Der Herr Eisenbahnminister hat in seinem Exposé
über die Verkehrsschwierigkeiten, welche infolge der unerwartet
strengen und langandauernden Frostperiode eingetreten sind; erklärt,
dass die Bahnverwaltung einem Elementarereignis gegenübergestanden
sei, das keine menschliche Vorsorge verhindern konnte. Bei aller
Würdigung der ungeheuern Schwierigkeiten, die tatsächlich
durch die Witterungsverhältnisse verursacht wurden, müssen
wir doch feststellen, dass darin allein keineswegs eine ausreichende
Erklärung der eingetretenen Verkehrskatastrophe gefunden
werden kann, sondern dass auch Mängel und Fehler des Systems
mitschuldig sind. Das geht schon daraus hervor, dass unser Eisenbahnverkehr
bereits vor Eintritt der Frostkatastrophe an schweren Mängeln
litt, wie die ganz ungewöhnliche Häufung von Eisenbahnunfällen
und die zur fast ausnahmslosen Regel gewordenen Zugsverspätungen
deutlich beweisen. Während der Frostperiode selbst hat sich
gezeigt, dass in keinem Staate Europas der Eisenbahnverkehr so
schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, wie in der Tschechoslowakei.
Die deutschen Bahnen konnten bei ihrem ungemein dichten Bahnnetz
den normalen Verkehr aufrechterhalten, Polen konnte, trotzdem
die Fröste dort noch strenger waren, als bei uns, seine Kohlenzüge
bis an die tschechoslowakische Grenze bringen und erst im Inland
setzten die verhängnisvollen Stockungen ein. Auch die österreichischen
Bahnen haben, der besonderen Schwierigkeiten der Hochgebirgsstrecken
ungeachtet, den Verkehr besser aufrechtzuerhalten vermocht, als
die tschechoslowakischen. Diese Tatsachen beweisen unwiderleglich,
dass die Berufung auf die Naturgewalten unsere Bahnverwaltung
von ihrer Verantwortlichkeit nur zu einem Teile zu entlasten vermag.
Die Hauptursache des Versagens unserer Eisenbahnen
liegt in der verfehlten Personalpolitik, in erster Linie in dem
überstürzten und durchaus nicht nach sachlichen Rücksichten
vollzogenen Personalabbau. Nach dem Staatsvoranschlage für
1929 ist ein Personalstand von 143.015 Bediensteten vorgesehen,
das bedeutet gegenüber 1928 einen Rückgang um 9.333,
gegenüber 1927 um 17.153 Bedienstete. Die Eisenbahnverwaltung
ist also noch weit über das Restriktionsgesetz hinausgegangen
und die selbstverständliche Folge dieser kurzsichtigen Politik
ist das Fehlen der unbedingt notwendigen Personalreserve für
den Fall von Erkrankungen und Beurlaubungen. Als infolge der Witterung
die Grippeerkrankungen in ungewöhnlichem Masse zunahmen,
musste dieser Mangel einer Reserve naturgemäss ausserordentlich
empfindlich fühlbar werden.
Dazu kommt die Verbitterung und Demoralisierung
des Personals durch das System der politischen Protektion in der
Personalpolitik, die Ungerechtigkeiten und Nachteile der Systemisierung,
die Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von Remunerationen und
schliesslich auch die mangelnde Versorgung des Personals mit Kälteschutzmitteln
und mit warmen, fetthaltigen Speisen.
Aber auch andere Versäumnisse sind festzustellen.
Wir verweisen nur darauf, dass die Wirkungen der Schneeverwehnungen
zu einem Grossteil hintangehalten worden wären, wenn rechtzeitig,
wie dies im alten Oesterreich immer geschehen ist, Schutzzäume
und Planken errichte worden wären. Wir verweisen ferner darauf,
dass längere Zeit hindurch, bis der Verkehrszusammenbruch
offenkundig wurde, die Züge ohne Rücksicht auf die Witterung
normal belaste wurden, was die Beschädigung zahlreicher Lokomotiven
zur notwendigen Folge hatte.
Was ferner das Stocken der Kohlenversorgung
im besonderen anbelangt, so ist festzustellen, dass seit einer
Reihe von Jahren verabsäum wurde, die Kohlen beziehenden
Anstalten und Unternehmungen in den Zeiten der schwachen Konjunktur,
das heisst bereits im Sommer, mit Kohlenvorräten zu versorgen.
Auch hier liegt wenigstens soweit es sich um öffentliche
Anstalten und Unternehmungen handelt, ein Versäumnis der
staatlichen Administrative vor. Bei vernünftiger Vorratswirtschaft
hätte sich die Kohlenkrise zweifellos weit weniger schwer
auswirken können.
Die Folgen aller dieser Versäumnisse und
Mängel sind ausserordentlich schwerwiegend Der Herr Eisenbahnminister
selbst hat in seine Rede festgestellt, dass den Eisenbahnen ein
Einnahmenausfall von täglich 9 Millionen Kronen er wächst
und wir müssen daher befürchten, das der Eisenbahnbetrieb
nicht nur nicht den präliminierten Ueberschuss abwerfen,
sondern mit einem nicht unbeträchtlichen Defizit abschliessen
wird. Aber auch die blossen staatsfinanziellen Wirkungen der Katastrophe
reichen darüber noch hinaus. Ein Grossteil der Wehrmacht
des Staate musste aufgeboten werden, um den Eisenbahnverkehr vor
einem gänzlichen Zusammenbruch zu retten. Welcher Aufwand
dadurch verursacht wurde, ist dem Parlamente bisher nicht mitgeteilt
worden, es ist aber sicher, dass ein Teil diese; Aufwandes, rechtzeitig
eingesetzt, der Katastrophe zum grossen Teile vorgebeugt hätte.
Zu den staatsfinanzziellen kommen soziale und
wirtschaftliche Schäden. Dass die schlechte Kohlenversorgung
gerade in der härtesten Winterzeit unheilvoll auf die Volksgesundheit
wirken musste, braucht nicht näher ausgeführt zu wer
den. Nicht minder verhängnisvoll waren die Folgen für
die Arbeiter. Die ganz und gar unzureichende Waggonbeistellung,
die bis auf 30% des Bedarfes sank, hat die Bergarbeiter zu Feierschichten
gezwungen und so ihre soziale Lage arg verschlechtert. Der Kohlenmangel
verschuldete aber darüber hinaus eine Reihe von Betriebseinstellungen,
von denen weitere Arbeiterschichten hart betroffen wurden.
Diese Produktionseinschränkungen bedeuten
natürlich auch einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteil.
Dazu kommt noch die Schädigung unseres Kohlenexportes. Die
Stadt Wien war infolge des Versagens der tschechoslowakischen
Kohlenzufuhr gezwungen, sich mit Ruhrkohle zu versorgen und es
besteht die Gefahr, dass dadurch ein dauernder Exportrückgang
tschechoslowakischer Steinkohle verursacht wird. Noch schlimmer
steht es mit der Braunkohle. Die vertraglichen Lieferungen böhmischer
Braunkohle nach Deutschland konnten wegen Waggonmangels nicht
erfüllt werden, zumal ganz unbegreiflicherweise das Angebot
der sächsischen Bahnverwaltung, Waggons beizustellen, seitens
des Eisenbahnministeriums abgelehnt wurde. Es muss befürchtet
werden, dass diese Tatsache den Braunkohlenexport schwer schädigen
wird.
Die hier dargelegten Tatsachen reichen in ihrer
Bedeutung weit über eine blosse Ressortfrage hinaus.
Wir fragen daher die Gesamtregierung:
1. Ist sie bereit, dem Parlamente einen ausführlichen
und vollständigen Bericht über den gesamten Umfang der
Betriebseinschränkungen und Störungen sowohl im Personen,
als auch im Güterverkehr zu erstatten und genau mitzuteilen,
welcher materielle Schaden dadurch der Eisenbahnverwaltung und
den Staatsfinanzen überhaupt erwächst?
2. Ist sie bereit; dem Hause mitzuteilen, welche
Massnahmen sie getroffen hat und noch zu treffen gedenkt, um die
Folgen der eingetretenen Verkehrskatastrophe zu überwinden?
3. Ob sie bereit ist, das gänzlich verfehlte
Sparsystem gegenüber den Bediensteten aufzugeben und insbesondere
die Schäden des Abbaugesetzes wieder gutzumachen.
4. Ob sie bereit ist, alle politisch - protektionistischen
Einflüsse aus der Eisenbahnverwaltung auszuschalten?
5. Welche Vorkehrungen sie in Angriff genommen
hat oder in Zukunft zu treffen beabsichtigt, um die Leitung des
Eisenbahnbetriebes vom Standpunkte der Verkehrsnotwendigkeiten
und der Wirtschaftlichkeit sicherzustellen?
6. Was sie insbesondere vorzukehren gedenkt,
um ähnliche Verkehrskatastrophen in Hinkunft zu verhindern?
Prag, den
26. Feber 1929.
In der Nummer 10 der periodischen Druckschrift
"Deutsche Post" in Troppau vom 12. Jänner l. J.
erschien ein Aufsatz; "Kroaten und Sudetendeutsche"
von Max Karg. Derselbe Aufsatz war auch in Folge 9 der periodischen
Druckschrift "Der Tag", Aussig vom 12. Jänner l.
J. enthalten. In beiden Blättern wurden Teile dieses Aufsatzes
beschlagnahmt. Der Aufsatz selbst hatte folgenden Wortlaut:
Knapp 10 Jahre nach seiner Gründung steht
das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen vor der Notwendigkeit
einer Verfassungsrevision. Ohne Zweifel läuft die Arbeit
der vom König eingesetzten, von den politischen Parteien
unabhängigen Regierung darauf hinaus, Südslawien in
einen Föderativstaat der drei verbündeten, schlawischen
Stämme umzuwandeln und die innenpolitische Gleichberechtigung
der Kroaten mit den Serben zu vollziehen. Die Hegemonie der Grossserben
befindet sich in Südslawien gegenwärtig im Rückzug
vor dem Autonomiegedanken der Kroaten. Diese Entwicklung und dieser
Umbau des Staates ist kein Ergebnis der plötzlich ermachten,
serbischen Grossmütigkeit, sondern wurde erzwungen durch
den zielbewussten und energischen Kampf der Kroaten um die nationale
Autonomie ihres Landes. Kroaten hat das Blut der besten Kroaten
geopfert, um sich von einer Kolonie des Grosserbetums zu einem
gleichberechtigten Bestandteil des Staates entwickeln zu können.
Gross und gewaltig schwebt der Schatten des Stefan Raditsch über
seiner kämpfenden Heimat: Kroaten den Kroaten!
Unwillkürlich zwingen sich uns angesichts
der Ereignisse in Südslawien gewisse Vergleiche mit den Verhältnissen
in der Tschechoslowakei auf. Das Problem ist da und dort dasselbe:
Völkerstaaten, in denen sich mittels aufgezwungener Verfassung
ein Volk die Vorherrschaft über andere Völker anmasst.
In Südslawien waren die Serben, hier sind die Tschechen dieses
Herrenvolk, das den Staat als seinen Nationalstaat, - - - betrachtet
und verwendet. Wenn auch in den Einzelheiten verschieden, so ist
in der grossen Linie der politische Kampf der Kroaten derselbe,
wie jener der Slowaken und Sudetendeutschen. Es ist ein Verfassungskampf
zum Sturz der Nationalstaatsverfassung und zur Einführung
der Föderativverfassung, wie sie der tatsächlichen,
nationalen Zusammensetzung der Staaten entspricht.
Der Vergleich mit den Kroaten lehrt aber noch
ein Zweites: Wie verkehrt die politischen Methoden der Slowaken
und Sudetendeutschen bisher waren und noch immer sind, um zu ihrem
Ziel zu gelangen. Nicht nur dass Slowaken und Sudetendeutsche
fast gar keine Fühlung miteinander in ihrem Streben nach
Autonomie haben, trotzdem sich ihr gemeinsamer Kampf gegen die
Vorherrschaft des in diesem Fall gemeinsamen Gegners richtet,
haben sich die Sudetendeutschen auch noch gespalten; indem ein
Teil durch Anerkennung der tschechischen Vorherrschaft und Beteiligung
an der Regierung ohne Zugeständnisse glaubte, das Los der
Unterdrückten lindern zu können. Der König der
Serben in Südslawien seht sich heute gezwungen, dem Verlangen
der Kroaten nach Selbstverwaltung im Rahmen des Staates zu entsprechen.
In der Tschechoslowakei aber gibt man am gleichen Tag eine Sprachenverordnung
für die Landesund Bezirksvertretungen heraus, die die unbedingte
Vorherrschaft der "Staatssprache" neuerlich festlegt
- - -. In Südslawien befindet sich der autonome Gedanke im
Vormarsch, in der Tschechoslowakei für uns Sudetendeutsche
im Rückzug. Beide Entwicklungen sind naturgemäss nur
ein Ergebnis der Politik, die dort und hier gemacht wurde.
Die politische Unbegabtheit der kulturell und
technisch so hochbegabten Deutschen tritt bei dem Vergleich mit
den "balkanischen" Kroaten wieder einmal recht drastisch
in Erscheinung. Auch in der Tschechoslowakei kann das nationale
Problem nur auf dem Wege über die eine Verfassungsrevision
grundsätzlich - gelöst werden. Darüber gibt es
gar keine Zweifel. Die sudetendeutschen Parteien in der Regierung
tun aber alles, um nur die jetzige Verfassung zu stützen.
Im Jahre 1926 haben sie den verfahrenen Karren der alltschechischen
Koalition wie richtige, brave Untertanen... aus der Verlegenheit
gezogen. Nicht einmal einen Vorschuss auf Futter haben sie sich
ausbedungen. Das "Hü - Hott" des Herrn Schwehla
genüge schon, um sie in der Richtung in Bewegung zu setzen,
in der der Kutscher
blieben, so stände die Tschechoslowakei
vielleicht heute auch schon vor der Notwendigkeit einer Verfassungsrevision
auf friedlichem Wege! Denn die Dinge lagen bei uns im Jahre 2926
ganz ähnlich, wie sie vor einem Jahr im Südslawien lagen,
die Vorbedingungen zum Kampf waren fogar vielfach günstiger.
Man darf ja nicht vergessen, dass den 6,300.000 Serben nur 2,700.000
Kroaten gegenüberstehen, dass die Serben im Staat doch wenigstens
die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachen; während
die Tschechen in "ihrem" Staat gegenüber den nichttschechischen
Völkern sogar in der Minderheit sind! Aber nicht die tote
Zahl entscheidet in der Politik; sondern Wille und Tatkraft. "Politik
ist ein grosses Spiel", sagte Napoleon, "wer nicht wagt,
gewinnt nicht."
Das kroatische Beispiel könnte und sollte
für die Slowaken, aber auch für uns Sudetendeutsche
eine Lehre sein. Das serbische Beispiel wäre aber auch geeignet,
für die Tschechen eine Mahnung zur Vernunft zu sein. Denn
früher oder später werden sie den Weg zur Revision der
Verfassung einmal schreiten müssen, wie jetzt der serbische
König einen Verfassungsbruch begehen musste, um mit der Wirtschaft
der grossserbischen Parteienklique aufzuräumen. Das Streben
der sudetendeutschen Politik muss es sein; den Weg zur Revision
der Verfassung nicht selbst zu verrammeln, wie es bis jetzt die
deutschen Parteien in der Prager Regierung getan haben.
Das derzeitige Regierungsexperiment ist politisch
aussichtslos. Die beiden letzten Jahre der Erfahrung und Enttäuschung
sind Beweis genug. Es wäre an der Zeit, endlich einmal Schluss
damit zu machen. Wer nicht will, braucht keine aufgeregte Opposition
zu beginnen. Aber zielsichere Reserve gegen das derzeitige System
muss sein. Durch Liebedienerei geht es immer mehr rückwärts
und abwärts mit dem deutschen Volkstum in der Tschechoslowakei.
Hat aber der gesamte sudetendeutsche Volksstamm den starren Willen
zum Widerstand gegen das tschechische Nationalstaatssystem und
anderseits den vorwärts drängenden Willen zum Ziel der
sudetendeutschen Autonomie, dann ist es nur eine Frage der Zeit,
dass das Sudetenland und die Slowakei schliesslich und endlich
den föderativen Aufbau dieses Staates erzwingen. Vielleicht
fehlt uns dazu - leider! - verläufig noch unser Raditsch.
Aber jedes Werk hat noch seinen Mann gefunden, wenn es gut, echt
und ehrlich war. Und auch das Werk der sudetendeutschen Autonomie
wird seinen Schöpfer finden, der mit seinem Volke wagt und
- gewinnt. Denn das Sudetendeutschtum ist kein verdorrender Ast
des Gesamtdeutschtums, wie einmal ein frivoler, tschechischer
Politiker sagte. Es ist voller Lebens- und Schaffensdrang auf
allen Gebieten, - nur fehlt ihm die grosszügige Gestaltung
seines politischen Willens. Es kann sie jetzt von den Kroaten
lernen, die "dort unten in Agram" mit politischer Intelligenz
und nationaler Leidenschaft um die Zukunft ihres Volkstums ringen
und sich diese Zukunft erobern werden."
Von diesem Aufsatz wurden in der "Deutschen
Post" folgende Stellen beschlagnahmt: Im Absatz 2 die Worte:
"Hier sind die Tschechen dieses Herrenvolk, das den Staat
als seinen Nationalstaat, - - -." Ferner im Aufsatze 3 folgende
Stellen: "Der Vergleich mit den Kroaten lehrt aber noch ein
Zweites. Wie verkehrt die politischen Methoden der Slowaken und
Sudetendeutschen bisher waren und noch immer sind, um zu ihrem
Ziel zu gelangen. Nicht nur dass Slowaken und Sudetendeutsche
fast gar keine Fühlung miteinander in ihrem Streben nach
Autonomie haben, trotzdem sich ihr gemeinsamer Kampf gegen die
Vorherrschaft des in diesem Fall gemeinsamen Gegners richtet,
haben sieh die Sudetendeutschen auch noch gespalten, indem ein
Teil durch Anerkennung der tschechischen Vorherrschaft und Beteiligung
an der Regierung ohne Zugeständnisse glaubte, das Los der
Unterdrückten lindern zu können. Der König der
Serben in Südslawien sieht sich heute gezwungen, dem Verlangen
der Kroaten nach Selbstverwaltung im Rahmen des Staates zu entsprechen.
In der Tschechoslowakei aber gibt man am gleichen Tag eine Sprachenverordnung
für die Landesund Bezirksvertretungen heraus, die die unbedingte
Vorherrschaft der Staatssprache" neuerlich festlegt - - -."
In der periodischen Druckschrift "Der
Tag" wurden folgende Stellen beschlagnahmt: Im Absatz 2 die
Worte: "Das Problem ist da und dort dasselbe: Völkerstaaten,
in denen sich mittels aufgezwungener Verfassung ein Volk die Vorherrschaft
über andere Völker anmasst." Ferner die Stelle:
"- - -." Schliesslich im letzten Absatz folgende Worte:
"Dann ist es nur eine Frage der Zeit, dass das Sudetenland
und die Slowakei schliesslich und endlich den föderativen
Aufbau dieses Staates erzwingen."
Wie aus den beschlagnahmten Stellen ersichtlich,
ist in Troppau etwas anderes "staatsgefährlich"
als in Aussig. Man ersieht aus dieser Gegenüberstellung die
Bocksprünge der Zensur. Die Herren Zensoren beschlagnahmen,
ohne sich weiter den Kopf zu zerbrechen, einfach beliebige Steilen,
anscheinend nur zu dem Zwecke, um missliebigen Blättern das
Leben möglichst schwer zu machen. Der zum Teil beschlagnahmte
Aufsatz enthält nichts, was bei einiger vernünftigen
Ueberlegung als gegen den Bestand des Staates gerichtet angesehen
werden könnte. Es ist in ihm lediglich die Forderung nach
der "nationalen Autonomie "und deren Erläuterung
als "föderativer Aufbau des Staates" enthalten.
D. h. der Aufsatz fusst auf denselben Grundlagen, welche in der
am 18. Dezember 1925 im Abgeordnetenhause durch den damaligen
deutschen Vizepräsidenten Abgeordneten Prof. Dr. Spina abgegebenen
Erklärung enthalten sind. Diese Erklärung wurde im Namen
von vier Parteien, darunter den heutigen drei deutschen Regierungsparteien,
von einem Abgeordneten abgegeben, welcher gegenwärtig Minister
ist und dessen Einstellung daher nicht gut als "staatsgefährlich"
gelten kann. Ihr Inhalt wurde durch die am 16. Oktober 1926 vom
damaligen Ministerpräsidenten Dr. Švehla abgegebene
Regierungserklärung übrigens theoretisch bekräftigt.
In der Praxis allerdings ist von einer Durchführung der Grundsätze
dieser Regierungserklärung nichts zu merken. Der beschlagnahmte
Aufsatz verfolgt lediglich den Zweck, diese Grundsätze neuerlich
in Erinnerung zu bringen. Was an einem derartigen Bestreben "staatsgefährlich"
sein soll, wissen höchstens die Herren Zensoren.
Da diese Art von mittelalterlicher Verfolgung
der Denkfreiheit nachgerade unerträglich und mitteleuropäischen
Staates geradezu unwürdig ist, stellen die Gefertigten an
den Herrn Minister folgende Anfrage:
Billigt er diese Beschlagnahme oder ist er
bereit dem Zensor die Weisung zu erteilen, bei Beschlagnahmen
künftighin Vernunft walten zu lassen?
Prag den 25.
Feber 1929.