Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Errichtung
von Zwangsarbeitskolonien will unser Strafrecht in einigen Punkten
ergänzen und hat in erster Linie den Zweck, im Kampfe gegen
das überhandnehmende Verbrechertum genügende Mittel
zur Verfügung zu stellen, um namentlich asozialen Gewohnheits-
und Berufsverbrechern wirkungsvoller entgegentreten zu können.
Die Gesetzesvorlage sieht nun diese Mittel in der Ausgestaltung
der bestehenden Zwangsarbeitsanstalten und vor allem in der Errichtung
von Zwangsarbeitskolonien.
Es fragt sich nun, ob der heutige Stand der Kriminalität
neue besondere Mittel notwendig macht, um dem Verbrechertum entgegentreten
zu können und ob die beantragten Mittel auch tatsächlich
zweckentsprechend sind.
Die erste Frage ist unbedingt zu bejahen. Die Kriminalität
ist in der Nachkriegszeit bei uns sowie in allen Staaten im Aufsteigen
begriffen und es muß insbesondere festgestellt werden, daß
die Kriminalität der rückfälligen Verbrecher ständig
steigt. Darüber geben uns die Berichte der Tageszeitungen
genügende Aufklärung, aus denen namentlich hervorgeht,
daß die schwersten Angriffe auf das leben und auf das Eigentum
der Mitmenschen vielfach von kurz vorher entlassenen Verbrechern
ausgeübt werden. Es muß freilich gesagt werden, daß
dieses Gesetz nur ein ganz schwacher Behelf sein wird und daß
es notwendiger wäre, die Quellen der Kriminalität zu
verstopfen, als gegen den Verbrecher mit Repressivmaßregeln
vorzugehen, die Quellen der Kriminalität zu verstopfen durch
eine bessere, zu sittlichem Lebenswandel anleitende Erziehung
schon in der Jugend. Die Verwahrlosung der Jugend ist der beste
Nährboden für die Kriminalität und es ist verfehlt,
den Fehlern der verwahrlosten Jugend nur mit Zwangsarbeit und
Kriminal entgegenzutreten, statt dafür zu sorgen, daß
die Jugend vor der Verwahrlosung bewahrt werde. Deshalb wäre
schon in der Jugend eine bessere, sittliche Erziehung notwendig.
In zweiter Linie wäre die allgemeine soziale Besserstellung
zu erwähnen, denn aus dem sozialen Elendszustand wächst
zum großen Teil das Verbrechertum hervor und so mancher,
der heute mit Zwangsstrafanstalt und Kriminal Bekanntschaft macht,
ist ein Opfer der sozialen Entwicklung, der wirksam entgegenzutreten
er für sich zu schwach war. Trotzdem muß aber gesagt
werden, daß immer noch durch das Strafrecht der Gesellschaft
spezielle Mittel in die Hand gegeben werden müssen, um sie
gerade vor dem rückfälligen Verbrechertum mehr und besser
als bisher zu schützen. Denn die Gefährlichkeit des
rückfälligen asozialen Verbrechertums hat gerade jetzt
ein akutes Stadium erreicht. Der Staat hat einerseits einer gelinderen
Beurteilung des Gelegenheitsverbrechers das Wort gesprochen und
für ihn bedingte Strafverurteilung eingeführt. Über
den Wert oder Unwert derselben läßt sich streiten und
es zwingt sich einem die Frage auf, ob dadurch nicht ebenso viel
Schatten entstanden ist, als das Gesetz Licht gebracht hat. Andererseits
aber ist der Staat wieder verpflichtet, der Bevölkerung gegen
die große Landplage des arbeitsscheuen rückfälligen
Verbrechertums einen stärkeren Schutz als bisher zu gewähren.
Die Strafe allein genügt zur Herbeiführung dieses Zweckes
nicht. Die Strafe wird innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes
bemessen, sie nimmt Rücksicht auf die Tat, sie nimmt weniger
Rücksicht auf die Gefährlichkeit der Person und die
Strafe ist nicht im Stande, den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher
wenigstens für einen größeren Zeitraum aus der
Gesellschaft auszuschalten. So sehen wir, daß sich eine
große Anzahl von Individuen abwechselnd im Gefängnis
und in Freiheit befindet und die kaum wiedergewonnene Freiheit
zur Ausübung neuer Verbrechen benützen. Unsere Gefängnisse
scheinen auch vielfach eine Art Schule oder Praktikum zur Heranbildung
des berufsmäßigen Verbrechertums zu sein, das neu gestärkt
und mit Kenntnissen bereichert vielfach aus dem Kriminal kommt,
um die verbrecherische Laufbahn in erhöhten Masse zu betreten.
Es sind daher andere Mittel notwendig, um diese Elemente entweder
einer Besserung zuzuführen oder wenn dies nicht möglich
wäre, die Gesellschaft vor ihnen in wirksamerer Weise als
bisher zu schützen. Diese Mittel sind nach dem heutigen Stande
der Strafrechtslehre nur Sicherungsmaßnahmen, deren Dauer
unbestimmt ist und die dem individuellen Charakter des Verbrechers
angepaßt sein müssen. Daher brauchen wir gerade gegenüber
den rückfälligen Gewohnheits- und Berufsverbrechern
neue Mittel. Nun fragt es sich, ob das vorliegende Gesetz dazu
geeignet ist. Da möchte ich gleich betonen, daß es
nur einen Teil der Hoffnungen, die darauf gesetzt sind, erfüllen
wird. Wie schon das Wort andeutet, sind Zwangsarbeitsanstalten
und Zwangsarbeitskolonien dazu bestimmt, die darin angehaltenen
Personen an Arbeit zu gewöhnen, um dadurch eine Besserung
zu erlangen. Erst in zweiter Linie kommt der Schutzgedanke der
Gesellschaft in Betracht, diese gefährlichen Elemente für
längere Zeit vor dem Begehen neuer Verbrechen zu bewahren
und sie unschädlich zu machen.
In diesen Anstalten und in den Zwangsarbeitskolonien soll die
Arbeit keine Strafe sein, sondern sie soll als Erziehungsmittel
dienen und es ist undenkbar, daß durch die reine Strafe
ohne Arbeit überhaupt eine Besserung des rückfälligen
Verbrechers jemals erzielt werden könnte. Deshalb ist in
dieser Zwangsarbeit nicht etwa eine Erniedrigung des Arbeitsgedankens
im allgemeinen zu erblicken. Auch das ist nicht zu befürchten,
daß die gelieferten Arbeitsprodukte vielleicht eine unlautere
Konkurrenz gegenüber den anderen Arbeitern darstellen könnten.
Freilich muß das Wesen dieser Zwangsarbeit bedeutend geändert
werden. Heute besteht die Zwangsarbeit in den einzelnen Strafanstalten
vielfach in einer Kette sinnloser Verrichtungen, deren Sinnlosigkeit
auf den Häftling von vornherein niederdrückend wirken
muß, da bei den jetzigen Arbeitsmethoden gewöhnlich
oft nur ein Tausendstel des Arbeitserfolges erzielt wird, der
bei normalen Verrichtungen erzielt wurde. Ich erinnere nur an
das unsinnige Tütenkleben, das heute noch in den Arresten
eingeführt ist. Es soll Kulturarbeit geleistet werden, eine
Arbeit, deren Früchte zu sehen sind, eine Arbeit, die den
einzelnen befriedigt, eine Arbeit, die tatsächlich Werte
schafft, Werte, die nicht vorhanden sind. Wir haben solche Arbeitsgelegenheiten
bei uns in Hülle und Fülle, Arbeitsgelegenheiten, die
nicht benützt werden können, weil sie im Wege der Lohnarbeit
nicht rationell durchzuführen sind. Ich denke an die große
Arbeit der Rekultivierung der durch den Bergbau verwüsteten
Gebiete, an die Kulturmachung wegloser Gebiete in den Karpathen,
in der Slowakei, Podkarpatská Rus u. s. w. Es wäre
möglich, auf diese Weise wirklich Kulturarbeit zu leisten
und dadurch auf die Besserung des einzelnen Individuums hinzuwirken.
Das Gesetz ist im Grunde genommen eine Novellierung des Gesetzes
vom Jahre 1885. Freilich, es erweitert den Kreis der dadurch Betroffenen,
indem das vorliegende Gesetz diejenigen Verbrechen, auf Grund
welcher jemand in Zwangsarbeitskolonien angehalten werden kann,
nicht mehr taxativ aufzählt, sondern allgemein umschreibt,
und vor allem motiviert. Infolgedessen ist der Kreis der Verbrechen,
die zur Zwangsarbeitskolonie führen, bedeutend erweitert
worden. Allein es ist eingeengt durch die Hinzufügung des
betreffenden Motivs, es ist ausdrücklich bestimmt, daß
das Verbrechen derart sein muß, daß es als nichtswürdigt
bezeichnet werden kann, ein Verbrechen, das die Verkommenheit
des Verbrechers in ganz besonderer Weise dartut. Dadurch werden
auch alle Bedenken ausgeschaltet, daß dieses Gesetz vielleicht
dazu mißbraucht werden könnte, um politisch mißliebige
Personen auf Jahre hinaus in den Zwangsarbeitskolonien unschädlich
machen zu können. Das Gesetz verlangt ausdrücklich gemeine
Motive und Gemeinschädlichkeit in jeder Form. Es führt
einen neuen Begriff ein, nämlich die Charakterisierung dieser
Verbrechen durch die Bezeichnung "nichtswürdiger Leichtsinn".
Das ist in unserem Gesetzesleben eine neue Einführung. Wir
brauchen aber nicht zu befürchten, daß dadurch Menschen,
die gegen das Recht nicht verstoßen, ein Schaden zugefügt
werden könnte. Wenn wir die Kriminalität der Nachkriegszeit
näher betrachten, so sehen wir, daß gerade der nichtswürdige
Leichtsinn vielfach die Triebfeder zu Verbrechen gewesen ist,
welche die einzelnen dazu treibt, ehrliche Arbeit zu scheuen,
um auf jede mögliche Weise und mit allen Mitteln ein bequemes
Leben führen zu können. Das ist der Typus der jugendlichen
Verbrecher, der Verbrecher aus nichtswürdigem Leichtsinn.
Außerdem sorgt das Gesetz durch die Rückfallsklausel
dafür, daß nicht etwa derjenige, der durch eine unüberlegte
Handlung in die Maschen des Strafgesetzes geraten ist, der Zwangsarbeitskolonie
verfallen ist. Die Rückfallsklausel als solche verlangt unbedingt
das Kriterium, das Kennzeichen des Berufs- oder Gewohnheitsverbrechers.
Daß dieser neue Begriff wirkungsvoll und rechtmäßig
seine Anwendung findet, das müssen wir natürlich dem
freien richterlichen Ermesse anheimstellen, wie ja überhaupt
die Anhaltung in den Zwangsarbeitskolonien nicht etwa durch einige
Paragraphen geregelt wird, sondern dem Menschen die Beurteilung
des Verbrechers als Mensch überläßt. Die politischen
Behörden sind nach dem Gesetz berechtigt, die Anhaltung in
Zwangsarbeitskolonien auszusprechen. Die politische Behörde
ist bei uns die Sicherheitsbehörde und kann nicht ausgeschaltet
werden.
Ich habe gesagt, daß die Arbeit nicht Straf-, sondern Erziehungsmittel
sein soll. Das wird aber abhängen von dem Geist, in welchem
die Zwangsarbeitskolonien geführt werden. Der Buchstabe des
Gesetzes allein ist tot, der Geist macht ihn erst lebendig und
dieses Ziel wird verfehlt sein, wenn diese Zwangsarbeitskolonien
von Bürokraten geleitet werden, denen alles nur eine Aktennummer
ist und bei denen alles Geschehen sich durch Zeitablauf erledigt.
Dieses Ziel wird verfehlt sein, wenn die Zwangsarbeitskolonien
verwaltet werden von Gefängniswärtern, den Verwandten
des alten Feldwebels, der in den Häftlingen nur ein Objekt
einer mißliebigen Amtshandlung erblickt. Dieses Ziel wird
verfehlt sein, wenn neben der leiblichen Arbeit nicht gleichzeitig
auch seelische Wiedererneuerung des Häftlings in Betracht
gezogen wird. Deshalb wünschen und verlangen wir, daß
gerade zum Zwecke der seelischen Wiedergeburt derjenigen, die
zur Zwangsarbeit in den Kolonien angehalten werden, auch dem sittlichen
Einfluß der Religion der breiteste Raum gewährt werde.
Denn die Religion schafft nicht nur für sich allein Kulturwerte,
sie ist auch imstande, sittlich Entgleiste wieder auf die Höhe
der Arbeit, zur Höhe des Kulturmenschen zu erheben, damit
sie Werte schaffen für die menschliche Gesellschaft. In diesem
Sinne und in dieser Überzeugung stimmen wir für das
Gesetz. (Potlesk poslancù nìm. strany køes.
sociální.)
Hohes Haus! Gestatten Sie, daß ich, bevor ich mich mit der
uns vorliegenden Novelle befasse, unserer Entrüstung über
die Methoden Ausdruck gebe, die die Regierung beliebt, dem Hause
gegenüber anzuwenden Am Dienstag früh, also gleich am
Morgen nach dem zweiten Pfingstfeiertag wurde der Gesundheitsausschuß
einberufen, um zwei Gesetze durchzuberaten, die sich mit der ärztlichen
Praxis und mit den Ärztekammern befassen. Dieser überstürzte
Arbeitseifer der Regierung wir sind ja überzeugt, daß
es rein technisch gar nicht möglich war, alle Ausschußmitglieder
von der Sitzung rechtzeitig zu verständigen - stammt sicherlich
aus der großen Verlegenheit der Regierung, die auf der einen
Seite dem Plenum Material zum Arbeiten vorbereiten muß,
auf der anderen Seite aber in jeder Gesetzesvorlage eine Fülle
von Konflikten wittert. Vielleicht hat die Osmièka geglaubt,
daß bei diesen Vorlagen, deren Inhalt von der Regierungsseite
unbestritten sei, rascheste Arbeit möglich wäre. Darum
diese Überstürzung. Aber der Arbeitseifer der Regierung
ist sehr rasch verschwunden. Er ist verschwunden, als eine Stunde
nach Beginn der angesagten Sitzung die Mitglieder der Regierungsmajorität
gegenüber den Mitgliedern der Opposition noch immer in einer
hoffnungslosen Minorität waren. Trotzdem der Ausschuß
zahlenmäßig beschlußfähig war, wurde die
Sitzung vertagt. Gegen diese Methode der Einberufung und Vertagung
von Ausschüssen erheben wir hier energisch Protest. Es geht
nicht an, daß die Regierung dem Hause mit einem solchen
Mangel an Achtung gegenüber tritt. Hier läßt die
Regierung auch die äußere Form der Demokratie vollständig
außer Acht. Wir wissen ja, daß die wahre Demokratie
in diesem Hause noch keinen Eingang gefunden hat.
Und nun zu der Regierungsvorlage. Die Vorlage war an den Rechts-
und Verfassungsausschuß zurückgewiesen worden und hat
dort wesentliche Veränderungen erfahren. Sie hat dort wirklich
einige Verbesserungen erfahren, aber der reaktionäre, gehässige
Grundcharakter des Gesetzes ist geblieben, wie er es gewesen war.
Wir geben ohneweiters zu, daß nun die Bestimmung, daß
die Zuweisung zur Zwangsarbeitskolonie nach den §§ 1
bis 6 des Vagabundengesetzes nunmehr zulässig ist, wenn der
Täter schon zweimal wegen desselben Verbrechens verurteilt
wurde, eine Verbesserung ist. Eine Verbesserung ist es auch, daß
die Zuweisung zur Arbeitskolonie wegen Verbrechen, die aus den
Motiven der Arbeitsscheu, der groben Gewinnsucht, aus dem Motiv
des nichtswürdigen Leichtsinns - diese Perle ist uns nämlich
erhalten geblieben - begangen wurden, nur möglich ist, wenn
dabei tatsächlich fremdes Eigentum gefährdet worden
ist. Nach der Darstellung des Rechts- und Verfassungsausschusses
findet also diese Bestimmung keine Anwendung mehr auf politische
Verbrecher. Wir hätten die Fassung dieser Bestimmung weit
klarer gewünscht, so klar, daß es nicht möglich
wäre, daß etwa ein öffentlich tätiger Mensch,
der den maßgebenden Faktoren mißliebig geworden ist,
sich in den Fängen dieses Gesetzes verstrickt.
Es hat in den Pfingstfeiertagen in Teplitz der Vierte Deutsche
Juristentag stattgefunden. Und es war sicherlich der Höhepunkt
der Tagung, als sie sich mit den politischen Delikten beschäftigte
und einstimmig Richtlinien schuf, einstimmig eine Resolution faßte
und Forderungen aufstellte, die von größter Wichtigkeit
sind. Der Deutsche Juristentag hat gefunden, daß Delikte,
deren Endziel die Beeinflussung öffentlicher Angelegenheiten
ist, und die nicht aus unehrenhaften Beweggründen und nicht
mit besonders verwerflichen Mitteln begangen werden, einer gesetzlichen
Sonderbehandlung unterliegen, mit einer besonderen, durch die
Art ihres Vollzuges als ehrenvolle Haft gekennzeichneten Strafart
belegt werden, an welche Strafe keinerlei Ehrenfolgen geknüpft
werden dürfen. Für politische Delikte wird das Asylrecht
gefordert. Die Auslieferung muß verweigert werden, wenn
das Gericht sie als unzulässig erklärt. Wird sie als
zulässig erklärt, so kann trotzdem die Justizverwaltung
aus staatspolitischen Gründen die Auslieferung ablehnen.
Meine Herren und Frauen! Wenn eine Körperschaft, wie der
Deutsche Juristentag, der so heterogene Elemente umfaßt,
eine Körperschaft, die aus Menschen mit den verschiedenartigsten
Anschauungen, den verschiedensten politischen Bekenntnissen besteht,
wenn eine so vorsichtige Körperschaft, eine zum Teil konservative
Körperschaft, sich zu einer solchen Forderung entschließt,
eine Körperschaft, der unser Justizminister beigewohnt hat,
dann muß es doch klar sein, und zwar auch für unseren
Herrn Justizminister, daß die Frage der politischen Gefangenen
eine brennende Frage der Zeit ist, deren humane Lösung unbedingt
gefordert werden muß.
Die Worte "nichtswürdiger Leichtsinn" sind uns
also im Gesetz erhalten geblieben, sie bereichern als neues Wort
den Sprachschatz unserer Rechtswissenschaft, sie sind ein Novum
in unserer Judikatur. Herr Krumpe hat versucht, diesen
Begriff auszudeuten, er hat uns aber absolut nicht davon überzeugen
können, daß dies kein unklarer, kein dehnbarer Begriff
ist. Wenn wir wissen, welche Urteile insbesondere in der letzten
Zeit vom Brünner Obersten Gerichtshof erflossen sind, ist
es uns schreckhaft klar geworden, wie notwendig es ist, daß
der Gesetzgeber die Gesetze so eindeutig und klar faßt,
als es nur irgendwie möglich ist, so eindeutig, daß
es den Gerichten nicht mehr möglich ist, die Tatbestände
willkürlich auszudeuten. Wir haben neuerlich beantragt, diese
Worte zu streichen und ich bitte Sie, meine Herren und Frauen,
diesen Antrag zu unterstützen. Es ist nur eine scheinbare
Verbesserung, wenn der Verfassungsausschuß diesen Antrag
insofern abgeändert hat, als eine bedingte Entlastung aus
der Strafarbeitskolonie nun nicht mehr abhängig ist von der
Zustimmung der politischen Instanzen, sondern daß sie lediglich
von deren Äußerung abhängig ist. Es ist aber eine
ganz positive Verschlechterung des Gesetzes, daß die Probezeit
bei der Entlassung aus der Zwangsarbeitskolonie nunmehr in den
Gebieten des ungarischen Rechts auf zwei bis fünf Jahre verlängert
werden soll, während bisher in Karpathorußland und
in der Slovakei bei bestimmten Fällen eine einjährige
bedingte Probezeit zulässig war. Wir haben anläßlich
der ersten Beratung darauf hingewlesen, und insbesondere der èechische
Genosse Dr Meissner hat an geradezu grotesken Beispielen
die Unmöglichkeit dieses Gesetzes aufgewiesen, das in Bezug
auf die Bewährungsfrist in den historischen Ländern
eine ganz andere Auswirkungsmöglichkeit hat, als in der Slovakei
und Karpathorußland. Aber nun ist die Unifizierung herbeigeführt
und die Gleichstellung da. Das Empörende dabei ist nur, auf
welcher Basis diese Gleichstellung erfolgt ist. Es ist aufreizend,
daß die Unifizierung zum Schlechteren erfolgt ist.
Auch die Polizeiaufsicht ist uns geblieben. Und doch haben wir
schon bei der ersten Behandlung der Frage an krassen Beispielen
nachgewiesen - wir könnten diese Beispiele ins Endlose erweitern
- daß die Polizeiaufsicht noch niemanden gebessert hat,
daß sie aber immer und immer wieder Leute, die sich bessern
wollen, daran verhindert, sich sozial wieder in die Gesellschaft
einzugliedern. Auch Juristen, namhafte Kriminalisten haben darauf
hingewiesen, daß die Polizeiaufsicht nicht geeignet ist,
Menschen zu bessern und vor allen Dingen auch nicht die Gesellschaft
vor gefährlichen Individuen zu schützen. Sie haben wiederholt
darauf hingewiesen, daß zur Polizeiaufsicht Funktionäre
gehören, die eine besondere psychologische und soziale Vorbildung
haben, denn gerade zu dieser Funktion gehörtem Höchstmaß
von Diskretion, Taktgefühl, Klugheit und schließlich
auch Menschenliebe. Trotzdem wir durch die neue Verhandlung im
Verfassungsausschuß einige Resolutionen vorgelegt erhielten,
besteht auch heute noch so wie früher die Gefahr, daß
die Sträflinge in den Zwangskolonien zu Lohndrückern
benützt und als billige Arbeitskräfte mißbraucht
werden und darum wiederholen wir auch heute unseren Antrag, den
wir Sie, meine Herren und Frauen, anzunehmen bitten, daß
auch die Insassen der Strafarbeitskolonien der Sozialversicherung
teilhaftig und die Löhne auch dieser Gruppe von Arbeitern
den Löhnen der freien Arbeiter angepaßt werden sollen.
Erhalten ist uns auch die Bestimmung über die Einzelhaft
geblieben. Der Bericht des Rechts- und Verfassungsausschusses
weist geradezu darauf hin, daß es sich nicht etwa um die
Einzelhaft selbst handelt, sondern lediglich um die Beseitigung
der begünstigten Einrichtung. Es sollen nun so wie in den
historischen Ländern, auch in der Slovakei und Karpathorußland
nicht mehr, wie es bisher festgesetzt war, zwei in der Einzelhaft
verbrachte Tage als drei gelten. Die Einzelhaft zermürbt
den Menschen, sie zehrt an dem Seelenleben und den Nerven des
Menschen und eine langausgedehnte Einzelhaft verbraucht den Menschen
ganz und gar. Aus diesen Erwägungen hat schon vor mehr als
einem halben Jahrhundert das alte Österreich, das kaiserliche,
schwarze Österreich beschlossen, daß zwei in der Einzelhaft
verbrachte Straftage als drei zu gelten haben. Der Regierung einer
demokratischen Republik blieb es vorbehalten, diese Bestimmung
zu beseitigen und wenn es nun heißt, daß bei Inkrafttreten
des Gesetzes die Wirksamkeit dieser Bestimmung auch auf die bereits
verbüßten Strafen ausgedehnt werden soll, so steht
das im Widerspruch zu allen Rechtsgründen und wir weisen
das zurück.
Das dunkelste Kapitel in dem dunklen Gesetz ist wohl die Bestimmung,
daß die Gerichtsbarkeit aus den Händen des aburteilenden
Gerichtes genommen werden soll, daß die Entscheidung, wer
den Zwangsarbeitskolonien zugewiesen werden soll, der politischen
Behörde zugewiesen wird. Also das Gericht, das den Menschen
kennen gelernt hat in seinen menschlichen Bedingtheiten, der Richter,
der ihm gegenübergestanden ist, der hat nun nicht mehr das
Beschlußrecht, über das Schicksal dieses Menschen,
sondern die Entscheidung über das Schicksal dieses Menschen
ist nunmehr den politischen Bürokraten überwiesen, die
nicht mehr den lebendigen Menschen, sondern den toten Akt sehen.
Wir weisen diese Bestimmung, die wir in keinem anderen Land finden,
nicht einmal im dunkelsten schwärzesten Österreich,
als gehässig und reaktionär zurück. Es ist auch
gesetzes-technisch unmöglich, da nun ein neues Element, neue
Ideen über den Strafvollzug auf ein ganz altes Gesetz aufgepropft
werden und dieses einigende Band, dieser rote Faden, der die auseinanderstrebenden
Bestimmungen zusammenhält, soll die reaktionäre gehässige
Gesinnung sein; das macht uns das Gesetz unannehmbar.
Wir lehnen das Gesetz in allen Einzelnbestimmungen ab, weil es
reaktionär ist, weil es den Rechtsgrundsätzen widerspricht,
weil es gehässig ist. Wir lehnen es in seiner Gänze
ab, und einer Regierung, die seit drei Jahren Verbrechen auf Verbrechen
an der werktätigen Bevölkerung verübt, die durch
ihre Zoll- und Steuerpolitik das Leben der Menschen nahezu zur
Unmöglichkeit macht, einer Regierung, die den Selbstverwaltungskörpern,
welche diesen Leuten zur Hilfe kommen wollten, in den Arm fällt,
indem sie das Gemeindefinanzgesetz verbrach, einer Regierung,
die den Menschen nun das letzte, das Dach über dem Kopf rauben
will und dafür freundlichst die Tür zu den Gefängnissen
öffnet, die Zwangsarbeitskolonien schafft, einer solchen
Regierung sagen wir unseren schärfsten Kampf an. (Potlesk
poslancù nìm. strany soc. demokratické.)
Hohes Haus! Es liegt heute der Druck Nr. 1700 dem Hause zur Beschlußfassung
vor. Einer der Vorredner hat diesen Gesetzesantrag einen demokratischen
Fortschritt genannt, der zur Besserung der Rückfälligen
und zur Hintanhaltung von Schäden an fremdem Eigentum dienen
soll. Der Motivenbericht selbst nennt die Vorlage einen Unifizierungsversuch
zwischen der Gesetzgebung in den historischen Ländern und
der Gesetzgebung der ehemals ungarischen Länder. Er gibt
selbst zu, daß die Unifizierung nicht vollständig gelungen
ist und daß die endgültige Reform erst der Neuordnung
der gesamten Strafgesetzgebung vorbehalten werden soll, an der
gearbeitet wird. Im großen ganzen kann man sagen: wenn dieser
Gesetzentwurf ein Mittel zur Besserung sein soll, so paßt
er sehr schlecht in das Zeitalter des Humanismus, den der Staatspräsident
vertritt. Er paßt auch sehr schlecht in die Praxis des Alltags.
An Tausenden und Abertausenden Beispielen ließe sich darlegen,
daß vor allem diejenigen, die nach diesem neuen Gesetzentwurf
mitberufen werden, an der richterlichen Gewalt teilzunehmen, sich
in sie einzumengen, an diesem Wechselbalg von richterlicher Gewalt
und von Administrative mitzuwirken, durchaus nicht dazu beitragen,
die Ruhe und Sicherheit im Staate zu vermehren. Wohin wir schauen,
finden wir, daß ein Großteil der sogenannten Vergehen,
daß Strafen und Strafprozesse direkt von den Organen des
Staates provoziert werden, und es vergeht keine Woche, ja oft
kein Tag, an welchem nicht die Presse über Verhaftungen aus
kleinlich en und schikanösen Anlässen oder sonstige
Übergriffe berichten müssen, die den Behörden das
denkbar schlechteste Zeugnis ausstellen. Wenn dieses Gesetz einen
Sinn haben sollte, so müßte es zu allererst auf die
ausübende Administrative im Staate angewendet werden.