Durch das Gesetz vom 15. April 1920, Nr. 337 wurde die Regierung armächtigt, zur Regelung der durch den Krieg hervorgerufenen ausserordentlichen wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Verhältnissen unter zwei Voraussetzungen den Verordnungsweg anzuwenden, wo sonst ein Gesetz erforderlich wäre. Uebertretungen solcher Verordnungen werden von den politischen Behörden mit Geldstrafen bis zu 20.000 Kè oder mit Arrest bis zu 6 Monaten, ferner mit dem Verfall der Gegenstände, auf die sich die strafbare Handlung bezieht und endlich mit dem Verluste von Gewerbeberechtigungen bestraft. Diese Strafen können auch gleichzeitig verhängt werden, wobei die Freiheitsstrafe bis zu l jahre betragen darf.
Solche Regierungsverordnungen müssen allerdings
der Nationalversammlung, bezw. dem ständigen Ausschusse,
zur nachträglichen Genehmigung vorgelegt werden, doch ist
es trotz dieser Bestimmung geviss nicht zu rechtfertigen, dass
die Regierung noch jetzt im 10. Jahre des Bestandes der Republik
derart ausserordentliche Generalvollmachten besitzt, die den Grundsätzen
der Verfassung widersprechen. Für den Fall ausserordentlicher
Ereignisse hat sie ja ohnehin überaus weitreichende Ermächtigungen
durch das Gesetz vom l4. April 1920, Nr. 300 über ausserordentliche
Verfügungen. Es ist also nicht erklärlich, warum nebstbei
noch das eingangs zitierte Gesetz, das sich ja ausdrücklich
nur auf die durch den Weltkrieg hervorgerufenen ausserordentlichen
Verhätlnisse bezog, weiter aufrecht erhalten bleibt.
Praktisch tritt die Unsinnigkeit des Fortbestehens dieses längst überholten Gesetzes dadurch in Erscheinung, dass dis darauf beruhende Regierungsverordnung vom 3. September 1920, Nr. 516 über die Versorgung der Bevölkerung und die Versehung wichtiger Staatsbetriebe mit Bedarfsgegenständen noch immer in Kraft ist. Durch diese Verordnung werden die Behörden ermächtigt, Vorräte von Bedarfsgegenständen aufnehmen zu lassen, anzufordern, unter Sperre zu legen, Höchst- und Richtpreise festzusetzen und andere weitgehende Eingriffe in Privatbetriebe und in den Marktverkehr vorzunehmen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Verordnung ist aber offenbar ein ausserordentlicher, durch den Krieg hervorgerufener Zustand welcher die Versorgung der Bevölkerung und die Versehung wichtiger Staatsbetriebe mit Bedarfsgegenständen in Frage stellt. Ihr formeller Zusammenhang mit der Kriegsgesetzgebung ist also offenkundig. Heute sind jedoch zweifellos die Voraussetzungen, die seinerzeit die Staatsverwaltung zu ausserordentlichen Eingriffen in das Wirtschaftsieben berechtig haben mochten, nicht mehr gegeben, das Staatswesen ist durchaus konsolidiert und auf wirtschaftlichem Gebiete sind gegenüber den früheren Jahren tief eingreifende Veränderungen eingetreten. Während einst im Kriege und in der ersten Nachkriegszeit die Produktion nicht ausreichte, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken, besteht heute in umgekehrter Richtung das wirtschaftliche Problem vor allem darin, für die Erzeugung den notwendigen Absatz zu finden. Es liegt demnach sicher kein Grund vor, dass die Regierung weiterhin so ausserordentliche Machtbefugnisse auf wirtschaftlichem Gebiete behält, zumal die Entwicklung der letzten Jahre deutlich gezeigt hat, dass auf dem Gebiete des inneren Wirtschaftslebens weitgehende staatliche Eingriffe und Beschränkungen keinesfalls vom Voreil sind und die Rückkehr zur möglichsten Freiheit der Wirtschaft eine der wichtigsten Voraussetzungen der dauernden Gesundung ist.
Der Weiterbestand des Gesetzes vom 15. April
1920, Nr. 337 und der Verordnung vom 3. September 1920, Nr. 516,
der eine Dauereinrichtung wirtschaftlicher Behinderung bedeutet,
erscheint daher vom Standpunkte der Wirtschaft längst nicht
mehr gerechtfertigt. Vom parlamentarisch-demokratischen Standpunkte
bedeutet die Uebertragung der Gesetzgebungsgewalt an die Regierung
ein Verleugnen der Verfassungsgrundsätze, eine ständige
Gefährdung der staatsbürgerrechtlichen Freiheiten und
somit einen unerträglichen Zustand.
Deshalb stellen die Gefertigten an den Herrn
Vorsitzenden der Regierung folgende Anfrage:
1.Warum wurde bisher die Verordnung vom 3.
September 1920, Nr. 516 noch nicht ausser Kraft gesetzt und wann
wird dies endlich geschehen?
2. Aus welchen Gründen hält die Regierung die Ermächtigung, welche ihr zur Regelung der durch den Krieg hervorgerufenen ausserordentlichen Verhältnisse erteilt wurde, noch für erforderlich oder ist sie bereit, unverzüglich einen Antrag zur Aufhebung des Gesetzes vom 15. April 1920, Nr. 337 vorzulegen?
Prag, am 17. April 1928.
Im Herbst v. J. hat die, mit dem staatlichen Monopol zur Erzeugung
und zum Vertriebe von Sprengstoffen in der ÈSR ausgestattete
Eruptiva Gesellsch. m. b. H. in
Prag um Konzesionierung eines, für ca 50.000 kg vorgesehenen
Magazins für Sprengmitteln und Explosivstoffe im Hühnergrund
in Hombock bei Olmütz angesucht. Der Transport der Sprengmitteln
von und zu den Magazinen soll ab Bahnhof Hombock durch die belebte
Arbeiterkolonie erfolgen.
Gegen das Projekt haben die umliegenden Gemeinden, die Betriebsausschüsse der Arbeiter und Beamten von Hombock und Mariental, sowie auch die Moravia A. G. Einsprüche erhoben. Trotz der berechtigen Einwendungen hat das Innen-Ministerium am 11. Oktober 1927, mit Zahl 62630, die Anlage der Magazine konzessioniert. Die Fma Eruptiva hat nicht auf die Entscheidung des Innen-Ministeriums gewartet, sondern sie hatte schon lange vorher mit dem Bau begonnen.
Durch die Errichtung des Sprengmittelmagazins
in diesem Gebiete entsteht für die Arbeiterschaft und die
Gemeinden grosse Gefahr, welche das Verladen uud der Transport
der Sprengmittel mit sich bringt. Die Umladung der Explosivstoffe
soll am Bahnhof Hombock erfolgen. Die Verladung ist wegen der
beengten Geleiseanlage, nur in einer Maximal-Entfernung von ca
40-70 m von den Wohnhäusern möglich bezw. vom Elektrizitätswerk,
welches die Hombocker Nägelfabrik und die Marienthaler Eisenwarenfabrik
mit Strom versorgt. Da am Bahnhof Hombock gleichzeitig auch die
Umladung und Verladung des Werksbedarfes, sowie zweier Sägewerke
erfolgt, ist das Rauchen im nächsten Umkreise der Sprengmittelverladung
nicht zu vermeiden, wodurch naturgemäss die in der Nähe
befindlichen Menschen und Objekte in steter grosser Gefahr sind.
Wie bereits oben erwähnt, ist der Transport
auf stark belebter Strasse, welche mehrmals von Starkstrommleitungen
überquert wird, mitten durch Werkskolonie geplant, wodurch
im Falle einer Explossion, ca 100 Familien in Lebensgefahr und
um Hab und Gut gebracht werden und mit einer Beschädigung
und damit verbundener Stillegung des Elektrizitätswerkes
gerechnet werden muss was l.600 Arbeiter im Momente brotlos machen
würde.
Da Dynamit im Winter durch Ausschwitzen von
Nitroglyzerin schon bei geringer Erschütterung explodiert,
ist die Gefahr der Explosion während des Transportes auf
gefrorenen Wegen stets gegeben, daher also die Gefährdung
der Betriebstätten und der Wohnkolonie stets vorhanden.
Da das Innen-Ministerium trotz der berechtigten
Einwendungen den Bau bewilligte, beweisst, dass man für die
Profite der Eruptiva weitmehr Verständniss hat,
als für das Leben, die Gesundheit und die Existenz von fast
2.000 Arbeitern. Die Arbeiterschaft verlangt die Verlegung der
Magazine an Orte, wo weder das Leben, Wohnungen, noch Industrieanlagen
gefährdet werden. Sollte dies nicht mehr möglich sein,
so soll die Verladung und Transport ausserhalb des Bahnhofes und
der Kolonie Hombock erfolgen.
Die Erfahrungen des Vorfalles in der Tischlergasse
in Prag müssen das Innenministerium belehren, alle Massnahmen
zu treffen, um eine neuerliche Katastrophe zu verhindern.
Die Untefertigten fragen an:
1. Wieso konnte die Eruptiva noch
vor Erteilung der Konzession durch das Innenministerium mit dem
Baue der Magazine beginnen?
2. Warum wurde den berechtigten Einwendungen
der betroffenen Bevölkerung, der Gemeinde und der Industriewerke
nicht stattgegeben?
3. Ist das Innenministerium bereit zu veranlassen,
dass die Verladung der Sprengmittel und Explosivstoffe ausserhalb
des Bahnhofes und der Arbeiterkolonie Hombock erfolgt und
4. Ist das Innenministerium bereit, die Transporte
durch die Arbeitkolonie Hombock zu verbieten, da eine grosse Gefahr
für das Menschenleben besteht?
Prag, am 17.
April 1928.