Eine am 14. März I. J. vor dem Pressesenat
in Prag durchgeführte Ehrenbeleidigungsklage gegen Herrn
Dr. Emil Margulies ergab in Durchführung des Wahrheitsbeweises
durch den Beklagten unter anderen folgendes:
In der Zeit der Parlamentswahlen im Jahre 1925
wurde Herrn Markus Ungar für die Wirtschaftspartei nach längeren
Verhandlungen mit dem Exponenten der èsl. Agrarischen Partei
durch den damaligen Innenminister Malypetr Unterstützung
materieller und moralischer Art im Wahlkampf zugesichert. Ausserdem
wurden Herrn Ungarn durch den Vizeguverneur Rozsipal für
Agitationskosten der Wirtschaftspartei
100.000 Kè bar ausgezahlt und dieser Partei die Ueberreichung
der Kandidatenlisten zu erlegenden 28.000 Kè über
Auftrag einflussreicher Persönlichkeiten erlassen. Als Herr
Ungar später auf die Kandidatenliste der jüdisch-nationalen
Partei übertrat, zahlte er au den Vizeguverneur Rozsipal
80.000 Kè bar zurück, welcher Betrag auch quittiert
wurde. 20.000 Kè hatte Herr Ungar bereits an den Wahlbevollmächtigten
der Wirtschaftspartei, Dr. Reissmann, übergeben.
Dieser Vorgang ist nach unserer Auffassung
ein Akt arger Korruption und ein Versuch der Wahlbeeinflussung
durch hohe Regierungsbeamten und verlangt dringende Aufklärung
vor dem Parlamente.
Obgenannter im Verlauf eines gerichtlichen
Wahrheitsbeweises erhärteter Vorgang drängt uns ausserdem
die Meinung auf, dass eine ähnliche Wahlbeeinflussung und
ungesetzliche Zuweissung staatlicher Mittel nicht nur an eine
kleine und neue Partei, wie die Wirtschaftspartei. sondern vor
allem in erhöhtem Ausmasse an die damaligen Regierungsparteien
erfolgt sei. Gegenüber oben gesagtem wurde der deutschen
nationalsozialistischen Arbeiterpartei im Senatwahkreise Brünn
von dem Vorschuss auf die Kosten zur Verfielfältigung der
Kandidatenliste der unverbrauchte Restbetrag von 11.000 Kè
für nichtbezogene Listen nicht rückgezahlt,
und auf ausdrückliches Verlangen die Auszahlung verweigert.
Das im Berufungswege dagegen angerufene Ministerium des Innern
erklärte sich zu einer Entscheidung in diesem Falle für
nicht kompetent und musste erst durch einen Urteilspruch
des darum angerufenen Obersten Verwaltungsgerichtes dazu verpflichtet
werden. Bis zum heutigen Tage ist diese Entscheidung noch nicht
gefallen und die der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei
zustehenden 11.000 Kè als unverbrauchter
Restbetrag sind naeh 2 Jahren noch immer nicht ausbezahlt.
Solche unglaubliche Zustände sind geeignet,
das Vertrauen in die Regierung, welche jede Beeinflussung bei
den Wahlen strengstens zu verhindern trachten muss, zu erschüttern,
und verlangen dringend Aufklärung und Massnahmen, die sie
künftighin unmöglich machen.
Die Interpellanten fragen daher die Regierung
an:
1. Aus welcher Quelle flossen die 100.000 Kè für Agitationskosten
der Wirtschaftspartei und ev. andere Beträge für andere
Parteien? Wer hatte davon Kenntnis, hat der
Ministerrat die Ausgaben gebilligt? Was sagt der Herr Finanzminister
dazu? Unter welchen Posten wurden diese Beträge im Staatsrechnungsabschluss
für das Jahr 1925 verrechnet?
2. Hatte das Oberste Rechnungskontrollamt Kenntnis
von diesen Ausgaben und ihrer Verrechnung und hat es diese gebilligt?
3. Sind auch andere Parteien oder deren Exponenten
ähnliche Geldbeträge zu diesen oder ähnlichen Zwecken
angeboten oder gegeben worden?
4. Welche Parteien oder Persönlichkeiten
waren dies und wie hoch waren diese Beträge?
5. Welches sind die einflussreichen Persönlichkeiten, über
deren Auftrag der Wirtschaftspartei die bei Ueberreichung der
Kandidatenlisten zu erlegenden 28.000 Kè erlassen wurden?
6. Wurden obige Beträge den Schuldtragenden
zum Ersatz vorgeschrieben und ersetzt und wie wurden die Schuldtragenden
bestraft?
7. Was hat die Regierung nach Aufdeckung dieser
Angelegenheit getan oder was gedenkt sie ev. noch zu tun?
8. Welche Sicherungen sind gegeben, dass in
Zukunft bei Wahlen ähnliche Wahlbeeinflussungen nicht stattfinden
können und dürfen?
9. Gedenkt die Regierung nur dem seinerzeitigen
Antrag des verstorbenen Abgeordneten Josef Parzel auf Auflegung
einer Gesamtliste aller kandidierenden Parteien aus Ersparnissgründen
und auf Abschaffung des halben Kostenbeitrages der Parteien zur
Verfielfältigung der Kandidatenlisten näher zu treten
und in Zukunft die Quellen ähnlicher Korruption zu verstopfen?
Ing. Jung, Dr. Wollschack,
Geyer, Simm, Wenzel, Szentiványi, Koczor,
Nitsch, Dr. Korláth, Dr. Holota, Füssy, Knirsch, Krebs,
Dr. Keibl, Matzner, Ing. Kallina, Siegel, Dr. Schollich, Dr. Koberg,
Dr. Rosche, Dr. Lehnert, Horpynka, Weber.
Die Gefertigten haben am 23. Juni 1927 im Abgeordnetenhause
eine Anfrage D 826-II an den Herrn Ministr des Innern. wegen der
Nichtbewilligung der Plakatierung einer Versammlung durch die
politische Bezirksverwaltung in Warnsdorf überreicht, die
folgenden Wortlaut hatte.
Die D. N. A. P. veranstaltet am 5. März
1927 in der Turnhalle in Warnsdorf eine öffentliche Volksversammlung
und legte aus diesem Grunde der politischen Bezirksverwaltung
in Warnsdorf ein Ansuchen zur Bewilligung der Plakatierung von
Plakaten folgenden Inhaltes vor:
Volksgenossen zum Protest gegen die Verwaltungsreform
für unsere nationale Selbstverwaltung. Ueber diese das Leben
unseres sudetendeutschen Volkes tiefberührenden Fragen spricht
Abgeordneter Krebs am 5. März 1. J. in der Turnhalle in Warnsdorf.
Volksgenossen, erscheinet in Massen und fordert das sudetendeutsche
Gebiet - den Sudetendeutschen.
Die Plakatierung der Anschlagzetzel mit obigem
Inhalt wurde von der politischen Bezirksverwaltung in Warnsdorf
untersagt, weil dieselbe in dem Satze das sudetendeutsche
Gebiet - den Sudetendeutschen ein Vergehen im Sinne des
§ 14 Punkt 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik erblickte.
Gegen diesen Bescheid hat die Bezirksorganisation
der N. S. A. P. in Warnsdorf bei der politischen Landesverwaltung
in Prag Berufung eingelegt, der aber mit Erlass Zl. 119.115 VIII
B 1025 vom 28. März 1927 keine Folge gegeben wurde. Aus diesem
Grunde hat dieselbe Organisation die Berufung an das Ministerium
des dnnern ergriffen. In der Forderung das sudetendeutsche
Gebiet den Sudetendeutschena ist nichts anders, als die Formulierung
des Rufes nach der nationalen Selbstverwaltung zu erblicken, also
eine Verwaltungsform, welche anzustreben auch nach dem Schutzgesetze
nicht untersagt ist. Der 14/1 des Gesetzes zum Schutze der Republik
vom 19. März 1923 Nr. 50 sagt:
Wer öffentlich oder vor mehreren
Leuten oder wer mehrere Leute gegen den Staat weben seiner Entstehung,
gegen seine Selbstständigkeit, verfassungsmässige Einheitlichkeit
oder demokratisch republikanische Form aufwiegelt, wird wegen
Vergehens mit strengem Arrest von 4 Wochen bis zu 2 Jahren bestraft.
In der Forderung das sudetendeutsche
Gebiet - den Sudetendeutschen ist weder gegen die Selbtständigkeit
des Staates noch gegen die verfassungsmässige Einheitlichkeit
oder gegen die demokratisch republikanische Form aufgewiegelt.
Ausdrücklich sagt der Motivenbericht des Verfassungsausschusses:
Unter staatlicher Selbsständigkeit ist der im §
3 der Verfassungsurkunde ausgedrückte Grundsatz zu verstehen
und es sollen damit nicht die Bestrebungen nach Verwaltungsautonomie
berührt werden. Der Antrag beabsichtigt nicht die auf Aenderung
der Gesetze abzielende Agitation und Propaganda zu unterdrücken.
In dieser Richtung macht er nicht einmal eine Ausnahme bezüglich
der übrigen Bestimmungen des Verfassungsgesetzes, indem er
sich dessen gut bewusst ist, dass auch diese Gesetze auf gesetzlich
demokratischem Wege in ihren einzelnen Bestimmungen abgeändert
werden können:
Es ist daher klar, dass sowohl die Entscheidung
der politischen Bezirksverwaltung in Warnsdorf, als auch jene
der politischen Landesverwaltung in Prag offenkundige Fehlentscheidungen
sind.
Ich gestatte mir aus diesem Grunde an den IIerrn
Minister des Innern die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, die Entscheidung
der Bezirksverwaltung Warnsdorf Zahl 19/12 A vom 1. März
1927 und jene der politischen Landesverwaltung vom 26. März
1927 Zahl 119.115 B 1025 zu überprüfen und für
den Fall, als er gleich mir zu der Erkenntnis gelangt, dass auf
Grund der Verfassung und der Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze
der Republik die Forderung das sudetendeutsche Gebiet -
den Sudetendeutschen keinen Angriff gegen die Einheit und
republikanische demokratische Staatsform beinhaltet in diesem
Sinne die untergeordneten Behörden zubelehren?
Die Unterzeichneten Abgeordneten stellen daher
an den Herrn Minister des Innern die Anfrage:
1. Ist er geneigt, den obigen Sachverhalt zum
Gegenstand einer gründlichen Untersuchung der Entscheidung
der politischen Landesverwaltung zu machen?
2. Ist er bereit, das Ergebnis dieser Untersuchung
ehestens im Wege einer Interpellationsbeantwortung den Interpellanten
zur Kenntnis zu bringen?