Bei den am 19. Dezember 1925 in ganz Westböhmen abgehaltenen
Protestversammlungen gegen die Ausrottung und Vertreibung der
deutschen Staatsangesellten wurde bei allen versammlungen nachfolgende
Entschließung einstimmig angenommen:
. . ."Zulange schon hat das deutsche Volk das Joch der Entrechtung
und Unterdrückung auf seinen Schultern getragen; nun ist
Langmut und Geduld zu Ende. Wir rufen den Machthabern dieses Staates
zu: Hand weg von deutschen Volksgut!
Das Fest des Friedens naht; doch das sudetendeutsche Volk kennt
in diesem Staate keinen Frieden, es kemmt nur den Kampf und Abwehr.
Tausende vernichtete deutsche Existenzen, ein in seiner kulturellen
und wirtschaftlichen Entwicklung gehemmtes Volk von 3 1/2
Millionen Menschen stehen auf und fordern vor der ganzen gesitteten
Welt Recht und Freiheit!
Der Warnungsruf, der heute durch die sudetendeutschen Gaue gellt,
möge die èechische Regierung aufmerksam machen, daß
Unrecht auch durch tausendjährige Übung niemals zu Recht
ungefälscht werden kann und daß die Sünden der
Väter sich später oder früher an den Kindern rächen
müssen und rächen werden. Es gibt keinen Frieden zwischen
den Völkern dieses Staates, solange die Entrechtung und Unterdrückung
der 3 1/2 Millionen gegen ihren laut und
feierlich verkündeten Willen in diesen Staat hineingepreßten
Sudetendeutschen anhält. Wir warnen die Verantwortlichen
dieses Staates, den Bogen zu überspannen. Gleich den Slovaken
bringen wir den èechischen Zwingvögten zur Kenntnis:
Wir sind deutsche, bleiben Deutsche und haben ein unveräußerliches
Anrecht auf unsere Heimatscholle, auf unseren Arbeitsplatz, auf
unsere Kultur, auf unsere Sprache und auf unser nationales Eigenleben."
Die Zeitungen, die diese Entschließung zum Abdruck brachten,
wurden beschlagnahmt, die Verleser der Entschließung, bezw.
Versammlungsleiter unter Anklage gestellt, von einigen. Beamten
der politischen Bezirksverwaltungen die Entgegennahme dieser Volksäußerung
verweigert. Gegen eine solche unwürdige Behandlung einer
Willensäußerung des deutschen Volkes in diesem Staate
muß von Seiten der Gefertigten der schärfste Einspruch
erhoben werden. Für die Zustände in diesem Staate können
nicht jene verantwortlich gemacht werden, die zur Abwehr der Staatlichen
Übergriffe auf den Plan treten, sondern jene, die diese Zustände
herbeiführen. Die Bevölkerung muß jederzeit das
Recht haben, alle Verwaltungsmaßnahmen auf ihre Rechts-
und Sittlichkeitsgrundlage zu prüfen und die nitwendige Kritik
zu üben, denn "Freiheit bedeutet aber auch Kritik".
Die Unterzeichneten stellen an den Herrn Minister die Anfrage:
1. in welcher Weise gedenkt er die freie Meinungsäußerung
und die berechtigte Kritik Deutscher an staatlichen Verwaltungsmaßnahmen
zu schützen?
2. ist er bereit, die untergeordneten Polizei- und Zensurorgane
zu bauftragen, ihre Unterdrückungsmethoden einzustellen?
Prag, am 30. März 1926.
Die Staatsbahndirektion in Olmitz hat die ihr unterstehenden Dienststellen
und Abteilungen der Direktion mit Erlaß Zahl 2134/1-I-27
vom 8. März 1927, Dienstbefehl Nr. 0111 angewiesen, alle
Angestellten aufmerksam zu machen, daß der Heimatschein
künftighin als Nachweis der èechslovakischen Staatsbürgerschaft
nicht mehr hinreicht, und daß der Nachweis über die
Staatsbürgerschaft der Èechoslovakischen Republik
ausschließlich nur durch die Bestütigung, wie sie im
Dienstauftrag Nr. 19 des Amtsblattes des Eisenbahnministeriums
Nr. 5 ex 1927 und in der Verordnung des Innenministeriums vorgeschrieben
ist, vollgiltig erbracht werden kann.
Der Erlaß ordnet weiter an, daß jeder Eisenbahnangestellte,
dessen èechoslovakische Staatsbürgerschaft strittig
oder unsicher ist, um Ausfolgung der vorgeschriebenen Legitimation
über die èechoslovakische Staatsbürgerschaft
ansuche. Namen und Charakter jener Angestellten, welche um eine
derartige Legitimation ansuchen werden, ist der Staatsbahndirektion
bekannt zu geben.
Bezüglich der Angestellten der Kaschau - Oderberger Eisenbahn
enthält der Erlaß die Bestimmung, daß bei jenen
Angestellten, die nach dem Umsturze in dem jetzt polnischen Teile
des Teschner - Gebietes zustündig waren, dieses Heimatsrecht
den Vorrang hat, auch wenn sie noch so lange in dem jetzt èechoslovakischen
Teile des Teschner Gebietes wohnen.
Diesen Angestellten wird, auch wenn sie schon, vor dem 1. Jänner
1908 auf dem èechoslovakischen Teschner - Gebiete wohnten,
unifiziert sind und sich bona fide als èechoslovakische
Staatsbürger betrachtet haben, der Besitz dieser Staatsbürgerschaft
aberkannt. Bezüglich der Staatsbürgerschaft solcher
Angestellten verweist der Erlaß auf die im 1. Teile des
èechoslovakisch - polnischen Vertrages, der am 29. April
1926 in der Gesetzessammlung unter Nr. 56 aus 1925 veröffentlicht
wurde, enthaltenen Bestimmungen.
Schließlich enthält der in Rede stehende, vom Staatsbahndirektor
Polívka gezeichnete Erlaß die Bestimmung, daß
nach Abs. 4, § 122 der Dienstordnung der Verlust der èechoslovakischen
Staatsbürgerschaft als freiwilliger Austritt aus dem Eisenbahndienst
angesehen wird und den Verlust aller Rechte gegenüber dem
Pensionsfonde für solche Angestellte und deren Nachkommen
zur Folge hat.
Die mit diesem Erlasse getroffenen Anordnungen kennzeichnen sich
als eine für alle, unter die Bestimmungen dieses Erlasses
fallenden Angestellten von den schwersten Folgen begleitete Bedrohung.
Namentlich erscheinen jene Angestellten der Kaschau - Oderberger
Eisenbahn, die schon lange vor dem 1. Jänner 1908 vielfach
seit der Geburt auf dem jetzt èechoslovakischen Gebiete
des Teschner - Lndes wohnen, ihr Heimatsrecht jedoch in irgend
einer Gemeinde des jetzt polnischen Teiles dieses Gebietes besaßen
und die sich nach der Landesteilung in ihrer Wohnungsgemeinde
um Anstellung eines Heimatscheines bewarben, der ihnen auch augestellt
wurde, die weiters auf Grund des Erlasses des Eisenbahnministeriums
Zl. 46781-I/3 vom 24. September 1921 um die Unifizierung ansuchten
und auch unifiziert wurden, die den vorgeschriebenen Diensteid
abgelgt haben, und ihrem Dienst mit Eifer und Treue versehen,
durch getroffene Verfügung in ihrer und der Existenz ihrer
Familie schwerstens gefährdet.
Diese Angestellten, die seinerzeit vom Gemeindeamte ihrer Wohnungsgemeinde
beim Ansuchen um Ausstellung eines Heimatscheines durch den Regierungskommissär
als Vorsitzenden der Verwaltungskommission dahin belehrt wurden,
daß sie auf Grund ihres langjährigen Wohnsitzes suf
jetzt èechoslovakischem Gebiete im Sinne Art. III der Entscheidung
der Pariser Botschafterkonferenz vom 28. Juli 1920 für den
èsl. Staat nicht besonders optieren müßten,
da sie die èsl. Staatsbürgerschaft auf Grund des Wohnsitzes
vor dem 1. Jänner 1908 ipso jure besäßen, befanden
sich, durch diese Belehrung irregeführt, im guten Glauben,
daß sie tatsächlich bereits èechoslovakische
Staatsbürgerschaft zu erwerben, haben diese Angestellten
durch das Ansprechen eines Heimatscheines bei ihrer Wohngemeinde,
durch ihr Ansuchen um Unifizierung und durch die Ablegung des
vorgeschrieben Diensteides kundgetan. Alle diese Willensäußerungen
sind aber der unzweifelhafte Ausdruck einer Option für die
Èechoslovakische Republik, bezw. dafür, daß
diese Angestellten sich als Bürger dieser Republik bekennen.
Da nun die Option ihrem ganzen Wesen nach, ein rein singuläres
Recht ist, durch welches einem Individuum die Möglichkeit
gegeben wird, sich bei Gebietsänderungen zwischen zwei Staaten
für eine bestimmte Staatsangehörigkeit frei entscheiden
zu dürfen, während sich der gewählte Staat diese
Wahl widerspruchslos gefallen lassen muß, die vorangeführten
Angestellten aber ihre Wahl durch ihre Willensäußerung
in eindeutiger Weise zum Ausdrucke brachten, wurden sie eben durch
diese Option von Rechtswegen vollgültige Staatsbürger
der Èechoslovakischen Republik.
Jetzt nach fast 7 Jahren der unbeanständenten Zugehörigkeit
zur Èechoslovakischen Republik wird ihre bisher anerkannte
èechoslovakische Staatszugehörigkeit angezweifelt,
ja ihnen von den politischen Behörden sogar abgesprochen
und werden grundlos vor die Gefahr völliger Erwerbslosigkeit
gestellt. Soweit man sie im aktiven Eisenbahndienst beläßt,
sind sie durch den plötzlichen und ungerechtfertigten Abzug
der Teuerungszulangen materiell schwer geschädigt und in
ihrer Lebensführung hart betroffen.
Irregeleitet durch die vom Gemeindeamte bezw. dem Regierungskommissär
ihrer Wohngemeinde erhaltene Belehrung haben diese Angestelltenm
die sich bona fide als èechoslovakische Staatsbürger
betrachten, auch nach Veröffentlichung des èechisch
- polnischen Vertrages kundgemacht unter Slg. Nr. 56 am 29. April
1916, die Option nicht nachgetragen. Diese Unterlassung ist zum
nicht geringen Teile auch darauf zurückzuführen, daß
die politischen Behörden I. Instanz die im Punkt 2, Abs.
5, des 1. Teiles des èechoslovakisch - polnischen Vertrages
vorgeschriebene Belehrung der Ortsbevölkerung über die
Möglichkeit und die Art der Einbringung von Optionsansuchen
nicht durchgeführt haben, wie auch die Eisenbahnbehörde
selbst eine neuerliche Belehrung der Angestellten über diese
Vertragsbestimmungen jedenfalls für nicht notwendig befunden
und deshalb unterlassen hat.
Die angezogene Verfügung der Staatsbahndirektion Olmütz
atmet eine Personalfeindlichkeit, die ihresgleichen suchen muß.
Die Unterzeichneten fragen daher die beiden Herren Ressortminister
an:
1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die politischen Behörden
anzuweisen, daß alle jene Angestellten der Kaschau - Oderberger
Eisenbahn, die schon vor dem 1. Jänner 1908 ihren ständigen
Wohnsitz auf jetzt èechslovakischem Gebiete des Teschner
- Landes hatten, unifiziert wurden, den Diensteid abgelegt haben
un ihren Dienst zur Zufriedenheit vershen, ohne weiters als èechoslovakische
Staatsbürger bei voller Giltigkeit der hier erworbenen Heimatscheine
anzuerkenne sind?
2. Ist der Herr Eisenbahnminister bereit, anzuorden, daß
allen jenen Angestellten der Kaschau - Oderberger Eisenbahn, denen
wegen angeblich mangelnder Staatsbürgerschaft ein Teil der
Dienstbezüge vorenthalten wird, mit sofortiger Giltigkeit
wieder die vollen Dienstbezüge angewiesen und die Nachzahlung
der bisherigen Abzüge veranlaßt werden?
Prag, am 6. Mai 1927.
In der "Deutschen Tegaszeitung" verfiel der Bericht
über die am Sonntag den 9. August d. J. anläßlich
des Egerländer Festes erfolgte Mißhandlung der beiden
Abgeordneten Ing. Othmar Kallina und Josef Mayer durch Karlsbader
Staatspolizisten zum großen Teile dem Rotstifte des blindwütigen
Zensors. Es erweckt fast den Eindruck, als ob der Zensor, der
doch unter den Mitgliedern des Beamtenkörpers der Karlsbader
Staatspolizei zu suchen ist, sich bemüssigt gefühlt
habe, zu verhüten, daß die deutsche Bevölkerung
Westböhmens durch die Presse Kenntnis erhält von den
ungeheurlichen Übergriffen der èechischen Staatspolizisten;
denn was sich an diesem Sonntage in Teplitz abgespielt hat, ist
einzig dastehend in der Geschichte der neueren Staaten, denn diese
als Polizisten verkleideten Faszisten machten nicht einmal vor
der in allen Sttaten geheligten Immunität der freigewählten
Abgeordneten Halt. Obwohl es Pflicht gerade der Behörden
gewesen wäre - falls sie sich nicht mit den Taten dieser
"Schutzleute" indentifizieren wollten - alles dazu beizutragen
um die Öffentlichkeit über den wahren Sachverhalt entsprechenden
zu unterrichten, verfielen die wahrheitsgetreuen Berichte der
überfallenen Abgeordneten der Beschlagnahme, während
die gleiche Behörde die schuldigen Schutzmänner nach
wie vor den "Sicherheitsdienst" ausüben läßt.
Wie es mit dem freiheitlichen Regime in einem Staate bestellt
ist, erhellt am besten aus den im Staate herrschenden Zensurverhältnissen.
Die Verfolgung nicht nur der deutschen Presse, sondern der gesamten
oppositionellen Presse, also der Presse der unterdrückten
Nationen in diesem Staate hat bereits ein solches Maß erreicht,
daß mit vollem Fug und Recht behauptet werden kann, daß
in allen Staaten der Welt nicht soviel konfisziert wird, wie in
der neugegrindeten Èechoslovakischen Republik. Der Herr
Staatspräsident Masaryk hat für die Behandlung der Presse
seitens der Zensurorgane bekanntlich folgenden schönen Satz
aufgestellt: Die Freiheit der Presse ist das höchste Gut,
das ein demokratischer Staat sein Eigen nennt. Die zügellose
Willkür des alten Beamtensystems darf in der Republik keinen
Raum finden." Die tatsächlichen Verhältnisse beweisen
aber, daß die angebliche Zansurwillkür des alten Beamtensystems
in der Èechoslovakischen Republik ins Grenzenlose übertroffen
wurde, sodaß von einer Freiheit der Presse überhaupt
nicht mehr gesprochen werden kann.
Bezeichnend für die eingerissenen Verhältnisse ist aber
auch das Verhalten des Preßgerichtes Egers, das sein Erkenntnis
in Bestätigung der Beschlagnahme wie folgt begründet:
"In den beanständeten Artikelstellen 1. bis 8. wird
in einer Druckschrift durch Schmähungen, Verspottungen, unwahren
Angaben, Entstellungen von Tatsachen zum Hasse gegen Staatsbehörden
(Polizeikommissariat in Karlsbad) und einzelne Organe der Regierung
in Bezug auf ihre Amstführung und zur Verachtung dieser Behörden
und dieser Organe aufzureizen versucht und in der Stelle 8 wird
der Täter öffentlich wegen strafbarer Handlungen gelobt.
Es ist daher in dem Inhalte dieser Stellen die Strafhandlung gemäß
§ 300 St. G. und § 16 Schutzgesetz zu erblicken."
Es ist geradezu als unfaßbar zu bezeichnen, daß das
Pressgericht, ohne die Entscheidung des schwebenden Gerichtsverfakrens,
das zur Festsetzung der Schuldigen eingeleitet wurde, abzuwarten,
bereits am 14. August auf Grund einseitiger Berichte der an den
Verofällen im erster Linie schuldigen Behörden ein Urteil
fällt und die protokollarischen Aussagen deutscher Parlamentarier
als unwahr hinstellt, um bei den kommenden Gerichtsverhandlungen
von vornherein Schuld und Unschuld nach èechischer Staatsraison
zu verteilen.
Die dem Ritstifte des Zensor verfallenen Stellen haben folgenden
Wortlaut:
1. . . . unerhörten, gesetzwidrigen, gemeinen . . .
2. . . . unerhörte und gemeine . . .
3. . . . unter höhnischen Zurufen in èechischer sprache
. . .
4. . . . stürzte sich eine Reihe von Schutzmännern
auf mich, packte mich mit roher Gewalt und wollte mich zwingen,
in der Hauptstraße weiter zu gehen. Ich wies diesen rohen
Angriff energisch zurück unter Hinweis auf meine Abgeordnetenimmunität..
Trotzdem ich mich wiederholt den packenden Fäusten entwunden
hatte, stürzten sich neuerlich einige Schutzleute auf mich
und unter Anfeuerung eines Achutzmannes . . .
5. . . . Es ist klar, daß ich mich gegen solche gewelttätige
rohe und gemeine Angriffe wehren mußte; der rohen Gewalt
weichend . . .
6. . . . Dieses unerhörte Vorgehen der Schutzmannschaft
gegen freigewählte Abgeordnete, wie es sich noch in keinem
Kulturstaat der Welt ereignet hat . . .
7. . . . jeder Kultur und staatsbürgerlichen Freiheit hohnsprechende
. . .
8. . . . Die Orts- und Bezirksparteileitung der Deutschen Nationalpartei
zu Böhm. Kamnitz erfährt soeben mit tiefster Entrüstung
die ganz unglaublichen Übergriffe, die sich die Staatspolizei
in Karlsbad am 9. August 1925 anläß ich des Egerländer
Heimatfestes gegen Euer Hochwohlgeboren zuschulden kommen ließ.
Die Deutschnationalen des Bezirkes Böhm. Kamnitz erblicken
darin den beabsichtigten Versuch, Sie als den stets unerschrockenen
Vorkämpfer für die Rechte unseres Volkes unschädlich
zu machen. Die Verletzung der in der gesamten Kulturwelt unantastbaren
rechte eines vom Volke freigewählten Abgeordneten hat nur
den einen Erfolg, daß allen Sudetendeutschen und nicht zuletzt
auch dem politisch anständig denkenden Auslande die Augen
geöffnet werden, daß in diesem Staate nicht Recht und
Gesetz, sondern Willkür und Gewalt herrschen.
Wir sprechen Ihnen, hochverehrter Herr Abgeordneter, für
Ihr mannhaftes Verhalten den tiefgefühlten Dank aus, hoffen
zuversichtlich, daß Sie sich von den erlittenen Verletzungen
bald erholen, Ihre segensreiche Tätigkeit ehestens wieder
aufnehmen können und versichern Sie der größten
Hochachtung und Ergebenheit . . ."
Ohne auf den Wortlaut der konfiszierten Stelle näher eingehen
zu wollen, sei nur hervorgehoben, daß u. a. die Stelle VII
mit dem Wortlaut "jeder Kultur und staatsbürgerlichen
Freiheit hohnsprechende" beschlagnahmt wurde; daß läßt
also den Schluß zu, daß der Herr Zensor die Niederknüppelung
deutscher Abgeordneter durch èechische Staatspolizisten
als ein der Kultur und staatsbürgerlichen Freiheit entsprechendes
Vorgehen ansieht.
Der Unterzeichneten fragen daher an:
1. Ist der Herr Minister bereit, dafür Sorge zu tragen, daß
in Zukunft solche unerhörte Übergriffe des Zensors unterbleiben
und daß sich die Pressegerichte bei ihren Entscheidungen
an die gesetzlichen Bestimmungen halten, wornach es bekanntlich
nicht genügt, irgend eine Entscheidung zu fällen, sondern
wonach bei der Begründung dieser Entscheidung auch für
eine entsprechende Beweisführung Sorge zu tragen ist?
2. Erblickt der Herr Minister in der Entscheidung des Pressgerichtes
eine Beeinflussung des schwebenden Gerichtsverfahrens? Wenn ja,
was gedenkt der Herr Minister zu tun, um solche Eingriffe ein
für allemal zu unterbinden?
3. Ist der Herr Minister bereit, dafür Sorge zu tragen, daß
die Zensur in den deutschen Gebieten von freiheitlich und rechtlich
denkenden Menschen besorgt wird, die nicht blindwütiger Haß
gegen alles Deutsche, sondern Achtung vor der Freiheit der Presse
ihr Amt ausüben läßt?
Prag, am 24. März 1926.
Im Jahre 1924 brachten etwa 70 Postbedienstete durch Vermittlung
der Troppauer Postdirektion ein Absuchen an das Postministerium
ein, in welchem sie um Zuerkennung des Unterschiedes zwischen
jenem Gehalte ersuchten, der ihnen vom Umsturz bis zum 10. August
1920 oder aber bis zum Tage ihrer Versetzung aus dem schlesischen
Abstimmungsgebiete in polnischer Mark ausbezahlt worden war und
jenem Gehalte, der ihnen gebührt hätte, wenn die Èechoslovakei
ihnen die Bezüge angewiesen hätte.
Die Betroffenen stützten sich auf die Entscheidung Zahl 13060/23
des Obersten Verwaltungsgerichts vom 22. September 1924, wonach
das ganze Teschner Abstimmungsgebiet schon von Anfang an als zur
Èechoslovakei zugehörig erkannt wurde. Während
der Plebiszitzeit, als die internationale Plebiszitkommission
die Verwaltung führte, zahlte die polnische Postverwaltung
die Bezüge u. zw. in polnischen Mark aus.
Bisher ist nun eine Entscheidung des Postministeriums in zustimmendem
Sinne nicht erflossen. Dieses hat vielmehr auf eine Eingabe des
"Reichsverband der deutschen Postler", Sitz Reichenberg,
im konkreten Fall des Postkassiers Rudolf Gabsdiel in Aussig a.
E. unter Zahl 15712/III-1927 vom 1. April l. J. folgenden Bescheid
erteilt:
"Reichsverband deutscher Postler in Reichenberg!
Die Frage der Auszahlung des Valutaunterschiedes zwischen den
polnischen und den entsprechenden èechoslovakischen Bezügen
an die Angestellten, die in der Zeit des Plebiszits im Teschner
Gebiet Dienst versahen, wird einheitlich vom Standpunkt der beteiligten
Ressorts gelöst werden. Sobald es zur grundsätzlichen
Entscheidung dieser Frage kommt, wird auch über das Ansuchen
des Postkassiers Rudolf Gabsdiel in Aussig a. E. über die
Auszahlung des oben verwähnten valutarischen Unterschiedes
entscheiden werden.
F. d. Minister: Dr. Fatka e. h."
Die Regelung dieser dringenden Abgelegenheit wird also weiterhin
auf die Lange Bank geschoben. Auf frühere Eingaben erfolgte
die Antwort, daß das Justizministerium die Sache regeln
werde. Nach der Sachlage stellt diese Antwort bloß eine
Ausflucht dar. Der Rechtsanspruch der Betroffenen ist wohl auf
Grund der genannten Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichtes
klar.
Die Gefertigten fragen daher an:
Ist der Herr Minister bereit, die behandelte Angelegenheit der
Postbedientsteten, die seinerzeit im Teschner Abstimmungsgebiet
Dienst verrichteten, im Sinne der zitierten Entscheidung des Obersten
Verwaltungsgerichtes schleunigst zu regeln?
Prag, am 6. Mai 1927.
Die politische Landesverwaltung in Prag hat mit dem Erlasse Zahl
148.920 ai 27/8 A-251/3 ai 27 im Grunde des § 1 des Gesetzes
vom 12. August 1921 S. d. G. u. V. Nr. 304 das Verfahren zum Zwecke
der Inanspruchnahme der bisher der Staatsverwaltung zur Unterbringung
der Steuerverwaltung, des Steueramtes und der Evidenzhaltung des
Grundsteuerkatasters vermietetn Räumlichkeiten im Hause Nr.
2339 in Gablonz a. N., Talstraße Nt. 33 für öffentliche
Zwecke u. zw. für Zwecke des neu errichteten Polizeikommissariates
in Gablonz a. N. und zur Unterbringung seiner Angestelletn eröffnet.
Gleichzeitig wurde im Sinne des § 3 des zitierten Gesetzes
die kommissionelle lokale Erhebung auf Freitag, den 6. Mai 1927
festgesetzt.
Hiezu erlauben sich dem Herrn Minister die Interpellanten folgendes
bekanntzugeben:
Als im Jahre 1925 die Verhandlungen mit dem Arbeitsministerium
in Prag wegen der Erbauung eines staatlichen Amtsgebäudes
in Gablonz a. N. stattfanden, sagte die Stadtgemeinde Gablonz
a. N. einen Baubeitrag zum staatlichen Amtsgebäude in der
Höhe von Kè 500.000 zu u. zw. Kè 150.000 als
Entschädigung für die von der Stadt unentgeltlich abgetretenen
Baugrundstücke und Kè 350.000 in bar. Die Gewährzng
dieses Baubeitrages, der inzwischen tatsächlich geleistet
worden ist, war jedoch an zwei Forderungen bezw. Bedingungen der
Stadtgemeinde geknüpft:
1. daß bei dem Bau des staatlichen Amtsgebäudes in
der Stadt Gablonz a. N. wohnhafte Baugewerbetreibende beschäftigt
werden sollen und
2. daß die durch die Übersiedlung der Steueradministration
und des Steueramtes aus dem Hause Talstraße Nr. 33 in das
neue staatliche amtsgebäude frei werdenden Wohnräume
der Wohnungsfürsorge zugeführt werden sollen.
An diese Forderungen bezw. Bedingungen, doe die Stadtvertretung
Gablonz a. N. gestellt hat, ist die Staatscerwaltung der Meinung
der Interpellanten nach gebunden. Wenn der Staat ein neues Amt
errichtet, wie es das staatliche Polizeikommissariat ist, zu dessen
Errichtung keine wie immer geartete Nitwendigkeit vorhanden ist,
weil der Polizeidienst in der Stadt Gablonz a. N. erwiesenermaßen
von der Stadtgemeinde Gablonz a. N. bisher einwandfrei besorgt
wurde, so hätte der staat auch die hiefür nötigen
Räume zu schaffen, auch wenn die vorerwähnten Forderungen
der Stadtgemeinde bei ihrer Beitragsleistung zum staatlichen Amtsgebäude
nicht gestellt worden wären. Gewiß sind Fälle
denkbar, daß Enteignungen bezw. Inanspruchnahmen für
öffentliche Zwecke müssen von einer derart dringenden
Nitwendigkeit sein, daß die Enteigung bezw. Inanspruchnahme
von Privateigentum der Öffentlichkeit gerechtfertigt erscheint,
z. B. Enteignungen für Eisenbahnbauten, solche bei Epidemien
usw.
Keinesfalls liegt jedoch bei der Neuerrichtung eines Amtes wie
des Polizeikommissariates, dessen Einrichtung schon als nicht
nitwendig angeführt wurde, ein derart öffentliches Interesse
vor, daß auf Privateigentum gegriffen werden dürfte.
Der Staat hat selbst die Möglichkeit, durch Neuhauten die
für seine Ämter nötigen Räume zu erstellen.
Wenn im Jahre 1921 nach der staatlichen Neugründung noch
außergewöhnliche Maßnahmen erfordenten, so sind
heute 6 Jahre nach dem Inkraftreten des Gesetzes über die
Enteignungen die Verhältnisse nicht mehr so, daß die
nach demselben vorgesehenen außergewöhnlichen Maßnahmen
als welche sich gewiß eine Inanspruchnahme eines Privatgebäudes
darstellt, gerechtfertigt erscheinen.
Die Interpellanten richten daher an den Herrn Minister folgende
Anfragen:
1. Ist er bereit, mit Rücksicht auf die seinerzeittige Beitragsleistung
zum Baue des staatlichen Amtsgebäudes in Gablonz a. N. von
der Inanspruchnahme des Hauses Nr. 2339 in Gablonz a. N. abzusehen?
2. Ist er bereit abzusehen von der Errichtung eines staatlichen
Polizeikommissariates überhaupt und
3. wenn die Errichtung des staatlichen Polizeikommissariates dennoch
erfolgt, die hiefür nötigen Räume durch einen Neubau
zu gewinnen?
Prag, am 3. mai 1927.
Nach Art. 64 Abs. 4 der Reg. Verordnung vom 3. Feber 1926 Slg.
Nr. 17 können durch den Ressortsminister Richter, Beamte
und Bedienstete, die bei Inkrafttreten der Verordnung bereits
50 Jahre alt waren, von der Ablegung der Sprachenprüfung
befreit werden.
Während nun bei der politischen und Justizverwaltung von
diesem Rechte ausgiebiger Gebrauch gemacht wurde, ja bei Justiz
einzelne Beamte sogar aufgefordert wurden, das Enthebungsgesuch
vor der Prüfung einzubringen, aht die Finanzverwaltung im
schlesischen Bereiche sämtliche Ansuchen abgewiesen.
Der deutschen Bediensteten mußten sich deshalb im Juli und
August 1926 der Sprachenprüfung unterziehen, wobei 70 bis
80 Beamte im Alter von 44 bis 67 Jahren zurückgetreten sind.
Diese erhielten ein Zeugnis, daß sie die Prüfung mit
"nichtgenügendem" Erfolge abgelegt haben. Dies
ist natürlich ganz widersinnig; denn wenn jemand vor der
Prüfung zurücktritt, hat er die Prüfung doch nicht
mit ungenügendem Erfolge abgelegt. Er hat die Prüfung
eben vorderhand nicht gemacht und muß sie binnen Jahresfrist
machen. Fällt er dann durch, so kann er sie noch einmal wiederholen.
Dadurch gewinnt er aber ein Jahr Zeit. Dadurch aber, daß
im Zeugnis gesagt ist, daß der Kandidat die Prüfung
mit ungenügendem Erfolge "abgelegt" hat, wird eigentlich
ein negativer Erfolg bestätigt, was auch in die Qualifikationstabellen
eingetragen wurde und die nachteiligen Folgen (Hemmung der Vorrückung,
Disqualifikation) nach sich zieht.
Die nächsten Wochen sollen die Wiederholungsprüfungen
beginnen. Die Gewerkschaft deutscher Steuerbeamten in Schlesien
hat nun im Finanzministerium eine Eingabe überreicht, in
welcher gebeten wird, mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse
in Schlesien die über 40 Jahre alten Angestellten von der
Ablegung der Prüfung zu befreien. Die besonderen Verhältnisse
in Schlesien sind aber durch folgende Umstände gegeben: Auf
Grund der Badenischen Sprachenverordnung sollte in Böhmen,
Mähren und Schlesien im ajhre 1897 in sämtlichen Mittelschulen
die zweite Landessprache (èechisch) als Pflichtgegenstand
eingeführt werden. Die Landtage von Böhmen und Mähren
haben dem auch entsprochen, während der schlesische dagegen
Stellung nahm Insbesondere haben sichder èechische Vertreter
Dr. Stratil und der polnische, Halfar aus Poremba, dagegen zur
Wehr gesetzt. Es kam infolgedessen nicht zur Einführung der
zweiten Sprache als Pflichtgegenstand. Aus diesem Grunde bildete
auch die Kenntnis der zweiten Landessprache in Schlesien kein
Amstellungserfordernis im Gegensatz zu Böhmen und Mähren.
Wenn deshalb in Böhmen und Mähren keine Enthebungen
Platzgegriffen hätten, würde die gleiche Praxis in Schlesien
ein krasses Unrecht bedeuten, umsomehr, als den Beamten in vorgerückten
Jahren die Erlernung einer fremden Sprache neben ihren Dienstpflichten
ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Wenn das Finanzministerium nun darauf besteht, daß diese
77 Angestellten der schlesischen Finanzverwaltung zu den Prüfungen
antreten, ist mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten,
daß fast alle nicht entsprechen und nach Art. 66 der Sprachenverordnung
disqualifiziert und pensioniert werden. Der Referent im Ministerium
hatte zugesagt, den Akt zur neuerlichen Antragstellung an die
schles. Finanzdirektion abzutreten; doch ist es zur Stunde angeblich
noch nicht geschehen.
Da die Prüfungen vor der Tür stehen, stellen die Gefertigten
hiemit an den Herrn Finanzminister folgende Anfragen:
1. Warum hat gerade nur die Finanzverwaltung in Schlesien von
dem Befreinungsrecht nach Art. 64/4 der Reg. Verordnung vom 3.
Feber 1926 Nr. 17 zu Gunsten der älteren deutschen Beamten
und Bediensteten keinen Gebrauch gemacht?
2.Warum wurde das neuerliche Ansuchen der Gewerkschaft deutscher
Steuerbeamten in Schlesien um Befreiung der über 40 Jahre
alten Angestelletn bisher weder der Finanzdirektion in Troppau
zur Antragstellung übermüttelt, noch überhaupt
einer Erledigung zugeführt?
3. Sind Sie bereit, mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnise
in Schlesien, woselbst ehedem im Gegensatz zu Mähren und
Böhmen die Kenntnis der èechischen Sprache kein Anstellungserfordernis
war, der Bitte stattzugeben und die älteren Beamten und Bediensteten
von der Ablegung der Sprachprüfung zu befreien?
Prag, am 27. April 1927.
Die Staatsbahndirektion Olmitz hat die ihr unterstellen Dienststellen
mit Erlaß Zahl. 2134/1-I-27 v. 8. März l. J., Dienstbefehl
Nr. 0111 angewiesen, alle Angestellten aufmerksam zu machen, daß
der Heimatschein künftighin als Nachweis der èechslovakischen
Staatsbürgerschaft nicht hinreicht, sondern daß dieser
Nachweis künftighin ausschließlich nur durch die Bestätigung,
wie sie im Dienstauftrag Nr. 19 des Amtsblattes des Eisenbahnministeriums
Nr. 5/1927 und in der Verordnung des Innenministeriums vorgeschrieben
ist, vollgültig erbracht werden kann.
Der Erlaß ordnet weiter an, daß jeder Eisenbahnangestete,
dessen Staatsbürgerschaft strittig oder unsicher ist, um
Ausfolgung der vorgeschriebenen Legitimation über die èechoslovakische
Staatsbürgerschaft ansuche. Namen und Charakter jener Angestellten,
welche um eine derartige Legitimation ansuchten oder ansuchen
werden, sind der Staatsbahndirektion bekanntzugeben.
Bezüglich der Angestellten der Kaschau - Oderberger Eisenbahn
enthält der Erlaß die Bestimmung, daß bei jenen
Angestellten, welche nach dem Umsturz in dem jetzt polnischen
Teile des Teschner Gebietes zustündig waren, dieses Heimatsrecht
den Vorrang hat, auch wenn sie noch so lange in dem jetzt èechoslovakischen
Teile des Teschner Gebietes wohnen. Diesen Angestellten wird,
auch wenn sie schon vor dem 1. Jänner 1908 im èechoslovakischen
Gebiete wohnten, unifiziert sind und sich im guten Glauben als
èechoslovakische Staatsbürger betrachtet haben, der
Besitz dieser Staatsbürgerschaft aberkannt. Der genannte
Erlaß verweist diesbezüglich auf die im 1. Teile des
èechoslovakisch - polnischen Vertrages Nr. 56 S. d. G.
u. V 1926 enthaltenen Bestimmungen.
Schließlich enthält der vom Staatsbahndirektor Polívka
gezeichnete Erlaß die Bestimmung, daß nach Absatz
4, § 122 der Dienstordnung der Verlust der èechoslovakischen
Staatsbürgerschaft als freiwilliger Austritt aus dem Eisenbahndienste
angesehen wird und den Verlust aller Rechte gegenüber dem
Pensionsfonde für solche Angestellte und deren Nachkommen
zur Folge hat.
Die mit diesem Erlaß getroffenen Anordnungen kennzeichnen
sich als eine für alle, unter die Bestimmungen dieses Erlasses
fallenden Angestellten von den schwersten Folgen begleitete Bedrohung.
Namentlich erscheinen jene Angestellten der Kaschau - Oderberger
Eisenbahn, die schon lange vor dem 1. Jänner 1908 vielfach
seit der Geburt, auf dem jetzt èechoslovakischen Gebiete
des Teschner Landes wohnen, ihr Heimatsrecht jedoch in irgend
einer Gemeinde des jetzt polnischen Teiles dieses Gebietes besaßen,
und die sich nach der Landesteilung in ihrer Wohngemeinde um Anstellung
eines Heimatscheines bewarben, der ihnen auch augestellt wurde,
die weiters auf Grund des Erlasses des Eisenbahnministeriums Zl.
46781-I/3 vom 24. September 1921 um die Unifizierung ansuchten
und auch unifiziert wurden, die den vorgeschriebenen Diensteid
abgelegt haben und ihren Dienst mit Eifer und Treue versehen,
durch die getroffene Verfügung in ihrer und der Existenz
ihrer Familie schwerstens bedroht.
Diese Angestellten, die seitens des Gemeindeamtes ihrer Wohngemeinde
beim Ansuchen um Ausstellung eines Heimatscheines durch den Regierungskommissär
als Vorsitzenden der Verwaltungskommission dahin belehrt wurden,
daß sie auf Grund ihres langjährigen Wohnsitzes auf
jetzt èechoslovakischem Gebiete im Sinne des Art. III der
Entscheidung der Pariser Botschafterkonferenz vom 28. Juli 1920
für den èechoslovakischen Staat nicht besonders optieren
müßten, da sie die èechoslovakische Staatsbürgerschaft
auf Grund des Wohnsitzes vor dem 1. Jänner 1908 ipso jure
besäßen, befanden sich, durch diese Belehrung irregeführt,
im guten Glauben, daß sie èechoslovakische Staatsbürger
sind. Ihren Willen, diese Staatsbürgerschaft, zu erwerben,
haben diese Angestellten durch das Ansprechen eines Heimatscheines
bei ihrer Wohngemeinde, durch ihr Ansuchen um Unifizierung und
durch die Ablegung des vorgeschrieben Diensteides kundgetan. Alle
diese Willensäußerungen sind aber der unzweifelhafte
Ausdruck einer Option für die Èechoslovakische Republik
bezw. dafür, daß diese Angestellten sich als Bürger
dieser Republik bekennen.
Da nun die Option, ihrem ganzen Wesen nach, ein rein singuläres
Recht ist, durch welches einem Individuum die Möglichkeit
gegeben wird, sich bei Gebietsänderungen zwischen zwei Staaten
für eine bestimmte Staatsangehörigkeit frei entscheiden
zu dürfen, während sich der gewählte Staat diese
Wahl widerspruchslos gefallen lassen muß, die vorangeführten
Angestellten aber ihre Wahl durch ihre Willensäußerung
in eindeutiger Weise zum Ausdrucke brachten, wurden sie eben durch
diese Option allen Rechtes vollgültige Staatsbürger
der Èechoslovakischen Republik.
Jetzt nach fast 7 Jahren der Zugehörigkeit zur Èechoslovakischen
Republik, wird ihre bisher anerkannte èechoslovakische
Staatliche Zugehörigkeit angezweifeltbezw. von den politischen
Behörden abgesprochen und sie werden vor die Gefahr völliger
Erwerbslosigkeit gestellt. Soweit sie im aktiven Eisenbahndienst
belässen sind, sind sie durch den plötzlichen und ungerechtfertigten
Abzug der Teuerungszulagen materiell schwer geschädigt und
in ihrer Lebensführung hart betroffen.
Irregeleitet durch die vom Gemeindeamte bezw. dem Regierungskommissär
ihrer Wohngemeinde erhaltene Belehrung haben diese Angestellten,
die sich bona fide als èechoslovakische Staatsbürger
betrachten, auch nach Veröffentlichung des èechisch
- polnischen Vertrages, kundgemacht unter Slg. Nr. 56 am 29. April
1926, die Option nicht nachgetragen. Diese Unterlassung ist zum
nicht geringen Teile auch darauf zurückzuführen, daß
die politischen Behörden I. Instanz die im Punkt 2, Abs.
5, des I. Teiles des èechoslovakisch - polnischen Vertrages
vorgeschriebene Belehrung der Ortsbevölkerung über die
Möglichkeit der Einbringung von Optionsansuchen nicht durchgeführt
haben, sowie auch die Eisenbahnbehörde selbst eine neuerliche
Belehrung der Angestellten über diese Vertragsbestimmungen
jedenfalls für nicht notwendig befunden und deshalb unterlassen
hat.
Die angezogene Verfügung der Staatsbahndirektion Olmütz
atmet eine Personalfeindlichkeit, die ihresgleichen sucht.
Die Unterzeichneten fragen die beiden Ressortminister an:
1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die politischen Behörden
anzuweisen, daß alle jene Angestellten der Kaschau - Oderberger
Eisenbahn, die schon vor dem 1. Jänner 1908 ihren ständigen
Wohnsitz auf jetzt èechslovakischem Gebiete des Teschner
Landes hatten, unifiziert wurden, den Diensteid abgelegt haben
un ihren Dienst zur Zufriedenheit vershen, ohne weiters als èechoslovakische
Staatsbürger bei voller Gültigkeit der hier erworbenen
Heimatscheine anzuerkennen sind?
2. Ist der Herr Eisenbahnminister bereit, anzuorden, daß
allen jenen Angestellten der Kaschau - Oderberger Eisenbahn, denen
wegen angeblich mangelnder Staatsbürgerschaft ein Teil der
Dienstbezüge vorenthalten wird, mit sofortiger Giltigkeit
die vollen Dienstbezüge und der Nachtrag der bisherigen
Abzüge ausgezahlt werden?
Prag, am 6. Mai 1927.