Vor einigen Tagen erhielten mehr als hundert deutsche Finanzbeamte
in Schlesien, die seinerzeit gegen die schlechte Qualifikation
für 1926 beim Finanzministerium rekurriert hatten, einen
abweisenden Bescheid, womit der Verlust eines Jahres für
die Vorrückung verbunden ist. Disqualifiziert wurden seinerzeit
auch Beamte, die im Jahre 1927 von der Wiederholungsprüfung
wegen Überschreitung des 50. Lebensjahres befreit waren,
da sie im Sinne des Gesetzes und nach Ansicht der schlesischen
Finanzdirektion die Staatssprache teilweise beherrschten. Bei
jenen Beamten, die 1926 bei der Sprachenprüfung den Vermerk
"teilweise entsprochen" erhielten, erscheint fälschlich
in die Qualifikationstabelle eingetragen "nicht entsprochen".
Stellt sich schon diese Aktenwidrigkeit als ein schwerer Mangel
des Verfahrens dar, so widerspricht auch die Rekursabweisung selbst
den Bestimmungen der Sprachenverordnung. In dieser ist bestimmt,
daß das Nichtbestehen der Sprachenprüfung einen Grund
für die Erteilung einer "minderentsprechenden"
oder "nichtentsprechenden" Qualifikation bildet. Es
ist keineswegs gesagt, daß es zu einer solchen Qualifikation
führen muß, wenn die anderen Punkte der Qualifikation,
die ja doch auch gewertet werden müssen, günstig oder
sehr günstig lauten. Daß aber ein Beamter, der bei
der Sprachenprüfung den Vermerk "teilweise bestanden"
erhielt, unter die Bestimmung der Sprachenverordnung die von Nichtbestehen
der Sprachenprüfung spricht, eingereiht wird, ist eine krasse
Verletzung des Gesetzes und widerspricht dem primitiven Rechtsgefühl.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Minister:
Ist Ihnen dieser Vorgang bekannt? Sind sie bereit, jeden Einzelnen
sofort auf das Genaueste untersuchen zu lassen und zu veranlassen,
daß diese Maßregelung, welche im krassen Gegensatze
zu dem immer wieder betonten Grundsatze der gleichen Behandlung
der Deutschen in der Èsl. Republik steht, zurückgenommen
und die nichtgenügende Kenntnis der èechischen Sprache
nicht als ein Disqualifikationsgrund angesehen wird?
Prag am 2. August 1928.
In der Gemeinde Boroòava bei Hust in Karpathorußland
kam es am 8. ds. M. zu einer sogenannten Razzia der Huster Polizei,
wobei etwas 40 Personen mißhandelt wurden. Für den
Ernst der Verwundungen und die Art der Mißhandlungen zeugen
photographische Aufnahmen der verprügelten Personen und ärztliche
Zeugnisse.
Nach Zeitungsberichten der halboffiziellen Presse des Landesamtes
für Karpathorußland wurde die polizeiliche Strafexpedition
in der Gemeinde Boroòava deshalb vorgenommen, weil weder
das Polizeikommissariat in Hust, noch zahlreiche in die Gemeinde
entsendete Polizeipatrouillen angeblich imstande waren, die von
einem gewissen Teil der Bevölkerung begangenen Gewalttätigkeiten
zu verhindern. Vernichtung der Ernte, Diebstähle, Raubüberfälle
und Verwüstungen von Häusern und Gärten waren nach
diesen halbamtlichen Mitteilungen in Boroòava auf der Tagesordnung.
Nach den Berichten anderer Blätter wurden die Mitteilungen
über unaufhörliche Raubüberfälle und Gewalttätigkeiten
in Boroòava nachträglich künstlich konstruiert,
da ja derartige Verbrechen in einem geordneten Rechtsstaate nicht
möglich sind. Nach diesen inoffiziellen Berichten handelte
es sich bei der Veranstaltung dieser bäuerlichen Strafexpeditionen
um ein Wahlmanöver der republikanischen Partei, die auf die
angegebene Art die Bevölkerung Karpathorußland einschüchtern
wollte.
Da die Berichte aus Boroòava sich widersprechen und da
die Verwendung von in Zivil gekleideten Polizisten, die unter
so außerordentlichen Umständen eine Strafexpedition
durchführten, den geltenden Vorschriften und Verordnungen
widerspricht, verlangen die Gefertigten:
1. Daß untersucht werde, wie es möglich ist, daß
es in der Nähe der Großstadt im Osten der Republik
zu systematischen Raubüberfällen und Ungesetzlichkeiten
kommt, wie sie nun nach den blutigen Ereignissen in Boroòava
das halboffizielle Organ des Landesamtes in Užhorod "Podkarpatské
Hlasy" wörtlich folgendermaßen beschreibt:
"Es ereigneten sich Fälle, daß von unbekannten
Tätern die ganze Ernte auf Feldern und in Gärten vernichtet,
Wagen und Wirtschaftsgeräte zerschlagen, Dächer über
den Gruben und Gartenzäune vernichtet, Fenster eingeschlagen,
Obstbäume und Wälder verwüstet wurden, daß
ruhige Bürger auf öffentlichen Straßen überfallen
wurden, Diebstähle und Raubüberfälle die Mehrzahl
der Ortsbewohner in Schrecken hielten, die Schuljugend gegen den
Staat verhetzt wurde und es in der Kirche zur Verspottung der
kirchlichen Zeremonien kam und der römisch-katholische Ortspfarrer
auf offener Straße geschlagen wurde" ... "Zum
Polizeikommissariat kamen zahlreiche Deputationen der Bürger
von Boroòava und die Dinge gingen so weit, daß viele
geachtete Bürger sich mit dem Gedanken beschäftigten,
aus der Gemeinde auszuwandern, weil sie behaupteten, daß
sie dort ihrer Lebens nicht sicher seien. Das Polizeikommissariat
bemühte sich auf jede mögliche Weise, diesen Gewalttätigkeiten
Einhalt zu tun, leider aber mit ganz unzureichendem Erfolg, weil,
auch wenn es gelang, Jemanden zu betreten, der geschädigte
Bürger weder beim Amte noch beim Gerichte erschien, um Zeugenschaft
abzulegen, weil er Rache fürchtete. Auch die zahlreichen
in die Gemeinde entsendeten Patrouillen konnten die Gewalttätigkeiten
nicht verhindern, weil es gewöhnlich sobald die Patrouillen
die Gemeinde verlassen hatten, sofort zu irgend einer Gewalttat
kam und der Täter gewöhnlich nicht betreten wurde, das
der Geschädigte aus Furcht vor der Rache lieber von der Zeugenschaft
Abstand nahm."
2. Falls diese Angaben der Wahrheit entsprechen, wie ist es möglich,
daß die verantwortlichen Behörden in Karpathorußland
nicht um Verstärkung der Sicherheitsorgane ersuchten, um
Ordnung zu schaffen und den gesetzlichen Zustand in der Gemeinde
wieder herzustellen.
3. Warum wurde die Polizei aus Hust unter so ganz außerordentlichen
Verhältnissen verwendet, wer gab die Aufforderung zur Entsendung
der bäuerlichen Strafexpedition heraus, aus wessen Initiative
kam es überhaupt zur Herausgabe des Befehls und welcher direkte
Befehl wurde den Mitgliedern der bäuerlichen Strafexpedition,
welche die Razzia durchführten, vor dem Abgang nach Boroòava
erteilt.
4. Sind die ärztlichen Zeugnisse über die Mißhandlung
von Bürgern in Boroòava am 8. ds. M. und die Photographien
der blutig geprügelten Leute, wie sie in der Presse veröffentlicht
und auch im Parlament vorgelegt wurden, authentisch?
5. Warum wurden die Schuldigen in Boroòava, wenn sie wirklich
existieren, nicht nach den gesetzlichen Vorschriften verhaftet
und den zuständigen Behörden vorgeführt?
6. Welche Maßnahmen gedenkt die Regierung zu treffen, um
in Zukunft die Veranstaltung solcher sogenannter bäuerlicher
Strafexpeditionen hintanzuhalten?
Prag, den 19. September 1928.
Auch mit Beginn des Schuljahres 1928/29 wurden, wie in früheren
Jahren in vielen deutschen Gemeinden höchst überflüssige
èechische Minderheitsschulen errichtet. Um nur einige krasse
Beispiele herauszugreifen:
Werdenberg, Bezirk, Odrau, Schlesien, 5 Kinder èechischer
Herkunft von Arbeiten, welche nach Zuteilung des Meierhofes an
einen èechischen Bewerber im Wege der Bodenreform herangezogen
wurde. Die nächste èechische Schule in Odrau, die
auch mehrklassig ist, liegt nur 2 km entfernt.
Brosdorf, Bezirk, Wagstadt, Schlesien, 7 Kinder èechischer
Herkunft, die nächste èechische Schule Stauding ist
nur etwas über 3 km entfernt.
Bennisch, Schlesien, Dieser Fall ist besonders wegen der Begleitumstände
interessant. Im Juli ds. J. erschien eines Tages ein auswärtiger
èechischer Lehrer in Bennisch und begann eine lebhafte
Werbetätigkeit zu Gunsten einer neu zu errichtenden èechischen
Schule. Nach einer Liste, die offenbar von einem sachkundingen
Ortsinsassen zusammengestellt war, ging er unter Assistenz eines
Gendarmen zu meist armen Leuten, zu Staatsbeamten und Pensionisten
und forderte sie auf, ihre Kinder zum Besuche der èechischen
Schule anzumelden. Schon die Tatsache, daß ein Gendarme
als Begleitperson miterschien, war geeignet, die betreffenden
Leute in Furcht zu versetzen und einen indirekten. Zwang auf sie
auszuüben, abgesehen davon, daß dieses Vorgehen eine
unerhörte Überschreitung ihrer Berechtigungen von Seiten
der Gendarmerie bedeutet. Man verfuhr dabei mit den armen Leuten
in ganz unmenschlicher Art und betrieb diese Werbearbeit in den
tiefen Nachtstunden zwischen 22 und 3 Uhr. Aus den Betten wurden
die Leute herausgeholt und ihnen unter Versprechungen und versteckten
Drohungen die Unterschrift entlockt.
Auf diese Weise erhielt man zahlreiche Unterschriften von deutschen
Eltern. Bei Schulbeginn stellte sich dann naturgemäß
heraus, daß einzelne deutsche Eltern sich durch diese Überrumpelung
nicht gebunden fühlten und ihre Kinder in die deutsche Schule
schickten. Daraufhin wurden von Seiten der Gendarmerie wiederum
Erhebungen gepflogen u. zw. angeblich auf "behördlichen
Antrag" über die Gründe, welche die Eltern veranlaßten,
ihre Kinder trotz Subskribierung nunmehr in die deutsche Schule
zu schicken. Von welcher Behörde dieser Auftrag ausging,
ist selbsverständlich nicht in Erfahrung zu bringen. Besonders
ein deutscher Gendarm nahm sich dieses Auftrages so gewissenhaft
an, daß es ihm gelang, strafbare Tatbestände aus nichtssagenden
Aussagen herauszukristallisieren.
Besonders auffalend war es auch, daß sich die Gendarmerie
bei all diesen Amtshandlungen nicht der vorgeschriebenen Assistenz
seitens der Gemeindeorgane bediente.
Was aber die Erregung der Bevölkerung auf das Höchste
steigerte, war das rücksichtslose Vorgehen das Ministeriums
für Schulwesen und Volkskultur, das in dem alten Webschulgebände,
welches Eigentum der Webereigenossenschaft von Bennisch ist, zwei
Räume samt Nebenräumlichkeiten beschlagnahmte, trotzdem
das ganze Gebäude an mehrere Verbände und Vereine vermietet
ist und während des ganzen Jahres in Banützung steht.
Die Abhaltung der Lehrgänge der Hans Kudlich Volkshochschule
ist dadurch direkt in Frage gestellt. Doch was liegt den èechischen
Machthabern an der Bildungsmöglichkeit deutscher Bauer- und
Arbeiterkindern!
Das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur arbeitete
bei der Begründung seines Erlasses über die Zwangsmiete
in dem genannten Gebäude geradezu mit Unrichtigkeiten und
verlangte von den Betreffenden den "guten Willen", was
wohl unter den gegebenen Umständen eine mehr als starke Zumutung
war.
Die èechische Schule in Bennisch wurde mit 3 èechischen
und 10 deutschen Kindern eröffnet. Von diesen 10 deutschen
Kindern beherrscht kein einziges die èechische Sprache.
7 dieser Kinder gehören deutschen Staatsbeamten, die sich
aus Furcht vor Versetzung ins èechische Gebiet dazu zwingen
ließen.
Den schwersten Schlag erleidet die heimische Industrie. Schon
seit Auflassung der staatlichen Fachschule für Weberei, welche
nach dem Umsturz aus Ersparungsrücksichten einfach gesperrt
wurde, machte sich in der Bennischer Leinenindustrie, von der
etwa 50 % der Bevölkerung leben, ein starker Mangel an jungen
Meistern bemerkbar. Nur wenige Eltern konnten ihre Söhne
nach auswärts in Webschulen geben und so sieht die Bennischer
Leinenindustrie einer Zeit entgegen, in der die zum Betrieb der
Fabriken erforderlichen, fachmäßig geschulten heimischen
Kräfte einfach nicht mehr vorhanden sein werden. Immer noch
bemühte sich die Webergenossenschaft, die Wiedereröffnung
der Fachschule von den Behörden zu erreichen, jetzt, nach
der Eröffnung der èechischen Schule, ist jegliche
Aussicht darauf verschwunden. Und dabei kostete die Fachschule
für Weberei dem Staat bei weitem nicht soviel, wie heute
die èechische Schule samt dem nichtbesuchten Kindergarten
kostet.
Auf Grund dieses Tatbestandes fragen die Gefertigten:
1. Den Minister des Innern, ob die Einschreibungen in èechische
Minderheitsschulen seit neuester Zeit zu dem Aufgabenkreis der
Gendarmerie gehört und ob er gewillt ist, die Gendarmerie
ihrer eigentlichen Bestimmung wieder zuzuführen?
2. Den Minister für Schulwesen und Volkskultur, ob er bereit
ist, die angeführten und auch die übrigen èechischen
Minderheitsschulen auf ihre Notwendigkeit untersuchen zu lassen
und überflüssig erkannte wieder zur Auflösung zu
bringen?
Prag, am 20. September 1928.
Die "Deutsche Volkszeitung für das Kuhländchen"
in Neutitschein verfiel mit der Folge 102 vom 7. September 1928
der Beschlagnahme und zwar aus dem Artikel "Die neue èechische
Zeitung" folgende Stelle: "Und nun fragen wir einmal:
Würden in einem deutschen Blatt, das zum schärfsten
Kampf gegen die Èechen aufruft, um die Mehrheit in der
Stadt zu erkämpfen, auch èechische Inserate in Menge
erscheinen, wie dies umgekehrt in dieser neuen èechischen
Zeitung der Fall ist? Nicht ein Èeche würde sich finden,
der die wirtschaftlichen Waffen zum Kampfe gegen sein Volk liefern
würde! Glauben deutsche Geschäftsleute, daß sie
mehr èechische Kundschaften auf diesem Wege erzielen werden?
Nur die Tüchtigkeit und die Qualität und der Preis der
Ware ist heute für den Einkauf bei den meisten Menschen maßgebend.
Hier müssen unsere Geschäftsleute trachten, Erstklassiges
bei mäßigen Preisen zu leisten, dann kommt die èechische
Kundschaft von selbst und ohne Inserat in einer èechischen
Zeitung, die zum Kampfe gegen das Deutschtum der Stadt aufruft."
Es ist nicht einzusehen, worin der Tatbestand für die Beschlagnahme
gegeben sein soll, zumal èechische Zeitungen tagtäglich
viel schärfere Artikel und direkte Boykottaufrufe gegen deutsche
Geschäftsleute bringen. Als Beispiel erwähne ich einen
Aufsatz des Brünner "Obchodní Obzor" folgenden
Wortlautes: "Jeder zu den Seinen? Soll unser Volk wirtschaftlich
stark werden, soll ihm in eigener materieller Kraft eine Stütze
bei Erreichung nationaler und politischer Ziele geboten werden,
dann müssen wir wirtschaftlich solidarisch sein und soweit
als möglich unseren sämtlichen Bedarf ausschließlich
bei èechischen Firmen decken, von èechischen Industriellen,
Gewerbetreibenden und Kaufleuten kaufen und so unseren eigenen
Leuten Verdienst zukommen lassen. Kaufen wir daher nur beim èechischen
Kaufmanne und bestellen wir nur beim èechischen Gewerbetreibenden,
Fabrikanten usw. und unterstützen wir nicht jene, die dem
èechischen Menschen nicht einmal Arbeit geben wollen. Wir
werden gar bald sehen, wie wir, ganz anders als bisher, unseren
Gegnern, die uns weder Gedeihen noch Macht gönnen, werden
trotzen können. Trachten wir, die wirtschaftliche Basis unseres
Volkes durch Unterstützung unserer Arbeit zu stärken
und unser Kampf wird dann viel leichter sein, weil wir dadurch
wirtschaftlich stärken werden. Befreien wir uns von der Vorherrschaft
fremden Kapitals, das uns zu Boden drückt.
Es scheint also mit zweierlei Maß seitens der Zensur gemessen
zu werden. Auf Grund dieses Tatbestandes fragen die Gefertigten
den Herrn Justizminister ob er bereit ist, dafür Sorge zu
tragen, daß auch den deutschen Zeitungen das gleiche Recht
auf freie Meinungsäußerung zugebilligt wird wie den
èechischen Zeitungen und ob er gewillt ist, in dieser Richtung
die Zensurbehörden zu belehren und auf die Gleichheit aller
Staatsbürger vor dem Gesetze aufmerksam zu machen?
Prag, am 15. September 1928.
Die Gendarmerie hat die Aufgabe in erster Linie für die Sicherung
zu sorgen und alle Personen unschädlich zu machen, welche
diese bedrohen. In einem demokratischen Staat muß diese
ihre Tätigkeit möglichst unbemerkt und ohne Balästigung
der Öffentlichkeit erfolgen, um den Staat nicht als Polizeistaat
in den Augen der Bevölkerung zu mißkreditieren. In
der Èechoslovakischen Republik scheint man allerdings anderer
Ansicht zu sein und mischt sich hier die Gendarmerie in Dinge,
die sie rein nichts angehen und die von ihrem Tätigkeitsgebiete
weit abliegen. Besonders das Hultschiner Ländchen wird in
seiner rechtlosen Stellung tagtäglich der Schauplatz zahlreicher
Übergriffe der Gendarmerie. In letzter Zeit ist z. B. die
Gendarmerie sehr bemüht, die Mitgliedskarten der Deutschen
Kulturverbandsortsgruppen durch List oder durch Versprechungen
an sich zu bringen, obwohl der Deutsche Kulturverband ein öffentlicher,
behördlich genehmigter Verein ist, der auf Grund seiner Satzungen
das recht hat, seine Ortsgruppen gründen zu können und
dessen Tätigkeit das Licht der Öffentlichkeit keineswegs
zu scheuen hat. So beschäftigt sich die Gendarmerie in Beneschau,
die überflüssigerweise aus 6 Mann bestehlt, die scheinbar
gar nichts zu tun haben, ebenso auch die Gendarmerie in Köberwitz
in letzter Zeit eifrig mit dem Suchen dieser harmlosen Listen.
An der Hand des Mitgliederverzeichnisses werden sodann vollständig
ungesetzliche Erhebungen über die Nationalität der einzelnen
Mitglieder durchgeführt und auf diese einzuwirken versucht,
aus dem Verein auszutreten, wobei mit Drohungen und sonstigen
Belästigungen nicht gespart wird, um einen Erfolg zu erzielen.
Die Gefertigten fragen daher auf Grund dieses Talbestandes den
Herrn Minister des Innern:
Sind Ihnen diese Zustände im Hultschiner Ländchen bekannt
und wenn ja, warum dulden Sie, daß die Gendarmerie sich
dieser Übergriffe schuldig macht? Mit welcher Berechtigung
und auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen werden solche
Erhebungen durchgeführt? Sind Sie bereit, dafür zu sorgen,
daß dem Deutschen Kulturverband auch im Hultschiner Ländchen
künftighin in seiner Tätigkeit keine Schwierigkeiten
in den Weg gelegt werden und womit begründen Sie es, daß
derzeit staatliche Behörden in einseitiger Weise gegen diesen
behördlich bewilligten Verein Stellung nehmen und die Abhaltung
von Kulturverbandsfesten ohne Anführung von Gründen
einfach verbieten? Sind Sie bereit, bekannt geben zu wollen, wieviele
Gendarmerieposten derzeit im Hultschiner Ländchen bestehen
und mit welcher Mannschaft die einzelnen Posten besetzt sind,
wobei zum Vergleich auch die Zahlen der Gendarmerien anzuführen
wären, die das gleiche Gebiet hatte, als es zum Deutschen
Reiche gehörte?
Prag, am 20. September 1928.
In der letzten Zeit mehren sich auffallend die Fälle, in
denen die politische Bezirksverwaltung in Hultschin sich ungerechtfertigte
Bedrängungen der deutschen Turnvereine zu schulden kommen
läßt. Der Deutsche Turnvereinen in Krawarn veranstaltete
heuer, wie alle deutschen Turnvereine auf der ganzen Welt, eine
Jahn - Gedenkfeier. Diese Veranstaltung war nur für die Mitglieder
des Turnvereines und ihre Familienangehörigen zugänglich
und wurde in einem Saale abgehalten. Unbegreiflicherweise hat
die politische Bezirksverwaltung in Hultschin dem Verbandsdienstwart
Czihal im letzten Augenblicke verboten, die Gedenkrede auf Friedrich
Ludwig Jahn zu halten.
In der letzten Zeit werden auch von der politischen Bezirksverwaltung
in Hultschin den deutschen Turnvereinen die Abhaltungen von Schauturnen
und Turnfesten verboten. Zum Beweise dafür sei hier nur ein
amtlicher Erlaß wörtlich angeführt.
Politische Bezirksverwaltung in Hultschin.
Zahl: b - 1/445 | am 12. IX. 1928. |
Verein "Turnvereinen"
Schlausewitz, Fest - Verbot.
Schlausewitz. |
Ihr Gesuch vom 4. IX. 1928 um Erteilung der Bewilligung zur Veranstaltung
eines Festes am 16. IX. 1928 in Schlausewitz kann die politische
Bezirksverwaltung in Hultschin nicht bewilligten, weil die beabsichtigte
Veranstaltung im geplanten Ausmaße leicht einen demonstrativen
Charakter annehmen könnte und die Befürchtung besteht,
daß durch die Veranstaltung des Festes die öffentliche
Ruhe und Ordnung gestört würde.
Die politische Bezirksverwaltung in Hultschin verbietet darum
die geplante Veranstaltung. Gegen diese Entscheidung steht Ihnen
die Berufung an die politische Landesverwaltung in Troppau zu,
welche bei der politischen Bezirksverwaltung in Hultschin im Laufe
von 14 Tagen einzureichen ist, und zwar beginnend mit dem Tage,
welcher auf den Tag der Einhändigung folgt. Eine etwaige
Berufung hat keine aufschiebende Wirkung.
Dieses Vorgehen der politischen Bezirksverwaltung in Hultschin
gegen die dortigen deutschen Turnvereine kann nur als ungerechtfertigte
Bedrängung und Einschränkung der persönlichen Freiheit
des Einzelnen bezeichnet werden. Dieses Vorgehen bedeutet aber
auch eine grobe Beleidigung der deutschen Turnvereinsmitglieder.
Den die Behörde läßt deutsche Turner wissen, daß
sie sie für Radaubrüder hält und von ihnen Störung
der öffentlichen Ruhe und Ordnung befürchtet. Kein Bürger
des Staates ist verplichtet, sich Beleidigungen einer staatlichen
Behörde gefallen zu lassen, die in der Unkenntnis und Unfähigkeit
der Beamten ihren Grund haben. Es muß auf alle Bürger
dieses Staates empörend wirken, wenn sie sehen, daß
aus ihren Steuergeldern Beamte erhalten werden, die ihren Chauvinismus
in unerhörter Weise gegen Deutsche die Zügel schießen
lassen.
Die Unterzeichneten fragen daher den Herrn Minister des Innern,
ob er geneigt und gewillt ist, nach Untersuchung der Verhältnisse
bei der politischen Bezirksverwaltung in Hultschin dieser Behörde
den Auftrag zu geben, in Hinkunft jede Schikanierung und Drangsalierung
der deutschen Vereine und ihre Mitglieder zu unterlassen?
Prag, am 20. September 1928.
Die Stadt Weipert ist mit ihren 12.000 Einwohnern eine der bedeutendsten
Grenzstädte des Erzgebirges. In Ermangelung eines ergiebigen
agrarischen Hinterlandes ist die Bevölkerung in ihrem Konsum
auf den weiten Bahntransport aus dem innerböhmischen Flachland
angewiesen. Dieser Umstand bewirkt eine wesentliche Verteuerung
der Lebenshaltung gegenüber anderen, wenn auch an Einwohnerzahl
größerer Städten des flachen Landes, die bereits
in der Ortszulangenklasse B eingereihl sind. Ganz besonders erschwerend
kommt der Umstand hinzu, daß die Grenzbevölkerun des
benachbarten Sachsens (siehe Bärenstein und Umgebung) infolge
der Kaufkräftigkeit der Reichsmark ständig auf dem Weiperter
Markt die Preise im Sinne einer Steigerung ungünstig beeinflußt.
Ein Zeichen der Einsicht bedeutet es daher, daß die Grenzfinanzwache
eine Grenzzulage von mindestens Kè 1.500.- jährlich
und darüber bezieht. Durch diese Zulage wird ein gewisser
Ausgleich gegenüber der außerordentlichen lokaden Teuerung
herbeigeführt und es ist nur recht und billig, wenn dieser
Einsicht auch die übrigen Ressorts der Staatsverwaltung folgen
und den in Weipert angestellten Staatsbeamten, Angestellten, Staatslehrpersonen
und Lehrern in der Form von Ortszulagen nach der Klasse B ein
gewisses Äquivalent gegeben werde. Die Beamtenorganisationen
von Weipert haben schon wiederholt seit dem Jahre 1921 bei der
Regierung petitioniert und in verschiedenen Interpellationen sind
die besonders berücksichtigungswürdigen Verhältnisse
eindringlichst niedergelegt worden. Die letzten Jahre haben eher
eine Verschärfung der lokalen Teuerung gegenüber anderen
Landesgebieten gebracht; infolgedessen ist die endliche Umreihung
der Stadt Weipert in die Ortszulagenklasse B schon mit Rücksicht
auf die einsichtsvolle Gewährung von Grenzzulagen an einen
Teil der Staatsbeamten ein Gebot der allgemeinen Billigkeit und
gleichartigen Behandlung.
Deshalb stellen die Gefertigten die Anfrage:
Ist die Gesamtregierung bereit durch die Umreihung der Stadt Weipert
in die Ortszulagenklasse B den besonderen Teuerungsverhältnissen
in welchen die dortige Staatsbeamtenschaft und Lehrpersonen leiden,
entgegenzuwirken und damit auch zum Teile die Gleichartigkeit
in der Behandlung aller Staatsangestellen herzustellen?
Prag, den 21. September 1928.