Hohes Haus! Die Regierungsvorlage Druck Nr. 290 über die Baubewegung ist endlich erschienen und sie muß sowohl im Ausschuß als auch im Hause selbst in wenigen Stunden durchgepeitscht werden. Dies ist mindestens ebenso bedenklich, wie die Tatsache, daß wiederum nur ein Provisorium, wenn auch steuertechnisch ein solches auf 3 Jahre, geschaffen wird und nicht ein langfristiges Gesetz, das die ganze Baubewegung nicht nur auf Jahre hinaus nach einem scharfumrissenen Plane regelt, sondern sie auch genügend fördert. Mag der Herr Finanzminister die Krisen leugnen oder sie als geringfügig hinstellen, sie sind da und nicht zuletzt kann dies vom Baumarkt behauptet werden. Baugewerbe, Bauhandwerk und alle mit der Baubewegung zusammenhängenden Industrien haben sehnsüchtig nicht nur den Frühling, sondern auch ein langfristiges Baugesetz erwartet und von diesem eine neue Belebung des Baumarktes erhofft. Hiezu kommt das Heer der Bauarbeiter und jene stets steigende Zahl unfreiwillig Arbeitsloser, die da hoffen, bei den Bauten einen dauernden Ersatz für den verlorenen Arbeitsplatz zu finden und die sich damit über die bitteren Wintermonate des Wartens hinweg trösteten.
Machwerk eines Kompromisses, neuerliches Provisorium - ist der Regierungsmehrheit letzte Weisheit, die uns zu Vergleichen mit dem "Fortwursteln" altösterreichischer Regierungskunst gemahnt.
Wir anerkennen einen gewissen Fortschritt, der auch darin zutage tritt, daß aus einem mehrmonatlichen Provisorium steuertechnisch ein solches von 3 Jahren geworden ist. Wir hätten aber aus den bereits eben angeführten Gründen eine dauernde Regelung gewünscht bis zur vollständigen Beseitigung des Wohnungselends und der Wohnungsnot, da die Arbeit in dieser Richtung zu den vornehmsten und dringendsten Aufgaben der Regierungen gehört.
Allerdings läßt sich eine dauernde Regelung staatlicher Bauförderung nur festlegen, wenn man gleichzeitig die Frage des Mieterschutzes löst. Daß diese Lösung nur unter weitester Bedachtnahme auf die wirtschaftlich Schwachen erfolgen darf, ist eine Forderung, die wir auch bei dieser Gelegenheit getreu unserer politischen Einstellung mit allem Nachdruck erheben.
Die Regierungsvorlage trägt, wie jedes Kompromiß, das Zeichen ihrer Schwäche. Hiezu kommt noch die Tatsache, die wir jetzt bei jeder wirtschaftlichen Vorlage zu beachten Gelegenheit haben, daß als Gegenleistung immer gleichzeitig eine Standesvorlage geschluckt werden muß, die allfällige Besserungen und Erleichterungen der sozialen Gesetzesmaßnahmen paralysiert oder aufhebt.
Schon das 1. Hauptstück, das von der Beschaffung von Bauplätzen handelt, trägt nicht den Stempel sozialistischer Mitarbeit.
In der Praxis wird als Übernahmspreis gewöhnlich der ortsübliche Baugrundstückpreis angenommen ohne Rücksicht auf den seinerzeitigen Erwerbspreis und auch ohne Rücksicht darauf, daß die meisten zu erwerbenden Bauplätze vorher Ackerland waren und als solches zu werten wären.
Es darf nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, die Grundrente zu erhöhen, diese Wertsteigerung gesetzlich zu schützen und damit das Bauen und Wohnen zu verteuern. (Sehr richtig!)
Wir möchten auch heute noch dringend das Studium einiger preußischer Bau- und Bodenedikte aus längst vergangenen Zeiten anraten, vor allem jenes berühmten Bodenreformedikts des Großen Kurfürsten von 1667, das allen Baustelleneigentümern in den Städten restlose und entschädigungslose Enteignung androht, falls sie nicht innerhalb eines halben Jahres die Stelle bebauten. Die Baustellen konnten andernfalls von jedem Baulustigen in Besitz genommen werden. Dieses Edikt wurde 1669 erneuert und in voller Schärfe durchgeführt. Auch Friedrich Wilhelm I. erneuerte 1721 das alte Edikt des Großen Kurfürsten.
Eine erstaunliche Fülle von Bodenedikten, die alle im Gegensatz zu den heutigen liberalen Eigentumsbegriffen stehen, hat sein Sohn Friedrich II. erlassen, der rücksichtslos gegen Bodenspekulanten vorging. Der § 76 des von Friedrich dem Großen geschaffenen Allgemeinen Preußischen Landrechtes zeigt uns die damalige preußische Wirtschafts- und Rechtsgesinnung, die wir im sozialistischen Zeitalter des 20. Jahrhunderts ganz vermissen. Es heißt dort: "Daß einzelne Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staates den Rechten und Pflichten zur Bauförderung des gemeinschaftlichen Wohles, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch eintritt, nachstehen."
Ein Staat, der bei der Bodenreform, bei der Festsetzung der Entschädigungssummen für den enteigneten Großgrundbesitz, der vielfach Protektionskindern zugeschachert wurde, in einer Weise vorging, daß er sich im Haag eine sehr harte Beurteilung gefallen lassen mußte, sollte bei einem Bauförderungsgesetze, das der Allgemeinheit dienen soll, den Baugrundspekulanten und Baugrundbesitzern nicht allzu zartfühlend vorgehen. (Sehr richtig!)
Aus meiner engeren Heimat kann ich auf Grund von Tatsachen mitteilen, daß der aus der Aufteilung des Großgrundbesitzes den Nutznießern der Bodenreform zugeteilte Boden mit nicht einmal 10.000 Kronen für 3 ha bewertet wurde und der neue Landadel es als besonderes Entgegenkommen hinstellt, wenn dieselbe Fläche um 200.000 Kronen an Baugenossenschaften und Gemeinden weiter verkauft wird. Diese ungestraften Gewinne von fast 2000% sind tatsächlich nicht nur auf Grund der bisherigen Bauförderungsgesetze erzielt worden, sondern diese Gewinne winken dem Bodenwucher auch bei Anwendung der heutigen Regierungsvorlage, und zwar in noch gesteigerterem Maße.
Wir haben Sünden vergangener Zeiten wettzumachen. Nach dem klaren Wortlaut der Bodenreformgesetze waren bei Zuteilung von Baugrund aus beschlagnahmten Großgrundbesitz in erster Linie die Gemeinden zu berücksichtigen. Der Geltungsbereich dieser Gesetze hat sich nicht auf das ganze Gebiet unseres Republikchens erstreckt, sondern wurde eingeengt, da wir in einem Rechtsstaat leben und er machte an der deutschen Sprachgrenze halt.
Eine Bodenreform, die nicht die freie Gemeinde zur Herrin ihres Grund und Bodens macht und damit die erste Voraussetzung zu einer planmäßigen Boden- und Wohnpolitik schafft, mißbraucht eine soziale Maßnahme, die im Leben aller Völker und Zeiten eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Wir fordern daher die Handhabung des Bauförderungsgesetzes in einer Weise, daß der Bodenwucher bekämpft wird, Gewinne ausgeschaltet und die Baugrundpreise im allgemeinen herabgedrückt werden, weil dadurch allein die Gestehungskosten um mindestens 5% bei Eigenhäusern erniedrigt werden.
Die Fristen für die Befreiung von der Haussteuer samt Zuschlägen und der Mietzinsabgabe sollten einheitlich mit 20 bis 25 Jahren festgesetzt werden, da die Kleinstwohnungen im Entwurfe ja eine weitere Berücksichtigung erfahren und auch der Bau der anderen Wohnungen dringendstes Bedürfnis ist. Die Steuern- und Abgabenfreiheit soll einheitlich mindestens solange dauern, bis ein Großteil der Baudarlehen getilgt ist, weil eine kurze Befreiungsfrist den Anreiz zum Bauen mindert und in allzu kurzer Zeit, während welcher kein bedeutender Teil der Bauschulden bezahlt ist, eine so große neue Belastung für den Besitzer bedeutet, daß er nach 10 bzw. 15 Jahren weit teuerer wohnt, als derzeit.
Die Bürgschaft erstreckt sich auf den Zinsen- und Amortisationsdienst für die zweite Satzpost und darf, wenn es sich um den Bau eines Eigenhauses handelt, höchstens 40%, und mit Zurechnung der in der Rangordnung vorangehenden Darlehen, höchstens 75%, und wenn es sich um den Bau eines Mietswohnhauses handelt, höchstens 40% und mit Zurechnung der in der Rangordnung vorangehenden Darlehen höchstens 85% des ordnungsmäßig festgestellten Bauaufwandes betragen. Dies ist eine Verschlechterung gegenüber den ersten Bauförderungsgesetzen, weshalb wir eine Erhöhung auf die ursprünglichen Prozentsätze fordern. Nur bei Mietswohnhäusern mit kleinsten Wohnungen, bestehend aus einer Küche und einem Wohnraume mit einer Fußbodenfläche von höchstens 40 m2, darf das verbürgte Darlehen höchstens 50%, und mit Zurechnung der in der Rangordnung vorangehenden Darlehen höchstens 90%, des ordnungsmäßig festgestellten Bauaufwandes betragen. Die Bürgschaft des Staates kann für Darlehen bis höchstens 350 Millionen gewährt werden. Daß auch dieser Betrag zu gering ist, liegt klar auf der Hand und es muß die Erhöhung desselben auf mindestens 500 Millionen beantragt werden.
Im günstigsten Falle ergibt sich folgendes Bild: 1. Satzposten 500 Millionen, 2. Satzposten Bürgschaftsdarlehen 350 Millionen, 3. Eigenkapital 150 Millionen, zusammen daher 1000 Millionen. Das ergäbe 10.000 Häuser zu 100.000 Kronen Bauaufwand, oder 20.000 Häuser zu 50.000 Kronen Bauaufwand.
Den größten Fortschritt auf dem Gebiete produktiver Bauförderung bedeutet der Staatsbeitrag von 20 Millionen jährlich, was auch wir anerkennen. Damit ist das starre System der bisherigen Praxis endlich durchbrochen und wir wollen hoffen, daß es sich nur um einen verheißungsvollen Anfang handelt. Allerdings werden damit nur die primitivsten Wohnungsbedürfnisse gefördert und es kann sich nur um eine Notstandsmaßnahme handeln, nicht aber um die Lösung der Arbeiterwohnfrage.
Wenn wir ganz absehen von den Wohnungsansprüchen der englischen Arbeiterschaft, so können wir, auf die Äußerungen sozialdemokratischer Wohnungs- und Gemeindepolitiker im Deutschen Reiche hinweisen, die mit dem Ruf: Bauet nicht wie in Wien!, als primitivste Forderung für Arbeiterwohnungen eine Wohnung, bestehend aus Küche, Elternzimmer und zwei Schlafkammern für die Kinder, gesondert nach Geschlecht, verlangen. Von dieser Warte aus müßten wir den Baubeitrag auch für über das Ausmaß von 40 m2 Bodenfläche hinausgehende Wohnungen verlangen. Wir können dies aber schon deshalb nicht, weil wir wissen, daß nicht nur das Fürsorgeministerium für den Gesetzentwurf verantwortlich ist, sondern leider auch der Herr Finanzminister, dem seine Zustimmung nur schwer abgerungen wird.
Aus dem großen Problem wird ein Teil herausgelöst und man versucht, auf dem engbegrenzten Gebiete der Kleinstwohnungen zuerst einen Ausweg zu finden. Aber auch hier scheint unœ die Unterstützung zu gering, um die Teillösung einem befriedigenden Ende zuzuführen. Die Schwierigkeiten liegen vor allem in der Bestimmung, daß der Baubeitrag nur auf 10 Jahre garantiert ist. Der Antrag ahnt diesen Mangel und will mit dem ominösen Wort "kann" die zehnjährige Unterstützung als ein Provisorium in einzelnen Fällen hinstellen, ohne zu sagen, auf welche Dauer die Verlängerung erfolgen wird. Die wichtigste Änderung, die wir beantragen müssen, ist die bindende Zusicherung des Staatsbeitrages auf 25 Jahre. (Sehr richtig!) Ein Zuschuß auf 10 Jahre ist von gar keiner Bedeutung für die Bauförderung und hätte überhaupt nur einen Sinn, wenn ein zinsfreies Darlehen aufzubringen ist, dessen Tilgung der Staat in zehn Jahren übernimmt.
Nach den Berechnungen des Arbeitsministeriums kostet ein Haus mit 40 m2 Wohnfläche mit Zugehör in Prag 80.000 K und auf dem Lande 50.000 K. Bei 8% Gesamtbelastung beträgt der Zins in Prag 6400 und auf dem Land 4000 K. Der staatliche Beitrag von 90% der Bausumme mit 2·5% ergibt in Prag eine Ermäßigung des Mietzinses um 1800 K und auf dem Land um 1125 K, daher auch 4600 K in Prag und 2875 K auf dem Land. Der Motivenbericht zum § 51 stellt bei der Annahme eines Bauaufwandes von 40.000 K für eine Kleinstwohnung folgende Berechnung auf: 4000 K Eigenmittel zu 5% 200 K, 36.000 K garantierte Darlehen zu 7% 2520 K, 40.000 K Verwaltungs- und Erhaltungsauslagen 400 K, jährlicher Gesamtaufwand 3120 K, Staatsbeitrag 2·5% von 36.000 Kronen 900 K, notwendiger Jahreszins 2220 Kronen. Nach 10 Jahren, nach Aufhören des Bauzuschusses, ergibt sich folgendes Bild: Von der Bausumme sind getilgt: Bei Darlehenszinsen von 6·5% und 0·5% Amortisation rund 2000 K, bei Darlehenszinsen 6% und 1% Amortisation rund 4000 K. Billigeres Geld zu verschaffen, dürfte unmöglich sein. Das ergibt eine jährliche Ersparnis bei 6·5% Darlehenszinsen von etwa 140 K, bei 6% Darlehenszinsen von etwa 280 K. Es müßte somit die Partei nach 10 Jahren 2980 Kronen Wohnungszins bezahlen, daher 760 Kronen mehr, bei 6·5% Darlehenszinsen, eine Wohnungsmiete von 2840 K, daher mehr um 620 K.
Wenn man dies heute für unmöglich hält, warum denn für die Zeit nach zehn Jahren, wo wir doch schon geregelte Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkte haben dürften?
Dies ist eine so ungeheure Zumutung an die Mieter aber auch an die Bauherren, in erster Linie also Gemeinden und Genossenschaften, daß wir uns fragen, wie ein derartiger Vorschlag als Bauförderung bezeichnet werden kann. Ein gesetzlich festgelegter Staatsbeitrag auf die Dauer von 25 Jahren würde bewirken, daß zur Zeit des Aufhörens der Steuerfreiheit, die ja an und für sich eine neue Belastung bringt, der Mietzins in der anfänglichen Höhe belassen werden könnte. Im vo³len Bewußtsein unserer Verantwortung für die Auswirkungen des Gesetzes für Mieter, Gemeinden und Genossenschaften erheben wir mit allem Nachdruck die Forderung nach gesetzlicher Zusicherung des Staatsbeitrages auf die Dauer von 25 Jahren. Der Beitrag des Staates von 20 Millionen jährlich wird, wie die Praxis es zeigen dürfte, nicht genügen. Seine Verdopplung wäre jetzt zu beschließen oder aber eine Höchstgrenze überhaupt nicht festzulegen. Getreu unseren Grundsätzen halten wir einen Ersatz des Zinsendienstes für keine genügende und kostspielige Unterstützung, weil jede Verschuldung eine Vervielfachung des Bauaufwandes bedeutet. Bei 1% Amortisation kostet mit einem Bauaufwand von 40.000 K die Wohnung tatsächlich 104.000 und bei 0·5% Amortisation gar 112.000 K.
Wir beantragen daher neben dem jährlichen Staatsbeitrage von 20 Millionen einen ewigen Fond unter der Verwaltung des Ministeriums für soziale Fürsorge zu gründen, dem jährlich ein weiterer Beitrag von 20 Millionen Kronen zuzuführen ist und der in 10 Jahren auf 200 Millionen gebracht werden soll. Im Sinne des § 47 des Gesetzentwurfes ist aus diesem Fond zinsfreies Baugeld bis zu 90% des Bauaufwandes an Gemeinden und Genossenschaften zu leihen, welches in 25 gleichen Jahresraten an den Fond zurückzuzahlen und von diesem zu neuen Darlehen dauernd zu verwenden ist. Bei einer 6%igen Verzinsung bedeutet dies für den Staatshaushalt eine jährliche Belastung von 1,200.000 Kronen, die um denselben Betrag alle Jahre bis auf die Höchstsumme von 12 Millionen nach 10 Jahren anwächst.
Bei etwas gutem Willen kann der Staat, dem in erster Linie die Beseitigung des Wohnungselendes obliegt, diese Belastung auf sich nehmen. Dies umsomehr, als der Betrag von 200 Millionen in die Staatskasse zurückfließt und mit zinsfreiem Baugeld die wirksamste und produktivste Bauförderung ermöglicht wird, die in erster Linie den Gemeinden und Mietern zum Vorteil gereicht und nicht den die Baukredite gewährenden Geldanstalten. Das ganze Wohnungsproblem ist unserer Ansicht nach nicht so sehr eine Frage des Wohnzinses als des Geldzinses.
Wir bedauern daher, daß unser Noteninstitut dem Beispiel der Nachbarstaaten, besonders der Bank von Frankreich, nicht gefolgt ist, da doch die glorreiche Nation in so vielen Fragen die Haltung der Èechoslovakei beeinflußt und zu Nachahmungen veranlaßt, die den Interessen des Staates und seiner Bewohner nicht dienen, sondern ungeheure Opfer fordern. Wir verstehen sehr wohl die Stetigkeit in der Zinsfußpolitik, doch sollte die Finanzhoheit des Staates immer in den Dienst der Wirtschaft und in den Dienst großer sozialer Probleme gestellt werden.
Sehr wirksame Bauförderung könnte das Ministerium für soziale Fürsorge betreiben, wenn es sich für die Verbilligung des Baukredites mit allem Nachdruck einsetzen würde. Daß niemand Anspruch auf die Gewährung der Unterstützung hat, betont die Vorlage mit bedenklicher Deutlichkeit. Wir verstehen eine gewisse Begrenzung, müssen aber nach den bisher gesammelten Erfahrungen doch auf eine Klarstellung dringen. Man sollte annehmen, daß bei Erfûllung aller gesetzlichen Voraussetzungen Staatsgarantie und Beitrag nicht verweigert werden darf. Ist eine Beschränkung mit Rücksicht auf die bereitstehenden Mittel notwendig, dann schützt vor Willkür nationalpolitisch eingestellter Bürokraten und Protektion nur der Einreichungstermin der Gesuche. Wir würden den Gesuchserledigungen auch dann mit einer gewissen Beruhigung entgegensehen, wenn die Aufteilung nach dem Bevölkerungsschlüssel der Volkszählung festgelegt wird.
Und nun gestatten Sie mir auch einige Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurfe vom Standpunkte des Gemeindepolitikers. Alle Beträge für Wohnungsfürsorge im ordentlichen Gemeindevoranschlag werden uns im Sinne des famosen Gemeindefinanzgesetzes mit dem Hinweis gestrichen, daß die Beseitigung des Wohnungselends und der Wohnungsnot nicht zu den Obliegenheiten der Gemeinde gehört. (Unglaublich!) Wenn nunmehr wiederum ein Bauförderungsgesetz beschlossen wird, so erfolgt die Bauförderung nicht nur durch den Staat, sondern zwangsläufig auch durch die Gemeinden. Nach dem Motivenbericht soll ein Haus mit Kleinstwohnung 40.000 K kosten und 2.200 K Mietzins ergeben.
Der Staat leistet im ganzen einen Beitrag von 9000 K, die Gemeinde hat einen Zinssteuerentgang von 116 K, hiezu 200% Gemeindeumlagen 352 K, Mietzinsheller nur niedrig mit 10% bemessen 220 K, Straßen-, Wasserleitungs-, Kanalisationskosten etc. 112 K, zusammen 800 K, mit Rücksicht auf die längste Steuerfreiheitsfrist von 25 Jahren einen Entgang bzw. Aufwendung von 20.000 Kronen. Die Leistung der Gemeinde beträgt also mehr als das Doppelte der Staatsleistung in jenen Fällen, wo der 2·5%ige Staatsbeitrag gegeben wird. Bei allen anderen Bauten mit der Staatsgarantie von 350 Millionen ist die Leistung des Staates so niedrig, daß die Gemeinden das Zwanzigfache an Opfer bringen müssen.
Wir sind weit davon entfernt, die Gemeinden der Pflicht, auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge mitzuarbeiten und für dieselbe Opfer zu bringen, zu entheben. Wir wollen nur aufzeigen, daß es bewußte oder unbewußte Trübung von Tatsachen ist, wenn die Aufsichtsbehörden bei der Zensur der Gemeindevoranschläge die Verpflichtung, bei der Wohnungsfürsorge mitzuwirken, leugnen und geradezu verbieten. Und dann bringt der Staat ein Bauförderungsgesetz ein, das einen gewissen Fortschritt beinhaltete, weshalb die Regierungspresse mit dem Lob nicht kargt, und wir sehen, daß die ganze Bauförderung auf Kosten der Selbstverwaltungskörper, vor allem der Gemeinden, geht, die das Vielfache zur Bauförderung zu leisten haben, als der Staat.
So verfügt das Reich, wie in so vielen Fällen, selbstherrlich über Millionenbeträge der Gemeinden und es wundert sich dann der Herr Finanzminister, daß. die Ausgaben von Jahr zu Jahr steigen, nicht aber die Einnahmen. Wir wollen auch in diesem Zusammenhange die ganze Sinnwidrigkeit des Gemeindefinanzgesetzes aufzeigen. Dies vor allem deshalb, weil die Gemeinden leider nicht nur auf dem Gebiete des Wohnungswesens, sondern fast auf dem gesamten Gebiete der sozialen Fürsorge die oft vermißte oder vollständig ungenügende Hilfe des Staates ersetzen oder ergänzen müssen.
Der gefürchtete Regreßparagraph ist im neuen Gesetzentwurfe endlich gefallen und die Sicherheit ist um den Staatsbeitrag größer geworden. In diesem Zusammenhange muß in einwandfreier Weise auch endlich eine Klärung bezüglich der früheren staatlichen Unterstützungen gefordert werden, da Tausende durch die Erklärungen des Herrn Finanzministers beunruhigt sind. Bei der definitiven Regelung der Miet- und Wohnungsfragen und der Bauförderung, die ja für dieses Jahr versprochen wurde, muß auch der eindeutige Verzicht auf das Regreßrecht des Staates bezüglich aller früheren Bauförderungsgesetze ausgesprochen werden.
Wir befürchten aus mehrfachen Gründen, daß das Gesetz nur in Prag und einzelnen großen Städten wirksam werden wird, wenn unsere Anträge nicht zur Annahme gelangen.
Hoffentlich bringt uns das Gesetz nicht wieder eine Verteuerung der Baumaterialien, die derzeit ein wenig gesunken sind, da dieser Umstand alle Erleichterungen der Vorlage aufheben würde.
Den Gesetzentwurf betrachten wir als eine Notstandsmaßnahme und zwar nur für kleine Familien. Wachsende Kinderscharen können in diesen Wohnungen nicht Platz finden. Deshalb müssen wir der Erwartung Ausdruck geben, daß der nächste Entwurf darauf Rücksicht nimmt. Für die Vorlage werden wir stimmen.
Wir haben eine Reihe von Anträgen
eingebracht, von deren Annahme es abhängen wird, ob der vorliegende
Regierungsantrag ein Bauförderungsgesetz oder nur ein Baugesetz
wird. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Das Wohnungsproblem ist heute eine internationale Frage geworden und alle Staaten der Welt beschäftigen sich mit der Lösung dieses Kulturproproblems. Denn der Weltkrieg hat eine solche Verschärfung der Wohnungsnot gebracht, daß die gesamte Öffentlichkeit sich heute mit der Wohnungsfrage beschäftigen muß. Allerdings wird bei der Bekämpfung des Mieterschutzes mit sehr viel falschen Argumenten operiert, mit Argumenten, die absolut nicht zutreffen. Eines dieser falschen Argumente ist, daß der Mieterschutz die Baubewegung hemmt, daß das Bauen von Wohnungen forciert würde, wenn der Mieterschutz aufgehoben würde. Dieses Argument ist schon deshalb falsch, weil ja die neuen Wohnungen nicht unter dem Mieterschutz stehen und daher das Bauen von Wohnungen durch den Mieterschutz absolut nicht gehindert wird. Trotzdem ist eine Bauförderung von privater Seite nicht zu verzeichnen. Das Privatkapital hat für den Wohnungsbau gar keine Investitionen gemacht, aus dem einfachen Grunde, weil die Rente für Kapitalien, die für das Bauen gegeben werden, zu klein ist für den Kapitalisten und weil er an anderen Investitionen mehr verdient. Vor allem anderen ist der hohe Preis der Baumaterialien das größte Hindernis der Entwicklung überhaupt. So lange die großen Unternehmungen von Zement- und Kalkerzeugung so ungeheure Dividenden ausschütten, wird die Bauförderung immer Schwierigkeiten haben. Wenn die Königshofer Zementfabrik 50 bis 70% Dividende in den letzten Jahren ausgeschüttet hat, so ist dies eine der größten Ursachen des Nachlassens der Bautätigkeit. Die Privatbauten, die in den lezten Jahren aufgeführt wurden, haben zur Lösung oder Linderung der Wohnungsnot nicht beigetragen, weil es meist nur Bauten von Luxusvillen oder Einfamilienhäusern waren, die auf die Wohnungsnot überhaupt keinen Einfluß haben. Die verhältnismäßig geringe Zahl von Wohnungen, die durch Gemeinden und Baugenossenschaften in den letzten Jahren gebaut wurden, hat auch die Wohnungsnot nicht gelindert, wenigstens nicht in jenem Maße, daß man heute von einer Wohnungsnot nicht mehr sprechen könnte.
Die großen Zinskasernen und Paläste, die in Prag gebaut wurden, haben ebenfal³s zur Lösung der Wohnungsnot nicht beigetragen, sie haben keine Erleichterung auf dem Wohnungsmarkte gebracht, der Wohnungsmarkt ist heute noch ebenso belastet wie früher. Ein Bild über die Entwicklung der Bautätigkeit in der Èechoslovakei ergibt sich aus Folgendem: Vom Jahre 1919 bis zum Jahre 1924, d. i. jene Zeit, in der wir Bauförderungsgesetze hatten, die einen Staatsbeitrag geleistet haben und die auch eine Garantie des Staates gegeben haben, in dieser Zeit wurden durchschnittlich jährlich 11.344 Wohnungen gebaut. In der Zeit der allbürgerlichen Koalition, wo wir kein Wohnbauförde rungsgesetz hatten oder nur ein sehr schwaches mit einer allgemeinen Staatsgarantie bis zur Höhe von 120 Millionen, wurden insgesamt pro Jahr 4644 Wohnungen erbaut. Wir haben also in den ersten Jahren der Republik und nach dem Kriege durchschittlich 11.000 Wohnungen und in den letzten Jahren nicht mehr ganz die Hälfte, sondern etwa ein Drittel der Wohnungen der ersten Jahre gebaut. Demgegenüber ist aber festzustellen, daß jährlich über hunderttausend Ehen geschlossen wurden, wobei die jungen Leute absolut nicht in der Lage waren, sich eine Wohnung zu beschaffen. Es ist auch interessant, einen Vergleich zu ziehen zwischen dem Verhältnis der leerstehenden Wohnungen zu der Gesamtzahl der Wohnungen in der Vorkriegszeit und Nachkriegszeit. Wir hatten in der Stadt Prag in der Vorkriegszeit insgesamt durchschnittlich 1·7% der Wohnungen immer leer stehen, im Jahre 1921 standen nur noch 0·1% leer. In Aussig waren vor dem Kriege durchschnittlich 1·8% Wohnungen leer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Wohnungen, im Jahre 1921 nur mehr 0·3 %. In Reichenberg waren im Jahre 1910 2·1 % Wohnungen leerstehend, im Jahre 1921 nur mehr 0·2 %. In Teplitz-Turn waren im Jahre 1910 3·1% leerstehende Wohnungen. im Jahre 1921 nur mehr 0·1%, in Karlsbad-Fischern waren im Jahre 1910 4·9 % sämtlicher Wohnungen leer, im Jahre 1921 nur noch 0·1%. Daraus ersieht man, daß die Wohnungsnot ungemein zugenommen hat; dieser kleine Prozentsatz an leerstehenden Wohnungen ist darauf zurückzuführen, daß kein Mieter gefunden wurde, der die unerhörten Preise, die für die leerstehenden Wohnungen verlangt wurden, gezahlt hätte. Im Karlsbader Bezirk wurden im Vorjahre in 15 ganz kleinen Gemeinden Zählungen und Überprüfungen der vorhandenen Wohnungen vorgenommen. Sie haben folgendes Resultat gezeigt: Es sind in diesen Gemeinden 483 Wohnungen festgestellt worden, in denen mehr als ein Haushalt wohnt. 101 Wohnungen wurden in diesen 15 kleinen Gemeinden festgestellt, die überhaupt aus sanitären Gründen zu Wohnzwecken nicht geeignet sind. (Posl. de Witte: Sie werden aber bewohnt!) Jawohl. Diese 15 kleinen Gemeinden würden nach der Erhebungen, die gemacht wurden, sehr dringend benötigen 352 Wohnungen zu Zimmer und Küche und 163 Wohnungen zu 2 Zimmern und Küche. Daraus geht hervor, daß wir es auch in den kleinsten Gemeinden mit einer großen Wohnungsnot zu tun haben. Inbezug auf die Bautätigkeit in den einzelnen Gemeinden konnten wir auf Grund einer Erhebung feststellen, daß in 59 Städten, von denen jede über 10.000 Einwohner zählt, von den Jahren 1919 bis 1927 insgesamt 29.879 Neubauten, davon 22.354 Wohngebäude mit 81.688 Wohnungen errichtet wurden. Das ergibt pro Jahr eine durchschnittliche Erbauung von 2484 Wohngebäuden mit 9077 Wohnungen. Das sind aber nur Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern, also große Städte, wogegen der Bedarf an Wohnungen in diesen Gemeinden viel größer und umfangreicher ist; das wurde durch Erhebungen festgestellt, die im Dezember 1929 durchgeführt wurden. Diese Erhebungen haben ergeben, daß in 56 Gemeinden in Böhmen, von denen jede über 10.000 Einwohner zählt, insgesamt 28.536 Haushaltungen dringend Wohnungen benötigen, und daß 15.405 Haushaltungen eine Wohnung weniger dringend benötigen. Das sind zusammen 43.941 Haushaltungen in 56 Gemeinden, die Wohnungen brauchen. Wenn wir bedenken, daß dies nur 56 Gemeinden sind, eine kleine Zahl von den vielen Hunderten Gemeinden, wird die Zahl der notwendigen Wohnungen ungeheuer größer. In Mähren haben bei diesen Erhebungen 26 Gemeinden mitgewirkt, die angegeben haben, daß 6418 Wohnungen dringend benötigt werden und daß 3712 Haushaltungen Wohnungen weniger dringend benötigen.
Das sind in Mähren insgesamt 10.120 Wohnungen. In der Slovakei haben 15 Gemeinden gemeldet, daß 4592 Haushaltungen Wohnungen dringend benötigen, und 4526 Haushaltungen Wohnungen weniger dringend benötigen. Das sind zusammen 9118 Haushaltungen, die Wohnungen beanspruchen. In Karpathorußland haben zwei Gemeinden gemeldet, daß insgesamt 1251 Haushaltungen ohne Wohnungen sind. Das ergibt, daß 99 Gemeinden in der ganzen Èechoslovakei 63.771 Wohnungen und 659 Gewerberäume brauchen. Wenn wir diese Anforderungen nach Räumen zerteilen, ergibt sich Folgendes: Von diesen 63.771 Wohnungen werden 48.857 Wohnungen zu Zimmer und Küche, 12.990 Wohnungen zu 2 Zimmer und Küche, 1618 Wohnungen zu 3 Zimmer und Küche, 326 Wohnungen zu 4 Zimmer und Küche und 659 gewerbliche Betriebsstätten angefordert. Daraus ergibt sich, daß der größte Mangel an Kleinwohnungen besteht, daß von 63.000 gemeldeten Wohnungen 48.000 mit Zimmer und Küche angefordert werden. Dabei sind aber diese Meldungen nicht so zu schätzen, daß eine große Anzahl von Gemeinden wohl nur lediglich Hausnummern angenommen hat, die keine Unterlage haben, weil die Zahl der angemeldeten Wohnungen so klein ist, daß derjenige, der die Städte kennt, sich sagen muß, daß die Angaben viel zu klein sind. So hat z. B. die Gemeinde Falkenau gemeldet, daß insgesamt nur 38 Wohnungen zu Zimmer und Küche dringend benötigt werden. In Komotau sind 9 Wohnungen dringend und 8 Wohnungen weniger dringend gemeldet. Wer die Städte kennt, weiß, daß das Bedürfnis an Wohnungen viel größer ist, als die Gemeindevertretungen angegeben haben. (Výkøiky posl. de Witte.) In Jièín hat die Gemeinde angegeben, daß sie 12 Wohnungen dringend und 9 Wohnungen weniger dringend braucht, Leitmeritz hat 11 dringende und 55 weniger dringende Wohnungen angegeben, Hohenmaut 8 dringende und 50 weniger dringende Wohnungen, Saaz hat 30 dringende und 26 nicht dringende Wohnungen angefordert. Aus diesen Ziffern ersehen Sie, wie oberflächlich diese Erledigungen sind.