeit der Arbeiter nur ungenügend geschützt ist und die von der Arbeitslosigkeit am schwersten betroffenen Gewerkschaftverbände durch die großen Ausgaben der Arbeitslosenunterstützung finanziell auf das schwerste belastet werden. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.) Wir vertreten nach wie vor den Grundsatz, daß nur eine Arbeitslosenunterstützung, aufgebaut auf der Pflichtversicherung, einen wirksamen Schutz für die unschuldig arbeitslos gewordenen Menschen bieten kann. Die Arbeit ist das vornehmste und höchste Gut jedes Staatswesens und es ist die Pflicht eines modernen Staates, ausreichende Vorsorgen zu treffen, daß den Arbeitern in der Zeit unverschuldeter Arbeitslosigkeit die Arbeitskraft ungeschwächt erhalten bleibt. Die freien Gewerkschaften haben schon frühzeitig die große Bedeutung der Arbeitslosenunterstützung erkannt und sie haben aus eigener Kraft die Unterstützung für ihre arbeitslosen Mitglieder eingeführt. Das war zu einer Zeit, als das gesamte kapitalistische Bürgertum eine staatliche Arbeitslosenfürsorge als eine Prämie auf die Faulheit der Arbeiter bezeichnete. Die freien Gewerkschaften setzten durch die Einfübrung der Arbeitslosenunterstützung einen Akt der Solidarität zum Schutze des einzelnen Arbeiters, aber auch zum Schutze der Gesamtheit der Arbeiter gegen Lohndruck. Die Gewerkschaften waren überzeugt, daß der schutzlose Arbeiter zu einem willenlosen Werkzeug der kapitalistischen Klasse wird, wenn er keine Arbeitslosenunterstützung erhält, und sie waren überzeugt, daß der Arbeiter nur dann aufrecht seine Lebensrechte vertreten kann, wenn seine Klassengenossen schützend hinter ihm stehen. Die kapitalistische Klasse beurteilt den Arbeiter nicht nach seinen körperlichen und geistigen Bedürfnissen, sondern sie sieht in ihm nur ein Werkzeug zur Erzielung von bürgerlichem Gewinn und zur Erhöhung ihres Reichtums. Das kapitalistische Bürgertum hat lange Zeit hindurch den industriellen und gewerblichen Arbeiter als eine Sache betrachtet, deren man sich bedient, wenn sie den Kapitalisten Vorteile bringt, und die man unbeachtet beiseite stellen kann, wenn keine Arbeit vorhanden ist.

Die freien Gewerkschaften haben seit Jahrzehnten einen ununterbrochenen Kampf um die Einführung der staatlichen Arbeitslosenfürsorge geführt. Sie haben darauf verwiesen, daß der Staat die moralische Verpflichtung hat, auf gesetzlichem Wege Vorsorge zu treffen, daß unschuldig arbeitslos gewordene Menschen aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Dieser jahrzehntelange Kampf der Gewerkschaften hat in den einzelnen Staaten das Fundament zur Einführung der gesetzlichen Arbeitslosenfürsorge geschaffen, und wie die freien Gewerkschaften für jede Art Arbeiterschutzgesetz die Schrittmacher waren, so waren sie es auch bei der Arbeitslosenfürsorge, und mit ihnen die sozia³istischen Parteien. Aber erst die Zeit nach dem Kriege hat der gesamten Arbeiterschaft die große Bedeutung und Notwendigkeit der staatlichen Arbeitslosenunterstützung eingehämmert. Nach dem Kriege, in der Zeit, wo unsere Industrie aller Rohstoffe entblößt war, wo keine Arbeitsgelegenheit vorhanden war, wo Millionen waffengeübter Männer, verbittert und aller Existenzmittel beraubt, in die Heimat zurückkehrten, in dieser Zeit war der Staat gezwungen, die Arbeitslosenunterstützung einzuführen, um die arbeitslosen, mittellosen Menschen zu unterstützen. Dieser Entschluß zur Einführung der Arbeitslosenunterstützung war nicht immer von der Liebe zu den arbeitenden Menschen diktiert. Es war einesteils die gewaltige aufstrebende Macht der freien Gewerkschaften und der sozialistischen Parteien, die das Bürgertum zur Einführung der Arbeitslosenunterstützung zwang, und anderenteils war es die Sorge um den Bestand des Staates und bei den besitzenden Klassen die Sorge um ihr Eigentum, die zur Schaffung der Arbeitslosenunterstützung führte. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung, oder besser gesagt die kapitalistische wirtschaftliche Unordnung, sie ist es, die die Arbeitslosigkeit geradezu züchtet, sie ist es, die im Wirtschaftsleben des Staates die schweren Erschütterungen hervorruft und jede Wirtschaftskrise in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung trägt, wenn die Krise zu Ende geht, schon wieder den Keim zur Entfaltung einer neuen Wirtschaftskrise innerhalb absehbarer Zeit in sich. Die kapitalistische Produktionsweise beruht nicht auf der geregelten Warenverteilung, nicht auf der Befriedigung der arbeitenden Menschen und auf deren Konsumfähigkeit, sondern die kapitalistische Wirtschaftsordnung und ihre Produktionsweise verkörpern die Anarchie in der Gütererzeugung, fußend auf der rücksichtslosen wilden Jagd nach Profit. Diese ziel- und planlose kapitalistische Wirtschaft in der Gütererzeugung wird fast ausnahmslos auf dem Rücken der arbeitenden Menschen ausgetragen. Die Arbeiter sind die Opfer dieses fluchwürdigen Systems.

Seit dem Bestande unseres Staates verzeichnen wir vier schwere Wirtschaftskrisen, und gegenwärtig wird das Wirtschaftsleben im Staate neuerlich von einer schweren Krise erschüttert. Während in der Vorkriegszeit Wirtschaftskrisen in Zeiträumen von sechs bis acht Jahren aufzutreten pflegten, weist die Èechoslovakei in zehn Jahren vier Wirtschaftskrisen auf. Die arbeitende Bevölkerung unseres Staates, sie leidet nicht nur unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die arbeitende Bevölkerung unseres Staates leidet auch unter den Folgen einer spezifisch èechoslovakischen Wirtschaftskrise. Auf dem Boden unseres Staates befinden sich eine Anzahl Industrien, die mit 50, 80 und mehr Prozent ihrer Erzeugung auf den Export ins Ausland angewiesen sind, und für diese Exportindustrien hat der Staat nur unvollständig vorgesorgt. Man hat diesen Industriezweigen und ihrem Export die alten Absatzmärkte nicht gesichert und keine neuen Absatzmärkte erschlossen.

Zu diesen Industrien gehört besonders die Textilindustrie und die Glasindustrie. Besonders diese beiden Industriegruppen weisen seit Jahren eine rückläufige Bewegung auf. In diesen letzten 10 Jahren wurden in der Textilindustrie allein mehr als 300 Betriebe vollständig stillgelegt, die ihre Tore nicht mehr öffnen werden, und weitere Betriebe der Textilindustrie werden dieses Schicksal noch teilen. Selbst wenn die Wirtschaftskrise beseitigt sein wird, wird in der Textilindustrie dieser rückläufige Prozeß weiter dauern. Die kapitalsstarken, technisch gut ausgerüsteten Betriebe erdrücken die kapitalsschwachen, schlecht ausgerüsteten Betriebe und richten sie zugrunde. Diese rückläufige Entwicklung in der Textil- und Glasindustrie wird aber der Hauptsache nach auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen, sie sind es, die die Kosten dieses Prozesses durch Kurzarbeit, Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit Lohnentgang zu tragen haben. Dauernde Kurzarbeit, wiederholte wochenlange Arbeitslosigkeit und der damit verbundene Verdienstentgang haben Zehntausende von Arbeitern, besonders der Textil- und Glasindustrie, ins tiefste Elend versetzt und einen Zustand der krassesten Not für diese Arbeiterschaft geschaffen. Diese Dauerkrise in der Textilindustrie hat aber auch einer größeren Anzahl von Betrieben die finanziellen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Betriebe zerrüttet und zerstört, es gibt heute bereits Textilbetriebe in größerer Zahl, denen das notwendige Kapital für die Fortführung des Betriebes fehlt, die daher zur Betriebseinschränkung oder Stillegung schreiten müssen.

Wie es in der Textil- und Glasindustrie ist, so wird bald auch in anderen Industriezweigen schwere Arbeitslosigkeit einsetzen. Wir sehen, daß bereits die Arbeiter des Bergbaues unter zahllos eingelegten Feierschichten schwer zu leiden haben, und ebenso wie die Arbeiter der Bekleidungsindustrie, sind auch die der Holzindustrie und anderer Industriezweige ebenfalls hart von Arbeitslosigkeit betroffen. Ähnliche Verbältnisse finden wir in der Metallindustrie und in der Bauindustrie zum Teil.

Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, unter denen ein großer Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung lebt, wir sprechen es aber offen aus und lassen es nicht gelten, daß sich alle Landwirte in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Viel krasser und viel schlimmer als in der Landwirtschaft wirkt sich die Not bei der industriellen und gewerblichen Arbeiterschaft aus, die über keinen Besitzstand, über keine Ersparnisse verfügt und durch den Verlust des Arbeitsplatzes sofort jeglicher Existenzmittel beraubt ist und dadurch sogleich der bittersten Not ausgesetzt wird.

Ich möchte darauf verweisen, daß der Zwillingsbruder der Arbeitslosenfürsorge die Arbeitsvermittlung ist. Jedes Arbeitslosenunterstützunggesetz ist eine Halbheit, wenn es nicht durch eine gute Arbeitsvermittlung ergänzt wird. Die gute Arbeitsvermittlung, sie muß der Regulator für den Arbeitsmarkt sein, sie soll uns Einblick gewähren, um die Krankheiten am Wirtschaftskörper zu erkennen, sie soll uns die Möglichkeit bieten, den Arbeitsmarkt zu beherrschen. Was wir an Arbeitsvermittlung in unserem Staate besitzen, ist nicht von allzugroßer Bedeutung, nicht durch die Schuld der Menschen, die in diesen Arbeitsvermittlungen tätig sind, sondern deshalb, weil die bestehende Arbeitsvermittlung mangelhaft ist und weil ihr die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gute Arbeitsvermittlung fehlen. Eine gute Arbeitsvermittlung muß vor allem alle Arbeitslosen erfassen, ihr müssen alle freien Arbeitsplätze gemeldet werden, nur sie, die Arbeitsvermittlung, soll das Recht der Besetzung freier Arbeitsstellen besitzen. Durch eine solche Arbeitsvermittlung würden wir einen genauen Überblick über den Arbeitsmarkt erlangen und sie könnte regulierend im Interesse der Arbeitslosen wirken. Uns fehlt die genaue Übersicht über den Stand der Arbeitslosen vollständig, uns fehlt auch eine genaue Übersicht über die Zahl der freien Arbeitsplätze, nach Berufen geordnet, und uns fehlt die Statistik über die Zahl der mit Arbeitsplätzen versorgten Menschen. Die Arbeitslosenstatistik, die von Zeit zu Zeit amtlich erscheint, und die statistischen Zahlen über freie und besetzte Arbeitsstellen zeigen uns nicht ein klares Bild, sondern ein Bild, das unrichtig ist. Unsere Arbeitslosenstatistik hat seit Jahren die Öffentlichkeit nicht nur in unserem Staate getäuscht, sie täuscht auch das Ausland. Diese amtliche Arbeitslosenstatistik, auch wenn ihre Zahlen richtig sind, sie gibt kein klares Bild, weil sie die arbeitslosen Menschen nicht erfassen kann. Und eine Arbeitslosenstatistik, die die arbeitslosen Menschen nicht nach Berufen erfaßt, die nicht imstande ist, genau festzustellen, in welchen Berufen und wieviel Arbeiter in diesen Berufen arbeitslos sind, eine solche Statistik hat keinen volkswirtschaftlichen Wert, sie ist gleich Null. Wir lesen in den amtlichen Statistiken immer von 30.000, 40.000, 60.000, 80.000 Arbeitslosen, die wir angeblich in der Republik haben, und im Auslande wird es geglaubt, daß die Èechoslovakei wirklich, im Verhältnis zu den anderen Staaten, eine so geringe Arbeitslosenziffer aufweist. Wen erfaßt eigentlich die Arbeitsvermittlung? Sie erfaßt nur die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, und wen sonst noch? Nur die, die sich um Arbeitsplätze melden. Die Industriearbeiter finden ja keine Arbeit durch die Arbeitsvermittlungen oder nur in sehr seltenen Fällen, weil diese Arbeitsvermittlungen gar keinen Wert haben, Industriearbeit in großzügiger Weise zu vermitteln nicht imstande sind, weil die Industriellen die freien Arbeitsplätze dort nicht melden. Also nur die werden erfaßt, die hingehen, und wenn man heute sagt, daß wir 70.000 Arbeitslose haben, so muß man damit rechnen, daß die wirkliche Zahl drei- bis viermal höher ist als die amtlich ausgewiesene. Die große Masse der unorganisierten Industriearbeiter und Angestellten betrachtet eine Meldung bei der Arbeitsvermittlungsstelle als zwecklos, da ihnen die Arbeitsvermittlung keine Beschäftigung zuweisen kann, weil die industriellen Unternehmungen ihre freien Arbeitsstellen nicht melden. Wenn die Unternehmer gegen die Einführung einer brauchbaren Arbeitsve rmittlung Sturm laufen, so hat das seine bestimmten Gründe. Die Unternehmer betrachten die arbeitslose Reservearmee, welche die Fabrikstore belagert, als einen vorteilhaften Zustand, denn sie sind dadurch in der Lage, bei der Aufnahme von Arbeitern die Löhne herabzudrücken, für sie gilt aber auch der Grundsatz, mit Hilfe dieser arbeitslosen Reservearmee das Lohn- und Arbeitsverhä³tnis der im Betrieb beschäftigten Arbeiter zu verschlechtern. Heute ist der ehrliche Arbeiter gezwungen, wenn er arbeitslos wird, wie ein Bettler von Betrieb zu Betrieb zu wandern, um einen Arbeitsplatz zu erhaschen, um für sich und seine Angehörigen vor dem ärgsten Hunger geschützt zu sein. Der bestehende Zustand, wo der Arbeiter wie ein Bettler von Betrieb zu Betrieb ziehen muß, ist stets demütigend und entwürdigend für den arbeitenden Menschen. Ein solcher Zustand ist aber auch eine Schande für ein fortgeschrittenes Staatswesen und jeder Staat, der etwas auf sich hält, müßte dafür sorgen, diesen unwürdigen Zustand für die Arbeiter zu beseitigen.


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