Hohes Haus! Neuerlich soll das Mieterschutz-,
das Wohnungsräumungs- und Bauförderungsgesetz im Wege
eines Provisoriums für die Dauer von sieben Monaten verlängert
werden. Schon das letzte Mieterschutzgesetz war eigentlich nur
ein Provisorium, und bei der Beratung über dieses Gesetz
im Vorjahre am 13. März wurde von den Vertretern der Regierungsparteien
in der Berichterstattung die Erklärung abgegeben, daß
das Mieterschutzgesetz und die Bauförderung auf ein Jahr
nur zu dem Behufe verlängert werden, damit man die notwendige
Zeit finde, um ein ordentliches, brauchbares, für eine Reihe
von Jahren währendes Mieterschutzgesetz zu schaffen und gleichfalls
ein Bauförderungsgesetz fertigzustellen, das den Bedürfnissen
der nächsten Jahre angemessen sei. Das Jahr, innerhalb welcher
Zeit diese neuen Gesetze geschaffen werden sollten, ist vorübergegangen,
es haben tatsächlich auch Fachberatungen und Enqueten stattgefunden,
es ist auch sehr wahrscheinlich, daß von Seite des Ministeriums
für soziale Fürsorge Gesetzentwürfe über Mieterschutz
und Bauförderung ausgearbeitet sein dürften,
man kann dies zumindest daraus schließen, daß Herr
Sektionschef Dr Kubišta, nicht nur der Osmièka, sondern
auch anderen Körperschaften, die sich für die Bau- und
Wohnungsgesetze interessierten, schon Vorträge darüber
gehalten hat, wie die neuen Richtlinien der
künftigen Gesetzgebung auf dem Gebiete des Wohnungsmarktes
des Mieterschutzes und der Bauförderung beschaffen sein sollen.
Augenscheinlich hat man aber innerhalb der Koalition die entsprechenden
Richtlinien für die neuen Gesetze bisher nicht gefunden.
(Posl. de Witte: Die Wahlergebnisse sind schuld daran!) Denn
nur so ist es zu verstehen, daß es auch innerhalb eines
Jahres nicht möglich gewesen sein sollte, die neuen Gesetze
zu schaffen, und man geht nicht fehl, daß der Ausfall der
Wahlen vom 2. Dezember des Vorjahres in den Werdegang der Gesetzgebung
manche Störungen gebracht hat, vor allem schwere Störungen
bei jenen Parteien, die durch das Wahlergebnis darüber belehrt
wurden, daß die Mieter nicht mit sich spielen lassen, und
die es nicht riskieren wollen, bei einer künftigen Wahl einen
noch größeren Stimmenverlust zu erleiden aus den Kreisen
jener Wählerschaft, die den Mietern zuzuzählen ist.
Diese Regierungsparteien, vor allem die Klerikalen, scheinen sich
ja heute mehr oder weniger den Mietern gegenüber doch bis
zu einem gewissen Grade verpflichtet zu fühlen und sie mögen
es sein, die innerhalb der Koalition das Hemmnis darstellten,
um Mieterschutz und Bauförderung schon mit einem Schlage,
vielleicht unter Umständen gewaltsam wegzuräumen. Unter
den Koalitionsparteien sind ja einige, die ganz offen schon bei
den Beratungen des Gesetzes im Vorjahre und auch diesmal bei den
Ausschußberatungen trocken erklärt haben, daß
sie für die völlige Beseitigung des Mieterschutzes sind
und eine freie ungebundene Wirtschaft auf dem Gebiete des
Wohnungsmarktes herbeisehnen. Die Nationaldemokraten und èechischen
Agrarier haben sowohl bei den vorjährigen Plenumsberatungen,
als auch beiden heurigen Ausschußberatungen keinen Zweifel
darüber gelassen, wie sie über den
Werdegang der Mieterschutzgesetzgebung denken und wenn es nach
diesen Parteien ginge, dann hätten wir wohl damit zu rechnen,
daß das Ende des Mieterschutzes herangerückt wäre.
Seit dem Jahre 1922 wird der Mieterschutz hier
in diesem Staate ununterbrochen abgebaut und selbstverständlich
verschlechtert. Man hat bei jeder Novellierung den Hausbesitzern
nicht nur in der Richtung Zugeständnisse gemacht, daß
sie Mietzinssteigerungen vorzunehmen berechtigt sind, die heute
schon das Ausmaß - allerdings ist es das gesetzliche Ausmaß
- von 300% erreichen, in Wirklichkeit gehen sie aber darüber
weit hinaus, sondern man hat ihnen auch eine Menge von Kündigungsgründen
zugebilligt und es bleibt der Pfiffigkeit des Hausbesitzers und
seines Anwaltes überlassen, aus diesen Kündigungsgründen,
wenn irgendwie möglich, dem Mieter einen Strick zu drehen
und ihn aufs Pflaster zu setzen.
Seit dem 1. Juli des Vorjahres sind aber auch
in den alten Häusern alle jene Wohnungen nicht mehr unter
dem Mieterschutze, die von ihren früheren Mietern geräumt
wurden. Es werden jetzt also täglich immer mehr und mehr
Wohnungen auch in den alten Häusern dem Mieterschutze entzogen.
Wir können allerdings nicht behaupten, daß diese gesetzlichen
Maßnahmen, die da zum Schutz der Hausbesitzer getroffen
worden sind, auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge sehr förderlich
gewirkt haben. Wir sehen da eine Erscheinung, nämlich die,
daß wenn eine Wohnung, insbesondere eine kleinere leer wird,
der Hausherr sie nicht mehr vermietet. Dieser sonst so von Sorgen
beschwerte Mensch erklärt einfach, daß er diese Wohnung
für seine eigene Familie brauche, oder er, der so notwendig
immer jeden Zinskreuzer brauchte, erklärt, es zahle sich
nicht aus, diese Wohnung zu vermieten, weil man an und für
sich dabei nichts verdiene. So sehen wir, daß der Werdegang
dieser sogenannten freien Wohnungswirtschaft die Verhältnisse
am Wohnungsmarkt außerordentlich verschlechtert hat. Ich
will nur darauf verweisen, daß wir hier in der Èechoslovakei,
in diesem berühmten mitteleuropäischen Kulturstaat,
hier auf der Insel der Seligen, noch Tausende von Menschen
haben, die keine Wohnung besitzen, daß noch Tausende von
Menschen in Baracken, Waggons oder in Ubikationen logieren, die
sie sich selbst errichtet haben und die in hygienischer und sonstiger
Beziehung jeder Beschreibung spotten. Diese vielen Tausende Menschen
hatten infolge der Unbilden des heurigen schrecklichen Winters
unsägliche Qualen zu ertragen.
Die Wohnungsgesetzgebung hat aber auch den
Wohnungswucher ins Maßlose gesteigert. In den meisten Wohnungen
oder in den meisten Häusern sind ja die Mietzinse, auch wenn
die Wohnungen dem Mieterschutz unterstellt sind, nicht den gesetzlichen
Normen angepaßt, sondern gewöhnlich wesentlich höher.
Der Hausherr hebt eben höhere Mietzinse ein und die Parteien
wagen nicht dagegen aufzumucksen. Kein Mensch, am allerwenigsten
aber die Organe der Wuchergerichte kümmern sich darum, daß
trotz aller Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes die Mietpreise
heute schon bei weitem überstiegen werden. Es kümmert
sich auch kein Mensch darum es fehlt leider auch die gesetzliche
Handhabe dazu - daß leerstehende Wohnungen wieder vermietet
werden müssen. Aber dieser Wucher, der mit den alten Wohnungen
getrieben wird, blüht auch bezüglich der neuen Häuser.
Wir wissen, daß viele Menschen das Opfer gebracht haben,
einen Bauaufwand zu leisten, z. B. in der Form, daß sie
den Zins für zwei oder drei Jahre vorausbezahlt haben. Wenn
diese zwei- oder dreijährige Frist abgelaufen ist, steigert
der Hausherr die Parteien, mit deren Hilfe es ihm überhaupt
möglich geworden ist, den Neubau zu errichten. Wenn wir uns
ferner die Mietzinse in den neuen Häusern ansehen, so finden
wir, daß 15 bis 20% der Baugestehungskosten die heutige
Norm der Mietpreise sind und daß natürlich kein Mensch
imstande ist, ohne höheres Einkommen diese Mietzinse zu bezahlen.
Die gegenwärtigen Lohn- und Arbeitseinkommenverhältnisse
der Arbeiterschaft halten eine Mietzinssteigerung unter gar keinen
Umständen aus. Zölle und indirekte Abgaben aller Art,
die man auf die breiten Schichten der Arbeitenden überwälzt
hat, haben deren Einkommens- und Lebensverhältnisse so herabgedrückt,
daß es eine ganz unmögliche Sache ist, von den kleinen
Angestellten oder Arbeitern, ja nicht einmal von den besseren
Angestellten eine höhere Miete herauszupressen. Und wenn
ein neues Gesetz tatsächlich den Hausbesitzern nach dieser
Richtung hin wieder Konzessionen machen sollte, so müßte
das natürlich schwere Lohnkämpfe zur Folge haben, um
die Möglichkeit zu schaffen, den Mietzins hereinzubrigen,
d. h. man würden die Arbeiter förmlich dazu zwingen,
den Kampfboden um höhere Löhne zu betreten, in der Hauptsache
eigentlich zu dem Zwecke, um die Hausherrenente zu erkämpfen.
Ob die Arbeiter dazu Lust und Neigung haben, eben für die
Hausbesitzer die Rente zu erkämpfen, ist eine andere Frage;
wir selbst stehen auf dem Standpunkte, daß zu solchen Zwecken
Lohnkämpfe nicht zu führen sind. Eine Regelung der Verhältnisse
muß in anderer Richtung gesucht werden.
Aber auch das Wohnungsräumungsgesetz hat
seit seiner Schaffung außerordentliche Verschlechterungen
erfahren, und wenn es auch diesmal gleich den übrigen Gesetzen
in unveränderter Form weiterbelassen wird, so wissen wir
ganz genau, daß bei diesem Gesetze Kräfte sehr wirksam
am Werke sind, um es endgültig zu beseitigen. Da die Hausbesitzer
das Bedürfnis fühlen, in Hinkunft, so wie es früher
einmal der Fall gewesen ist, die Mieter kleiner Wohnungen aufs
Pflaster zu setzen, so wird es auch hier notwendig sein, ein neues
Gesetz zu schaffen, um dafür Sorge zu tragen, daß der
Mieterschutz entsprechend erhalten wird. Wir sind auch mit dem
gegenwärtigen Wohnungsgesetz nicht einverstanden, weil es
viele unerträgliche Härten für die Mieter enthält.
Wenn wir wünschen, daß ein neues Mieterschutzgesetz
geschaffen werden möge, so geschieht das aus dem Grunde,
damit es ein Gesetz werden soll, das den Mietern tatsächlichen
und wirklichen Schutz in ihren Wohnungen bringt.
Nun einige Worte zu dem Bauförderungsgesetz.
Als dieses Gesetz im Jahre 1921 entstand, trug man sich allenthalben
mit der Hoffnung, daß es mit seiner Hilfe möglich
sein wird, der Wohnungsnot einigermaßen Herr zu werden.
Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Es ist allerdings
auf Grund dieses Gesetzes in den èechischen Gebieten der
Republik ganz außerordentlich viel gebaut worden, im deutschen
Gebiet war der Bauerfolg ein sehr geringer.
Ich will nicht die Schuld, daß dem so ist, dem Gesetze beimessen,
es haben vielmehr andere Umstände mitgewirkt. Als die Wirksamkeit
des alten Baugesetzes erlosch und nach zweijährigem Interregnum
das gegenwärtige Baugesetz geschaffen wurde, war es sofort
für jeden auf dem Gebiete der Bauförderung einigermaßen
Bewanderten klar, daß dieses neue Gesetz selbstverständlich
noch weniger fruchtbare Erfolge bringen werde. Und wenn auch während
der zwei Jahre, seit dieses Gesetz in Wirksamkeit getreten ist,
nach den Angaben des Herrn Berichterstatters Dubický
für etwa 360 Millionen Kè staatliche Garantie
übernommen worden ist, so muß doch gesagt werden, daß
diese, gemessen an der furchtbaren Wohnungsnot, sehr wenig bedeutet.
Der Staat, bezw. die Regierung hat zwar in der gegenwärtigen
Vorlage des Bauförderungsgesetzes den staatlichen Garantiefond
von 150 Millionen Kè auf 200 Mill. Kè erhöht.
50 Mill. Kè mehr, das ist nichts als eine noble Geste,
die übrigens dem Staate momentan nichts, und selbst
wenn er später zahlen müßte, nicht allzuviel kosten
wird. So gut das Bauförderungsgesetz in seiner finanziellen
Auswirkung gemeint sein mag, so ist doch der Betrag viel zu gering
und es darf dabei nicht daran vergessen werden, daß auch
diese Förderung nur jenen Menschen zugute kommt, die erstens
baulustig sind und zweitens doch etwas Vermögen besitzen,
um bauen zu können. Jene Menschen, die kein Vermögen
haben, sind auch heute noch nicht in der Lage, solche Wohnungen
mieten zu können, weil sich auch eine Zweizimmerwohnung,
auf Grund dieses staatlichen Garantiefondes errichtet, immerhin
noch auf 6000 bis 7000 Kè stellt, ein Mietzins, den natürlich
ein Minderbemittelter nicht erschwingen kann.
Der Herr Berichterstatter über die Baugesetznovelle
hat im sozialpolitischen Ausschuß und auch hier im Hause
gestern erklärt, das neue Bauförderungsgesetz werde
außerordentlich großzügig sein. Ich fürchte
sehr, daß diese Großzügigkeit am Papier bleiben
wird. Großzügig soll es angeblich deshalb werden, weil
nach dem Ausspruch des Herrn Dubický, der ja der
Agrarpartei angehört, es ein dringendes Bedürfnis sei,
daß draußen am flachen Lande mehr gebaut werde. Dagegen
haben wir gewiß nichts einzuwenden, daß draußen
am flachen Lande die Wohnung verhältnisse der landwirtschaftlichen
Arbeiter und der Dienstboten gebessert werden. Wir wissen sehr
genau, daß auch die landwirtschaftlichen Arbeiter unter
außerordentlich tristen Verhältnissen wohnen und es
ist kein Geheimnis, daß vielfach Dienstboten noch in Ställen,
Futter- und Heukammern logieren müssen. Wir wünschen
also selbstverständlich ebenfalls, daß draußen
am Lande eine entsprechende Bautätigkeit stattfinden kann
und daß auch dort bessere Wohnungsverhältnisse geschaffen
werden. Allerdings besteht nicht allzu große Hoffnung, daß
den Versprechungen die Tat folgen werde.
Wenn nun ein neues Baugesetz geschaffen wird,
so möchte ich hier kurz einige Dinge in den Vordergrund rücken,
die bei diesem Anlaß von uns schon wiederholt vorgebracht
wurden. Das Baugesetz enthält die sogenannten lohnschiedsgerichtlichen
Bestimmunge, die im letzten Baugesetz derartig sind, daß
sie unter Umständen zu einer außerordentlich schweren
Gefahr für die Bauarbeiter werden können. Die Straf-
und Streikhemmungsbestimmungen des Bauförderungsgesetzes
widersprechen dem Rechtssinn der Bauarbeiterschaft, während
andererseits jene Bestimmungen, die der Bauarbeiterschaft zugute
kommen, außerordentlich kärglich bemessen sind. Schon
vor zwei Jahren hat man uns versprochen, daß die Kompetenz
der Schiedsgerichte ausgebaut werde, daß die Sprengel kleiner
gemacht und daß mehr Schiedsgerichte errichtet werden. Wir
haben schon vor Jahren verlangt, daß die Lohnschiedsgerichte
am Sitze der Handelskammern, nicht nur in Prag, Brünn und
Bratislava bestehen. Diesen Wünschen hat man bisher nicht
Rechnung getragen. Wir wollen hoffen, daß es künftighin
nach dieser Richtung besser wird und daß die drakonischen
Bestimmungen, die sich gegen die Bauarbeiterschaft richten, aus
einer künftigen Vorlage verschwinden. Es ist gestern auch
bei der Berichterstattung davon die Rede gewesen, daß sich
das Bauen leider verteuert hat. Ich habe bei einer Beratung hier
im Hause, ich glaube im November des Vorjahres anläßlich
einer Teilverlängerung des Baugesetzes bei Besprechung der
Poøièer Katastrophe darauf hingewiesen, daß
die Verteuerung des Bauens vor allem mit den
ungeheueren Wucherprofiten der Zement- und Eisenindustrie innig
zusammenhängt, bei letzterer, soweit sie Baustoffe erzeugt,
und daß hier die Regierung einzuschreiten hätte. Der
Baukostenindex betrug im Jahre 1926 906 und ist bis Oktober 1928
auf 1042, also um rund 15% Brutto gestiegen. Diese Verteuerung
der Baukosten sucht man nach außenhin damit zu rechtfertigen,
daß angeblich die Löhne höher geworden sind. Die
Löhne sind aber nicht höher geworden. Erst seit ganz
kurzer Zeit hat die Bauarbeiterschaft in den deutschen Gebieten
eine 5%ige Lohnerhöhung erhalten, die sie faktisch noch gar
nicht bekommen hat, weil es ja infolge des furchtbaren Winters
zu einer Bautätigkeit nicht gekommen ist. Es können
sich also diese Lohnerhöhungen in den angeführten Ziffern
gar nicht ausgewirkt haben und die Erhöhung der Baugestehungskosten
ist darauf zurückzuführen, daß in der Zement-
und Eisenindustrie ein ungeheuerlicher Wucher getrieben wird,
gegen den einzuschreiten Sache der berufenen Regierungsorgane
wäre.
Im übrigen müssen wir verlangen,
daß natürlich die Produktion und die Einfuhr von Baustoffen
gefördert wird. Wir leiden Mangel an Baustoffen und müssen
einen Teil derselben einführen. Die Produktionsförderung
unserer Regierung besteht aber lediglich darin, daß sie
verschiedene Baustoffe mit hohen Zöllen belegt, damit sie
schwer zu uns hereinkommen können. Dadurch wird natürlich
die Baubewegung nicht unterstützt, sondern gehemmt.
Bei diesem Anlaß will ich auch darauf
hinweisen, daß selbstverständlich in den uns umgebenden
Staaten, vor allem in Deutschland, die Bautätigkeit eine
viel regere ist, daß dort die Bauarbeiter auch viel mehr
verdienen und daß dies naturgemäß dazu führen
muß, daß, wenn hier nicht andere Verhältnisse
platzgreifen, eine Landflucht der Bauarbeiter eintreten wird,
daß sie nach Deutschland auswandern, weil sie ja dort viel
günstigere Arbeitsverhältnisse finden.
Ich will nun an dieser Stelle noch einmal wiederholen,
was wir auf dem Gebiete des Wohnungsmarktes für die Arbeiterschaft
vor allen Dingen fordern. Was wir am dringendsten benötigen,
sind Kleinwohnungen, Arbeiterwohnungen. Diese Wohnungen wurden
durch das bisherige Bauförderungsgesetz nicht geschaffen,
sie können nur geschaffen werden, wenn die Gemeinden in die
Lage versetzt werden, selbst zu bauen, wenn sie materiell die
Möglichkeit bekommen, für die ärmsten Schichten
ihrer Bürger Wohnungen zu errichten. Zunächst müssen
die Gemeinden von der furchtbaren Fessel des Gemeindefinanzgesetzes
befreit werden. Es ist notwendig, eine andere Steuerreform zu
machen, als die Engliš'sche. Wenn heute erklärt
wird, daß kein Geld vorhanden ist und man nicht weiß,
woher man es nehmen soll, so müssen wir dem entgegenhalten,
daß man nur die hohen Einkommen kräftiger besteuern
soll und die großen Vermögen, dann wird sich Geld zum
Bauen finden. Wir müssen darauf verweisen, daß man
sich nur beim Militarismus einige Sparsamkeit aufzuerlegen braucht
und aus den Ersparungen kann eine große Anzahl von Wohnungen
kleinster Art für die Arbeiter geschaffen werden. Was uns
hierzulande für das Wohnungswesen fehlt, ist ein Breitner.
Wir benötigen einen Mann, der dort, wo unsere Finanzpolitiker
erklären, es sei nichts mehr zu holen, noch fette Weideplätze
findet und manchen Patzen Geld herausholt, der für die Wohnungsfürsorge
dienstbar gemacht werden könnte.
Wir haben natürlich von der staatlichen
Wohnungsfürsorge und von der versprochenen Großzügigkeit
nicht allzuviel zu erwarten. Wir erwarten unser Heil auf dem Gebiete
der Wohnungsfrage in der Lösung durch die Kommunen, selbstverständlich
unter Einwirkung und Mitwirkung der Arbeiterschaft. Wir wissen
ganz genau, daß wir nicht nur an dieser Stelle einen harten
schweren Kampf um die Wohn- und Baugesetzgebung zu führen
haben und wir wissen auch sehr genau, daß dieser Kampf um
den Mieterschutz, um das Dach über dem Kopf nur von den sozialistischen
Parteien geführt wird. In den kleinbürgerlichen Parteien
wird zwar vor den Mietern gejammert, mitunter auch geschimpft,
aber sonst wagt man nicht aufzumucksen und wenn die harte Faust
des Hausherrn wieder einmal kommt, so duckt man sich geduldig,
um bei passender Gelegenheit wieder einmal zu schimpfen, aber
sonst nichts zu tun. Mit Schimpfen allein ist aber nichts getan.
Wenn der Kampf um den Mieterschutz Erfolg haben soll, muß
er auf der ganzen Linie von allen daran interessierten Bevölkerungsklassen
mit Vehemenz geführt werden, vor allem von jenen Parteien,
die sich zum Anwalt und Schützer der armen Mieter aufgeworfen
haben. Der Staat, das Zwangsorgan der Gesellschaft, der die Menschen
unter seine Gesetze preßt und unter seine Anordnungen pfercht,
dieser Staat hat auch die Pflicht, nicht nur dafür zu sorgen,
daß jeder Bürger dieses Staates, und sei er auch der
ärmste, wisse, wo er abends sein Haupt hinlegen kann. Um
zu ermöglichen, daß jeder sein Dach über den Kopf
bekommt, werden wir sozialistischen Parteien auch fürderhin
den Kampf führen. (Potlesk poslancù nìm.
soc. dem. strany dìlnické.)