Støeda 18. prosince 1929

Der Wahlausgang hat alle unsere Erwägungen zur Reife gebracht, indem er infolge der entschiedenen Stärkung des sozialistischen Blocks und infolge der Niederlage der bisherigen Meh rheit nahezu zwangsläufig die große Konzentration als einzig tragfähige parlamentarische Mehrheitskombination ergab, eine Kombination, der wir uns nicht entziehen konnten, wollten wir nicht selbst die Wiederaufrichtung eines von den Wählern abgelehnten reaktionären Regimes, wenn nicht gar ein Regime ohne und gegen das Parlament, herbeiführen.

Es ist uns trotzdem nicht leicht gefallen, unseren Eintritt in diese Mehrheit zu vollziehen. Denn angesichts des durch die kommunistische Spaltung verschuldeten bürgerlichen Übergewichts in dieser Mehrheit und angesichts der Ralliierung der bürgerlichen Klassenkräfte, die gerade in dem Kampfe um die Regierungsbildung so deutlich in Erscheinung getreten ist, mußten wir uns von vornherein über die Schranken klar sein, die unserer Wirksamkeit innerhalb dieser Mehrheit gesetzt sind. Aber die Bedenken, die sich aus diesen Tatsachen ergeben mußten, wurden doch durch die vorangeführten Argumente überwogen und so sind wir zu dem Entschluß gekommen, den Versuch einer Mitarbeit in der Konzentrationsregierung zu unternehmen, deren Programm der Herr Ministerpräsident vorgetragen hat.

Selbstverständlich haben wir bei unserem Eintritt in die Regierung an keiner Stelle einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß wir auf keine unserer progr ammatischen Forderungen, mögen sie auf das wirtschaftliche oder sozialistische oder auch nationalkulturelle Gebiet fallen, verzichten, daß wir vielmehr auf die Durchsetzung unserer programmatischen Ziele im Rahmen der Regierungsmehrheit hinzuarbeiten entschlossen sind, es aber wohl verstehen, daß wir gerade im Hinblick auf den Charakter des Regierungssystems nur mit einer etappenweisen Erfüllung unserer Forderungen rechnen können.

Zur Regierungserklärung selbst haben wir zu sagen, daß sie, ohne auf Einzelheiten einzugehen, die Grundlinien der gegenwärtigen internationalen, wirtschaftlichen und politischen Situation aufzeigt und daraus die Aufgaben der neuen Regierung ableitet.

Was zunächst die internationalen Beziehungen anlangt, so können wir mit Genugtuung feststellen, daß in der Regierungserklärung der Wille zum Ausdruck kommt, mit allen Nationen in Frieden und Eintracht zu leben und daß die Erklärung in dieser Beziehung zwischen den Staaten der Großen und Kleinen Entente und unseren deutschen Nachbarn im Reiche und in Österreich keinerlei Unterschiede macht und darüber hinaus den Willen bekundet, auch zu jenen Staaten normale Beziehungen herzustellen, denen gegenüber solche bisher nicht bestehen. Wir glauben daher mit Recht erwarten zu dürfen, daß die Außenpolitik unseres Staates dazu beitragen wird, die internationale Sicherheit zu fördern und das Problem der Abrüstung endlich in ein konkretes Stadium zu bringen. Das kann aber natürlich nur geschehen, wenn jeder einzelne Staat bereit ist, auch seinerseits zur Verminderung der Rüstungen zu schreiten. Wir erwarten und fordern diese Bereitwilligkeit auch von der Èechoslovakei und nehmen daher die in der Regierungserklärung zugesicherte Herabsetzung der Dienstzeit als ersten Schritt auf diesem Wege zur Kenntnis, wobei wir erwarten und fordern, daß diese Zusage bereits im nächsten Jahre verwirklicht und daß auch in der Richtung der Abbürdung der Militärlasten ein ernster und greifbarer Schritt unternommen wird.

In sozialpolitischer Hinsicht sucht die Regierungserklärung trotz ihrer allgemeinen Fassung der Tatsache Rechnung zu tragen, daß sozialistische Parteien in der Regierung vertreten sind. Es wird unsere Aufgabe sein, vor allem die Lage der großen Masse der Arbeitslosen durch schleunigste gesetzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitslosenfürsorge zu lindern und dafür zu sorgen, daß auch die anderen in der Regierungserklärung nur angedeuteten sozialen Tendenzen in die Tat umgesetzt werden. Wir benützen diese Gelegenheit, um festzustellen, daß wir uns auch in der neuen Konstellation unserer Pflicht gegenüber den Überalterten, den Kriegsbeschädigten, den Altpensionisten, gegenüber allen fürsorgebedürftigen Schichten der Bevölkerung überhaupt durchaus bewußt sind und daß sich an unserer Stellung zu diesen Problemen absolut nichts geändert hat.

Selbstverständlich sehen wir auch eine Verbesserung und Ausgestaltung der Einrichtungen des Kinderschutzes und der Jugendfürsorge als unerläßliche Aufgabe einer Regierung an, welche die Hilfe für die sozial Schwachen als ihre Pflicht anerkennt. Wir betonen dabei, daß zur Erfüllung dieser Pflicht nicht nur sozialpolitische, sondern auch sozialhygienische Maßnahmen, namentlich der Ausbau unseres Krankenhauswesens notwendig sind.

Auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist große Reformarbeit zu leisten, wobei es insbesondere eine unserer brennendsten Aufgaben sein wird, vor allem die Schäden der letzten Novellierung auszutilgen, aber auch die Sanierung der Bruderladenversicherung ohne Beeinträchtigung der Ansprüche der Bergarbeiter ins Werk zu setzen.

Vor allem aber sind die Aufgaben der Regierung durch die krisenhaften Erscheinungen unseres Wirtschaftslebens klar bestimmt. Wir sprechen unsere volle Bereitwilligkeit aus, bei den Maß nahmen zur Lösung der Krise sowohl in der Industrie, als auch in der Landwirtschaft mitzuarbeiten. Es ist selbstverständlich, daß wir eine Lösung der Agrarkrise nicht von mechanischen Zollerhöhungen erwarten, sondern daß wir dabei die Hebung der landwirtschaftlichen Produktion, den Ausbau der landwirtschaftlichen Organisationen und ihre engere Zusammenarbeit mit den Verbraucherorganisationen im Auge haben. Wir wiederholen hier auch nachdrücklich unsere alte Forderung nach Demokratisierung der Landeskulturräte, denen gerade bei Bekämpfung der Agrarkrise wichtige Aufgaben zufallen.

Mit einem Wort, die Regierung muß darauf bedacht sein, durch ihre Maßnahmen zur Milderung der Wirtschaftskrise die Lage der breiten Massen, sowohl der städtischen als auch der ländlichen Bevölkerung zu verbessern. Wir begrüßen es, daß die Regierung entschlossen ist, der wachsenden Arbeitslosigkeit durch produktive Fürsorge, durch ein großzügiges Investitionsprogramm entgegenzuarbeiten. Die Regierung wird aber auch darauf Rücksicht nehmen müssen, daß der konsumierenden Bevölkerung bereits heute überaus schwere Lasten aufgebürdet sind. In diesem Sinne fassen wir die Zusage in der Regierungserklärung auf, die Steuerlasten dort zu mildern, wo sie am drückendsten sind. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)

Wir verkennen dabei nicht, daß die Aufgaben, welche der Regierung gestellt sind und deren Erfüllung wir für unerläßlich halten, auch finanzielle Anforderungen stellen und werden uns um die Bereitstellung dieser Mittel bemühen. Dabei verweisen wir schon jetzt darauf, daß es notwendig sein wird, die nicht unbedeutenden Überschüsse, die sich in den Jahren der Konjunktur ergeben haben, zu produktiver Aufbauarbeit zu verwenden. Wir denken hier in erster Linie an den Bau von Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung. Die bürgerlichen Parteien werden dabei anerkennen müssen, daß die Wohnungsverhältnisse der breiten Massen eine Lockerung des Mieterschutzes nicht erlauben.

Wir stellen mit Befriedigung fest, daß die Regierungserklärung die Notwendigkeit anerkennt, eine Revision der von der vorangegangenen Parlamentsmehrheit geschaffenen Regelung der Organisation und der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper vorzunehmen. Dieser Notwendigkeit wird sich die Regierung umso weniger entziehen können, als sie die Verpflichtung auf sich genommen hat, den Selbstverwaltungskörpern die Mittel zu Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben zu beschaffen. Auch hier wird es vor allem Aufgabe der sozialistischen Parteien sein, auf eine Neuregelung hinzuwirken, welche der Selbstverwaltung größere Bewegungsfreiheit, einen durchaus demokratischen Aufbau und eine gesunde und unabhängige Finanzwirtschaft gewährleistet.

Die Regierungserklärung bekennt sich zur einmütigen Zusammenarbeit der Bevölkerung ohne Unterschied der Nation und erklärt sich in einer allgemeinen und sicherlich nicht im vollen Maße befriedigenden Wendung bereit, nicht nur für die materiellen, sondern auch für die kulturellen Interessen aller Völker vorzusorgen. Sie gibt die Versicherung, daß im öffentlichen Dienst, wie in der Produktion zwischen Angehörigen der verschiedenen Nationen kein Unterschied gemacht werden darf, worin wir eine Ablehnung der bisherigen nationalistisch-protektionistischen Methoden erblicken, sowie die Versicherung, den Arbeitsplatz für die Angehörigen aller Völker und besonders der deutschen Bevölkerung ebenso zu sichern und zu schützen, wie für die Angehörigen der Mehrheitsnation. Die Regierungserklärung verspricht auch, das Schulwesen aller Nationen in gleichem Maße zu fördern. Leider behandelt sie das große Problem der Schulreform nicht näher und gibt über ihre Stellung zu der bereits von dem früheren Unterrichtsminister Hodža wiederholt angekündigten Schulselbstverwaltung keinen Aufschluß.

Es kommt darin eben die Tatsache zum Ausdruck, daß das Regime des Bürgerblocks, obwohl es zum erstenmal die Mitbeteiligung der deutschen Bevölkerung an der Regierungsmehrheit brachte, dennoch zur Lösung der nationalen Probleme nichts beigetragen hat, sondern im Gegenteil, gerade dadurch, daß die dem tschechisch-deutschen Bürger-Regime angehörenden deutschbürgerlichen Regierungsparteien einzig und allein ihre Klasseninteressen im Auge hatten, der um ihre kulturellen Rechte kämpfenden deutschen Bevölkerung schwere Rückschläge gebracht hat. Wenn wir es nun versuchen wollen, auf dem Wege der positiven Mitarbeit das von uns begonnene Werk zur Sicherung unserer Schule, unserer Sprache und unseres Arbeitsplatzes fortzusetzen und so den kulturellen Interessen der deutschen Bevölkerung des Staates volle Geltung zu verschaffen, so tun wir dies einzig und allein im Vertrauen auf die internationale Solidarität der èechoslovakischen Arbeiterklasse, die mit uns gemeinsam den Kampf (Potlesk poslancù èsl. a nìm. strany soc. demokratické.) um die soziale und wirtschaftliche Besserstellung aller abeitenden Schichten des Volkes führen uns auch in unseren kulturellen Bestrebungen ihre Unterstützung leihen wird.

Daß dieses Vertrauen begründet ist, hat sich nicht nur in den gemeinsamen, in der Oppositionsstellung geführten Kämpfen erwiesen, sondern ist auch in den Auseinandersetzungen über die Zusammensetzung der neuen paralmentarischen Mehrheit - anders als auf bürgerlichen Seite - und nicht minder im Streit um die Verteilung der Ressorts deutlich sichtbar zum Ausdruck gekommen. (Potlesk poslancù èsl. a nìm. strany soc. demokratické.)

Wir haben aber auch in den programmatischen Fragen bei der Beratung der Regierungserklärung die volle Unterstützung unserer èechischen Bruderpartei gefunden, die sich offen an unsere Seite stellte und unsere national-kulturellen Forderungen zu den ihrigen machte. (Potlesk poslancù nìm. strany soc. demokratické.) Wenn das in der Regierungserklärung nicht in vollem Maße zum Ausdruck gelangte, so liegt eben auch das an der Tatsache, daß in der Konzentrationsmehrheit das bürgerliche Element überwiegt. Das wird uns aber nicht hindern, unseren Kampf um die Verwirklichung dieser Forderungen mit der Unterstützung der Arbeiterklasse aller Nationen fortzuführen und wir sind überzeugt, daß wir, wenn auch langsam und in Etappen, zum Ziele kommen werden, weil sich schließlich doch allgemein die Erkenntnis Bahn brechen wird, daß die Befriedigung der gerechten und mit dem Bestande des Staates durchaus vereinbarlichen Bestrebungen aller Völker des Landes nicht nur in deren Interessen, sondern auch im Interesse des Staates gelegen ist.

Zusammenfassend müssen wir sagen, daß die Regierung vor einer Fülle schwerer und verantwortungsvoller Aufgaben steht, die ein Zusammenwirken nicht nur aller Mehrheitsparteien, sondern auch eine Zusammenarbeit zwischen Mehrheit und Opposition erfordern. Wir erwarten, daß sie ihre Aufgaben im Geiste echter parlamentarischer Demokratie erfüllen und dem Parlamente die ihm nach der Verfassung gebührende Stellung in vollem Maße einräumen wird. Dabei müssen wir allerdings sagen, daß die Pflicht, das Ansehen und die Rechte des Parlamentes zu wahren, nicht nur der Mehrheit, sondern auch der Opposition obliegt. Wenn unser Bestreben, die parlamentarischen Methoden zu verbessern, vereitelt werden sollte, so lehnen wir hiefür die Verantwortung ab und schieben sie den Kommunisten zu, die unter dem Vorwand, der Sache der Arbeiterklasse zu dienen, in Wirklichkeit die Geschäfte der schwärzesten Reaktion besorgt. (Potlesk poslancù èsl. a nìm. strany soc. demokratické.)

Wir werden nichtsdestoweniger in diesen Bestrebungen unbeirrt fortfahren, aber auch alle unsere Kräfte dafür einsetzen, daß die Regierung, an der wir beteiligt sind, mit demokratischen Methoden regieren und verwalten wird.

Wir halten es für selbstverständlich, daß sie in der Administrative und im öffentlichen Leben überhaupt die demokratischen Freiheiten aller Bürger und aller Bevölkerungsschichten achten und wahren wird.

In diesem Sinne sind wir zur Mitarbeit in der Regierungsmehrheit bereit und hoffen, daß diese Zusammenarbeit den Interessen aller geistig und manuell arbeitenden Menschen dienen und faszistische und reaktionäre Gefahren wirksam abwehren wird. Solange und nur solange wir diese Funktion zu erfüllen vermögen, werden wir in der Mehrheit verbleiben. Wir verlegen damit unseren Kampf auf einen neuen Boden, der auch andere Formen des Kampfes erfordert. Aber die Tatsachen des sozialen Lebens, der Klassenkampf selbst wird dafür sorgen, daß wir auch unter den geänderten Umständen eine proletarische Klassenpartei, eine zielklare sozialistische Partei bleiben werden. Wir werden, auch wenn wir wissen, daß wir innerhalb einer Koalitionsregierung nur Teilforderungen zu verwirklichen vermögen, unserem Programm nie untreu werden. Wir sind eine Partei, die sich auf das Vertrauen von Hunderttausenden politisch und gewerkschaftlich organisierten Arbeitern, Angestellten, Beamten, Kleinbauern und Häuslern, auf die Stimmen einer halben Million Wähler stützt. Wir werden dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Wir werden allen denen, die uns Treue erwiesen haben, auch unsererseits die Treue halten. Und so werden wir auch unter den neuen Verhältnissen die alten bleiben und werden unseren Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse weiterführen, in dem sicheren Bewußtsein, daß die geschichtliche Entwicklung den Sozialismus über alle vorübergehenden Phasen und Zwischenstadien hinweg - zum Siege führen muß. (Potlesk poslancù èsl. a nìm. strany soc. demokratické.)

2. Øeè posl. Nitscheho (viz str. 71 tìsnopisecké zprávy):

Ein halbes Jahr ist ohne Parlament verstrichen, diese Tatsache charakterisiert am besten die in der Èechoslovakischen Republik herrschenden Zustände. Unwillkürlich wirft sich die Frage auf: Wozu braucht man eigentlich das Parlament? Könnte man die vielen und schweren Millionen, welche die Erhaltung der beiden Häuser verschlingt, nicht ersparen, denn der Staatskarren läuft ja auch ohne Parlament weiter?! Viele nannten diesen parlamentslosen Zustand die Krise des Parlamentarismus. Tatsache ist, daß bei uns diese Krise schon chronische Erscheinung ist, denn leider wird bei uns der Parlamentarismus nur mehr als ein notwendiges Übel betrachtet, um den Schein der Demokratie vor dem Auslande zu wahren! Und damit die parlamentarische Tätigkeit nicht allzu rege und eifrig wird, damit doch nicht zu viel an den herrschenden Zuständen gekrittelt wird, wird eben die parlamentarische Tätigkeit von Zeit zu Zeit für längere Dauer lahmgelegt. Die Arbeit des Parlaments lag auch diesmal brach und zwar in einer Zeit, als die sich immer mehr ausbreitende und immer katastrophaler werdende Wirtschaftskrise den Höhepunkt erreicht hat, als alles hätte unternommen werden sollen, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen und Abhilfe zu schaffen. In solcher schwerer Lage der Wirtschaft und der Bevölkerung stagnierte aber alles, ja: es wurden sogar Wahlen ausgeschrieben, als ob diese Maßnahme gerade das Allernotwendigste gewesen wäre! (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Im Zeichen der großen Wirtschaftskrise wurden die Wahlen abgehalten. Die Wähler haben geurteilt und weil die Wahlen von der Sorge um die Wirtschaftskrise, um das Weiterkommen, um das tägliche Brot beherrscht waren, deshalb der Umschwung von Rechts nach Links. Die Wähler haben ihr Urteil dahingehend gefällt, daß die sogenannte bürgerliche Koalition zum Regieren unfähig war und daß diese Koalition es nicht vermochte, der großen Wirtschaftskrise entgegen zu treten. Der Umschwung, der sich im Ausgang der Wahlen gezeigt hat, war ein Zeichen der allgemeinen Unzufriedenheit. Wir müssen entschieden feststellen, daß die bürgerliche Koalition nicht fähig war, die Wirtschaftskrise zu bannen, woran die größte Schuld die in jeder Regierung drinsitzende èechoslovakische Agrarpartei trägt. Oder geht es dem Landvolke so gut, daß ein Bekämpfen der großen landwirtschaftlichen Krise überflüssig ist? Bei der Landwirtschaft in der Slovakei herrschen meines Wissens sehr traurige Zustände und auch der deutschen und èechischen bäuerlichen Bevölkerung in den Kronländern geht es nicht besser! Abgesehen von einigen Konfe-renzen und Besprechungen sehen wir seitens der Regierung keinen ernsten Schritt, der ein Bekämpfen der großen Wirtschaftskrise bedeuten würde. Bei den Wahlen wurde den Wählern von den Regierungsparteien versprochen, daß dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftslage getroffen werden und jetzt, sieben Wochen nach den Wahlen sind wir noch keinen Schritt in dieser allerwichtigsten Frage der Gesamtbevölkerung weiter gekommen! Alles scheint nämlich Nebensache, die Hauptsache ist der Ministersessel. Sechs Wochen wurde um die Sitze im Kabinett geschachert. Dies ist ein eigenartiges Vorgehen: was schert die Herren von den Regierungsparteien Programm, was Krise, was alles andere, die Hauptsache ist die Verteilung der Ministersitze und die Beteiligung an der Regierung!

Wir müssen noch einen Augenblick bei den Wahlen verweilen. Es wird oft und viel über die Wahlen in Ungarn und über die ungarischen Stuhlrichter gesprochen. Meine sehr verehrten Herren! Ihre Verwaltungsorgane verstehen es ebenso gut, einzelne sogar noch besser zu machen, als die Stuhrichter der Vergangenheit. Versprechungen, Drohungen, Geld, Schnaps, alles, was man nur haben will gab es, zum größten Ruhm der Demokratie. Öffentliche Beamte auf der Kortegereise, Richter Gerichtsräte in dem Rummel der Wählerversammlungen, wo soll dies alles hinführen? Ist dies das freie Wahlrecht und das freie Bürgerrecht in einer freien Republik, daß Staatsangestellte und Verwaltungsbeamte als Kortege herumziehen und durch ihre Anwesenheit die Wählerschaft einschüchtern? Das traurigste Kapitel bei der verflossenen Wahl war der Richter bei der Wahlwerbung, dies erschüttert das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Gerechtigkeit der Richterschaft. In der Vergangenheit war der Richter ein höherer Begriff und heute wird dieser höhere Stand, ein Grundpfeiler der menschlichen Gemeinschaft, zur Kortege mißbraucht. Hier muß Abhilfe geschaffen werden und zwar derart, daß für die Richter und öffentlichen Beamten je früher ein Inkompatibilitätsgesetz geschaffen wird.

Sieben Wochen dauerte es, bis die Ministersessel verteilt und bis endlich die Regierungsbildung so weit war, daß das Parlament einberufen werden konnte. Wir haben schon im voraus gewußt, daß das Regierungsprogramm des Herrn Kabinettchefs sehr schwach ausfallen wird und wir haben uns darin nicht getäuscht, denn der Herr Ministerpräsident hatte garnichts zu sagen. Es ist eigentlich recht traurig, daß der Herr Kabinettschef außer der Wirtschaftskrise, die er oft betont, für alles andere kein Wort gefunden hat. Was geschieht mit den Staatenlosen, mit den entlassenen Beamten, mit den Altpensionisten, mit den Lehrern der konfesisonellen Schulen, den Geistlichen, für die die Kongrua noch immer nicht durchgeführt ist? Wie gedenkt die Regierung die brennende Frage der Gleichberechtigung der Minderheiten zu lösen und was uns aber ganz besonders interessiert: Wie will die Regierung die wirtschaftliche Gesundung der Slovakei fördern, wo die wildesten wirtschaftlichen Zustände herrschen, wie Pater Hlinka hier vor mir gesagt hat. Über alle diese außerordentlich wichtigen Fragen hörten wir vom Herrn Ministerpräsidenten kein Wort! Allmählich gewöhnen wir uns schon an nichtssagende Regierungserklärungen, doch leider ist es so, daß nicht nur nichts gesagt, sondern auch nichts getan wird. Die Ministerien sind verteilt und nun versucht man weiter zu regieren, doch an dem System, welches nunmehr schon seit 11 Jahren in dieser ungesunden Richtung herrscht, darf nicht gerüttelt werden.

Die Kriegspsychose ist noch immer nicht gebannt und solange die Regierenden sich von dem unter dem Einfluß dieser Psychose geschaffenen System leiten lassen, kann und wird es keine Gesundung geben. Wir, die wir jetzt von neuem in das Parlament entsendet wurden, stehen ganz unter dem Eindruck der großen Wirtschaftskrise, worunter nicht nur eine Krise der Landwirtschaft, sondern der gesamten Volkswirtschaft der Èechoslovakischen Republik zu verstehen ist. Wir hörten und hören ständig die Klagen und fühlen die Krise am eigenen Leibe. Die Wirtschaftskrise ist ja kein Novum, bereits seit dem Monat Mai herrschen bei der Landwirtschaft desolate wirtschaftliche Zustände und die vergangene bürgerliche Koalition konnte keine Abhilfe schaffen, obwohl die führende Herrschaft in den Händen der agrarischen Parteien war. Um wieviel weniger wird die jetzige Koalition Abhilfe bringen können, da sie sich ja aus vollkommen heterogenen Elementen mit gegenteiligen Interessen zusammensetzt?! Nach den Erklärungen des Herrn Regierungschefs wird alles unternommen werden, doch ob diese Versuche irgendwelche Erfolge zeitigen werden, das müssen wir bezweifeln. Was sind die Gründe und Ursachen der Wirtschaftskrise? Ich behaupte, daß sich unsere ganze Volkswirtschaft schon seit langer Zeit in einem krisenhaften Zustande befindet, daß auch die heute noch teilweise verschonten Wirtschaftsteile in eine Krise geraten werden und auch bei den Betrieben wird der Krisenzustand in Kürze eintreten, die heute noch durch mächtige Organisationen und große Verbindungen geschützt erscheinen, denn durch die Erschütterung der Landwirtschaft ist das ganze Gebäude der Volkswirtschaft in den Grundfesten erschüttert. Die Gründe und Ursachen der Wirtschaftskrise sind darin zu suchen, daß große politische wirtschaftliche Einheiten zertrümmert und in kleine zerstückelt wurden und darin, daß Europa zum Vasallen Amerikas herabgesunken ist. Amerika begnügt sich nicht mit dem Tribut, den die kleinen europäischen Staaten dem Sieger zahlen, sondern überschwemmt mit seinen Erzeugnissen die europäischen Märkte. Mit diesen Erzeugnissen kann die europäische Produktion die Konkurrenz nicht aufnehmen, weil die Erzeugungskosten bei uns in allen Wirtschaftszweigen, insbesondere aber bei der Landwirtschaft viel zu hoch sind. Wir sehen die Wirtschaftskrise in allen europäischen Staaten, wir verfolgen das Suchen nach Abhilfe und Auswegen, doch sehen wir auch, daß der richtige Weg nirgends gefunden wird, denn sonst könnte Europa der amerikanischen Konkurrenz erfolgreich entgegentreten. Dies ginge aber nur durch einen Zusammenschluß der europäischen Staaten, wenn dieser Zusammenschluß augenblicklich auch nur wirtschaftlicher Natur wäre. Dieser Zusammenschluß wäre insbesondere für die kleinen und wirtschaftlich schwächeren mitteleuropäischen Staaten von Lebenswichtigkeit. Um aber dies zu erreichen, wäre die Schaffung einer friedlichen Athmosphäre in Mitteleuropa notwendig, die aber durch den jetzigen Leiter der èechoslovakischen Außenpolitik nicht erreicht werden kann. Den Herrn Minister Beneš beherrscht immer noch viel zu sehr die Kriegspsychose und dieser Umstand ist die Wurzel allen Übels. Denn solange die Kriegspsychose Mitteleuropa beherrscht, solange Amerika die durch die Zerfahrenheit Europas geschaffene Situation zu egoistischen Eigenzwecken ausnützen kann, kann von einem Aufatmen oder von einer Gesundung der europäischen Wirtschaft kaum die Rede sein.

Die Wege, die jetzt gesucht werden, um die Wirtschaftskrise einzudämmen und die darin ihren Höhepunkt erreichen, daß die kleinen Staaten sich mit gegenseitigen scharfen Maßregeln wirtschaftlich schikanieren, tragen nicht zur friedlichen Verständigung bei.

In Bezug auf die Èechoslovakische Republik soll man nicht immer allein das rettende Heil zur Behebung der Wirtschaftskrise in der Erhöhung der Zollmauern suchen, sondern es müßte die Arbeit dort angefaßt werden, wie es Amerika getan hat, wie es der amerikanische Kanzler Mellon getan hat, der die landwirtschaftliche Krise dadurch zu mildern suchte, daß er der Landwirtschaft pekuniär unter die Arme griff und ihr half die Regiekosten herabzusetzen.

Wenn die Regierung ernstlich darangehen würde, die Wirtschaftskrise zu mildern und wenigstens zum großen Teil zu beheben, müßte vor allem an einen Abbau der Steuern, der sozialen Lasten und der Eisenbahntarife geschritten werden, die Kreditverhältnisse müßten in einer der Wirtschaft günstigen Art und Weise geregelt werden, mit einem Wort: es müßte die Verbilligung der Produktion erzielt werden. Doch wer denkt bei uns ernstlich an diese unerläßlichen staatlichen und Regierungsaufgaben? Würde der Herr Finanzminister einen Abbau der Steuern genehmigen? Gerade gestern wurde die größte und schwerste Steuerart: die Umsatzsteuer und die Luxussteuer, die alle Stände am meisten belastet, auf ein weiteres Jahr verlängert. Was haben vor sieben Wochen die Parteien, die heute für die Verlängerung dieser unerträglichen Steuerlast eintreten, ihren Wählern versprochen? Oder soll vielleicht der zweite Gesetzentwurf, der gestern genehmigt, laut welchem jeder Schritt eines Amtsorgans, der für den Staatsbürger getan wird, bezahlt werden muß, eine Erleichterung der Wirtschaftskrise bedeuten? Wird nicht auch dadurch der weiteren Verteuerung der Produktion der Weg geebnet? Das Debut der neuen Regierung im Zeichen der Wirtschaftskrise ist nicht günstig. Dürfen wir vielleicht einen Abbau der sozialen Lasten, welche die Erzeugung wie ein Alpdruck belasten, erhoffen? Nein, denn nie werden die in der Regierung sitzenden sozialistischen Parteien dies zulassen. Oder können wir die Regelung der Tariffrage erwarten, welche die Wirtschaft der Ostslovakei lahmlegt? Oder gar eine Verbilligung des Kredits durch die Gewährung billiger langfristiger Darlehen? Diese Regierung wird schon wegen ihrer heterogenen Zusammensetzung nie imstande sein, Abhilfe in dieser für die Wirtschaft so schweren Zeit zu schaffen.

Doch auch unser Los als nationale Minderheit wird diese Regierungskoalition nicht bessern. Der Herr Ministerpräsident fand in seiner Regierungserklärung auch kein Wort für diese Frage und wir werden daher unseren Kampf für die Gleichberechtigung der nationalen Minderheiten weiterführen, bis sich nicht ein Regierungssystem durchsetzen wird, welches die Kraft dazu aufbringt, die gerechten Forderungen der nationalen Minderheiten zu gewähren, zu sichern und die Minderheitenfrage günstig zu regeln. Doch auch dafür werden wir weiter kämpfen, daß ein Regierungssystem sich durchsetzt, welches in der europäischen Politik den Geist der Versöhnung, den Geist des Ausgleiches und den Geist der friedlichen nachbarlichen Zusammenarbeit vertritt, denn nur ein solcher Geist kann eine aufbauende, gesunde wirtschaftliche Erstarkung der Völker Mitteleuropas erzielen.

Aus allen diesen Gründen muß ich erklären, daß ich und meine politischen Freunde dieser Regierung kein Vertrauen entgegenbringen können. (Potlesk.)

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