Vor allem leiden wir daran, daß hier alles zentralisiert
wird. Alles! Es hat einmal geheißen, wir wollten unsere
Universität heraushaben, wenigstens wollten wir Parallel-Kurse
nach Reichenberg haben. Es wäre eine Teilung eingetreten.
Wir haben in Reichenberg ein großes Krankenhaus, ein großes
Krankenmaterial, es wäre ganz gut möglich gewesen, Parallel-Kurse
zu der deutschen Universität zu errichten. Die deutsche Universität
ist für diesen Staat einfach zu klein und besonders die deutsche
medizinische Fakultät. Das gibt es nicht auf die Dauer, daß
festgesetzt werden kann, daß die Deutschen nicht mehr bekommen
dürfen, als sie vom alten Österreich noch notdürftig
herübergerettet haben.
Es muß eine Dezentralisation stattfinden, es muß dieses
große Krankenhaus geteilt, ein Teil auf die Landstädte
draußen verteilt werden. Dadurch wird es möglich werden,
freiwerdende weitere Räumlichkeiten von vorneherein zweckentsprechender
und moderner zu gestalten. Dann muß auch ein richtiger Austausch
zwischen den Professoren mit dem Deutschen Reiche und Österreich
stattfinden. Es ist einmal unser Mutterland, in uns lebt diese
Kultur, wie in den Brüdern draußen, und wir können
nur wünschen, daß endlich einmal die Regierung die
Notwendigkeit einsehe, Zustände zu schaffen, die es den reichsdeutschen
Professoren möglich machen, herzukommen. Meist lehnen sie
ab, weil sie in solche Kliniken nicht hineingehen, weil die materiellen
Verhältnisse zu schlechte sind, als daß ein Professor
einer Berufung Folge leisten könnte.
Nun muß ich gegen die Ausführungen meines Vorredners,
des Koll. Schmerda polemisieren. Er meinte, die Standesehre
wenn das Gesetz einmal Gesetz geworden ist, und die Mehrheit hat
es beschlossen und wird es durchführen, ob wir es ablehnen
oder nicht - gegenüber dem Koll. Schmerda muß
ich zur Steuer der Wahrheit sagen, daß der Ausdruck "Wahrung
der Standesehre ist Aufgabe der Ärztekammer" nicht beinhaltet,
daß wir Ärzte vielleicht ein bourgeoisies Vorrecht
gegenüber den Kommunisten haben wollen. Unter den Ärzten
sind ja auch Kommunisten, viele Ärzte sind aus den Arbeiterkreisen
hervorgegangen. Die Standsehre, die wir meinen, ist eine Ehre
über die gewöhnliche Ehre des Bürgers hinaus. Der
Arzt soll mehr Pflichtbewußtsein als ein anderer Bürger
haben. Das ist der Begriff der Standesehre und in diesem Sinne
ist sie nicht ein Vorrecht, sondern eine Überverpflichtung
über das gewöhnliche Maß der Bürgerehre hinaus
Und so verstanden, würde auch Koll Schmerda hoffentlich
nichts dagegen haben, nur muß er es richtig verstehen. Gerade
diese Verpflichtung über das Gesetz hinaus ist Standesehre.
Das Gesetz kann nicht zu etwas verpflichten, im Gewissen bin ich
zu mehr verpflichtet und das ist meine Ehre. Ausnahmsfälle,
die er angeführt hat beim Militär, wo z. B. ein Soldat
schlecht behandelt und seine Krankheit nicht anerkannt wurde,
so daß er endlich am Tage nach seiner Entlassung starb,
solche Ausnahmsfälle kommen vor. Es gibt in jedem Stande
auch im Ärztestande, manchmal gewissenlose und leichtfertige
Individuen, aber die sind Gott sei Dank sehr dünn gesät
und aus solchen Fällen zu schließen, daß auch
nur ein geringer Bruchteil von Ärzten so gesinnt wäre,
eine solche Vorgangsweise innehalte oder aus schnödem Gelderwerb,
um viel einzunehmen und wenig zu arbeiten, sich so verhalte, wäre
falsch, das sind Ausnahmen.
Ich könnte Ihnen eine große Zahl von Fällen aufzeigen,
wo Ärzte im Dienste der Menschheit, im Dienste von Krankenkassenpatienten
gearbeitet haben, bis sie im Sprechzimmer gestorben sind, kurz
nachdem sie den letzten Patienten untersucht hatten, ich könnte
Ihnen Fälle aufzeigen, wo Ärzte auf dem Wege zum Krankenbesuch
gestorben sind, kur Fälle, wo die Ärzte bis zum letzten
Augenblick sich aufgeopfert haben, bis sie in den Sielen zusammengebrochen
sind, wie ein altes Pferd. Und diejenigen Fälle will ich
gar nicht erwähnen, wo Ärzte bei Versuchen mit Pest
und Cholera Opfer ihres Berufes geworden sind, das kommt ja alle
Jahre vor und wieviel Opfer der Roentgenuntersuchungen haben wir
denn! Die Strahlen, die heilen, verursachen auch Erkrankungen,
bewirken auch Tod. Diejenigen, die mit dem Roentgenapparat arbeiten,
sind natürlich vielmehr in Gefahr als der Patient, der nur
ein oder zweimal der Bestrahlung ausgesetzt wird, der Arzt arbeitet
ständig unter den Einfluß dieser Strahlen, ich kenne
selbst einige Ärzte, die dadurch schwere Schädigungen
erlitten haben. Dasselbe ist mit Radium der Fall, ich könnte
Ihnen eine große Zahl von Fällen aufzählen und
eine ganze Reihe, ich würde nicht fertig werden Ihnen zu
beweisen, daß der Ärztestand durchschnittlich ständig
in Gefahr ist und trotzdem seinen Mann stellt und seine Pflicht
tut bis zum letzten. Daher ist es sicher nicht gerade angebracht,
solche Beispiele herauszugreifen, wie Koll. Schmerda es
tat und diese Beispiele vielleicht als typisch hinzustellen. Ich
glaube, er hat es auch nicht so gemeint.
Dann hat Kol. Schmerda von der deutschen Universität
gesprochen, im Ausschuß und auch hier. Ich kenne Herrn Professor
Fischel, bin sehr gut mit ihm gewesen, denn ich habe mit ihm in
Pardubitz beim Militär gedient. Ich weiß nicht, ob
er einverstanden ist wenn hier durch Koll. Schmerda für
ihn eine solche Propaganda gemacht wird und ich weiß auch
nicht, ob Dr. Hecht einverstanden ist, daß Koll. Schmerda
gewiß ohne sein Wissen von hier aus einen derartigen Panegyrikus
auf ihn gehalten hat, aber was ich und was jeder, ob nun Arzt
oder Laie, ablehnen muß, ist, daß eine Einflußnahme
auf die Autonomi der Hochschulen genommen wird, gleichgültig,
ob von Seiten der Regierung oder vom Parlament. Die Universitäten
sind durch eine alte Tradition autonom Das war ihr Stolz und das
ist der Hort der geistigen Freiheit. Die deutschen Universitäten
haben sich erst dann wieder zu ihrer Höhe erhoben, als sie
wieder frei, autonom und selbständig waren. Daß Ungerechtigkeiten
auch in einem solchen System vorkommen können, daß
auch da einmal parteimäßig oder durch Cliquen intriguenhaft
vorgegangen wird, kann vorkommen, das ist aber noch lange kein
Grund, die Autonomie der Hochschulen anzutasten. Wenn tatsächlich
diese Herren, die Koll. Schmerda genannt hat, so große
Männer und solche Kapazitäten sind, die in Rumänien
und überall Diplome und Anerkennungen bekommen haben, Weltruf
besitzen und 50 und 150 Abhandlungen geschrieben haben, so werden
sie sich schon durchsetzen, auch wenn sie nicht an der deutschen
Universität einen Professorenstuhl bekommen. Wenn sie tatsächlich
solchen Weltruf haben, werden sie wahrscheinlich anderswohin berufen
werden. Koch war auch nicht Professor, Koch war gewöhnlicher
Landarzt, aber sein Genie hat ihn emporgehoben, daß er eben
Professor wurde. Machen wir uns nichts vor, die wirkliche Tüchtigkeit
setzt sich immer durch insbesondere im Ärztestand. Auch die
Laienheilkunde, die der Koll. Wenzel angezogen hat, und
die er mehr berücksichtigt wissen wollte, auch die setzt
sich durch, wenn sie in Wirklichkeit besteht. Zum Beispiel Prießnitz!
Man braucht nur nach Gräfenberg zu gehen! Was ist heute Gräfenberg,
es beruht tatsächlich auf den Ansichten von Prießnitz
und seinen Methoden. Die Tüchtigkeit setzt sich durch, da
braucht es nicht Paragraphen, die das möglich machen und
vorschreiben. Daß Lehrstühle für physikalische
Heilmethoden schon bestehen, daß sie mehr gefördert
werden sollten, daß solche vielleicht auch neu geschaffen
werden könnten an verschiedenen Krankenhäusern, das
gebe ich ohne weiters zu, da stimme ich mit ihm vollkommen überein.
In den Krankenhäusern auf dem Lande ist natürlich auch
nicht alles golden und glänzend. So haben es die Sparmaßnahmen
mit sich gebracht, daß man die jungen Ärzte, die sich
draußen bei den Primarien aufhalten, nunmehr dazu verhält,
von ihrer ganz geringen Entlohung die Kost zu zahlen, die sie
früher umsonst bezogen haben. Das wirkt sich nicht nur finanziell
aus, das rächt sich auch an den Kranken, denn auf die Dauer
läßt sich der junge Arzt nicht unerhört ausnützen.
Die jungen Ärzte bekommen ein so geringes Entgelt, daß
dafür kaum ein Dienstmann zu haben wäre. Die jungen
Ärzte bleiben infolgedessen nur höchstens ein bis zwei
Jahre, in den Krankenhäusern und gehen dann schnell in die
Praxis. Dieser ewige Wechsel veranlaßt, daß immer
wieder neue, noch nicht praktisch geschulte Ärzte in solche
Posten einrücken. Geht nun der Primarius auf Urlaub, denn
auch er ist nur ein Mensch und keine Maschine, die ewig arbeiten
kann, so muß der ganze Krankenhausbetrieb von diesem nicht
ganz erfahrenen Arzt geleitet werden. Ist das gerecht, daß
man wegen der geringen erzielten Ersparnisse das Leben und die
Gesundheit vieler noch irgendwie gefährdet? Wäre es
nicht viel gerechter, wenn man solche Posten mit einem anständigen
Gehalt versähe und vielleicht festsetze, daß der Arzt
4 oder 5 Jahre an dieser Stelle bleibe? Die jungen Ärzte
würden erstens einmal gründlich in ihrem Fache ausgebildet
werden und zweitens wäre eine Stetigkeit in der Leitung dieser
Spitäler vorhanden.
Und nun zum Schluß! Nur Lebendiges kann wirken, Gesetz ist
tot, bleibt immer ein Buchstabe und niemals Leben schaffend. Aneiferung,
nicht Verbote brauchen wir.
Wir lehnen die Annahme dieser Gesetze ab u. zw. aus mehreren Gründen.
Erstens einmal sind sie schleuderhaft gearbeitete, ich habe es
schon im Ausschuß gesagt. (Posl. dr Schollich: Wie alle
Gesetze!) Jawohl, nach einem halben oder nach einem Jahr wird
sich wieder herausstellen, daß eine Novellierung notwendig
ist und wenn wir heute schon wissen - und das wurde mir auch zugegeben
- daß das Gesetz nicht vollkommen ist, daß sich herausstellen
wird, daß nicht alles so ist, wie man es sich denkt, wenn
man das also schon zugibt, dann lieber keine Änderung, sondern
eine gründliche Durchberatung, eine gründliche Überlegung
und nicht eine Überhudelung, wie sie im Ausschuß vorgekommen
ist.
Der Berichterstatter hat sich einen Rekord geleistet an Schnellsprechen.
Ich kann ziemlich gut hören, aber es wäre auch für
einen guten Èechen wahrscheinlich nicht möglich gewesen,
so schnell zu denken, wie der Mann gesprochen hat. Dann lehnen
wir sie aus dem Grunde ab, weil dadurch die Standesautonomie zerstört
wird; sie wird wieder ganz unter das Regiment des Ministeriums
genommen. Viele Vorrechte, die sie bis jetzt hatten, werden ihnen
weggenommen, und der Staatsgewalt übertragen, und zwar der
Staatsgewalt erster, zweiter und dritter Instanz. Dann lehnen
wir es auch ab, weil uns wieder auch in diesem Falle ein nationaler
Verlust zugefügt wird, weil auch in der Aera der deutschèechischen
Zusammenarbeit wieder die deutsche Sektion verschwindet. Bis jetzt
hatten wir eine deutsche Sektion der Ärztekammer, wo deutsch
verhandelt wurde, und eine èechische Sektion der Ärztekammer
in Böhmen, wo èechisch verhandelt wurde. Diese hatten
ein gemeinsames Präsidium, wo gemeinsam beraten wurde. Jetzt
werden wir nur eine einzige Kammer haben, in der natürlich
in èechisch verhandelt wird, also wieder ein nationaler
Verlust, den die deutschen Regierungsparteien mit auf dem Gewissen
haben. Dann lehnen wir es wegen des Berufs- und Tarifszwanges,
der in diesem Gesetz enthalten ist, ab. Abänderungsanträge
werden abgelehnt und wir bringen infolgedessen keine eigenen ein.
Die Zuschriften der Ärzte, die uns aufforderten, eine Änderung
zu erzielen, haben wir nach Möglichkeit befolgt. Wir haben
im Ausschuß das Möglichste getan, um die schwersten
Härten abzubiegen. Daß uns nicht alles gelungen ist
- daß wohl in einigen Punkten eine Milderung eingetreten
ist, gebe ich zu - daß nicht alles gelungen ist, ist nicht
unsere Schuld. So gehen wir mit ruhigem Gewissen an die Abstimmung,
die hoffentlich nicht mehr heute stattfindet, sondern morgen (Veselost.)
und wir werden mit gutem Gewissen gegen diese Gesetze stimmen.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany národní.)