Am 28. November 1927 wurde die Interpellation
des verstorbenen Abgeordneten Josef Patzel von den Herren Finanzminister,
Minister der auswärtigen Angelegenheiten und Minister für
Schulwesen und Volkskultur beantwortet und mit Druck 1408 am 26.
Jäner 1928 dem Abgeordnetenhause bekanntgegeben. Aus der
Beantwortung dieser Anfrage geht hervor, dass Mitte 1921 das Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten durch Beschluss des Ministerrates
damit betraut wurde, die Hilfe für die russischen und ukrainischen
Emigranten, die sich auf den Boden der Èechoslovakischen
Republik geflüchtet hatten, zu organisieren und durchzuführen.
Es ist nicht die Aufgabe dieser Interpellation und es war auch
nicht die Absicht des verstorbenen Abgeordneten Patzel, das Los
der bedauernswerten russischen und ukrainischen
Flüchtlinge etwa zu erschweren oder ihnen das Leben unmöglich
zu machen.
Die Interpellanten sind aber der Ueberzeugung,
dass sie die Verpflichtung haben, darauf Rücksicht zu nehmen,
in welcher Art die von den Steuerträgern aufgebrachten Mittel
verwendet werden. In dieser Hinsicht sind diese der Ansicht, dass
die Lasten für diese Flüchtlinge durchaus nicht einseitig
von einem oder dem anderen Staate getragen werden sollten, sondern
dass das Komitee beim Völkerbund (das Komitee für die
Hilfe der russischen und ukrainischen Emigration beim Völkerbund)
die Verpflichtung hätte, die Lasten dieser Emigration gleichmässig
auf die verschiedenen Staaten aufzuteilen. Wenn man sich grundsätzlich
auf den Standpunkt stellt, dass politische Flüchtlinge ein
Asylrecht haben müssen und dass eine Emigration in einem
solchen Umfange, wie sie jene aus dem ehemaligen russischen Staatsgebiet
war oder wie es die griechische Emigration aus dem türkischen
Staatsgebiet gewesen ist, auch finanziell zu unterstützen,
dann ist es nicht nur zweckmässig, sondern auch logisch,
dass alle Staaten des Völkerbundes zu den Kosten dieser Hilfsaktion
beizutragen hätten.
Aus diesem Grunde hat auch Abg. Hans Krebs
bei der Beratung des Staatsvoranschlages 1928 diesen Posten im
Budget kritisiert und die Anregung gegeben, das Ministerium des
Aeusseren möge im Wege des Völkerbundes und der bei
ihm organisierten Hilfsaktion für die russische und ukrainische
Emigration einschreiten damit die Kosten dieser Wohltätigkeitshilfsaktion
auf alle im Völkerbund vertretenen Staaten zu verhältnismässigen
Anteilen aufgeteilt werden.
Aus der Antwort des Herrn Finanzministers und
des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten erfahren wir,
dass diese Hilfsaktion ursprünglich lediglich zur Unterstützung
der Studien der in Frage kommenden Flüchtlinge gedacht war.
Da aber seit dem Beginn der Uebernahme der Hilfsaktion durch den
Staat bereits mehr als 7 Jahre verflossen sind, ist anzunehmen,
dass diese Hilfsaktion auch weiterhin aktiviert werden soll. Es
würde sich dadurch eine weiter andauernde Belastung des Staatshauhaltes
mit mehr als 30,000.000 (30 Millionen) ergeben.
Aus allen diesen Gründen richten wir an
den Herrn Finanzminister, an den Herrn Minister der auswärtigen
Angelegenheiten und an die Gesamtregierung die Anfrage:
1. Ist die Regierung bereit, durch den Herrn
Minister des Aeusseren bei dem Völkerbund den Antrag einzubringen,
dass die Lasten, welche aus der Unterstützung der russischen
und ukrainischen Emigranten erwachsen sind und noch erwachsen,
Emigranten erwachsen sind und noch erwachsen, auf die im Völkerbund
vereinigten Staaten zu verhältnismässigen Teilen aufgeteilt
werden?
2. Ist die Regierung in der Lage, mitzuteilen,
auf welche Dauer sich die Hilfsaktion noch erstrecken dürfte?
Prag, am 31
Jänner 1928.
Zwischen der Èechoslovakischen Republik und dem deutschen
Reiche wurde im Jahre 1921 ein Gegenseitigkeitsvertrag abgeschlossen,
demzufolge beide hohe vertragsschliessenden Teile sich verpflichteten,
die Staatsbürger des anderen Teiles nur dann einzubürgern,
wenn die um Einbürgerung Ansuchenden aus dem früheren
Staaatsverbande den formellen Nachweis der Entlassung beizubringen
imstande sind. Bis zum Abschlusse dieses Gegenseitigkeitsvertragees
sind in Sachsen, bezw. Im deutschen Reiche, Einbürgerungen
èechoslovakischer Staatsbürger ohne diesen Nachweis
d. h. ohne Entlassung aus dem èechoslovakischen
Staatsverbande erfolgt und zwar in derselben Form, wie dies früher
bei Einbürgerungen österreichisch-ungarischen Staatsbürger
im deutschen Reiche der Fall war. Die in der Zeit vom September
1919 bis in die zweite Hälfte des
Jahres 1921 in Sachsen eingebürgerten ehemaligen èechoslovakischen
Staatsbürgerten sind deshalb zwar nicht aus dem èechoslovakischen
Staatsverband entlassen, haben aber dennoch die sächsischen
d. h. die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft erworben.
Sie besitzen daher gegenwärtig zwei verschiedene Staatszugehörigkeiten.
Die Tatsache, dass durch die Einbürgerung im deutschen Reiche
diesen Leuten die èechoslovakische Staatsbürgerschaft
nicht verloren gegangen ist, wird dadurch erhärtet, dass
die èechoslovakischen Behörden
von diesen Leuten die Ausübung ihrer Pflichten gegenüber
dem èechoslovakischen Staate verlangen und sie z. B. auch
zu militärischen Diensten usw. einberufen.
Demgegenüber stehen die èechoslovakischen Behörden
bezl. Der Rechte dieser Leute aber auf einem anderen Standpunkte,
was am meisten in der Frage der Kriegsbeschädigtenfürsorge
zu Tage tritt. In zahlreichen Fällen haben die èechoslovakischen
Behörden solche vor dem Jahre 1921 im deutschen Reiche eingebürgerten
Leuten, die also nach der Ansicht der
èechoslovakischen Behörden dennoch èechoslovakischen
Staatsbürger sind, nicht nur den Bezug der Kriegsbeschädigtenfürsorgerente
eingestellt, sondern von ihnen auch die Rückzahlung der nach
der Einbürgerung noch weiter gezahlten Renten verlangt.
Der Zustand, dass das Ministerium des Aeusseren und die Militärverwaltung
diese Leute noch immer als èechoslovakische Staatsbürger
betrachtet, andererseits das Ministerium für soziale Fürsorge
bezw. Das Landesamt für Kriegsbeschädigtenfürsorge
sie von den Rechten der èechoslovakischen Staatsbürger
ausschliesst, erheischt dringend eine endgültige Regelung
der Behandlung dieser Landsleute, damit die ungleichartige Behandlung
derselben endlich ein Ende nimmt.
Ich stelle daher an den Herrn Minister des
Aeusseren die Anfrage:
Ist er bereit, anzuordnen, dass in der Auffasung über die
Staatsbürgerschaft jener Landsleute, die in der Zeit vom
September 1919 bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1921 ohne
Entlassung aus dem èechoslovakischen Staatsverband in den
Staatsverband des deutschen Reiches übernommen worden sind,
von allen èechoslovakischen Staatsämtern gleichartig
behandelt werden?
Prag, am 31.
Jänner 1928.
Die verschiedenen Staatsbahndirektionen geben an die Reichsbahndirektionen
der deutschen Reichsbahngesellschaft die an der Grenze der Èechoslovakischen
Republik liegen, Fahrpläne der èechoslovakischen Staatsbahnen
für die auf reichsdeutschen Gebiete gelegenen Bahnhöfe
ab. Die Reichsbahndirektionen haben sich, wie ich feststellen
konnte, wiederholt an die zuständigen èechoslovakischen
Staatsbahndirektionen mit dem Ersuchen
gewendet, dass die Fahrpläne nicht nur in der èechischen
Staatssprache, sondern auch in der deutschen Sprache (also doppelsprachig)
abgegeben werden. Diesem Wunsche ist seitens der èechoslovakischen
Staatsbahndirektionen bisher nicht entsprochen
worden.
Da die Fahrpläne auf den reichsdeutschen Bahnhöfen im
Grenzgebiete naturgemäss in der überwiegenden Mehrzahl
natürlich von deutschsprachigen Reisenden benützt werden,
wäre es nicht nur im kommerziellen Interesse der èechoslovakischen
Staatsbahnen, sondern, auch im rechtlichen Sinne angebracht, dass
die èechoslovakischen Staatsbahndirektionen die èechisch-deutschen
in den deutschsprachigen Gegenden der Èechoslovakischen
Republik verwendeten Fahrpläne auch den reichsdeutschen Eisenbahndirektionen
zur Verfügung stellt. Da auch die èechoslovakischen
Eisenbahnämter auf reichsdeutschen Grenzbahnhöfen, z.
B. Furth i./Walde und Heidmühle neben der èechischen
Sprache auch selbstverständlich in der deutschen Sprache
anbringen, ist nicht einzusehen, warum
nicht auch die Fahrpläne in èechischer und deutscher
Sprache gehalten sein sollen.
Ich mache ferner darauf aufmerksam, dass das
Oberlandesgericht in Prag auf Grund einer Beschwerde eines reichsdeutschen
Staatsangehörigen gemäss § 7 des Sprachengesetzes
und Art. 96 der Sprachenverordnung vom 3. Feber 1926, Nr. 17 S.
d. G. U. V. entschieden hat, dass das Bezirksgericht Karlsbad
verpflichtet ist, die in deutscher Sprache überreichte Revision
anzunehmen und dem Gesetze gemäss mit ihr zu verfahren. In
der Begründung heisst es ausdrücklich, dass es sich
in diesem Sprachenstritte um die Frage handle, ob auch Ausländern
die Erleichterungen, welche in § 2 des Sprachengesetzes festgelegt
wurden, gebühren. Da der Beschwerdeführer ein Angehöriger
der deutschen Sprache war, so hat das Präsidium des Oberlandesgerichtes
entschieden, dass er berechtigt war, seine Revision in deutscher
Sprache zu überreichen.
Wenngleich die Sprachenverordnung und das Sprachengesetz natürlich
nur auf dem Gebiete der Èechoslovakischen Republik angewendet
werden kann, so scheint es mir dennoch im Sinne dieser Verordnung
zu liegen, dass das reichsdeutsche eisenbahnfahrende Publikum
nicht sprachlich schlechter gestellt wird, als der Reichsdeutsche,
der bei einem èechoslovakischen Gerichte
seine Interessen vertritt.
Aus allen angeführten Gründen stelle
ich an den Herrn Eisenbahnminister die Anfrage:
1. Hat er Kenntnis davon, dass auf den benachbarten deutschen
Reichsbahndirektionen zur Anbringung der Fahrpläne der èechoslovakischen
Staatsbahnen von den hiesigen Staatsbahndirektionen
ausschliesslich einsprachige Fahrpläne in der èechoslovakischen
Staatssprache übermittelt werden?
2. Ist er bereit, zu veranlassen, dass in Zukunft
für die reichsdeutschen Bahnhöfe ebenso wie für
die Bahnhöfe in den deutschen Gebieten der Èechoslovakischen
Republik Fahrpläne in èechischer und deutscher Sprache
zur Verfügung gestellt werden?
Prag, am 1.
Feber 1928.