Die sinnlose Handhabung der Zensur veranlaßt
mich auch heute wieder, einen Appell an den Justizminister und
an das Präsidium des Hauses zu richten. Mancher übereifrige
Staastanwalt glaubt die Autorität und Sicherheit des Staates
zu schützen, wenn er die Kritik der Opposition unterbindet
oder gegen weltanschauliche Ideen mit dem Rotstift zu Felde zieht.
Er erreicht damit das Gegenteil. Lächerlich aber wirkt es,
wenn, was sehr häufig vorkommt, der eine Staatsanwalt beschlagnahmt,
was der andere unbeanständet durchläßt. Daß
bei uns so wenig Sinn für das freie Wort und die geschichtliche
Wahrhaftigkeit vorhanden ist, ist freilich nicht zuletzt darauf
zurückzuführen, daß gerade von der Stelle, die
ein Hort für freie Kritik und für das freie Wort sein
sollte, nämlich vom Präsidium des Abgeordnetenhauses,
eine Zensur praktiziert wird, die beschämend ist für
einen Staat auf demokratischer und republikanischer Grundlage.
(Posl. Geyer: Man wird das Parlament ganz konfiszieren!) Sehr
richtig. Ich verweise da nur auf die Zensurierung der Kundgebung
meines Klubs zum zehnjährigen Gedenktage des 4. März
1919, die mein Klubkollege Knirsch hier vortrug. Es war
eine Kundgebung der Pietät für Märtyrer einer Idee,
deren Verwirklichung allen Völkern Freiheit und höchste
Entfaltung der nationalen Eigenart sichern soll. WI er die Kundgebung
unvoreingenommen liest, wird keinen anderen Sinn in ihr finden
und Achtung und Verständnis für die Gefühle haben,
die uns Sudetendeutsche an diesem Gedenktage bewegten. Das Präsidium
hat aus der Kundgebung Stellen gestrichen, welche geschichtliche
Wahrheiten beinhalten und in dem Geschichtsarchiv der Parlamentsbibliothek
nachgelesen werden können. Es hat weiter eine Stelle konfisziert,
die lediglich vom Glauben an die Sieghaftigkeit einer Idee spricht.
Wir müssen gegen eine solche Zensur entschiedenen Protest
einlegen. Wir müssen aber auch Stellung nehmen gegen die
Art der Durchführung der Parlamentszensur, die der Presse
die parlamentarische Berichterstattung erschwert und ihr für
die Erfüllung ihrer publizistischen Pflicht noch schwere
materielle Schädigung einbringt, wie beispielsweise im vorigen
Falle der "Bohemia", dem "Teplitz-Schönauer
Anzeiger", dem "Gablonzer Tagblatt" und dem "Tag",
welche Blätter beschlagnahmt wurden, weil sie von der Zensurierung
keine Kenntnis hatten. Das Präsidium sollte von der Zensurierung
einer Rede oder Interpellation nicht nur den Staatsanwalt, sondern
auch den betreffenden Abgeordneten verständigen, damit dieser
in die Lage kommt, die Presse zu informieren. Im Interesse der
parlamentarischen Berichterstattung und der Presse richten wir
an das Präsidium den Appell, hier entsprechenden Wandel zu
schaffen. (Potlesk poslancù nìm. strany
nár. socialistické.)
Meine Damen und Herren! Mein geehrter Herr
Vorredner hat sich ebenso wie Koll. Horpynka damit beschäftigt,
daß er über die hier herrschenden Zensurverhältnisse
gesprochen hat, und ich kann diese polizeistaatlichen Zustände,
wie sie hier herrschen, durch andere Belege ergänzen. Gerade
der 4. März hat ja wieder einmal den Beweis erbracht, daß
wir tatsächlich hier in einem wirklichen Polizeistaat leben
und daß die freie Meinungsäußerung überhaupt
nicht gestattet ist. Nicht genug an dem, was hier hinsichtlich
der Beschlagnahme und Zensur gesagt wurde, hatte bei uns in Schlesien
z. B. die Bezirksbehörde in Jägerndorf auch einen Erlaß
herausgegeben, der die Märzveranstaltungen überhaupt
unterbinden und verbieten sollte. Ich habe eine Abschrift dieses
Erlasses zur Hand (ète):
"Bezirksbehörde in Jägerndorf,
am 14. Feber 1929, Zahl Pr.-17/1, Gedenkfeier des 4. März
1919, Kundgebungen im Jahre 1929.
An alle Stadt- und Gemeinderäte des Bezirkes!
Es wird in Erinnerung gebracht, daß alle Feierlichkeiten
zum Gedächtnis für die bei den Unruhen am 4. März
1919 gefallenen Personen, die sogenannten Märzfeiern in welcher
Form immer sie veranstaltet werden mögen, unzulässig
sind und daß wegen Veranstaltung von derartigen Feiern die
Veranstalter sowohl von den Gerichten als auch von den Polizeiämtern
zur Verantwortung gezogen werden können. Der Stadt- und Gemeinderat
wird daher aufgefordert, die Bevölkerung in dieser Richtung
auf geeignete Art zu belehren und zur Vermeidung von Unzukömmlichkeiten
die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Der Bezirkshauptmann
Dr. Bastl e. h."
Man sieht aus diesem Erlaß - ich weiß
nicht, ob er der eigenen Initiative des Herrn Bezirkshauptmanns
entsprungen ist, oder ob er sich auf den Erlaß einer übergeordneten
Behörde stützen kann - man sieht jedenfalls daraus eine
rührende Fürsorge. Damit nur ja niemanden etwas geschieht,
sollen sowohl die Gerichte als auch die politischen Behörden
und die Polizeibehörden einschreiten, wenn irgend eine Veranstaltung
in welcher Form immer abgehalten wird. Aber gleichzeitig ich bitte
auch das zu beachten - liegt doch darin eine schwere Beleidigung
unserer Märzopfer, nicht nur deshalb, da sie hier als Unruhestifter,
als Aufrührer hingestellt werden, zu deren Gedächtnis
also nicht einmal die bescheidenste Veranstaltung erlaubt werden
darf. (Výkøiky posl. dr Lehnerta.)
Es ist doch historisch, daß
von deutscher Seite am 4. März 1919 nicht ein Schuß,
nicht ein Steinwurf fiel, daß also, da mit Gewalttätigkeiten
überhaupt nicht einmal gedroht wurde, kein Anlaß zum
Schießen in die wehrlose Menge gegeben war. Glaubt vielleicht
der Herr Bezirkshauptmann oder die hinter ihm stehende Regierung,
durch derartige Erlässe die Geschichte fälschen zu können.
[Další vìty byly usnesením
pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 7. bøezna
1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu
vylouèeny z tìsnopisecké zprávy. Viz
str. 36 této tìsnopisecké zprávy.]
Daß man uns freiwillig nicht
das geringste Entgegenkommen zeigen will, beweist ja nicht nur
die Rede des Dr. Kramáø vom
11. Feber, in der er das Axiom aufstellt, es könne keine
Rede von irgendwelcher territorialen, personellen oder
kulturellen Autonomie sein, die Deutschen müßten sich
mit dem Unabänderlichen einmal abfinden, also mit dem èechischen
Nationalstaat, das beweisen auch andere èechische Äußerungen,
die gerade in den letzten Tagen über
die Minderheitenfrage überall in den èechischen Blättern
zu lesen waren, über die jetzt in Genf so viel gesprochen
wurde und die dort auf der Tagesordnung steht. Nach den "Lidové
Listy" z. B. besteht ja für die Èechoslovakei
die Minderheitenfrage überhaupt nicht.
Das ist die einfachste Politik, die richtige Vogel-Straußpolitik.
Gewiß sind wir ja keine eigentliche Minderheit, das sagen
wir auch, sondern wir sind zum größten Teil Grenzdeutsche,
die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Muttervolk stehen, aber
nach der Terminologie des Minderheitenschutzvertrages zählen
wir dennoch zu den angeblich geschützten Minderheiten in
Europa. Bis auf die Ukrainer in Polen sind wir die größte
unter den Minderheiten, machen wir doch allein fast ein Viertel
der Staatsbürger aus, mit den übrigen Minderheiten weit
mehr als ein. Drittel und wenn man die unterdrückten Slovaken
dazu rechnet, die ja auch noch nicht so recht befreit sind, so
machen wir mehr als die Hälfte der Bevölkerung in diesem
Staate aus. Trotzdem wird das dumme Märchen vom sogenannten
Nationalstaat noch immer aufrecht erhalten und frisch aufgewärmt,
obwohl außer einigen unheilbaren èechischen Ideologen
kein Mensch mehr daran glaubt. Sonst wäre diese offenkundige
Angst, die aus dem Anrennen gegen ein
gründliches Aufrollen des Minderheitenproblems in Genf spricht,
nicht recht erklärlich. Das Gespenst vom Pangermanismus,
den Stresemann angeblich als Minderheitenschützer vertritt,
wie die èechischen Blätter schreiben, muß herhalten,
um die èechische öffentliche Meinung
gegen jedes Zugeständnis an die einheimischen Deutschen aufzupeitschen
und die dreimal geheiligte Staatssouveränität wird als
gefährdet hingestellt, wenn sich am Ende der Völkerbund
einmal auch um unsere Verhältnisse kümmert und sich
unser annimmt. (Posl. inž. Kallina: 40 Millionen
unterdrückte Menschen sind in Europa!) Das
ist ganz richtig. Die Staatssouveränität ist aber als
ein noli me tangere aufgerichtet und da wollen die Herren Beneš
und Konsorten nichts vom Minderheitsrechte wissen. Dabei wird
verschwiegen, daß die Staatssouveränität der Èechoslovakei
ebenso wie die anderen Neugründungen seinerzeit nur unter
dieser Einschränkung ihrer Souveränität entstanden
ist (Výkøiky posl. inž. Kalliny.),
und daß dieser Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates
bekanntlich so weit geht, daß keine gesetzliche Vorschrift,
wie es wörtlich im Minderheitenschutzvertrag heißt,
keine Verordnung und kein Amtshandlung Geltung haben soll, wenn
sie auch nur einer Bestimmung die Artikel 2 bis 8 des Kapitels
1 des Minderheitenschutzvertrages widerspricht. [Další
vìta bylá usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 7. bøezna 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy. Viz str. 36 této tìsnopisecké
zprávy.] Wiederholt schon
wurde von der Èechoslovakei der Minderheitenschutzvertrag
einfach gebrochen, da hilft kein Leugnen. (Posl.
inž. Kallina: Es wird sogar seine Geltung geleugnet, weil
er erst später unterschrieben wurde nachdem der Staat bereits
gegründet war!) Aber Vertrag bleibt
Vertrag, unterschrieben haben sie ihn und sie mußten ihn
unterschreiben, weil sie sonst den Staat in dieser Form nicht
bekommen hätten. Das schlechte Gewissen in dieser Beziehung
hat Herrn Dr Beneš schon seinerzeit auf der Septembertagung
im Jahre 1923 veranlaßt, gemeinsam mit Polen, das um kein
Haar besser ist als dieser Staat, die Initiative zur geheimen
Behandlung der Minderheitenbeschwerden in Genf zu ergreifen und
es ist tatsächlich auch dann so beschlossen worden. Es ist
begreiflich, daß dieser Herr Beneš gemeinsam
mit Herrn Zaleski jetzt der Forderung nach Wiederherstellung der
Öffentlichkeit in allen Minderheitsfragen streng ablehnend
gegenübersteht und daß er auch von der Gründung
einer besonderen Studienkommission oder aber von einer besonderen
Minderheitenkommission beim Völkerbund absolut nichts wissen
will. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, daß der Genfer
Staatenbund - denn ein wirklicher Völkerbund ist es ja nicht
- keine klaren Grundsätze für die Fortentwicklung des
Völkerrechtes schaffen wird, denn dann müßte er
schließlich das Recht jedes Volkes auf seinen eigenen Staat,
auf sein gesamtes geschlossenes Siedlungsgebiet anerkennen (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda dr Buday.)
und überdies für die außerhalb
wohnenden Volksteile das Recht auf Erhaltung ihres Bestandes entweder
durch Selbstverwaltung oder durch Anerkennung und Behandlung als
vollkommen gleichberechtigtes Staatsvolk zugestehen. Das werden
wir jetzt, bei der gegenwärtigen Zusammensetzung und Einstellung
des Völkerbundes, nicht erleben. Trotzdem aber glauben wir
daran, daß auch unsere Unterjochung einmal ein Ende haben
muß. Gegenüber unserem sittlich begründeten Volksrecht
werden auch militärische Geheimverträge verschiedenster
Art nichts nützen [Další slova byla
usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze
dne 7. bøezna 1929 podle §u 9. lit. mm) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy. Viz str. 36 této tìsnopisecké
zprávy.] Keine
Macht der Welt vermag den Zusammenschluß aller geschlossen
siedelnden Deutschen in Mitteleuropa auf die Dauer aufzuhalten.
Man kann es wohl verzögern, aber nicht verhindern. Darum
sollte eine weitblickende èechische Politik lieber bald
sich mit uns Deutschen auf guten Fuß zu stellen trachten,
als uns immerfort zu schädigen, zu quälen und zu verbittern,
wie sie es tagtäglich tut. Dezimieren können uns ja
doch die Èechen nicht, das haben die letzten Wahlen bewiesen.
Denn nach wie vor bilden wir ein Drittel der Bevölkerung
Böhmens, Mährens und Schlesiens, das haben die Wahlergebnisse
gezeigt, trotz aller Assimilierungs
bestrebungen haben wir im wesentlichen nicht abgenommen. Und èechoslovakisieren,
also uns seelisch einschmelzen in diesen Staat, können sie
auch nicht, denn sonst wären ja.. (Posl.
dr Lehnert: Auf dem Wege nicht!) Auf
diesem Wege nicht!... denn sonst wären die deutschen Regierungsparteien
nicht von 47% auf 41% der deutschen Stimmen zurückgegangen.
Schade also um das viele Geld und um die große Mühe,
die unnütz verpulvert werden. Würde dieser Staat zunächst
neutralisiert und bekämen seine Volksstämme alle eine
richtige Autonomie, so könnte hier vielleicht in edlem Wettbewerb
Hervorragendes geleistet werden, da die Bedingungen dafür
vorhanden sind. So aber reiben wir uns alle auf im ewigen Kampfe
gegeneinander, und während das Deutsche Reich trotz
der ungeheueren Tributlasten langsam, aber sicher in die Höhe
kommt, sinkt die Èechoslovakei von Stufe zu Stufe. Das
konnten wir z. B. bei der letzten Frostkatastrophe ganz deutlich
beobachten. Jeder, der zu dieser Zeit im Deutschen Reiche draußen
war und die Verhältnisse dort auf den
Bahnen mit den Verhältnissen hier vergleichen konnte, mußte
zum Schlusse kommen, daß da der Unterschied wie 1000: 1
ist. Heute noch ist bei uns eine ganze Reihe von Zügen eingestellt.
Der Verkehr bei uns nach Nordmähren und Schlesien, wo man
an und für sich schlechte Verbindungen hat, ist um die Hälfte
reduziert, in Deutschland verkehrt dagegen alles wie gewöhnlich,
kein Zug ist mehr eingestellt. (Výkøiky.)
Najman aber
sagt, es ist alles in schönster Ordnung. (Výkøiky.)
In der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses
hat der Sektionschef erklärt, ja, es käme immer auf
das Schmiermaterial an - wahrschemlich hat man nicht gut genug
geschmiert - und das Schmiermaterial ist eingefroren und infolgedessen
gehen die Züge nicht. Die polnischen Blätter machen
sich schon recht schadenfroh lustig über die Verhältnisse
im befreundeten Nachbarstaate, weil jetzt die polnischen Zustände
durch die Verhältnisse im Eisenbahnverkehr in der
Èechoslovakei geschlagen sind.
Und so wie im Eisenbahnverkehr, zeigt sich
schließlich und endlich die Desorganisation bei uns auch
im Straßenverkehr und in der Straßenerhaltung. Es
wurde nichts getan, um die Straßen freizumachen, trotzdem
wir einen Straßenfond von 1000 Millionen haben. Alles ist
gelassen worden, wie es liegt. Auf Interpellationen wird nicht
geantwortet. (Posl. inž. Kallina: Nur Versprechung
en sind gegeben worden!) Ganz richtig!
Indessen ist der Verkehr bei uns im Gebirge lahmgelegt. Nichts
ist geschehen, trotzdem wir 140.000 Mann Militär haben, die
gut dazu zu verwenden wären, und trotzdem wir einen Straßenfond
besitzen. Wir sind vollständig eingeschneit und können
mit großen Gebieten nicht in Verkehr treten. Kurz, in der
ganzen Verwaltung zeigt sich ein fürchterlicher Zusammenbruch,
wie wir ihn schon bei der Beratung über die Verwaltungsreform
vorausgesagt haben.
Das starre zentralistische System zeitigt bereits
die schönsten Blüten und die planmäßige Verhöhnung
der Demokratie durch die neue Verwaltung hat in der letzten
Zeit sogar den Klub der Landesvertreter einer èechischen
Regierungspartei, nämlich der Lidová strana in Böhmen,
veranlaßt, in einer Entschließung zu sagen, es sei
unbedingt nötig, daß das Gesetz ehebaldigst
in dem Sinne novelliert werde, daß der Einfluß der
Bevölkerung auf die öffentliche Verwaltung möglichst
erweitert werde. Das sagt eine èeehisehe Regierungspartei.
(Posl. dr Schollich: Die das Gesetz mitgemacht
hat! - Posl. inž.
Kallina: Und die deutschen Regierungsparteien
beten nach!) Sehr richtig Der Vater,
der eigentliche Urheber der Verwaltungsreform, der Minister Èerný,
tut immer noch so, als sei alles in schönster Ordnung und
er bleibt weiter Landespräsident von Mähren, Landespräsident
von Schlesien, Innenminister und noch dazu Verweser des Ernährungsministeriums.
(Výkøiky.) Ein
èechisches sozialdemokratisches Blatt aus Schlesien, der
"Slezan", ironisiert das nun ganz gelungen folgendermaßen:
"Wenn der liebe Gott drei Gestalten in sich verkörpert,
so kann es in der Tat kein Wunder sein, wenn der Innenminister
und der mährisch-schlesische Landespräsident in einer
Person bestehen. Leider müssen wir aber" - so fährt
das sozialdemokratische Blatt fort "an diesem Zustand sehr
schwer tragen. Wir möchten in der Tat den Herrn Minister
Èerný lieber als
einen lebenslänglichen Minister oder aber als einen Beamten
sehen, noch lieber aber als einen gutbezahlten Pensionisten, der
Fische fangen, Spatzen oder Hirsche schießen oder sonst
etwas anderes tun würde. Das wäre wirklich eine Beschäftigung,
die wir Herrn Èerný vom
Herzen gönnen möchten. Denn eine derartige Tätigkeit
würde ihm erstens gut bekommen, zweitens aber hätte
er auch noch nebenbei seine Ruhe und auch wir hätten Ruhe
von ihm. Ganz besonders wir in Schlesien hätten ein lebhaftes
Interesse daran, daß der Herr Minister Èerný
in Prag bleibt und nicht mehr nach Brünn
zurückkehrt. Herr Èerný weiß
wohl ganz genau, warum wir ihm dies wünschen, da er ja auch
weiß, was er dem Lande Schlesien angetan hat, weshalb er
auch von Schlesien und den Schlesiern keine Liebe zu erwarten
hat. Allerdings erwartet er wohl auch keine Liebe von uns. Wir
wissen, daß wir ihm vollständig gleichgültig sind,
aber schließlich hat ja alles seine Grenzen. Die Allgewalt
des Ministers ist ja trotz allem nur zeitlich begrenzt, ebenso
wie die Allgewalt des Landespräsidenten." Dann fährt
das Blatt fort: "In Brünn, wo sich Herr Èerný
öfters sehen läßt, erteilt
er dem Vizepräsidenten Remeš seine Befehle und im Ministerium
des Innern in Prag genehmigt er sie. Denn er gibt sich ja sebst
seine Befehle aus Prag nach Brünn und hat so seine Hände
sowohl in Prag, wie in Brünn. Aber die Welt ist rund und
dreht sich, und wenn 700.000 harte und gewissenhafte Menschen
gegen jemanden arbeiten, dann wird dieser vielleicht doch auch
einmal fallen - auch wenn er sieh mit Händen und Füßen
dagegen wehrt." (Výkøiky posl. dr
Schollicha a inž. Kalliny.) Ja,
das èechische sozialdemokratische Blatt schreibt so, aber
es besteht keine große Aussicht und Hoffnung, daß
er sieh rühren und vielleicht von dem ein em oder dem anderen
seiner vielen Ämter zurücktreten wird. Daß die
schlesischen Èechen ihn nicht lieben,
ist kein Wunder. Alle Schlesier ohne Unterschied der Nation warten
darauf, daß er sein Wort, seine Verpflichtung, die ihm nach
§ 28 der Verwaltungsreform zur Schaffung der sogenannten
Landeskommission von Schlesien auferlegt wurde, erfülle.
Aber bis heute rührt sich nichts. (Posl. inž.
Kallina: Die Schlesier sind Idealisten, daß sie auf Ministerworte
vertrauen) Das ist im Gesetze verankert,
das wird ihm durch das Gesetz aufgetragen. Aber bis heute rührt
sich nichts. Als ob das nicht im Gesetze stünde! Wir verlangen,
daß so rasch als möglich eine derartige Landesverwaltungskommission
errichtet werde, aber nicht in Brünn, wie sie angeblich jetzt
geschaffen werden soll, und nicht aus acht Mitgliedern, die womöglich
nach dem mährisch-schlesischen Wahlergebnisschlüssel
zusammengesetzt werden soll, oder überhaupt nach kein em
Schlüssel, sondern einfach, wie es den Herren paßt,
wir verlangen vielmehr, daß sie aus 12 Schlesiern bestehe,
in Troppau amtiere und daß alle großen Parteien darin
auch ihre Vertreter haben, daß ferner diese Kommission alle
Vollmachten erhalte, die sie auf Grund des Gesetzes bekommen kann,
also hinsichtlich des gesamten Wirkungskreises des Landesausschußes,
soweit Schlesien in Betracht kommt. Ob wir es erreichen werden?
Wir werden warten. Vorderhand wird in Brünn daran gebraut,
aber inzwischen stehen in Troppau die Landesgebäude zum größten
Teile leer, so daß jetzt während der Fröste im
Neuen Landhause, wie ich mir habe erzählen lassen, die Zentralheizung
zerfroren ist. Der Schade wird rund mit 200.000 Kè
beziffert. Für solche Schäden wäre Minister Èerný
haftbar zu machen. Wir haben ihn gewarnt,
er aber hat gesagt, es werden Ersparungen erzielt werden. Derartige
Schäden, wie der erwähnte, werden sich noch häufen.
Er aber setzt sich frohgemut und heiter über alle Beschwerden
hinweg, da er aus Erfahrung weiß, daß sich die Koalition
von ihm einfach alles gefallen läßt. Die Koalition
verschuldet diese Willkürherrschaft und Mißwirtschaft,
unter der schließlich alles im Staate leidet. Die
Koalition hat die Demokratie untergraben und sie arbeitet geradezu
auf eine èechische Diktatur hin, denn sie tut ja alles,
um einzelnen wenigen wie z. B. Èerný eine
Unmenge von Macht, eine Machtfülle in die Hand zu geben,
wie sie sonst in keinem Staate der Welt üblich ist. Sie verschuldet
auch die vielbesprochene Krise des Parlamentarismus, indem sie
die Mehrheitsrechte schnöde mißbraucht und die Verhandlungen
in beiden Häusern, wie heute schon einmal gesagt wurde, zu
einer Farce herabwürdigt.
Die jetzige Regierungskoalition hat also den
Polizeistaatgeist, von dem ich eingangs sprach, selbst groß
gezüchtet, sie wird ihn nun nicht mehr so leicht los werden,
wenn sie auch jetzt mit verschiedenen Beschwerden usw. dagegen
zu Felde zieht. Wie vor 80 Jahren im alten Österreich Zentralismus
und Reaktion sich breit machten, nachdem Franz Josef den Kremsierer
Reichstag auseinandergejagt und die Märzerrungenschaften
gewaltsam beseitigt hatte, so wiederholt sich hier in dieser glorreichen
Republik das gleiche Schauspiel jetzt aufs neue. Aber ebenso wie
im alten Österreich, wird auch hier die Zeit kommen, wo unverjährbare
Rechte der Völker sich stärker erweisen werden,
als eine auf Bajonette gestützte Tyrannis. Dann wird die
Èechoslovakei wahrscheinlich nicht, wie der englische "Spektator"
kürzlich gesagt hat, wie ein neues und besseres Österreich,
sondern wie das alte Österreich enden. (Rùzné
výkøiky poslancù nìm. strany národní.)
So wird es enden, wie das alte Österreich
endete. Unsere Märzgefallenen aber, deren entsprechende Ehrung
wenigstens uns in Schlesien unmöglich gemacht wurde durch
derartige Erlässe, wie ich einen eingangs vorgelesen habe,
die haben ihr Blut nicht vergebens geopfert, die haben ihr Leben
nicht vergebens gelassen. Dies ist und bleibt unser Glaube, den
wir uns durch keinerlei Beschlagnahmen und Polizeiverbote aus
den Herzen reißen lassen. (Souhlas a potlesk poslancù
nìm. strany národní.)