Meine Damen und Herren! Als gewählte Vertreter des deutschen Volkes in der Èechoslovakei, Abgeordnete der Deutschen Nationalpartei und des Sudetendeutschen Landbundes, erneuern wir die staatsrechtliche Erklärung, die von den im Deutschen Parlamentarischen Verbande vereinigten Parteien, Bund der Landwirte, Deutsche Nationalpartei, Deutsche christlichsoziale Volkspartei und Deutschdemokratische Freiheitspartei in der èechoslovakischen Nationalitätenversammlung durch Abgeordneten Dr. Rudolf Lodgman-Auen in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 1. Juni 1920, durch den Senator Moritz Vetter Lilie in der Sitzung des Senates am 9. Juni 1920 abgegeben worden ist und erklären feierlich vor der Bevölkerung dieses Staates, vor ganz Europa und vor der ganzen gesitteten Welt:
"Durch den Friedensvertrag von St. Germain en Laye ist mitten in Europa ein Staat entstanden, der neben rund 6 1/2 Millionen Èechen unter anderen auch 3 1/2 Millionen Deutsche umfaßt. Vergebens waren alle Vorstellungen, welche wir, die Vertreter der Sudetendeutschen vor Beginn und während des Verlaufes der Friedensverhandlungen erhoben haben, vergebens war unser einmütiges Bestreben, das Schicksal unseres Siedlungsgebietes selbst zu bestimmen, vergebens haben wir darauf hingewiesen, daß ein so gestalteter Staat, nicht den 14 Punkten Wilsons, nicht dem Begriffe der Demokratie entspräche, daß er niemals zur Ruhe kommen könnte und schon infolge seiner unmöglichen Zusammensetzung eine stete Bedrohung des europäischen Friedens bilden würde."
Die Erfahrungen der seither verlaufenen Zeit haben diese Behauptungen vollauf bestätigt.
"Wir stellen neuerlich fest, daß die Bedingungen und Grundlagen, von denen sich die verbündeten Mächte bei Verfassung der Friedensverträge leiten ließen, irrig waren, daß dieser Staat auf Kosten der geschichtlichen Wahrheit entstanden ist und daß die entscheidenden Großmächte über den wahren Sachverhalt getäuscht worden sind und weiter getäuscht werden."
"Der Vertrag, den die Èechoslovakische Republik, die dabei aber nur durch Angehörige des èechischen Volkes vertreten war, mit den alliierten und assoziierten Hauptmächten am 10. September 1919 abgeschlossen hat, geht von den Erwägungen aus, daß sich die Völker Böhmens, Mährens und eines Teiles von Schlesien, sowie das Volk der Slovakei aus freiem Willen entschlossen haben sich zu vereinigen und sich tatsächlich in einem dauernden Bunde zur Schaffung eines einheitlichen, souveränen und unabhängigen Staates unter dem Namen "Èechoslovakische Republik" vereinigt haben."
Demgegenüber stellen wir fest:
Die Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien haben durch ihre berechtigten Vertreter den Willen zum Ausdruck gebracht, mit den deutschen Gebieten Österreichs einen einheitlichen Staat zu bilden. Sie sind durch das Friedensdiktat von St. Germain gegen ihren Willen in diesen Staat eingegliedert, daher niemals um ihren Willen befragt worden. Die Lage, in der sie sich befinden, muß infolgedessen als ein Zwangszustand bezeichnet werden, der von uns niemals als ein Rechtszustand angesehen werden wird.
Soweit die Grundrechte des deutschen Volkes in der Èechoslovakei durch die Diktate der èechoslovakischen Revolutionsvers ammlung verletzt worden sind, legen wir feierlich dagegen Verwahrung ein. Wir erklären, daß wir keines dieser Gesetze als für uns verbindlich anerkennen. Die ohne und gegen unseren Willen oktroyierte Verfassung dieses Staates, die Ordnung der Verhältnisse der Nationalitäten zu einander, die im Wesen als Diktate der Èechen erlassen worden sind, lehnen wir ab, da nur gleichberechtigte Völker mit einander über solche grundlegende Verhältnisse Vereinbarungen treffen können. Wir stellen dem èechoslovakischen Staate und der èechischen Nation das sudetendeutsche Staatsrecht und den sudetendeutschen Volkss tamm als gleichberechtigte Faktoren gegenüber und erklären das sudetendeutsche Staatsrecht als für uns verbindliche Rechtsquelle, zu dessen Grundgesetzen wir die staatsrechtliche Erklärung aus dem Jahre 1920 zählen.
Wir werden niemals die Èechen als unsere Herren anerkennen, sondern für diese unsere Grundrechte kämpfen, bis der Gedanke der freien Selbstbestimmung jedes Volkes rein und unverfälscht zur Anerkennung gebracht sein wird.
Wir betrachten das Vermächtnis, das uns die ersten gewesenen Abgeordneten und Senatoren des Deutschen Parlamentarischen Verbandes in ihrer "Staatsrechtlichen Erklärung" hinterlassen haben, als verbindliches Gesetz für unser politisches Wollen und Handeln.
Die traurigen Erfahrungen unserer mehr als 10 Jahre andauernden gewaltsam erzwungenen Zugehörigkeit zum èechischen Staate haben bewiesen, daß bei Aufrechterhaltung des èechischen Nationalstaatssystems das sudetendeutsche Volk sowohl in nationaler, wie in wirtschaftlicher und kultureller Beziehung auf das äußerste bedroht ist und daß sein Heimatboden, seine Wirtschaft und seine Kultur nur durch die Aufrichtung der Oberhoheit eines jeden Volkes über sein Volksgebiet gesichert werden kann.
Unser Leitgedanke wird daher auch in Zukunft sein, in möglichster Zusammenfassung der sudetendeutschen Volkskräfte an der Sicherung unseres Volkstums zu arbeiten und in enger Fühlungnahme mit anderen unterdrückten Volksteilen und Völkern unserem sudetendeutschen Volke die Freiheit zu erringen, da nur eine auf gerechten Grundlagen geschaffene staatliche Neuordnung dem wahren Frieden dienen und die Gewähr für eine erfolgreiche friedliche Zusammenarbeit der Völker Mitteleuropas bieten kann.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nunmehr, nach Abgabe der staatsrechtlichen Erklärung zum Inhalt der Regierungserklärung und damit zur Regierung selbst Stellung zu nehmen und in aller Kürze den Standpunkt meines Klubs und meiner Partei zu präzisieren. Diese Haltung ist nicht vielleicht eine Frage des Programms, sondern lediglich eine Frage der Taktik, gegeben und uns aufgezwungen durch das Verhalten der Regierung gegenüber den berechtigten, ehernen und unerläßlichen Forderungen und Grundrechten des deutschen Volkes.
Die Regierung Udržal ist die elfte in ihrer Reihe. Es zeigt sich darin ein außerordendlich starker Verbrauch von Regierungen in diesem Staat, auf diesem wunderbaren Eiland wahrer Demokratie, wie der Staat einmal bezeichnet worden ist, ein Beweis auch zugleich, daß die Verhältnisse noch keineswegs so konsolidiert sind, wie sie nach außenhin so oft ausgegeben werden. Wir haben also bereits gewisse Erfahrungen mit Regierungen hinter uns, Erfahrungen, die zu der Annahme, zu der Behauptung berechtigen, daß es ganz gleich ist, wer an der Spitze dieser Regierungen steht, daß das System durch all die Jahre über immer das gleiche geblieben ist. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.) Es zeigt sich dabei dieselbe merkwürdig feindselige Einstellung gegenüber dem sudetendeutschen Volk, ob nun der Nationalist Kramáø an der Spitze einer Regierung stand, ob ihm vielleicht der internationale Sozialdemokrat Tusar folgte, ob der Agrarier Švehla das Staatsruder führte oder vielleicht der objektiv sein sollende Beamte Èerný Ministerpräsident war. Diese feindliche Haltung dem deutschen Volke gegenüber zeigt sich auch, ob diese Regierung rein bürgerlich oder ob sie vielleicht gemischtbürgerlich-sozialisstisch war, sie zeigt sich sowohl in der allnationalen Koalition, wie auch in der Regierung, die auch deutsche Parteien zu ihren Mitgliedern zählte. Denn leider mußten wir feststellen, daß auch die verflossene gemischtnationale Regierung in ihren Handlungen nicht anders zu beurteilen war, als die früheren rein èechischen Regierungen. Wir mußten feststellen, daß auch der ganz bedingungslos erfolgte Eintritt deutscher Parteien in die Regierung keine Änderung des Kurses herbeigeführt hat, nur daß sich vielleicht ein klein wenig ihre Methoden geändert haben, die Nuancierung in der Behandlung. Vergleichen Sie gegenüber der brutalen Art der Vergewaltigung, wie wir sie in den ersten Jahren erlebt haben - denken Sie dabei nur an die Entei gnung der verschiedenen Bahnen, an die Behandlung der Kriegsanleihe usw. - die freundlichen, höflichen Worte, die man gebrauchte, als man uns das Gemeindefinanzgesetz aufoktroyierte, als man uns die Verwaltungsreform bescherte, die die letzten Reste der deutschen Selbstverwaltung beseitigte. Dieses Verhalten der èechischen Mehrheit geht zurück - wie wir immer betont haben - auf den èechischen Staatsaufbau, auf die durchaus falsche Konstruktion des Staates als Nationalstaat, geht zurück auf die einseitig berühmte èechische Mentalität, geht zurück auf die ganz unerklärliche Abneigung des èechischen Volkes den deutschen Mitbürgern gegenüber, die man zwar in den Staat hereingezwungen hat, die man im Staate wollte, notwendig brauchte, auf die man nicht verzichten konnte, die man aber nicht liebt, wie wir vorhin aus den Ausführungen des Herrn Støíbrný gehört haben, denen man auch keine Rechte geben will, nicht einmal jene Rechte, auf die sie kraft ihrer Zahl und ihrer kulturellen Stellung und Leistung Anspruch erheben können und die man infolgedessen nun trachtet, auf dem kürzesten Wege zu beseitigen, das heißt zu entnationalisi eren.
Zu diesem radikalen Vorgehen und der starken Benachteiligung des sudetendeutschen Volkes gab bis vor kurzem den Vorwand, daß sich die Deutschen angeblich nicht auf den Boden des Staates gestellt haben und daß sie dem Staate feindlich gegenüberstehen. Das Schreckgespenst der Irridenta wurde bei jeder Gelegenheit hervorgeholt, wobei man als Irridenta allerdings auch schon die Liebe zum angestammten deutschen Volkstum bezeichnete. Das Festhalten am ererbten Grund und Boden gegenüber der angestrebten Entnationalisierung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Wort, das Dr. Lodgman einst gesprochen und das später auß erordentlicht oft - bewußt, behaupte ich - verdreht worden ist, das Wort vom Hochverrat als Pflicht, wobei Dr. Lodgman damals ausdrücklich ausführte: Wenn das Festhalten an unserem Volkstum schon Hochverrat bedeutet, dann ist es Pflicht aller Deutschen, Hochverräter zu sein. Durch den Eintritt der drei deutschen Parteien in die Regierung wurde aber dem èechischen Staatsvolke der Vorwand zu den feindlichen Akten und dem feindlichen Verhalten dem sudetendeutschen Volke gegenüber genommen. Denn nunmehr waren doch Beweise genug für die staatsloyale Haltung und Gesinnung der Deutscnen gegeben, ich beh aupte sogar, mehr als genug. Bis zur Selbstaufopferung wurden Beweise für staatsloyale Gesinnung von den drei Regierungsparteien geliefert. Nunmehr wäre es Zeit gewesen auf Seite der Èechen, sich umzustellen, umzulernen und endlich an die Bereinigung des nationalen Problems zu schreiten, das ja, wie Masaryk betonte, und wie es auch Švehla öfter behauptete, das wichtigste Problem, das Grundproblem des Staates überhaupt ist und das für seinen Bestand in der Zukunft von der größten Bedeutung werden muß. Drei Jahre wurde in dieser Richtung nichts getan, drei volle Jahre vergingen, ohne daß man auch nur daran ging, die Grundelemente des nationalen Friedens klarzulegen, einen bescheidenen Anfang zu machen, vielieicht mit dem Anteil der Deutschen an der Staatsverwaltung, mit der kulturellen Autonomie, die ja Hodža gleich nach seinem Regierungsantritt als Unterrichtsminister versprochen hatte.
Wir haben den bedingungslosen Eintritt deutscher Parteien in die Regierung als schweren Fehler bezeichnet. Wir haben verlangt, daß ein solcher Eintritt deutscher Parteien nur auf Grund von Abmachungen, von festen Zusagen erfolgen dürfe, wir bezeichneten es als unklug, in der Politik vielleicht mit Dankbarkeit zu rechnen, zu hoffen, daß eine selbstlose Tat in späterer Zeit Anerkennung finden werde. Und was wir vorausgesagt haben, ist restlos eingetreten, weil auch in der Folgezeit die èechischen Parteien zu irgendeinem Entgegenkommen nicht bereit waren, mit Ausnahme von Kleinigkeiten, die für das sudetendeutsche Volk in seiner Gesamtheit nicht in Betracht kommen. Wir konnten am Schlusse dieser dreijährigen Periode feststellen, daß nicht nur nichts erreicht, sondern im Gegenteil die deutsche Position weitgehend geschwächt worden war.
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit sollte man aber für die Zukunft lernen. Wenn wir die jetzige Regierungserklärung lesen, wenn wir darin nichts finden, was auf das nationale Problem Bezug hat, dann beschleicht uns ein banges Gefühl der Enttäuschung, der Beunruhigung, in der Annahme, in dem Glauben, daß auch durch den Eintritt der deutschen sozialdemokratischen Partei eine Änderung wieder nicht gegeben sein wird. Es beschleicht uns das Gefühl der Beunruhigung, wenn wir sehen, daß derselbe Fehler vielleicht zum zweitenmal gemacht wird, zumindest hat es den Anschein danach. Die deutschen Sozialdemokraten haben mit Recht drei Jahre lang den Kampf gegen die verfehlte Regi erungspolitik der drei deutschen Regierungsparteien geführt, sie haben jederzeit auf die gemachten Fehler aufmerksam gemacht, so daß man annehmen mußte, daß sie selbst, wenn die Frage des Eintrittes in die Regierung an sie herantreten wird, aus diesen gemachten Fehlern bessere Folgerungen ziehen werden. Heute allerdings glauben wir beinahe, der Schein wenigstens spricht dafür, daß auch diesmal wieder der Eintritt ohne Versprechungen, ohne feste Abmachungen erfolgt ist, daß er erfolgt ist lediglich als Akt der Solidarität den èechischen Genossen gegenüber, lediglich als Akt zur Stärkung des sozialistischen Blocks. Nur mit wenigen dunklen Worten wird in der Regierungserklärung das nationale Problem gestreift. Es heißt schon, den besten Willen aufbringen, um hier zwischen den Zeilen lesen zu können, wenn gesagt wird, daß die innere Verwaltung im Geiste einer gleichmäßigen Gerechtigkeit geleitet werden soll und daß die durch die Verfassung gewährleisteten Rechte im vollen Maße jedem Staatsbürger ohne Unterschied zuteil werden sollen. Wenn man diesen Worten jenen Inhalt geben will, den die Sozialdemokraten ihm heute geben, dann berechtigen sie ohne Zweifel zu den besten Erwartungen.
Denn das wäre ja das, was wir die ganzen Jahre über angestrebt haben, die volle Gleichberechtigung der Völker dieses Staates, die Erfüllung der seinerzeit von Švehla ausgesprochenen Worte von Gleichen unter Gleichen. Wir kämpfen seit Jahren um die vollständige Gleichberechtigung, um die Gleichberechtigung auch im Anteil an der Macht und in der Verwaltung, um die Berücksichtigung des deutschen Volkes in den Staats- und in den Zentralämtern, den Ministerien, nach der Bevölkerungszahl. Wir kämpfen um die gleiche Fürsorge im Schulwesen und auf den übrigen Gebieten. Zu oft haben wir solche schöne Worte gehört und zu oft wurden wir enttäuscht! Es hätte daher gewünscht werden müssen, daß solche Abmachungen expressis verbis, mit klaren Worten, festgelegt und klar ausgedrüekt werden. Clara pacta, boni amici, klare Abmachungen, gute Freunde, heißt es mit Recht.
Auch die jetzige Regierung scheint an das nationale Problem nicht recht herangehen zu wollen, den Mut dazu nicht aufzubringen. Sie scheint nicht die Lösung herbeiführen zu wollen, die allein für uns möglich ist, die Lösung, die in einer restlosen Selbstverwaltung besteht. Denn nur durch die Schaffung der Selbstverwaltung würden alle nationalen und sonstigen Reibungsflächen völlig beseitigt werden. Nur dadurch würde ein friedliches Nebeneinanderleben gegeben sein. Die deutsche sozialdemokratische Partei ladet eine schwere Verantwortung vor der Zukunft auf sich. Nach dem bisherigen mißglückten ersten deutschen Regierungsexperiment wird die deutsche Bevölkerung die einzelnen Handlungen der jetzigen Regierung besonders kritisch beobachten, sie wird vielleicht noch einen schärferen Maß stab als bisher anlegen, nicht zu vergessen, daß eine der bisherigen deutschen Regierungsparteien nunmehr in der schärfsten Opposition steht, daß sie zur schärfsten Kritikerin geworden ist, und daß sie nunmehr von der sozialdemokratischen Partei das verlangt, was sie selbst leider 3 Jahre lang durchzuführen versäumt hat.
Für die deutsche Nationalpartei und für ihre Haltung ist allein maßgebend das Verhalten der Regierung in der nationalen Frage, weil die nationale Frage zugleich der Schlüssel für alle übrigen Fragen, seien sie nun auf wirtschaftlichem, kulturellem oder sozialem Gebiete ist. Es ist begreiflich, daß wir daher nach den kärglichen Worten in der Regierungserklärung nur mit dem schwersten Mißtrauen der jetzigen Regierung entgegentreten.
Genau so mangelhaft wie auf nationalem Gebiete, sind die Versprechungen, die auf den übrigen Gebieten gemacht werden. Vollständig nebelhaft z. B. ist das, was auf dem Gebiete des Schulwesens gesagt wird, wenn es hier heißt, daß an der Entwicklung und Vertiefung aller Kategorien unserer Schulen ohne Unterschied der Unterrichtssprache gearbeitet werden wird. Wir klagen seit unserer Zugehörigkeit zum èechoslovakischen Staate über die Vernachlässigugung des deutschen Schulwesens, über das Fehlen deutscher Volks- und Bürgerschulen, notwendiger Schulen oft in entlegenem Gebiet, die allein die Möglichkeit der Ausbildung für unsere heranwachsende Jugend geben. Wir sehen demgegenüber ein Netz von èechischen Minderheitsschulen im deutschen Sprachgebiet entstehen, das soweit ausgestaltet ist, das heute jedem èechischen Kinde die Möglichkeit gegeben ist, in seiner Muttersprache den Unterricht zu genießen. Wenn es also hier in der Regierungserklärung heißt, daß die Entwicklung und Vertiefung aller Kategorien unserer Schulen ohne Unterschied der Unterrichtssprache erfolgen soll, so würde das bedeuten, daß nunmehr auch für das deutsche Kind die notwendigen Unterrichtsanstalten geschaffen, die notwendige Zahl der deutschen Volks- und Bürgerschulen im gleichen Ausmaß und in gleicher Freigebigkeit auch im deutschen Sprachgebiet errichtet werden sollen. Wir klagen über die schlechte Unterbringung unserer Mittel- und Hochschulen. Wir erlebten vor kurzem den Sturm an den deutschen Hochschulen, der allerdings dann seine Verbreitung auch auf die èechischen Hochschulen fand und der letzten Endes seinen Grund darin hat, was wir seit vielen Jahren immer wieder bei den verschiedenen Kulturdebatten sagten, daß nämlich die deutschen Hochschulen ganz unzweckmäßig untergebracht sind. Wenn also jetzt mit dem gleichen Maße gemessen werden soll, wenn das deutsche Schulwesen sich in gleicher Weise entwickeln soll, dann sind wir wohl zu der Hoffnung berechtigt, daß neben den Palästen für die èechischen Mittel- und Hochschulen auch in gleicher Weise, Paläste für die deutschen Mittel- und Hochschulen entstehen werden, dann sind wir wohl auch zu der Hoffnung berechtigt, daß die fehlenden deutschen Mittel- und Hochschulen demnächst geschaffen werden. Ich erwähne nur die deutsche Handelshochschule, die montanistische Hochschule, die forstwirtschaftliche Hochschule u. a. m.
Wir vermissen in der Regierungserklärung ein klares Wort zur alten Forderung der Deutschen auf Kulturautonomie, die wir als das notwendigste und wichtigste Recht bezeichnen auf das wir unter allen Umständen Anspruch erheben können.
Und so, meine Damen und Herren, könnte ich die ganze Regierungserklärung von Anfang bis zum Ende behandeln und Ihnen aufzeigen, daß sie durchaus mangelhaft ist, d. h., daß sie mit schönen Worten nichts sagt und um die schwersten Probleme herumzukommen trachtet. Ich greife hier z. B. nur heraus, was in der Regierungserklärung über die Außenpolitik gesagt wird. Hier heißt es: "In der Außenpolitik wird die Regierung unverrückbar auf der Linie fortschreiten, welche die früheren Regierungen beschritten haben und die immer auf die Unterstützung einerseits einer allgemeinen Politik der Konsolidierung und Pazifizierung abgezielt haben, andrerseits auf die Festigung jener Freundschaftsbünde gerichtet waren, die unseren Staat sowohl an die mit uns befreundeten Staaten, als auch an unsere Nachbarn und jene Staaten knüpfen, zu denen wir namentlich aus wirtschaftlichen Interessen nane, und daher international bedeutsame, Beziehungen haben." (Výkøiky na levici.) Erlassen Sie es mir, auf alle diese kühnen Behauptungen näher einzugehen, bzw. zu zeigen, wie hier das Gegenteil von dem gesagt wird, was bisher in der Außenpolitik Grundsatz war. (Souhlas na levici.) Wir konnten feststellen, daß die ganzen Jahre über eine durchaus deutschfeindliche Außenpolitik gemacht wurde, daß bei allen Aktionen der internationalen Welt Außenminister Dr. Beneš stets an der Seite Frankreichs zu finden war, daß also nicht jener Weg gegangen worden ist, der durch die Natur und durch die Lage des Staates ve gezeichnet ist und der uns unrettbar und unentwirrbar an unsere deutschen Nachbarn, an Deutschland und Deutsch-Österreich knüpft. Bei jeder Gelegenheit wurde von uns darauf hingewiesen, daß wir zu Frankreich gar keine Beziehungen, auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht haben, es wurde auch darauf hingewiesen, daß wir gerade, wenn wir in der Politik eine pazifistische Richtung verfolgen wollen, nicht mit dem größten Militärstaat, mit Frankreich gehen dürfen, dessen Politik uns unrettbar in Verwicklungen hineinziehen muß, und daß für uns nur eine Politik in Anlehnung an Deutschland gegeben ist, zumal die ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse und die gegenseitigen Beziehungen uns diesen Weg von Haus aus gezeichnet haben. Gerade die jetzige Wirtschaftskrise sollte uns dazu führen, alles vorzukehren, um endlich unsere Handelsbeziehungen zu Deutschland und Deutschösterreich in geregelte Bahnen zu bringen. Allerdings muß man sich dabei von chauvinisistischen, einseitig nationalen Gesichtspunkten frei machen, man darf solche Abmachungen nur auf Grund ruhiger sachlicher Überlegungen pflegen. In der Regierungserklärung ist von der schweren Krise der Landwirtschaft die Rede, die als Weltkrise bezeichnet wird. Auch diese Frage wird eine schwere Belastungsprobe für die jetzige Regierungsmehrheit, insonderheit für die sozialistischen Parteien bedeuten, ob diese den Mut aufbringen werden, frei von jeder Demagogie sich auch zu dieser wichtigen Existenzfrage der Landwirtschaft ruhig und rein sachlich einzustellen, ob sie gewillt sind, objektiv jene Maßnahmen zu veranlassen, zu beschließen und einzuleiten, welche unsere Landwirtschaft dringendst braucht, um sich erhalten zu können und um dem Bauer auch das zu geben, was er unbedingt zum Leben nötig hat. Genau dasselbe gilt selbstverständlich für die Krise im Handel, Gewerbe und Industrie, die sich vielleicht in nächster Zeit schon nicht weniger tief auswirken wird und deren Anfänge wir heute bereits überall spüren, besonders in den Industriestädten, ebenso wie die Landwirtschaftskrise. Auch hier wird es heißen, allen demagogischen Schlagworten zu entsagen, auch hier wird es heißen, ein mittleres Kompromiß zwischen den verschiedenen einander gegenüberstehenden Ansichten zu finden. Sie sehen also: Arbeit in Hülle und Fülle, nicht zu vergessen jene Fragen, die mit angedeutet wurden, die Beamten- und Pensionistenfrage, die dringendst einer Lösung bedarf, weil gerade diese wichtigen Stände, besonders der Beamtenstand, wirtschaftlich immer mehr verelendet und infolgedessen vollständig zum Proletariat herabsinkt. Ich zweifle allerdings, ob die Regierung bei ihrer jetzigen Zusammensetzung die Kraft zur Lösung aller dieser Fragen aufbringen wird und es ist daher begreiflich, daß wir ihr mit größtem, Mißtrauen gegenüberstehen.
In ihrer Erklärung wird die Regierung lediglich etwas offener, zuversichtlicher und klarer, wenn sie davon spricht - allerdings auch bloß vorläufig mit schönen Worten angedeutet - daß die Verwaltungsreform im Sinne einer wahren Demokratie ausgestaltet werden soll und daß auch die finanzielle Regelung der Gemeinden noch keine endgültige ist, ein Wort, das wir vollständig unterschreiben. Wenn die Teilnahme der sozialistischen Partei dazu führt, die Verwaltungsreform einer Revision zu unterziehen und alles das herauszunehmen, was man bei ihrer Behandlung hier im Hause als reaktionär bezeichnet hat, wenn sie dazu dienen soll, die Bürokratie zurückzudrängen und das demokratische Element auch in der Verwaltung zum herrschenden zu machen, wobei das Beamtentum lediglich die Durchführung der gefaßten Beschlüsse zu übernehmen hat, dann können wir damit einverstanden sein. Dann wäre das eine wahrhaft demokratische Regelung im Sinne der sozialistischen Forderungen. Wenn den Gemeinden wieder ihr freies Verfügungsrecht zurückgegeben werden sollte, wie es ehedem war, wenn ihnen damit die Möglichkeit gegeben wird, sich nach jeder Richtung frei und ohne behördliche Bevormundung entwickeln zu können, dann wollen wir einem solchen Gesetz gewiß zustimmen und dabei wesentlich mitwirken. Allerdings vorläufig wollen wir auch hier erst abwarten, ob den Wor ten die Taten folgen werden, ob vielleicht jene Parteien, welche das frühere Gesetz beschlossen haben, inzwischen auf Grund der gemachten Erfahrungen einer Änderung und Novellierung zustimmen werden. Der jetzigen Regierung harren also auf allen Gebieten schwere Aufgaben, die umso schwieriger sind, weil sich auch hier lediglich Parteien zusammengefunden haben, die aus den verschiedensten Lagern stammen, und infolgedessen mit den verschiedensten Wünschen und Ansichten in diese Regierung eingetreten sind. Es ist eine rein gemischte Gesellschaft mit recht beschränkter Haftung. Wir meinen demgegenüber, daß durch den Regierungswechsel auf Grund der Erfahrungen keine Änderung eintreten wird, solange nicht auch zugleich das Regierungssystem geändert wird und weil wir daher, wie ich schon sagte, nach den gemachten Erfahrungen nicht wissen, wie sich diese neue Koalition zu den verschiedensten Problemen verhalten wird, werden Sie es begreiflich finden, daß wir eine durchaus ablehnende Haltung einnehmen und uns selbstverständlich gegen die Regierungserklärung aussprechen werden.
Ich will nun den Anlaß nicht vorübergehen
lassen, um zum Schluß mich einer weiteren Pflicht zu unterziehen
und auf den Verlust unserer Senatsmandate zurückzukommen. Bei
den Parlamentswahlen im Oktober 1929 haben 168.000 Wähler ihre
Stimmen für die Senatslisten der deutschen Nationalpartei und
des sudetendeutschen Landbundes abgegeben, was vier Mandaten entsprechen
würde. Dank der Mangelhaftigkeit des Wahlgesetzes und seiner besonders
gegen die Deutschen gerichteten Wahlgeometrie wurde es möglich,
mit einem Schein von Recht der genannten Wahlgpruppe ihre durch
die Stimmen der Wähler wohl erworbenen Mandate vorzuenthalten.
Während im èechischen Innerböhmen schon 37.000 Stimmen zu einem
Senatsmandat verhelfen, können demgegenüber nach den wohlgelegten
Maschen des Gesetzes in Deutschböhmen selbst 46.000 Stimmen noch
den begründeten Anspruch auf ein deutsches Senatsmandat zu Fall
bringen. Durch eine solche Möglichkeit auf gesetzlicher Grundlage
wird die Volksabstimmung eines Wahlergebnisses geradezu ins Gegenteil
der tatsächlichen Willensäußerung verfälscht. Die Zentralwahlkommission,
bei der ein Protest gegen dieses Vorgehen eingebracht worden war,
hat leider die Gelegenheit nicht wahrgenommen, dieses offensichtliche
Unrecht wieder gutzumachen, sondern durch ihren Beschluß auf Nichtzuerkennung
der Mandate der vielgebrauchten Phrase von Demokratie einen neuen
Inhalt gegeben. Gegen diesen Anschlag auf die klare Willensmeinung
von 168.000 Wählern haben die Deutsche Nationalpartei und der
Sudetendeutsche Landbund einen Einspruch beim Wahlgericht eingebracht,
der auch eine ausführliche Begründung des erhobenen Anspruches
enthält. Anäßlich der Eröffnung des Abgeordnetenhauses erheben
die genannten Parteien vor aller Öffentlichkeit gegen dieses angetane
Unrecht den schärfsten Einspruch. Wäre das Abgeordnetenhaus ein
Hort wahrer Demokratie, so müßte es von sich aus gegen diese Verfälschung
demokratischer Begriffe seine Stimme erheben. Die Zukunft wird
lehren, daß auch solche Versuche, die Volksmeinung zu unterdrücken,
nicht zum Ziele führen werden. (Souhlas a potlesk poslancù
nìm. strany národní.)