Hohes Haus! In Verhandlung stehen unter anderem
zwei Zusatzprotokolle zum polnischen Handelsvertrag. Das eine
Zusatzprotokoll betrifft die von Polen zugestandene Erhöhung
der Seidenzölle, die von der heimischen Industrie verlangt
wurde. Der Vertrag ist bereits im Feber 1928 geschlossen und provisorisch
schon längst in Kraft gesetzt worden. Das zweite, weit wichtigere
Zusatzprotokoll bedeutet die ungefähre Wiederherstellung
des status quo, der durch die von Polen vorgenommene Zollaufwertung
um 30 bis 72% empfindlich gestört wurde. Die Vorlage gibt
zu, daß bei einigen wichtigen Artikeln, wie z. B. bei Häuten
und Maschinen, ein entsprechender Erfolg allerdings nicht erzielt
worden ist. Das bedeutet, daß unsere handelspolitische Situation
nicht besonders kräftig erscheint. Dieses zweite Zusatzprotokoll
wurde am 13. Juni 1928 in Warschau unterschrieben und am 13. Juli
1928 provisorisch in Kraft gesetzt. Es ist sicher sehr kennzeichnend,
daß das Parlament erst nach einem vollen Jahre, bezw. nach
mehr als einem halben Jahre in die Lage kommt, sich nachträglich
mit diesen Zusatzprotokollen beschäftigen zu können.
Nachdem wir jetzt natürlich nichts daran ändern können,
besteht wohl kein besonderer Anlaß, sich mit erledigten
Dingen näher zu befassen.
Viel dringender und bedeutungsvoller
sind heute andere Fragen, die die Volkswirtschaft der Èechoslovakei
aufs tiefste berühren, vor allem die Frage der Schweineeinfuhr.
Gegen das polnische Schwein, aber auch gegen das ungarische und
serbische laufen die Agrarier heute ebenso Sturm,
wie seinerzeit gegen die Einfuhr der serbischen Schweine nach
Österreich. Die Agrarier, deutsche sowohl wie èechische,
möchten am liebsten die vollständige Sperrung der Grenzen
gegen die Einfuhr der Sehweine aus dem Auslande verlangen, respektive
sie trachten durch eine sehr starke Erhöhung
der Zölle denselben Zweck zu erreichen. Das Landwirtschaftsministerium
kommt den Wünschen der Agrarier wie gewöhnlich entgegen
und sperrt z. B. für viele polnische Bezirke gänzlich
die Einfuhr angeblich wegen Seuchengefahr. Man kennt diese
Methoden vom Schweinekrieg zwischen Serbien und Österreich
her leider allzu gut. Die aggressive Zollpolitik der Agrarier
erschwert selbstverständlich die handelspolitische Situation
der Èechoslovakei ungemein. Mit dem politisch befreundeten
Jugoslavien ist deshalb noch immer kein Vertrag zustandegekommen.
Ich verweise bei dieser Gelegenheit auf die Äußerungen
der "Pravda" in Belgrad, die erklärt, daß
eine solche Politik den Zollkrieg und die Einführung von
Maximalzöllen gegen die Èechoslovakei
bedeuten würde. Ob die jetzigen Verhandlungen der Kleinen
Entente in Bukarest für uns einen entsprechenden Erfolg haben
werden, muß natürlich dahingestellt bleiben.
Wie steht nun die Situation auf dem Gebiete
der Schweineeinfuhr? Kann man sie wirklich vereiteln oder zum
größten Teil drosseln? Ich möchte vorerst einige
Fachleute sprechen lassen, die nicht unserem Lager entstammen.
In sein em im Jahre 1926 erschienene Buche "Praktische Vorschläge
für die Wahrung der land- und forstwirtschaftlichen Interessen
bei der definitiven Neuregelung des èechoslovakischen Zollwesens"
vertritt Herr Dr. Schilling von der deutschen Sektion des böhmischen
Landeskulturrates in Prag die agrarische Schutzkpolitik. Er gibt
aber in seinem Buche offen zu, daß bei dem gegenwärtigen
Stande der Viehproduktion auf die Einfuhr aus dem Auslande wohl
nicht ganz verzichtet werden kann. Noch viel deutlicher spricht
sich Herr Landesökonomierat Teiner in Brünn aus, und
zwar in der Festnummer der "Verlautbarungen der deutschen
Sektion des mährischen Landeskulturrates" anläßlich
der vorjährigen Landwirtschaftlichen Ausstellung in Mähr.-Schönberg.
Er schreibt unter anderem: "Es ist nicht zu vergessen, daß
die Èechoslovakei immer auf die Einfuhr von Schweinen und
Schweinefleisch angewiesen, ja dazu gezwungen
sein wird. Das liegt auf ein em anderen Gebiete, hervorgerufen
durch die geographische Lage der Republik, ihre Verpflichtungen
und ihre Rücksichtnahme auf handelspolitischem Gebiete gegenüber
den Nachbarstaaten". Herr Teiner stellt ausdrücklich
die Rückständigkeit der heimischen Schweineproduktion
fest. In Deutschland kommen nach seinen Darlegungen auf je 100
Einwohner rund 31.3 Stück Schweine, in
der Èechoslovakei nur 16.19 Stück. In Deutschland
ist infolgedessen die bei uns herrschende Schweinenot
im Augenblick vorüber. In den ersten neun Monaten des Vorjahres
sind in Deutschland um 1,620.000 Stück Schweine, d. i. um
19.5% mehr geschlachtet worden. Dabei stieg der Preis
um 10 bezw. 12 Mark. Sicherlich ein günstiges Zeichen für
Deutschland. In Dänemark, das landwirtschaftlich sehr hoch
entwickelt ist, dessen Struktur aus kleinen Landwirtschaften besteht,
dessen Bauern genossenschaftlich glänzend organisiert sind,
geistig hevorragend geschult erscheinen, kommen auf 100 Einwohner
mehr als 121 Schweine. Daher konnte auch Dänemark
im Jahre 1926 rund 18.000 lebende Schweine und 1,900.000 q Schweinefleisch
ausführen, während die Èechoslovakei im gleichen
Jahr 433.870 Lebendschweine und ca 406.000 q Schweinefleisch einführte,
was über 800 Millionen Kè
ausmachte. Im Jahre 1927 wurden 670.794 Stück Schweine in
die Èechoslovakei eingeführt, im Jahre 1928 sogar
850.000 Stück. Das ist natürlich ein sehr bedenkliches
Zeichen für die heimische Schweineproduktion und ein Beweis
dafür, daß sie leistungsunfähig
ist gegenüber dem großem Bedarf, der immer besteht,
was hier ausdrücklich festzustellen ist; und das trotz der
Erhöhung des Schweinezolls von 12 auf 72 Kè für
Schweine im Gewichte von 50 bis 80 kg. Warum diese eigenartige,
bedauerliche, die Volkswirtschaft schädigende
Erscheinung? Herr Landesökonomierat Teiner in Brünn
weist mit Recht darauf hin, daß in der Schweineproduktion
ein wahres Tohuwabohu herrscht, ziel- und planlos darauf losgewirtschaftet
wird. Im Gegensatz dazu herrscht in Dänemark planmäßige
Arbeit, gibt es dort nur zwei Schweinerassen: das dänische
veredelte Landschwein und das Yorkshire-Edelschwein. Insgesamt
bestehen in Dänemark 208 Hochzuchten, dort arbeiten Züchter
und Mäster zusammen, dort ist die Fütterungstechnik
und Leistungskontrolle aufs beste durchgeführt. Und wie stehts
damit bei uns? Neben der Lösung der Rassenfrage und was damit
zusammenhängt, wird bei uns die Errichtung von Genossenschaftsmästereien,
vielleicht im Anschluß an Genossenschaftsmolkereien, empfohlen,
zwecks Produktion von Fleisch- und Schinkenschweinen, während
der Einzelmäster Fettschweine heranziehen soll. Planmäßige
rationelle Produktion unter Mithilfe der Genossenschaften wird
von allen einsichtigen Fachleuten auch der Landwirtschaft immer
dringender empfohlen. Der schon genannte Herr Landesökonomierat
Teiner in Brünn schreibt diesbezüglich: "Es muß
die Erkenntnis durchdringen, daß nur durch geregelte planmäßige
Zucht, durch naturgemäße Haltung und Fütterung,
ferner durch Verwendung von Zuchtmaterial sowie durch Zusammenschluß
der Züchter und Hälter in absehbahrer Zeit eine Besserung
erzielt werden kann."
Auf der heuer stattgefundenen Festversammlung
der deutsch-mährischen Landwirteorganisation, die 27.000
Landwirte wirtschaftlich betreut, hat Herr Verbandsdirektor Hilmer
in Brünn betont: Einführung einer gewissen Planwirtschaft
in der Erzeugung, um Krisen zu verhindern, Schutz der heimischen
Produktion, Herbeiführung gleichmäßiger, die Produktionskosten
deckender und von den Konsumenten erschwinglicher Preise seien
die Ziele der Landwirtschaft. Diese Worte sind im Wesen das, was
wir Sozialdemokraten seit jeher als richtunggebend bezeichnen,
wenn man auch über einzelne Punkte in der Praxis verschiedener
Meinung sein kann. Das freie Spiel der Kräfte im kapitalistischen
Sinne hat die Landwirtschaft zum Spielball der Spekulation gemacht,
wechselnde Preise mit all ihren Folgen - Unrentabilität und
unsichere Existenz - herbeigeführt.
Die großen Preisschwankungen auf dem
Gebiete der Schweineproduktion hängen in Deutschland häufig
ab von der Preisgestaltung der Kartoffeln. In Jahren guter Kartoffelernte
vergrößern die Bauern die Schweinehaltung, um die Kartoffeln
zu verfüttern. Ungefähr 1 1/2
Jahre später tritt infolgedessen ein Überangebot auf
dem Schweinemarkt ein und damit ein für die Bauern katastrophaler
Preissturz. Wenn niedrige Schweinepreise mit hohen Kartoffelpreisen
zusammenfallen, wird die Schweinehaltung eingeschränkt; einige
Monate später wird das Schweinefleisch teuer. Diese periodischen
Krisen berauben die Bauern des Lohnes ihrer Arbeit. Um die Stabilisierung
der Preise zu erreichen und um Verluste zu vermeiden, ist die
Beistellung entsprechend billiger und genügender Futtermittel
notwendig. Bei der Kartoffel ist das durch das Trocknungsverfahren
erreichbar. Es ist Aufgabe der Gemeinwirtschaft, planmäßig
Vorratspolitik zu betreiben und die "Sozialisierung der Kartoffeln"
in die Hand zu nehmen. wie sich Dr Baade ausdrückt.
Damit kommen wir zu einer Kernfrage: der Beschaffung
billiger und genügender Futtermittel. Der schon genannte
Herr Dr Schilling von der deutschen Sektion des Landeskulturrates
in Prag schreibt in seinem ebenfalls erwähnten Buche: "Für
eine günstige und stabile Enwicklung der Viehhaltung ist
die leichte und billige Beschaffung der Futtermittel von
der allergrößten Bedeutung." Das ist sehr richtig.
Er selbst bezeichnet den Einfuhrzoll für Melasse als Prohibitivzoll.
Der Preis der Ware war 1926 45 Kè per Meterzentner. Der
Einfuhrzoll betrug aber 105 Kè. Herr
Dr Schilling plädiert für die weitere Zollfreiheit von
Stroh und Heu, ist aber merkwürdigerweise für einen
Zollsatz auf Futtermehl, u. zw. im Interesse der Mühlenindustrie.
Bekanntlich mußte der Maiszoll von 6 Kè auf 50 Heller
infolge des Futtermangels im Vorjahre herabgesetzt
werden, die Umsatzsteuer blieb aber. Frachtermäßigungen
auf den Bahnen für den Transport von Futtermitteln gibt es
leider nicht.
Wie kommen wir aber zu billigen Futtermitteln? Eine maßgebende
Rolle spielen die überaus hohen èechoslovakischen
Zollsätze für Getreide und Getreideprodukte. Sie betragen
21.6 und 29.7% vom Einfuhrwert. Die erdrükkende
Anzahl der Landwirte sind Viehzüchter, sind Kleinlandwirte.
Die deutschen Randgebiete sind gebirgig und kommen daher vorwiegend
für die Futter- und Viehproduktion in Betracht. Wie wirken
sich nun bei dieser deutschen Landwirtschaft die im Jahre 1926
erhöhten Getreidezölle aus? Gestatten Sie mir einige
Feststellungen. Ein Kleinlandwirt aus Hirschbergen bei Salnau
in Südböhmen mit 7 ha Grundbesitz, einem größeren
Familienstand und 8 Stück Vieh rechnet aus, daß er
bei einem Jahresbedarf von 350 kg Weizenmehl, 600 kg Brotmehl,
700 kg Futtermehl und 250 Kukuruz durch die Agrarzölle mindestens
1500 Kè jährlich Mehrauslagen hat. Dieser Schaden
könne ihm nicht ersetzt werden, auch wenn
auf die zwei Stück Rindvieh, die er im Jahre auf den Markt
bringt, ein 100%iger Zollgewinn käme. In Nordböhmen
ist es nicht anders. Der Musterlandwirt P. in Biela bei Bodenbach,
mit 4 ha Boden durchschnittlicher Bonität, stellt seine nach
amtlichen Vorschriften geführten buchmäßigen Aufzeichnungen
zur Verfügung, aus denen hervorgeht, daß sich seit
Einführung der erhöhten Zölle auf Futtermittel,
Mehl und Getreide die Ausgaben in seiner Wirtschaft bedeutend
gestiegen sind. Der Getreideverkauf betrug im Jahre 1925
747 Kè, der Futtermitteleinkauf dagegen 2.372 Kè,
im Jahre 1926 betrug der Getreideverkauf 939 Kè, der Futtermitteleinkauf
2.251 Kè und im Jahre 1927 der Getreideverkauf 630 Kè,
der Futtermittelankauf 3.381 Kè. Er
kann diese erhöhten Ausgaben also nicht durch erhöhten
Verkauf an Getreide wettmachen. Hier zeigt sich deutlich, daß
die Getreidepreissteigerungen für den kleinbäuerlichen
Betrieb schon wegen der geringfügigen und schwankenden Überschüsse
gar nicht in die Wagschale fallen, dafür aber die Futtermittelkosten
eine ansehnliche und stetig wachsende Ausgabenpost bilden. Getreide-
und Futtermittelpreise stehen im gegenseitigen Einklang und Konnex.
Niedrige Getreidepreise bewirken niedrige Futtermittelpreise;
und damit - das gibt auch Herr Ing. Ott zu, der ein preisgekröntes
Buch über landwirtschaftliche Gestehungskosten verfaßte
- erniedrigen sich die Gestehungskosten der tierischen Erzeugnisse.
Die Herabsetzung der Getreide- und Mehlzölle, die auch von
den èechischen Metallarbeitern gefordert
wird, kann bestimmt zur Verbilligung der Viehproduktion und damit
zur Ermäßigung der Fleischpreise führen. Der bekannte
reichsdeutsche Agrarwissenschaftler Prof. Dr Aeroboe ist gegen
Getreidezölle, weil Viehwirtschaft und Hackfruchtbau ertragreicher
seien, als Getreidebau. Das gilt gerade für die deutschen
Gebiete in ganz hervorragendem Maße. Noch einen Agrarfachmann
möchte ich zum Beweise dafür anführen, daß
die Zollpolitik als solche wirkungslos ist, Herrn Karl Haas in
Prag. Dieser stellte in einer 1927 erschienenen Broschüre
über die Entwicklung der Rindviehzucht in Böhmen im
Zeitraum von 1920 bis 1925 fest, daß die Großviehproduktion
im ganzen Staate im allgemeinen um 7.2% zugenommen
hat, in Böhmen um 14.4%, während der Zuwachs
im deutschen Gebiet durchschnittlich nur 9.1% betragen
hat. Es war also im deutschen Gebiete die Zunahme der Viehproduktion
weit geringer, als im Durchschnitt des ganzen Landes; dies ist
sicherlich bedenklich.
Als Maßnahme zur Hebung der tierischen
Erzeugnisse schlägt der Genannte die Einstellung der Rindvieheinfuhr
vor. Die heimische Produktion sei auf der Höhe und brauche
die Rindvieheinfuhr nicht mehr. Dem widersprechen die Händler
und die Praxis scheint ihnen teilweise recht zu geben. Großvieh
mag sicherlich genug vorhanden sein. Wie steht es aber mit der
Qualität? Ich möchte hier ein Beispiel anführen:
In 38 Gemeinden des Tetschener Bezirkes standen Ende August 1928
in der Zeit der Futtermittelnot bei den dortigen Landwirten seit
Wochen viele hunderte Stück Großvieh zum Verkauf, aber
niemand kam, weder ein Fleischer, noch ein Händler. Diese
erklärten, daß sie Qualitätsware brauchen. Diese
sei draußen am Lande gewöhnlich nicht zu finden. Tatsache
ist, daß im Bodenbacher Schlachtviehhof nur ein Drittel
minderwertiges Vieh geschlachtet wird und daß an Qualitätsvieh
dort vor allem ausländisches Vieh in Frage kommt. Selbst
Herr Haas gesteht, daß infolge der Bodenreform die Mästung
sehr zurückgegangen sei. Er plädiert für eine Steigerung
der Fleisch- und Fettproduktion. Ausdrücklich spricht er
von ein em Mangel an Fleisch und Fett. Vorgeschlagen wird vom
Genannten die Eroberung des Inlandmarktes durch geregelten Viehabsatz,
Verdrängung des Zwischenhandels, Ausbau des Zucht- und Nutzviehverkehrs
und der Verkehrswege. Das Absatzproblem gehört zu den wichtigsten
Fragen für die Landwirtschaft. Gelöst kann es nicht
werden durch Erhöhung der Zölle, wie uns da Herr Abg.
Böhm im Jahre 1926 einreden wollte, wohl aber durch
den direkten Verkehr mit den Konsumenten. Erfreulicherweise ringt
sich dieser von uns stets vertretene Gedanke auch in der Landwirtschaft
immer mehr durch. Entweder kommt bei der Lösung dieser Frage
die Belieferung der Konsumvereine durch landwirtschaftliche Genossenschaften
in Betracht oder die Viehverwertung seitens der organisierten
Landwirte selbst. Die Genfer Weltwirtschaftskonferenz vom Jahre
1927 empfahl die Verbindung der Erzeuger- und Verbrauchergenossenschaften
dringend, aber die deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften
Böhmens machten 1928 unter Führung ihres Anwalts Dr
Weden in Prag dagegen politische Bedenken geltend. Die landwirtschaftlichen
Genossenschaften seien konservativ, die Konsumentenorganisationen
aber marxistisch eingestellt. Wie kurzsichtig! Mit dem legitimen
Handel will aber Herr Dr Weden ein möglichst gutes Einvernehmen
pflegen. Bei der Lösung der ganzen Frage spielt auch ein
Umstand eine große Rolle: die Steuerleistung. Die vielgepriesene
Steuerreform hat dem kleinen Landwirt keine Entlastung gebracht,
der Druck der indirekten Steuern ist gestiegen und die direkten
sind für ihn nicht geringer geworden. Das Umsatzsteuerpauschale
steigt, die Hausklassensteuer ist für den kleinen Landwirt
ganz enorm erhöht worden, dank der Steuerpolitik seiner guten
Freunde vom Bund der Landwirte und der deutschen Christlichsozialen.
Die Bemessung der Hektarreinerträge war bisher ein ungeheurer
Skandal. Dem Druck der organisierten Kleinlandwirte ist es endlich
gelungen, hier eine Änderung zu erzielen, sehr zum Leidwesen
der im Bund der Landwirte organisierten Großbauern. Es heißt
nun, daß die Berechnung der Hektarerträge einheitlich
erfolgen soll. Wie sich dir gleichmäßige Berechnung
der Erträge in der Praxis auswirkt, ob die Herren Großbauern
durch eine erhöhte Regieberechnung für sich besondere
Begünstigungen erreichen wollen und erreichen wer den, bleibt
abzuwarten. Wir werden natürlich dagegen Stellung nehmen,
daß auf diese Art und Weise hinterrücks wieder eine
ungleichmäßige Berechnung zu ungunsten der Kleinlandwirte
eintreten soll. Die Grundsteuer ist ungerecht aufgeteilt und würden
die 460.000 Kleinlandwirte von 2 bis 5 Hektar Grundbesitz, die
bisher 21 Millionen Kè Grundsteuer zahlen, bei der Einführung
der Erwerbsteuer nur 5 Millionen bezahlen. Noch
etwas möchte ich hiebei ausdrücklich hervorheben: Bei
manchen agrarisch eingestellten Landwirten und deren Zeitungen
dämmert es langsam auf, daß sie ebenso wie die Arbeiter,
Angestellten und Gewerbetreibenden unter der modernen Sklaverei
des internationalen Großkapitals leiden und den Ertrag ihrer
Arbeit in Form von hohen Preisen und Zinsen den Banken und Aktiengesellschaften
abliefern müssen. Sie erkennen, daß der Feind, der
sie ausnützt und ausbeutet, nicht links steht, sondern rechts;
das ist das Großkapital, das auch sie unterdrückt.
Aber diese Erkenntnis dauert nicht lange. So schreibt z. B. der
Budweiser "Dorfbote" mitunter in diesem Sinne ganz nett,
aber es hindert ihn nicht, nach wie vor die bösen Sozialdemokrokraten
als die größten Feinde der Landwirtschaft hinzustellen.
Folgendes schreibt er am 17. Feber 1929: "Nach der Auffassung
der Sozialdemokraten und anderer sozialistischen Parteien ist
die Landwirtschaft nur dazu da, billige Lebensmittel und für
die Industriearbeiter herbeizuschaffen. Daß die Landwirte
darauf Anspruch hätten, für ihre Arbeit einen angemessenen
Lohn zu erhalten, fällt diesen Menschenfreunden nicht ein."
Soviel Worte, soviel Ungereimtheiten und Unwahrheiten.
Wer das sozialdemokratische Agrarprogramm kennt, wer unser praktisches
Wirken genau verfolgt, weiß, wie sehr sich die Sozialdemokraten
zugunsten der Landwirtschaft einsetzen und ihre Produktion heben
und wie sie auch die Lage der Landwirte verbessert haben wollen.
Unsere eigenen Anträge in diesem Hause beweisen dies ganz
klar für jedermann, der es wissen will. Ich möchte ausdrücklich
hervorheben, daß sich unter unseren Anträgen auch ein
Antrag befand, der verlangt, daß eine Herabsetzung jener
Industriezölle erfolgt, welche die Landwirtschaft überflüssigerweise
belasten. Ich sage das als Beweis dafür, daß wir keine
einseitige Zollpolitik betreiben, sondern ehrlich und rechtschaffen
das wollen, was der Landwirtschaft frommt und nützt. Ich
verweise weiter in dieser Richtung auf den Antrag Druck Nr. 1940,
den Koll. Leibl und ich eingebracht haben, wegen Behebung
der Futtermittelnot und Erhöhung des Absatzes von heimischem
Vieh. In neun konkreten Vorschlägen drücken wir unsere
ehrliche Absicht aus, den bedrängten Viehproduzenten wirksame
Hilfe zu bringen. Der Antrag stammt vom 7. November 1928, bis
heute ist er noch nicht im landwirtschaftlichen Ausschuß
verhandelt worden, wie denn überhaupt unsere Anträge
in diesem Parlament skandalöserweise direkt sabotiert werden.
Wenn wir die Zollpolitik als em untaugliches Mittel zur Hebung
der Landwirtschaft bezeichnen und deshalb von unseren politischen
Gegnern verlogenerweise als Feinde der Landwirtschaft bezeichnet
werden, so trösten wir uns leicht, weil wir uns da in sehr
guter Gesellschaft befinden. Wir können uns wirklich sehen
lassen. Ganz hervorragende Agrarpolitiker, Wissenschaftler, Praktiker,
wie z. B. die Professoren Dr Sehring, Aereboe, Beckmann, von Dietze
in Deutschland und Prof. Hainisch in Österreich und viele
andere sind, weil sie Feinde einer solchen Zollpolitik sind, nach
der kurzsichtigen Auffassung der Landbündler ebenfalls "geschworene
Feinde" der Landwirtschaft, wie man das uns andichtet. Von
dem eben genannten Prof. Aereboe wird die Zollpolitik ganz richtig
als nichtproduktionsfördernd bezeichnet, wohl aber als ein
großes Übel, als eine starke Gefahr, ja er sagt ganz
ausdrücklich: "Die Zollpolitik ist der größte
Friedensstörer. Die Zollasten sind schwer und für die
gesamte arbeitende Bevölkerung ist eine Erhöhung der
Preise von Fleisch durch die Anträge der Agrarier, wie sie
bereits vorliegen, ausgeschlossen." In Deutschland zahlt
eine fünfköpfige Familie jährlich einen Zolltribut
von 1440 Kè, das ist natürlich dort höher als
bei uns, aber auch bei uns sind die Zolllasten ganz außergewöhnlich
hoch. Dabei kommt in Betracht, daß die
Ausgaben für Lebensmittel perzentuell sehr hoch sind. In
Deutschland betragen diese Ausgaben 45% und ich weiß nicht,
ob sie bei uns geringer sind. Nun stellen Sie sich vor, daß
die Arbeiter, welche oft nur einen Wochenlohn von 100, 120 und
bestenfalls 150 Kè oder die Arbeiterinnen 60, 70
oder 80 Kè wöchentlich heimbringen, nun prozentmäßig
noch mehr Ausgaben für Fleisch machen sollen, das doch für
sie heute schon ein Leckerbissen geworden ist. Ein solches Opfer
von den Arbeitern zu verlangen, ist direkt
ein Verbrechen. Dagegen wehren wir uns. Es zeugt aber auch von
der ungeheuren Kurzsichtigkeit der Agrarier, die den durchaus
richtigen Gedanken des Herrn Schimana, den er in der "Bohemia"
erörtert hat, daß der Viehproduktion im Wege der Hebung
des Fleischkonsums geholfen werden könne, direkt verspotten.
Die amerikanischen und reichsdeutschen Industriellen, die ersten
der Welt, verstehen es sehr wohl, da ein erhöhter Absatz
nur möglich ist, wenn der Konsument kaufkräftig ist
und entsprechend preiswerte Waren geliefert bekommt. Aber bei
den Agrariern ist das ganz anders. Bei ihnen sind niedrige Löhne,
lange Arbeitszeit, keine soziale Fürsorge das Ideal. Es ist
kein Wunder, daß die heimische Landwirtschaft bei einer
solch erzreaktionären Einstellung und Führung, bei dem
Mangel an zeitgenössischen Maßnahmen, wie genossenschaftlicher
Produktion, Absatzregelung, Ausschaltung des Zwischenhandels,
auf keinen grünen Zweig kommen kann. Der Bankerott der agrarischen
Zollpolitik liegt für jedermann klar zutage. Er ist unbestritten.
Und wenn die Zölle auf Vieh und Fleisch noch so hoch angesetzt
würden, kann die Produktion ohne innere. Organisation, ohne
Rücksicht auf die Absatzmöglichkeit, ohne erhöhte
Konsummöglichkeit nicht gedeihen. Was der Landwirt braucht
und was auch schon früher festgestellt wurde, sind feste,
die Produktion ermöglichende Preise. Auch in agrarischen
Kreisen spricht man von dieser Notwendigkeit öfters. Der
"Dorfbote", der eine gewisse Rolle in der Landwirtschaft
spielt, hat am 13. Jänner d. J. davon gesprochen. Es steht
fest, daß ohne umfassende Organisation und ohne Eingriff
des Staates eine Gesundung der Landwirtschaft einfach nicht zu
erreichen ist. Ich möchte lobend hervorheben, daß die
Großeinkaufsgesellschaft der reichsdeutschen Konsumvereine,
eine sehr starke und mächtige wirtschaftliche Organisation,
es so weit gebracht hat, daß sie heute mit Landwirten Lieferungsverträge
auf längere Dauer zu festen Preisen abgeschlossen und damit
eine Stabilisierung der Vieh- und Getreidepreise erreicht hat.
Was hier theoretisch gefordert wird, wird durch sozialdemokratische
Praktiker und Genossenschaftler anderswo bereits praktisch verwirklicht.
Wir wollen das auch hier erreichen. Aber hier fehlt uns der Partner,
wir finden oft kein Verständnis auf der anderen Seite, die
es angeht. Unsere Ideen finden trotzdem immer größere
Anhang in der Landwirtschaft und werden mehr als früher beachtet.
So z. B. die Forderung nach Stabilisierung der Getreidepreise
durch ein Außenhandelsmonopol für Getreide. Die österreichische
Sozialdemokratie hat es vor 3 Jahren in ihr Programm aufgenommen.
Wir haben in diesem Hause auch im Jahre 1926 wiederholt davon
gesprochen, daß die Getreidepreise durch die Errichtung
eines staatlichen Außenhandelsmonopols stabilisiert werden
könnten, das ausgleichend wirken würde. Damals
ist aber der Gedanke von den deutschen und èechischen Agrariern
abgelehnt worden. Jetzt erleben wir aber, daß dieser Gedanke
vom Landbund in Deutschland aufgenommen wurde und von ihm eifrig
vertreten wird. Was wir 1926 in diesem Staate
vergeblich gefordert haben, wird also jetzt von den reichsdeutschen
Agrariern ebenfalls vertreten. Werden daraus unsere heimischen
Agrarier die Konsequenzen ziehen?
Ich möchte auch daran erinnern, daß
die österreichischen Sozialdemokraten im Nationalrat vor
wenigen Wochen die Errichtung eines Großhandelsmonopols
für Zucker verlangt haben. Was hat darauf der Landwirtschaftsminister
Dr. Buresch geantwortet? Er hat erklärt, man werde sich im
Interesse der Rübenbauern schließlich dazu entschließen
müssen, ein solches Großhandelsmonopol für Zucker
in Österreich zu errichten, um dem Druck der Agrarkrise in
der Landwirtschaft durch den Schleuderexport seitens der èechischen
Zuckerindustriellen zu paralysieren. Also rein bürgerliche
Politiker nehmen unsere Vorschläge auf.
Ich möchte dadurch beweisen, daß
der Gedanke der gemeinwirtschaftlichen Kontrolle der Märkte,
die Sozialisierung des Vertriebes der Agrarprodukte, immer mehr
Gestalt und Formen annimmt. Nur durch den Kampf gegen die Kartelle
und ihre Preispolitik und das Handelskapital kann der Landwirt
im Zusammengehen mit den organisierten Konsumenten vorwärts
und aufwärts kommen. Er darf nicht reaktionär und konservativ,
sondern er muß sozial und fortschrittlich sein. Ich möchte
darauf hinweisen, daß das Österreichische agrarische
Handbuch, das 1911 erschienen ist, folgendes geschrieben hat:
"Der Agrarismus will die Beseitigung der kapitalistischen
Organisation unserer Volkswirtschaft durch eine wesentlich idealere
Organisation, die von einer wahrhaft sozialen Auffassung in Rechten
und Pflichten getragen wird und nach möglichst harmonischer
Entfaltung aller Glieder des Volkes strebt." Das ist sehr
eindeutig und verständig. Dies möchten sich die Agrarier
von 1929 zu Gemüte führen, weil sie das Gegenteil von
dem wollen und heute tun, was 1911 im Agrarprogramm festgesetzt
wurde. Sie machen es sich jetzt sehr bequem, einfach und leicht.
Die deutsche Sektion des Prager Landeskulturrates schreibt in
ihrem 31. Bericht pro 1926 bezüglich der Schweinezucht folgendes:
"Die Hauptursache des Preisdruckes ist die sehr große
Einfuhr von Schlachtschweinen aus dem Auslande, vorwiegend Polen.
Ungarn und Jugoslavien. Solange diese Importe nicht eingeschränkt
oder teilweise ganz eingestellt werden, werden sich unsere früher
stark betriebene Schweinezucht und Schweinemast nicht erholen
können." Sieht man aber in diesem Berichte nach, was
zur Lösung der übrigen Fragen getan wurde, die mit der
planmäßigen Produktion und Absatzorganisation zusammenhängen,
so erhält man leider nur sehr unbefriedigende Aufschlüsse.
Da ist gegenüber den von den Agrariern
geforderten Agrarzöllen der Erhöhung der Zölle
auf die Einfuhr ausländischer Schweine, Schweinefleisches
usw., die "Prager Presse," das Organ des Außenministeriums,
denn doch weit kritischer eingestellt. Gestatten Sie, daß
ich folgendes sage. In der Nummer vom 29. Jänner 1929 sind
im Leitartikel des genannten Blattes "Die Borstenviehfrage"
folgende kennzeichnende Stellen zu lesen: "Das nächstliegende
- nach der jetzigen Mentalität unserer industriellen und
landwirtschaftlichen Produktion - ist ein Antrag auf Erhöhung
der Borstenviehzölle. Hier aber lehren uns die Tatsachen,
daß es wirklich prohibitive Zölle sein müssen,
die den Schweinefleischpreis auf eine fantastische Höhe treiben
würden. Denn wenn die polnische Regierung noch imstande ist,
einen sehr erheblichen Ausfuhrzoll zu erheben, dann ist wohl die
Schweineproduktion in Polen so billig, daß sie einfach alle
noch diskutablen Zölle überspringen kann. Eine sehr
einschneidende Erhöhung der Zollsätze bei uns hätte
also nur das Resultat, daß alles in Bezug auf die Schweineproduktion
beim alten bleibt - denn wir können die polnische Billigkeit
mit unseren jetzigen Produktionsbedingungen nicht einholen - nur
daß der Fiskus eine Mehreinnahme aus den Schweinezöllen
haben würde, und vor allem, daß das Schweinefleisch
für den Konsumenten verteuert würde." Diese Feststellung
eines Regierungsorgans ist sicherlich beachtenswert. Die "Prager
Presse" fährt dann fort: "Infolgedessen ist als
Ergänzung die Idee propagiert worden, das Kontingent, das
infolge des heimischen Bedarfes nicht praktiziert wird, strenge
einzuhalten oder noch zu verkleinern. Aber auch dies ist natürlich
kein Ausweg, denn bei einer strengen Handhabung des Kontingentes
müßte bei uns unbedingt bei erhöhten Preisen eine
Not an Schweinefleisch entstehen, wobei also noch größere
Gewinne in den Händen des Zwischenhandels bleiben würden,
ohne daß eine Anregung für die Schweineproduktion bei
uns entstehen könnte. Wir sehen ganz davon ab, daß
die Kontingentierung wohl bald nicht mehr möglich wird, weil
sie dem Geiste der internationalen Handelsbeziehungen widerspricht."
Wir sprechen heute wieder über Handelsverträge,
über Zusatzprotokolle. Ich möchte mir die Situation
anschauen, wenn das Haus die Anträge der Agrarier auf Erhöhung
der Schweineeinfuhrzölle annehmen würde, ich möchte
sehen, wie wir dann bei den internationalen Handelsvertragsverhandlungen
dastehen würden. Deshalb schwärmt die "Prager Presse"
für eine mäßige Erhöhung der Zölle,
für die Schaffung eines Fondes zur Förderung der Produktion
und für die staatliche Erfassung der Zwischengewinne, vielleicht
also für ein staatliches Einfuhrmonopol. "Hiedurch würden
wir" meint die "Prager Presse" "den unangenehmen
handelspolitischen Konsequenzen, einer starken Belastung der Konsumenten
mit eventuellem Konsumrückgang, wie er in der Zuckerindustrie
so prompt eingetreten ist, und noch anderen unangenehmen Nebenerscheinungen
entgehen und dabei doch unsere landwirtschaftliche Produktion
um einen wichtigen Zweig bereichern, der insbesondere das Betätigungsfeld
der kleinen und Mittelbauern bilden könnte."
Ich komme zum Schlusse. Möge die Mehrheit
tun, was sie nicht unterlassen kann. Gegen eine neue agrarische
Zollpolitik, wie sie geplant ist, die mit den allerschlimmsten
Folgen für die Allgemeinheit enden muß, wenden wir
uns mit aller Schärfe. Wir warnen in zwölfter Stunde
das Parlament und die Regierung vor Experimenten, die nichts anderes
im Gefolge haben könnten als eine schwere Schädigung
der Volkswirtschaft, der Lebenshaltung breiter Massen, darunter
auch der Kleinlandwirte und der Häusler, sowie eine Gefährdung
der internationalen Verständigung der Völker. Wir wollen
der Landwirtschaft helfen, sie soll auf die Höhe kommen,
sie soll uns geben, was wir brauchen, aber mit den Mitteln des
Zolles kann das unmöglich und nie erreicht werden. Ganz andere
Mittel müssen angewendet werden, wie ich gezeigt habe, u.
zw. im Verein mit den organisierten Konsumenten. Wir propagieren
die Zusammenarbeit der Arbeiterschaft mit der Landwirtschaft in
vernünftigem, sozialem, fortschrittlichem Sinne. Halten wir
zusammen auf diesem wirtschaftlichem Gebiete, dann wird vieles
in diesem Staate anders und besser werden. (Potlesk
poslancù nìm. soc. dem. strany dìlnické.)