Vor einigen Tagen, als hier die Erklärung
des Ministerpräsidenten vorgelesen wurde, haben wir hier
in diesem Saale ein sehr lehrreiches und eigenartiges Schauspiel
erlebt. Wir haben gesehen, daß, abgesehen von den unbotmäßigen
Kommunisten, hier in diesem Hause eine Einheitsfront der nationalen
Trauer sich hergestellt hat. Alle Parteien ohne Unterschied, von
der äußersten Rechten bis zu den deutschen Sozialdemokraten,
haben diese Erklärung sozusagen ergriffen aufgenommen, sie
haben sie aufgenommen als eine Erklärung darüber, daß
die Verteidigung des kapitalistischen Vaterlandes gefährdet
ist. Sie sind alle von demselben Geiste beseelt und das ist nicht
nur zum Ausdruck gekommen in dem feierlichen Stillschweigen, mit
dem die Erklärung aufgenommen wurde, sondern auch in der
Haltung der ganzen Presse und hier in der Debatte haben wir dasselbe
Schauspiel erlebt. Nur die eine Frage war für alle diese
Parteien maßgebend: ist die Sicherheit des Staates gewährleistet?
Das sozialdemokratische Organ, der "Sozialdemokrat",
hat die Frage aufgeworfen, ob das viele Geld, das da hinausgeworfen
wird, auch seinen Zweck erfüllt, wenn solche Dinge vorkommen
können, wie die Spionageaffäre. Alle diese Parteien
waren nur von dem einen Gedanken beseelt, daß das Vaterland
verteidigt werden müsse und daß dieses Ereignis von
diesem Gesichtspunkt aus betrachtet werden müsse. Und diese
Tatsache, die Tatsache, daß auch Vertreter von Parteien,
hinter denen leider noch immer sehr viele Arbeiter stehen, in
einer Front mit den bürgerlichen Parteien stehen für
die Vaterlandsverteidigung, diese Tatsache ist bei der Vorbereitung
des Krieges das allergefährlichste. Nicht nur die Rüstungen
der Bourgeoisie der kapitalistischen Staaten sind gefährlich,
sondern das gefährlichste ist die Verwirrung, welche man
in die Reihen der Arbeitenden zu tragen versucht, mit der man
versucht, die Arbeitenden einzulullen und versucht, einen Teil
der Arbeitenden durch die reformistischen Führer mit in eine
Front der Vaterlandsverteidigung hineinzuführen, damit die
Arbeitenden durch die Zersplitterung, Spaltung und Verwirrung
wehrlos werden, im Ernstfall, im Falle eines Krieges, sich zur
Wehr zu setzen und schon jetzt vor Kriegsausbruch gegen den Krieg
anzukämpfen.
Wir sehen dasselbe Schauspiel in der ganzen
II. Internationale, bei allen verschiedenen Flügeln, die
sich in dieser Frage in der II. Internationale zeigen. Wir haben
einen Flügel in der Internationale, der diese Ideen und Gedanken
ganz offen vertritt und verteidigt und ganz offen für dieselbe
Politik eintritt, die die II. Internationale im Jahre 1914 gemacht
hat, und wir haben einen anderen Flügel in der Internationale,
der etwas mehr trachtet, die Politik zu wiederholen, die die II.
Internationale vor dem Kriege gemacht hat, wo sie die Massen zu
täuschen suchte, wo sie in den Massen den Eindruck zu erwecken
versuchte, als ob sie gegen jeden Krieg sein würde, um dann
in demselben Augenblick, wo der Krieg ausgebrochen ist, ihr wahres
Gesicht zu zeigen. An diese Tatsache, daß die sozialdemokratischen
Führer, die Führer der II. Internationale, die in allen
Ländern mitarbeiten an der Vorbereitung des Krieges, entschlossen
sind, im Krieg genau so wie im Jahre 1914 an der Seite der Bourgeoisie
zu stehen, an diese Tatsache können viele Arbeiter nicht
recht glauben. Sie können etwas derartig Ungeheuerliches
nicht für wahr halten. Ein Teil der Arbeiter läßt
sich verwirren durch die Phrasen des linken Flügels, der
den entgegengesetzten Eindruck zu erwecken versucht. Deshalb ist
es notwendig, sich nicht mit der Behauptung zu begnügen,
daß die II. Internationale eine solche Politik anstrebt,
sondern klare und unwiderlegliche Beweise dafür anzuführen,
daß es so ist, damit auch die sozialdemokratischen Arbeiter,
die noch an diese Partei glauben, die glauben, daß diese
Partei gegen den Krieg kämpfen will, damit diese Arbeiter
klar sehen, wie die Dinge wirklich stehen und damit sie sehen,
daß kein anderer Weg bleibt für sie, bei denen wirklich
der Wille vorhanden ist, gegen den Krieg zu kämpfen, als
gemeinsam mit den kommunistischen Arbeitern unter der Führung
der kommunistischen Internationale gegen die Bourgeoisie und die
Reformisten den Kampf gegen die Kriegsgefahr aufzunehmen.
Wir haben für die II. Internationale einen
gültigen Beschluß, den Beschluß von Brüssel.
Dieser Beschluß wurde dort einstimmig angenommen, Die ganze
H. Internationale, der linke wie der rechte Flügel, stehen
hinter diesem Beschluß und er besagt eigentlich nichts anderes,
als in negativer Form, damit auch die Linke dafür stimmen
kann, aber klar und unzweideutig nichts anderes, als daß
die Sozialdemokraten in allen Ländern bereit sind, das sogenannte
Vaterland, d. h. den betreffenden kapitalistischen Staat, in dem
diese Partei lebt, zu verteidigen. Was besagt dieser Brüsseler
Beschluß? Er sagt, die Sozialdemokratie ist entschlossen,
jede Regierung zu bekämpfen, welche zum Krieg greift, ohne
sich einem bindenden Schiedsbeschluß zu fügen, ohne
sich dem Urteil eines Schiedsgerichtes zu unterwerfen. Das klingt
so, als ob die Sozialdemokraten gegen diese Regierungen, die Krieg
führen wollten, kämpfen wollten. Es heißt in diesem
Beschluß sogar, da die Sozialdemokratie bereit ist, solche
Regierungen auch mit den revolutionären Mitteln zu bekämpfen,
und diese Formulierung wird ausgenützt, um die Arbeiter zu
täuschen, um ihnen einzureden, alles ist in schönster
Ordnung, die II. Internationale ist ein Hort des Friedens. Aber
was besagt dieser Beschluß wirklich? Dieser Beschluß
in der Formulierung, diejenigen Regierungen zu bekämpfen,
die sich einem Schiedsgericht nicht unterwerfen, ist nur eine
andere Formulierung für die alte, schon etwas abgebrauchte,
schwindelhafte Erklärung, daß die Sozialdemokratie
nur diejenigen Regierungen im Kriege unterstützen wolle,
die einen Verteidigungskrieg führen. Diese Formel mit dem
Schiedsgericht soll nur erklären, woran man erkennen wird,
ob eine Regierung einen Verteidigungskrieg führt oder nicht.
In der Praxis wird das selbstverständlich unmöglich
sein. Wir haben das im Jahre 1914 erlebt. Alle Regierungen erklärten,
daß sie angegriffen worden sind, alle erklärten, daß
sie niemals einen Angriffskrieg führen wollen, und sie haben
das auch im Kellogg-Pakt unterschrieben. Jede Regierung wird selbstverständlich
den Sozialdemokraten nachweisen - sie brauchen das ihnen gar nicht
nachzuweisen, die Sozialdemokraten werden ihnen bei diesem betrügerischen
Nachweis selbst helfen - daß sie angegriffen sind und daß
die Arbeiter die Pflicht haben, den Staat zu verteidigen. Aber
dieser Beschluß hat noch eine andere Seite. Es heißt
dort, gegen alle Regierungen auch mit revolutionärsten Mitteln
zu kämpfen, welche sich einem solchen Schiedsspruch nicht
unterwerfen, d. h. daß die sozialdemokratische Partei, die
II. Internationale, hier eine Plattform haben will - und da würde
es nicht bei der bloßen Phrase bleiben - gegen die Sowjetunion
nicht mit revolutionären, sondern mit kontrarevolutionären
Mitteln der Gewalt anzukämpfen, wenn sie sich nicht dem Schiedsspruch
bürgerlicher Staaten unterwirft. Dieser Beschluß soll
der II. Internationale die Möglichkeit geben, die Sowjetunion
im Falle eines Konfliktes als den Angreifenden hinzustellen, wenn
sich dieser proletarische Staat nicht dem bürgerlichen Schiedsspruch
unterwirft, um den Arbeitern sagen zu können, daß sie
gegen den ersten Arbeiterstaat der Welt kämpfen müssen.
Wir haben eine ganze Reihe anderer Beweise
aus der Praxis, nicht bloß in Resolutionen oder Worten,
welche uns zeigen, wie die II. Internationale zu dieser Frage
steht. Ich will in diesem Zusammenhang hier nicht von dem Kriegsgesetz
Boncour sprechen, über welchen hier schon ausführlich
gesprochen wurde. Ich will auch darüber nicht sprechen, daß
Macdonald, als er zum erstenmal in der Regierung eines großen
Weltreiches saß, und zwar allein, mit Sozialdemokraten ohne
Vertreter der ausgesprochen kapitalistischen Parteien, daß
er in dieser Zeit nicht nur gerüstet hat, sondern daß
er auch Krieg geführt hat gegen wehrlose, unterdrückte
Völker, daß er Flugzeuge nach Ägypten und nach
Indien zum Bombardement von Städten dirigiert hat. Ich will
auch davon nicht sprechen, daß in der II. Internationale,
wo man manchmal die Dinge so hinzustellen sucht, als ob dieser
Paul Boncour nur ein einzelner wäre, für den die II.
Internationale nicht verantwortlich sei, noch nicht ein einziger
Beschluß gefaßt wurde, in dem diese Dinge etwa verurteilt
worden wären oder wo die Haltung der II. Internationale während
des Weltkrieges verurteilt worden wäre, was bedeutet, daß
die ganze II. Internationale auf demselben Standpunkt steht, wie
Paul Boncour und Macdonald.
Ich will von neueren Dingen sprechen, welche
genau dasselbe beweisen. Wir haben gesehen, wie in Berlin ein
sozialdemokratischer Minister, ein sozialdemokratischer Polizeipräsident
dazu übergegangen sind, den Arbeitern das Recht auf die Straße
zu nehmen und ihnen sogar zu verbieten, am 1. Mai auf die Straße
zu gehen und zu demonstrieren. Es ist ganz klar, daß hier
die Sozialdemokraten mit faszistischen Methoden dazu übergehen,
die Voraussetzungen zu schaffen, welche die Bourgeoisie für
den Fall eines Krieges braucht. Wir haben gesehen, wie die Sozialdemokraten
für Deutschland einen Panzerkreuzer bewilligt haben, der
keinen anderen Zweck haben kann, als es Deutschland zu erleichtern,
in der kapitalistischen Einheitsfront gegen die Sowjetunion vorzugehen.
Wir sehen, wie in der ganzen II. Internationale die sozialdemokratische
Partei in allen Ländern dazu übergeht, gegen die Wirtschaftskämpfe
der Arbeiter faszistische Methoden anzuwenden, wie sie den offenen
Streikbruch in der niederträchtigsten Form organisiert, um
diesen Kampf zu brechen, wie sie den Wirtschaftsfrieden propagiert.
Zu welchem Zweck geschieht dies? Einesteils um die Gesundung des
Kapitalismus, die sog. Rationalisierung zu ermöglichen, für
welche sich heute die II. Gewerkschaftsinternationale bereits
ausgesprochen hat, natürlich auf Kosten der Arbeiter, um
den Zusammenbruch des ganzen kapitalistischen Systems zu verhindern
oder, weil sie das nicht können, ihn wenigstens zu verzögern.
Auf der anderen Seite aber geschieht es deshalb, weil die Bourgeoisie
bei der Kriegsvorbereitung eben einen Burgfrieden braucht, weil
sie dabei keine Verschärfung des Kampfes der Arbeiterklasse
brauchen kann. Deshalb gehen auch die Sozialdemokraten in allen
Ländern dazu über, alle Organisationen der Arbeiter,
die ihre Widerstandskraft steigern könnten. zu zerschlagen.
Wir sehen eine Spaltungsoffensive in den Gewerkschaften, in allen
Massenorganisationen, in den Kulturorganisationen, ja sogar bei
den Freidenker- und Sport-Organisationen. Wir sehen, wie die Sozialdemokratie
die Kulturreaktion unterstützt, die die Bourgeoisie braucht,
um die Ausbeutungsoffensive zu unterstützen, weil selbstverständlich
die Hirne der Arbeiter, die durch Religion vergiftet sind, sich
leichter ausbeuten lassen, aber auch um den Krieg führen
zu können, weil man klar denkende Arbeiter schwerer in den
imperialistischen Krieg hineinzuführen vermag, als Arbeiter,
die durch diesen mittelalterlichen Aberglauben nicht verdummt
sind. Wir sehen, wie jetzt auf dem Magdeburger Parteitag diese
ganze Politik klar und eindeutig von der deutschen sozialdemokratischen
Partei beschlossen wurde und wie diese Beschlüsse unter Zustimmung,
unter Billigung der sozialdemokratischen Parteien aller anderen
Länder gefaßt wurden. Wir sehen in diesen Magdeburger
Beschlüssen das deutliche Gesicht der ganzen II. Internationale
und die Arbeiter können daraus ersehen, was sie von dieser
Partei im Ernstfalle zu erwarten haben. Auf dem Magdeburger Parteitag
wurde die ganze Koalitionspolitik gebilligt, also auch das Verhalten
am 1. Mai in Berlin und eine ganze Reihe anderer Dinge, wie das
Finanzprogramm Hilfferdings, das bedeutet, daß die Bourgeoisie
mit der Heranziehung der Sozialdemokraten nicht etwa einen linkeren
Kurs einschlagen, sondern daß sie unter Voranschickung der
Sozialdemokraten einen schärferen Kurs gegen die Arbeiterschaft
einschlagen will. Das wurde in Magdeburg gebilligt. Es wurde das
Wehrprogramm gebilligt, die Frage des Panzerkreuzers und das ganze
Verhalten der deutschen sozialdemokratischen Minister und der
Ministerpartei. Wir sehen in der ganzen II. Internationale ganz
deutlich, daß sie bereits offen bekennt, was wir immer bei
ihr festgestellt haben, daß sie staatsbejahend ist, daß
sie für ihr kapitalistisches Vaterland in jeder Hinsicht
eintritt und selbstverständlich auch im Kriegsfalle dafür
eintreten wird.
Da es sich hier um Dinge handelt, bei denen
es sehr wichtig ist, die Arbeiter davon zu überzeugen, daß
die Dinge wirklich so stehen, wie wir sie sehen, und weil die
sozialdemokratischen Arbeiter sehr schwer zu überzeugen sind,
daß ihre Führer derartige Verbrechen gegen sie vorbereiten,
werde ich mir erlauben, ein paar ganz kleine, kurze Zitate anzuführen,
wo aus den Worten der betreffenden sozialdemokratischen Führer
selbst klar hervorgeht, daß sich die Dinge wirklich so verhalten,
wie ich sie hier schildere.
Vor diesem sozialdemokratischen Parteitag in
Magdeburg hat eine große Debatte in der II. Internationale,
vor allem in der deutschen und in der österreichischen Partei,
über die Frage des Wehrprogramms stattgefunden, welche auf
diesem Parteitag behandelt werden sollte. Da haben wir nun die
verschiedenen Schichtungen und Flügel in der II. Internationale
kennen gelernt. Da konnte man sehen, wie trotz aller scheinbaren
Unterschiede in der Methode des Betruges an den Arbeitern doch
alle verschiedenen Gruppen auf einer gemeinsamen Plattform stehen.
Ich will beginnen mit einem Manne, der den sog. äußersten
Linken Standpunkt in der Partei eingenommen hat, um zu zeigen,
wie sogar dieser sog. linkeste Mann ganz klar auf dem Standpunkt
der kapitalistischen Vaterlandsverteidigung steht und auch den
Krieg gegen die Sowjetunion zu führen bereit ist. Damit die
Arbeiter an der Hand der Worte der Führer selbst erkennen,
daß die Dinge wirklich so stehen, bringe ich diese Zitate:
In einer Broschüre, die Paul Levi, der frühere Kommunist,
jetzt linkester Sozialdemokrat, geschrieben hat, ist Folgendes
zu lesen: "Indem die Sozialdemokratie durch diese politische
Haltung und die mit den anderen Organisationen auszuübende
Kontrolle den Beginn eines Krieges von deutscher Seite wirksam
hemmt" - also da wird schon diese Illusion erzeugt, als ob
man mit solchen Mitteln, wie Kontrolle der Regierung, den Beginn
eines Krieges hemmen könnte "übernimmt sie zugleich
die Verantwortung dafür, daß nicht wahrhaft proletarische
Interessen, die Freiheiten der demokratischen Republik gegenüber
anderen Institutionen " - und jetzt wird in Klammern ausdrücklich
gesagt: " (Rußland, Italien) " - "die Sicherheit
des Landes durch einen Angriff von außen gefährdet
werden." Also dieser ganz linke Paul Levi sagt, wir müssen
in der Deutschen Republik die Freiheiten der Arbeiter verteidigen,
wir als Sozialdemokraten übernehmen die Gewähr, daß
nicht das rückständige Rußland, die Sowjetunion,
wo die Diktatur herrscht, wo das Proletariat unterdrückt
wird - seiner Behauptung nach - daß nicht dieses Rußland
die freie demokratische Republik Deutschland angreift und die
Freiheiten der Arbeiter bedroht. Das heißt, daß dieser
linkeste von ihnen ganz offen und deutlich Rußland mit Italien
in eine Front stellt, Rußland sozusagen als faszistischen
Staat hinstellt und auf der anderen Seite das kapitalistische
Deutschland als demokratische Republik bezeichnet, in der die
Arbeiter alle möglichen Freiheiten haben. Wenn da ein Arbeiter,
und sei er noch so sehr von sozialdemokratischen Auffassungen
befangen, nicht sieht, daß hier ganz klar angekündigt
wird, daß im Falle eines Krieges mit Rußland die Sozialdemokraten
an der Seite der Kapitalisten stehen wollen, daß sie jetzt
schon die Stimmung vorbereiten, um einen solchen Krieg gegen die
Sowjetunion führen zu können, dann weiß ich nicht,
was für stärkere Beweise man noch anführen soll.
Nehmen wir einen anderen Linken, den bekannten
Otto Bauer aus Österreich. Er steht schon etwas weiter rechts.
Noch etwas zwischen Levi und Bauer steht der sog. Linke Max Adler,
der auch eine Broschüre herausgegeben hat. In dieser Broschüre
hat sich dieser Linke auf den Boden der Brüsseler Beschlüsse
gestellt, also auch auf den Boden der Vaterlandsverteidigung.
Sie haben erklärt, daß sie gegen jeden Krieg sind.
Das bedeutet, daß sie auch im Falle, daß die Sowjetunion
sich gegen einen kapitalistischen Angriff verteidigen würde,
auch gegen diesen Kampf der Sowjetunion wären, gegen den
Krieg der unterdrückten Nationen und Kolonien, welche sich
von ihren Unterdrückern befreien wollen. Otto Bauer hat in
diesen Dingen eine sehr interessante Stellung eingenommen. Er
hat auch bei der endgültigen Abfassung des Beschlusses auf
dem Magdeburger Parteitag mitgewirkt. Er hat erklärt, als
in der deutschen sozialdemokratischen Partei darüber gestritten
wurde, ob man denn für die Reichswehr, für die Wehrmacht
in einem kapitalistischen Staat sein kann, Deutschland müsse
eine Wehrmacht haben. Er ist also für die Wehrmacht. Um es
aber, weil er doch immer ein Wort für die sich radikalisierenden
Arbeiter hat, diesen begreiflich zu machen, hat er auf den Fall
hingewiesen, daß es möglich wäre, daß z.
B. Frankreich durch Deutschland durchmarschieren wollte, um die
Sowjetunion anzugreifen, und dann Deutschland keine Armee hätte
und wehrlos wäre, und Frankreich ohne weiters durch Deutschland
durchmarschieren könnte. Er suchte den Anschein zu wecken,
als ob er für die kapitalistische Wehrmacht in Deutschland,
die natürlich im Falle eines Krieges gegen die Sowjetunion
ausgenützt würde, eintreten würde, um die Sowjetunion
zu schützen. Die Menschewisten in Rußland haben das
für bare Münze genommen und in einem Artikel veröffentlicht,
daß Otto Bauer dafür ist, wenn Frankreich Rußland
angreift und durch Deutschland marschieren will, daß dann
Deutschland gegen Frankreich kämpfen und sich verteidigen
solle. Aber das war Otto Bauer zu viel, so hat er es nicht gemeint,
er hat nur ein Argument finden wollen, um diese Wehrmacht in Deutschland
zu rechtfertigen, und so hat er dementiert, daß er etwas
derartiges gesagt hätte. Er habe gesagt: "Sollte der
Fall ein treten, dann muß man erst auf Grund der Um stände
prüfen, ob sich Deutschland wehren solle oder nicht. Aber
auf jeden Fall brauche Deutschland die Wehrmacht, um die Frage
überprüfen zu können und sich je nach der Lage
der Umstände entscheiden zu können." Tatsächlich
ist in den Magdeburger Beschluß eine Formulierung hineingekommen,
wonach es heißt, daß Deutschland die Wehrmacht braucht,
um sich irgendwie wehren und verteidigen zu können, wenn
es irgendwie in einen blutigen Konflikt hineingerissen würde.
Das heißt auf deutsch, daß die Sozialdemokraten dafür
sind, das Vaterland zu verteidigen.
Ein anderer Linker, Friedrich Adler, ein Mann,
von dem man in der Zeit der Revolutionswelle nach dem Kriege eine
Zeit lang glauben konnte, daß er den Weg zur Revolution
finden werde, hat gesagt: "Wir Sozialdemokraten in allen
Ländern werden die Sowjetunion verteidigen unter drei Bedingungen".
Das hat er in einem Artikel im "Kampf" geschrieben.
Diese drei Bedingungen sind:
1. Die Rückkehr Sowjetrußlands vom
Oktober zum März. Das heißt auf deutsch: Die Liquidierung
der Herrschaft der Arbeiter und Bauern in der Sowjetunion, die
Liquidierung der proletarischen Diktatur und die Wiederherstellung
der sog. bürgerlichen Demokratie, die im März erkämpft
wurde, mit anderen Worten, die Diktatur des Kapitals, welche in
kurzer Zeit zum Zarismus führen würde. Also die erste
Bedingung dafür, daß Friedrich Adler bereit wäre
zu erklären, daß die II. Internationale die Sowjetunion
verteidigen werde, ist, daß sie aufhört, ein proletarischer
Staat zu sein und daß sie ein bürgerlicher Staat wird.
Eine schöne Bedingung für einen Sozialdemokraten! Wir
werden Rußland verteidigen, nicht wenn es proletarisch ist,
sondern wenn es bürgerlich ist!
2. Die zweite Bedingung ist dieselbe, wie in
den Brüsseler Beschlüssen: Jawohl, wir werden die Sowjetunion
verteidigen, aber nur dann, wenn sie sich dem Völkerbund
unterwirft, d. h. mit anderen Worten: Wenn sich der proletarische
Staat unter die Diktatur der Weltkapitalisten und des Weltimperialismus
begibt; aber solange die Sowjetunion eine unabhängige proletarische
Politik betreibt, können wir sie nicht verteidigen!
3. Die dritte Bedingung, die Friedrich Adler
gestellt hat, damit die Sowjetunion verteidigt wird, ist die Auflösung
der III. Internationale; d. h. die einzige Kraft in allen kapitalistischen
Ländern und in der Sowjetunion, welche die Arbeiterklasse
zum Kampf gegen den Krieg, zur Verteidigung der Sowjetunion sammelt,
soll beseitigt werden, das Feld soll den Sozialdemokraten freigemacht
werden, die den Krieg, den Angriff auf die Sowjetunion mit vorbereiten.
Unter diesen Bedingungen ist Friedrich Adler bereit, für
die Sowjetunion einzutreten. Diese drei Bedingungen bedeuten zugleich,
daß unter den gegebenen Verhältnissen, wo die Sowjetunion
nicht daran denkt, auch nur ein Tüpfelchen davon zu erfüllen,
Friedrich Adler dafür ist, daß die II. Internationale
nicht für die Sowjetunion, sondern gegen die Sowjetunion
ist, also auch im Falle eines Krieges diesen mitmachen wird.
Einer, der früher immer als Linker gegolten
hat und sich selbst als linker Sozialdemokrat bezeichnet, aber
sehr stark nach rechts gerückt ist, Julius Deutsch, hat ebenfalls
eine Broschüre über diese Dinge geschrieben und man
muß sagen, es ist sehr interessant, er rückt mit der
Sprache offener heraus. Er erklärt an einer Stelle ganz offen:
Heute sind die Verhältnisse ganz anders, als vor dem Kriege.
Damals hatten wir Monarchien, einen feudalen Absolutismus u. s.
w., damals waren wir gegen den Staat, aber die demokratische Republik
von heute ist selbstverständlich unser Staat, heute sind
wir für die Verteidigung dieses Staates. Ich will auch hier
wörtlich zitieren, was er in dieser Broschüre sagt,
damit niemand glaubt, daß wir ihm etwas zuschreiben wollen,
was er nicht behauptet hat. Nach einer Phrase, in der er sagt,
daß die Sozialdemokraten gegen die Kriegshetze, gegen nationalistische
und imperialistische Kriege sind, führt er fort: "Aber
eines kann die Revolution nicht, das eigene Land wehrlos machen.
So eifrig die organisierte Arbeiterschaft für den Frieden
zu wirken hat, so eifrig sie ihn als teueres Gut verteidigen muß,
kann sie sich doch nicht der Tatsache verschließen, daß
vorerst für die meisten Staaten eine einseitige Abrüstung
nicht ohne Gefahr für die abrüstenden Länder ist."
Und weiter: "Ein fortgeschrittenes Staatswesen muß
gegen Angriffe eines zurückgebliebenen Landes verteidigt
werden." Das ist klar und deutlich. Selbstverständlich
werden die Sozialdemokraten, z. B. in Österreich, immer ihre
Republik, wo die Arbeiter auf den Straßen und Gassen hingemordet
werden, wo der Faszismus frecher ist als in vielen anderen Ländern,
als eines der fortgeschrittensten Länder bezeichnen und jedem
anderen Lande gegenüber erklären: Wir sind ein fortgeschritteneres
Land und müssen uns gegen dieses zurückgebliebene
Land verteidigen. Selbstverständlich werden sie dafür
sein, wenn die Èechoslovakei gegen Ungarn
einen Krieg führen würde, zu sagen, die Èechoslovakei,
dieser Staat, in dem der Faszismus derartige
Fortschritte macht, ist ein fortgeschritteneres Land und infolgedessen
muß es gegen Horthy-Ungarn verteidigt werden. (Posl.
dr Derer: Darum müssen Sie Horthy unterstützen!) Wir
sind nicht für Horthy, ich werde darauf noch zu sprechen
kommen, wer für und wer gegen Horthy ist. Jedenfalls seid
Ihr für die Verteidigung des kapitalistischen Staates. Mir
handelt es sich darum, dies festzustellen.
Dieser Satz: "Ein fortgeschritteneres
Land ist gegen ein rückständigeres Land zu verteidigen",
hat noch eine andere Bedeutung. Wenn es zu einem Kriege kommt,
sagen wir z. B. zwischen einem kapitalistischen Staat mit der
Schwindeldemokratie, zwischen Frankreich oder England gar und
Rußland, welches Land werden die Sozialdemokraten als fortgeschritteneres
Land bezeichnen? Darauf antworten Sie? Wir wissen aus Ihrer ganzen
Literatur, wie Sie fortwährend jetzt schon in den Arbeitenden
den Eindruck zu erwecken suchen: Rußland, das ist das Chaos,
das zurückgebliebendste Land, dort sind die Arbeiter geknechtet,
Sklaven usw. Hier bei uns aber sind die Arbeiter freie Leute,
hier geht es ihnen herrlich, beim 12-14-Stundentag in vielen Ländern,
unter faszistischer Verwaltung! In Rußland aber, wo der
Siebenstundentag eingeführt ist, die Löhne von Jahr
zu Jahr steigen, der Sozialismus aufgebaut wird, die Arbeiter
in Universitäten gehen, wo sie in die Schlösser auf
der Krim, im Kaukasus u. s. w. kommen, das ist zurückgebliebenes
Land. Was ist das für ein zurückgebliebenes Land, wo
die Arbeiter und Bauern herrschen, wo sie studieren gehen können
usw.? Aber unser Land, wo jetzt der Mieterschutz beseitigt werden
wird, wo die Ausbeutung der Arbeiter Tag für Tag gesteigert
wird, wo sie auf der Straße geprügelt, geschlagen,
erschossen werden, das ist ein fortgeschrittenes Land, das muß
man gegen die Sowjetunion verteidigen. Das bereitet Ihr jetzt
schon vor, diese Stimmung sucht Ihr in der Arbeiterklasse zu erzeugen,
damit Ihr der Bourgeoisie dieses schwierige Werk, die Arbeiter
da von zu überzeugen, daß sie gegen die Sowjetunion
kämpfen sollen, erleichtert, weil Ihr es selbst nicht für
leicht haltet, den Arbeitern einzureden, daß sie die Waffe
in die Hand nehmen sollen, um gegen die Sowjetunion zu kämpfen.
Wir haben unter Euch sogar gefeierte Führer, die das ganz
offen sagen, daß sie gegen die Sowjetunion Krieg führen
wollen. Euer Kautsky, Eure Geistesgröße, wie oft hat
der geschrieben, in einem Kriege gegen die Sowjetunion müsse
man die kapitalistischen Staaten oder die Revolution in der Sowjetunion
selbst unterstützen, um die Herrschaft der Arbeiter und Bauern
zum Zusammenbruche zu bringen, und wenn jemand das nicht glauben
will, will ich auch aus Kautsky paar Worte wörtlich zitieren,
damit jeder sich aus der neuesten Broschüre von ihm...
(Výkøiky: Wir haben auch solche
hier in der Èechoslovakei!) Selbstverständlich!....
Kein Wort ist hier gegen Kautsky geschrieben worden. In seiner
Broschüre "lnternationale und Sowjetrußland"
schreibt Kautsky: "Mit dem bolschewistischen Regierungssystem
kann es keine Gemeinschaft geben, wie jeder andere Militarismus,
wie die Militärmonarchie Romanovs" - auf diese Stufe
wird die Sowjetunion gestellt - "wie die der Habsburger und
der Hohenzollern dürfte auch er nur durch Gewalt zu überwinden
sein."