Pátek 15. února 1929

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 183. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pátek dne 15. února 1929.

1. Øeè posl. de Witteho (viz str. 4 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! So hätten wir also jetzt wieder einmal einen offiziell aktiven Regierungschef oder wenigstens einen scheinbar aktiven, und es muß schon gesagt werden, daß es der Koalition durchaus nicht leicht gefallen ist, dahin zu kommen. Wenn man auch nur die Regierungspresse verfolgt hat, weiß man, welch ungeheuere personelle Schwierigkeiten zu überwinden waren, bis man endlich dazu gekommen ist, ausgerechnet den Kriegsminister mit dieser Funktion bekleiden zu können.

Man muß schon sagen, die Kleine Entente macht sich. Rumänien ist, wie man weiß, ein halb faszistisch regiertes Land, in dem die persönliche Freiheit nicht allzu viel wert ist, man weiß, daß auch im Anhängsel oder Mitläufer der Entente, in Polen, die Diktaturgelüste des Marschalls und seines Militärklüngels immer weiter bestehen, in Jugoslavien ist alle politische Freiheit aufgehoben und der Kriegsminister, der Soldat, an der Spitze der Regierung schaltet und waltet nach Gutdünken, und in der Èechoslovakei sind wir nun wirklich so weit, daß der Kriegsminister wenigstens an der Spitze der Regierung steht. Wie lange ist es her, muß man sich fragen, seitdem die sogenannten westlichen Demokratien nicht nur mit Maschinengewehren, sondern auch mit schönen Sittensprüchlein gegen den Halbabsolutismus der Mittelmächte aufmarschiert sind, und heute sehen wir, daß Deutschland und Österreich wirkliche Demokratien geworden sind, während Italien und Jugoslavien dem Absolutismus gänzlich verfallen und in einer ganzen Reihe anderer Siegerstaaten mindestens der Halbabsolutismus herrscht. Die Èechoslovakische Republik ist aber, wie wir die Dinge sehen können, von einem doppelten Ehrgeiz erfüllt, nämlich zugleich Demokratie und ihr Gegenpart zu sein. Das Firmenschild heißt "Demokratische Republik" und im Laden drinnen die Vergewaltigung des Volkes. Die Verfassung: "Alle Macht geht vom Volke aus" und die Tatsachen: Das Volk wird gegen seinen deutlich festgestellten Willen regiert. Man braucht sich nur die eine Wendung aus der gestrigen Regierungserklärung näher anzusehen, wo der neue Regierungschef sagt, daß die Ausschreibung von Wahlen eine Profanierung der Demokratie wäre, um schon Bescheid zu wissen, welcher Geist herrscht, wie undemokratisch die Menschen eingestellt sind und wie damit, was nach außen hin als Firmenschild der Èechoslovakischen Republik ausgestellt wird, Schindluder getrieben wird.

Seit Jahr und Tag hatten wir einen Ministerpräsidenten, der offiziell außer Aktion war. Es kam als sehr erschwerend für die Regierungskoalition dazu, daß sein Stellvertreter ein Herr war, der sich in diesen Kreisen in seltenem Ausmaße der allgemeinen Unbeliebtheit erfreute. Man wollte ihn weg haben, aber er ging nicht. Fast ebenso groß wie sein Talent, sich unbeliebt zu machen, ist seine außerordentlich ausgebildete Tugend der Ausdauer, der Beharrlichkeit, der Zähigkeit. Er geht nicht. Er und seine Partei wurden im Wahlkampfe blutig aufs Haupt geschlagen, aber er bleibt. Es bleibt der Koalition nur mehr ein letzter Ausweg, ihn zu belassen und ihn trotzdem matt zu setzen, also Rücktritt des kranken Ministerpräsidenten. So hat dann sein Stellvertreter nichts mehr stellzuvertreten. So glaubt man die Koalition und das Volk leimen zu können.

Wir haben es hier mit einem Mißverstehen der Wählerschaft zu tun, das, wenn es nicht gar so traurig in seinen Folgen wäre, verdienen würde, grotesk-komisch genannt zu werden. Die Mehrheit des Volkes entscheidet gegen den Bürgerblock, gegen das System, das augenblicklich an der Macht ist, gegen dieses fluchbeladene, Millionen Menschen drangsalierende System und die Koalition glaubt, aus dem Votum der Wählerschaft den Schluß ziehen zu können, daß eine Änderung, ein Wechsel in den Chargen genügt, um die Wählerschaft zufrieden zu stellen. Die Mehrheit entscheidet gegen diesen militaristischen Wahnsinn und die Koalition antwortet darauf, indem sie den Vater der Rüstungen zum Vorsitzenden der Regierung macht. Das ist die Situation, wie wir sie hier vorfinden. Der Vorsitzende der Regierung baut die Rüstungen auf, und derjenige, der die Sozialpolitik abbaut, ist sein Stellvertreter. Das soll die Antwort des Bürgerblocks auf die Wahlergebnisse vom 2. Dezember sein.

Nun zur Erklärung des Herrn Regierungsvorsitzenden. Zunächst ein Wort über die Frage, was Regierungserklärungen von dieser Stelle aus überhaupt wert sind. Am 14. Oktober 1926 hat der damalige Chef der internationalen Bürgerblockregierung für diese eine Erklärung abgegeben und gesagt, er betrachte es als seine, bezw. dieser Regierung und Mehrheit Aufgabe, die Lösung der wirtschaftlichen Krise anzubahnen und herbeizuführen, und er hat ausdrücklich erklärt, was ich wörtlich zitieren möchte: "Jede sachliche und positive Kritik wird uns immer willkommen sein". Aber was kam statt dessen? Die Steuerreform mit ihrer Entlastung der Reichen und der Mehrbelastung der armen und kleinen Leute, mit der unerhörten Mehrbelastung des Konsums! Es kann als Erfolg dieser Bürgerregierung gebucht werden, daß der èechoslovakische Arbeiter heute zu den ärmsten Arbeitern der ganzen Welt gehört, daß der Reallohn in der Èechoslovakei niedriger ist als in den meisten Staaten Europas, und was die willkommene Kritik anlangt, von der der Chef der Bürgerblockregierung gesprochen hat, so haben wir in der Tat gesehen, daß sie in der Niedertrampelung der Opposition, in der Mißachtung aller Anregungen von oppositioneller Seite bestanden hat.

Švehla hat damals auch gesagt, heute gehe die Regierung an die gemeinsame Arbeit für die Schaffung eines harmonischen Zusammenlebens im Rahmen der gegebenen Grenzen des Staates. Er hat erklärt, er sei sich dessen bewußt, daß die aus verschiedenen nationalen Kulturen erfließenden Differenzen nicht verschwinden werden, aber das, worum es gehe, sei die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Differenzen und Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. In dieser Hinsicht, so hat er weiter gesagt, wolle die Regierung neue Bahnen gehen, und so öffne sich der Weg zur Lösung der Frage des nationalen Zusammenlebens und zur Verwirklichung aller Aufgaben des Staates. Und stellen wir nun dieser Erklärung die Tatsachen gegenüber, bezw. all das, was seit dieser Zeit unter der Regierung Švehla vom Bürgerblock geschehen ist, so finden wir das Gemeindefinanzgesetz mit der Beseitigung der Gemeindeautonomie, finden wir die Verwaltungsreform, die alle Ansätze zur nationalen Autonomie, die schon vorhanden waren, obwohl nur spärliche, geringfügige Ansätze, aber doch Ansätze, die alle diese Ansätze vollständig beseitigt hat, finden wir die Landesvertretungen mit der Majorisierung aller Nichtèechen, finden wir die Aufhebung des Landes Schlesien, finden wir die Tatsache, daß Bezirkshauptleut des Staates über die ehemaligen autonomen Bezirksvertretungen eingesetzt werden, finden wir die Fälschung der nationalen und politischen Tatsachen durch die willkürlichen Ernennungen in die Landes- und Bezirksvertretungen, finden wir, daß den deutschen Bezirken die Mitgliedschaft beim Verband der deutschen Selbstverwaltungskörper verboten wird, finden wir weitere Drosselungen der deutschen Schulen, die Unterdrückung der deutschen Fachschulen, die Bagatellisierung der deutschen Kulturbedürfnisse im Budget, wir finden also Rechtsvorenthaltung, Raub aller Rechte, Vergewaltigung ehemaliger Freiheiten - und das soll also die Lösung der Frage des nationalen Zusammenlebens sein! Er hat wirklich Wort gehalten, so wie er immer Wort gehalten hat. Am 7. November 1927 hat Švehla im Budgetausschuß eine neuerliche Erklärung für den Bürgerblock abgegeben, in der ausdrücklich die Worte vorkommen: Nationale Verständigung, Mobilisierung der Vernunft, die Schule dürfe kein Politikum sein, sondern dürfe nur als Kulturaufgabe betrachtet werden und das Sprachenproblem dürfe nicht vom Standpunkt des Prestiges, sondern der Zweckmäßigkeit gelöst werden. Was aber kam? Die Antwort steht im Budget, welches derselbe Budgetausschuß gemacht hat, und da sehen wir: die Schule ist ein Politikum, auch von dieser Bürgerblockmehrheit ist sie als Politikum behandelt worden, denn die Ziffern des Budgets sprechen eine beredte und nicht zu bestreitende Sprache, mobilisiert wurde nicht die Vernunft, sondern die gewalttätigen Sprachenverordnungen. Und wie man das Sprachenproblem zu lösen versucht hat, bitte, darauf eine Antwort aus den allerletzten Tagen, wo man auf Befehl der Zentralstelle die Beschlüsse der Bezirke auf Festsetzung einer Geschäftssprache nicht zugelassen hat. Die Sprachenfrage dürfe nicht vom Standpunkt des Prestiges, sondern nur vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit behandelt werden: und in dem Augenblick, wo Bezirksvertretungen zusammenkommen und aus Zweckmäßigkeitsgründen eine Geschäftssprache beschließen wollen, kommt das Verbot, überhaupt einen derartigen Beschluß zu fassen. So sieht es um die Regierungserklärungen des Bürgerblocks aus. Damals, als Herr Švehla - es ist notwendig, auch über diese Heucheleien etwas zu sagen, mit denen man da umgeht - damals als Herr Švehla im Oktober 1926 sich hierher gestellt hat wie ein Prophet der nationalen Gerechtigkeit, haben die Obergläubigen im Hause, die deutschen Regierungsparteien gerufen: Seht, ist nicht aus dem Saulus der Sprachenverordnung ein Paulus der nationalen Verständigung geworden? Hat damals nicht der Klubobmann des Bundes der Landwirte sofort geschwärmt, man habe soeben die Botschaft des Heiles vernommen? Doch das Unheil reitet schnell. Der Herr Klubobmann des Bundes der Landwirte hat sein Heil gefunden - im Landeskulturrat, er hat erfolgreicher gekämpft als die von ihm an den Pranger gestellten Männer des 4. März. Und die Erklärungen des Regierungschefs? Holler, Holler, nichts als Holler! Und man muß Wilhelm Busch zitieren: "Denn erstens kommt es anders, zweitens als er sagt".

Nun haben wir gestern die Erklärung des neuen Regierungschefs gehört, eine Erklärung, in der es hieß, Neuwahlen wären eine Profanierung der Demokratie. Die Erklärung hat mit ein paar Phrasen über die Leiden der Bevölkerung in diesem harten Winter geschlossen, ohne daß der Herr Chef der Regierung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, was eigentlich praktisch zur Hilfeleistung für die unter den Härten des Winters Leidenden geschieht. Im großen und ganzen aber hat er gesagt, daß alles so weiter gemacht werde, wie bisher, es war ja alles richtig und schön und schließlich sei er ja nur Platzhalter für Švehla, dem man baldige Gesundung wünsche. Ich schließe mich diesem Wunsche aus menschlichen Gründen freilich vollkommen an. Nach den Worten des neuen Regierungschefs geht also alles weiter wie bisher und darum halte ich es für notwendig, einmal etwas mehr über die Taten und Unterlassungen dieser Regierungsmehrheit zu sprechen.

Wenn wir davon reden, so ist selbstverständlich der erste Gedanke, der sich uns da aufdrängt, der Gedanke an die Menschen, die in diesem unbarmherzig harten Winter unter der doppelten Not des Frostes und ihrer sozialen Notstände zu leiden haben. Diesen Notständen steht die Regierung einfach tatenlos gegenüber. Wir begreifen schon, daß Verkehrsschwierigkeiten erwachsen, wie der Herr Eisenbahnminister gemeint hat; es gibt da eine Menge von Fachleuten, deren Urteil etwas anders lautet, als das des Herrn Ministers, die meinen, daß es anders zugeht, daß die Eisenbahnzüge nicht an die Schienen anfrieren. Aber es gibt genug Verkehrsschwierigkeiten und dennoch wäre bei einiger Vorsorge des Eisenbahnministeriums nicht notwendig, daß man Menschen stundenlang in ungeheizten Zügen auf offener Strecke stehen läßt, und es hätte gewiß, wenn sich die Eisenbahnverwaltung mehr mit dem Verkehr und weniger mit dem Schikanieren des Eisenbahnpersonals beschäftigt hätte, vermieden werden können, daß die Kohlenversorgung der Bevölkerung, sogar die Kohlenversorgung der Hauptstadt des Landes unterbunden wird. Ich möchte die Gelegenheit benützen, um hier ausdrücklich im Namen meines Klubs aufrichtigen Dank den Eisenbahnern zu sagen, die mit Opfermut und unter ständiger Hintansetzung ihrer Person unter furchtbaren Verhältnissen ihren Dienst verrichten, die mit Heldenmut den Gefahren dieses abnormalen Winters trotzen, um soviel, als in ihrer eigenen Kraft steht, beizutragen, den Eisenbahnverkehr noch halbwegs aufrecht zu erhalten und Leben und Sicherheit der Reisenden zu schützen. Kein Wort des Dankes an diese Menschen ist zu viel und es wäre zu wünschen, daß wir wenigstens ein klein wenig dieses großen Dankes, den wir dem Eisenbahnpersonal schulden, auch der Eisenbahnverwaltung sagen könnten.

Aber es gibt Dinge, die noch weit ärgern sind, als die Verkehrskalamitäten. Der harte und langandauernde Frost hat die saisonmäßige Arbeitslosigkeit ungemein verschärft und so die Menschen, die gerade jetzt einen größeren Aufwand für warme Kleidung, für fetthaltige Nahrung und Beheizung zu machen hätten, in eine schwere Situation gebracht. Die Kinder der Arbeitslosen frieren in ungeheizten Räumen und wir haben schon von Fällen gehört, in denen Menschenleben elend zugrunde gegangen sind. Die Mehrheit hat bei der Beratung des Staatsvoranschlages mit einer scheinsozialen Geste aus den Gebahrungsüberschüssen 5 Millionen Kè zum Zwecke der Kinderausspeisung und 5 Millionen für Jugendfürsorgeaktionen gewidmet. Wir aber werden von diesen Organisationen mit Klagen bestürmt, daß sie, statt reichlichere Unterstützungen zu erhalten, selbst auf die Auszahlung der bereits bewilligten Beträge warten müssen. Hier gilt unter dem Eindrucke der großen Not das Wort: Bis dat, qui cito dat, doppelt gibt, wer schnell gibt.

Eine Verzögerung der Hilfeleistung heißt eine Vernichtung der Hilfeleistung selbst. Es sollte nicht bei der Geste bleiben, die Unterstützungen sollten wirklich auch schnell ausgezahlt werden. Wir fordern, daß die Regierung die restlichen Gebarungsüberschüsse - bisher wurde nur ein Bettel gegeben - die unter Berücksichtigung der im Artikel XXII des Finanzgesetzes vorgesehenen Widmungen noch über 15 Millionen betragen, sofort zu Hilfsaktionen für die hungernden und frierenden Kinder flüssig mache. Wir sind sehr neugierig, ob die Regierungsparteien den traurigen Mut aufbringen werden, auch über diese Forderung mit der gewohnten Schnoddrigkeit hinwegzugehen. Die Ausrede, daß wir Unmögliches verlangen, ist der Mehrheit von vornherein abgeschnitten. Die Situation der Staatsfinanzen ist keine solche, daß sie auch die bescheidensten sozialen Leistungen unmöglich machen würde. Gestatten Sie, daß ich mich mit diesem Problem, da uns ja auch der Rechnungsabschluß vorliegt, ein wenig beschäftige. Ich will jedoch nicht auf die Gebarung des Jahres 1927 eingehen, da dies von meinem Fraktionskollegen bei der Ausschußberatung hinreichend besorgt worden ist, sondern ich will mich mit aktuelleren Dingen, nämlich mit den bisher bekanntgewordenen Daten der Gebarung für 1928 befassen. Aus dem Monatsausweis der Nationalbank für 1. Jänner 1929 ist zu entnehmen, daß die Finanzverwaltung geradezu ungeheuerliche Mehreinnahmen über das Präliminare hinaus erzielt hat. Das Erträgnis der Zölle war im Budget mit 1100 Millionen Kè veranschlagt. Aber schon Ende September wurde tatsächlich ein Ertrag von 1070 Mill. Kè verzeichnet, d. h., daß die gesamten Einnahmen des letzten Quartals, die Einnahmen jener Monate, in denen die Einfuhr am allerstärksten war, reinen Überschuß über das Präliminare bilden, was weit mehr als 300 Millionen Kè ausmachen dürfte.

Nicht anders steht es mit der Umsatzsteuer. Hier waren als Einnahmen der Staatskasse 1125 Millionen Kè präliminiert, aber bereits in den Monaten Jänner bis Oktober sind nebst 63 Millionen Kè an Luxussteuer nicht weniger als 1429 Millionen Kè eingegangen. Also auch hier gewaltige Mehreinnahmen, die, wenn man die restlichen zwei Monate des Jahres mit in Anschlag bringt, eine halbe Milliarde übersteigen werden. Dabei ergibt sich allerdings eine sonderbare Erscheinung, auf die wir mit allem Nachdruck aufmerksam machen müssen: Die gesamten Einnahmen aus der Umsatzsteuer, also einschließlich des Anteiles der Selbstverwaltungskörper, betragen 1757 Millionen Kè, so daß nach Abzug der oben angeführten Post für die Selbstverwaltungskörper nur 338 Millionen Kè für 10 Monate oder aufs Jahr umgerechnet wenig mehr als 400 Millionen Kè übrig bleiben. Nach dem Budget sollen aber die Überweisungen mit dem Vorschuß auf die Lehrergehälter 374 Millionen Kè betragen und wir müssen an die Regierung die Frage richten, ob die Selbstverwaltungskörper im Jahre 1928 den ihnen gebührenden Anteil erhalten haben, oder ob sie am Ende gar trotz der würgenden Finanznot, in die sie die leichtfertige Gesetzesmacherei des Bürgerblocks gestürzt hat, noch bei den staatlichen Überweisungen verkürzt worden sind. Wir sind auf die Antwort der Regierung außerordentlich neugierig.

Ein besonderes Kapitel ist die Tabakregie. Ich meine nicht nur in Bezug auf ihre elenden Erzeugnisse, sondern auch in Bezug auf den unerhörten Wucher, der hier getrieben wird. Gegenüber einem veranschlagten Reingewinn von 1051 Millionen Kè konnte schon in der Periode Jänner-Oktober ein Nettoertrag von 1307 Millionen Kè gebucht werden. Das heißt, daß der Reingewinn für das ganze Jahr nicht eine, sondern. 1  1/2 Milliarden Kè betragen wird. Daß hier absichtlich falsch präliminiert worden ist, liegt auf der Hand. Im Rechnungsabschluß für 1927 wird darauf hingewiesen, daß für Tabakankauf 457  1/2 Millionen Kc präliminiert waren, während der tatsächliche Rohstoffbedarf nur 238 Millionen Kè betrug, also ungefähr die Hälfte. Trotzdem finden wir, daß nicht nur im Jahre 1928 wiederum 469  1/2 Millionen Kè präliminiert worden sind, sondern wir finden dieselben ganz offensichtlich falschen Beträge auch wiederum im Budget für 1929. Es wird mit dieser Art Präliminierung - man kann es nicht milder ausdrücken - das Parlament einfach zum besten gehalten, einfach gefoppt. Nur nebenbei möchte ich bemerken, daß nahezu alle Verbrauchssteuern ein dem Voranschlag annähernd entsprechendes Ergebnis geliefert haben, zum sicheren Beweis, daß man richtig präliminieren kann und daß die Regierung mit dem Budgetrecht des Parlaments ein frivoles Spiel treibt, um die Tatsache zu verschleiern, daß das herrschende unsoziale Steuersystem aus den breitesten Massen der Bevölkerung noch viel gewaltigere Summen herauspreßt, als in den Voranschlägen angegeben wird. Unter diesen Umständen ist es einfach unfaßbar, daß der Finanzminister auf der einen Seite jedem Verlangen nach Herabsetzung der drückenden Massenverbrauchssteuern ein starres "Nein" entgegensetzt, auf der anderen Seite aber bei jeder sozialen Forderung auf die Notlage der Staatsfinanzen verweist. Das krasseste Beispiel aus der letzten Zeit ist wohl die schier unglaubliche Schäbigkeit bei der Bemessung der Altersunterstützungen, über die noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und deren eingehende Kritik wir uns noch vorbehalten. In dieses Kapitel gehört auch die Behandlung der Kriegsinvaliden, die nicht nur Jahr für Jahr mit der Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Bezüge genarrt werden, sondern denen man durch eine rigorose und geradezu unmenschliche Handhabung des Gesetzes auch noch die kärglichen Ansprüche des geltenden Rechtes zu schmälern sucht. Hierher gehört auch die seit langem fällige und notwendige Gleichstellung der Altpensionisten, bei denen der Finanzminister auch immer mit der Ausrede der mangelnden Bedeckung bei der Hand ist, obwohl, wie ich ziffernmäßig nachgewiesen habe, die Mehreinnahmen der Tabakregie allein reichlich genügen würden, um das Problem restlos zu lösen.

In dieses Kapitel gehört nicht in letzter Linie schließlich auch die Behandlung der Staatsangestellten. Es ist schon längst klar geworden, daß der voreilig und parteiisch durchgeführte Abbau finanziell ein Schlag ins Wasser war, dem Dienste aber ungeheuer geschadet hat. Insbesondere die trostlosen Zustände auf den Eisenbahnen sind nicht in letzter Linie auf die ganz und gar verfehlte Personalpolitik zurückzuführen. Obwohl man all das schon im Jahre 1926 wissen mußte, hat das Gehaltsgesetz dieses Jahres den Angestellten eine schwere Enttäuschung gebracht und ist durch die Systemisierung auf Grund dieses Gesetzes neues schweres Unrecht an den Angestellten begangen worden. Aber statt diese Fehler gutzumachen, verweigert die Regierung den Staats- und öffentlichen Angestellten selbst die Auszahlung einer einmaligen Teuerungsaushilfe. Dabei könnte der erforderliche Betrag glatt aus den Kassenbeständen entnommen werden, die schon Ende 1927 über 1300 Millionen Kè, einschließlich des Bestandes an Wertpapieren über 1700 Millionen Kè betragen haben, und die, wie ich gezeigt habe, seither zweifellos noch um Hunderte von Millionen gestiegen sind. Allerdings, Herr Sektionschef Braun hat sich darauf berufen, daß die Mehreinnahmen der Staatskassa für Zwecke der Konsolidierung der schwebenden Schuld gebunden sind. Wir müssen aber denn doch annehmen, daß ein führender Vertreter des Finanzministeriums das Finanzgesetz gelesen hat und daher weiß, daß sich diese Bindung nur auf die Einkommen- und Erwerbsteuer sowie auf die Umsatzsteuer bezieht, also nicht auf die Verbrauchssteuern, nicht auf die Zölle und nicht auf die Tabakregie. Die Regierung hätte also Geld in Hülle und Fülle zur Verfügung, nicht um die Èechoslovakei in ein Paradies auf Erden zu verwandeln, wohl aber um den dringendsten Notständen abzuhelfen und wenigstens einige Forderungen der arbeitenden Menschen zu erfüllen, nachdem man mit der Steuerreform, den Stabilisierungsbilanzen und den Exportsteuerrefundierungen ein wahres Füllhorn über die besitzenden Klassen ausgeschüttet hat. Statt dessen sehen wir, daß die Regierungsparteien, unbelehrt durch ihre Niederlage vom 2. Dezember 1928, auf dem alten Weg der sozialen und politischen Reaktion weiterschreiten. Wohl versuchen sie, sich ein populäres Mäntelchen umzuhängen, wohl versuchen sie durch die ihnen dienstbare Presse, ihre angeblich sozialen Leistungen anzupreisen, in Wirklichkeit ist aber ihre antisoziale Haltung dieselbe geblieben, wie bisher. Vor allem gedenken die Agrarier keineswegs, von der Ausnützung ihrer Vormacht im Regierungslager abzulassen. Mit heuchlerischer Berufung auf die Not der Landwirtschaft bedrohen sie die Lebenshaltung der konsumierenden Bevölkerung, bedrohen sie unsere Handelspolitik mit ihren Zollforderungen. Gestern hat der Herr Regierungschef eigentlich verhältnismäßig wenig von der Landwirtschaft gesprochen. Er hat sich Zügel angelegt, wahrscheinlich um sich nicht als Sprachrohr seiner Partei, der Partei, die ihn auf diese Stelle entsendet hat, gleich in der ersten Sitzung des Hauses, wo er sich vorstellte, zu erklären. Er hat von der Notwendigkeit der Industrialisierung der Landwirtschaft gesprochen, aber wenn man hinaus auf die Dörfer geht und die kleinen Landwirte fragt, wie sich die Hilfe der Regierung auswirkt, so hört man Dinge, die nicht darauf schließen lassen, daß ein guter Wille bei den Agrariern vorhanden sei, der Landwirtschaft als Ganzem aufzuhelfen. Das, was wir sehen, ist eine Freunderlwirtschaft, ist Protektionismus für die Großlandwirte, für diejenigen Herren, in deren Interesse die große Agrarpartei wirkt, und es wird durchaus nichts geleistet für all die kleinen Leute, für die eine solche Hilfe notwendig wäre. Aber es läuft bei alledem, was in Bezug auf die Hilfe der Landwirtschaft von den Agrariern gesagt und unternommen wird, ein gutes Stück Demagogie mit unter, denn die Außenhandelsstatistik lehrt, daß die Einfuhr von Lebendvieh im Jahre 1928 zurückgegangen ist. Aber zugegeben, daß unsere Viehzucht nicht konkurrenzfähig ist, sind denn mechanische Zollerhöhungen wirklich das einzige Mittel, um dem abzuhelfen? Wir haben sogar Ausführungen hervorragender, auch agrarischer Fachleute des Auslandes gelesen, die das Gegenteil behaupten. Sie meinen, daß uns solche Zölle nicht nützen, sondern schaden u. zw. auch für die Zukunft. Aber warum ist die Mehrheit, wenn sie um das Schicksal der Viehzüchter besorgt ist oder so besorgt tut, über unsere Anträge zur Behebung der Futtermittelnot kalt hinweggegangen? Warum wollen sich unsere Agrarier just zur Einführung von Zucht- und Mastprämien nicht verstehen? In der Schweiz, in jüngster Zeit aber auch in Deutschland und Österreich, verlangen auch bürgerliche, auch agrarische Kreise die Einführung von Handelsmonopolen zur Bekämpfung der ausländischen Konkurrenz. Nur bei uns beschränkt man sich ausschließlich auf den Weg der Preissteigerung, die notwendigerweise zur Verschlechterung der Lebenshaltung, zur Herabdrückung der Kaufkraft führen muß und damit die Grundlage der Volkswirtschaft untergräbt.

Auf unsere handelspolitische Situation hat diese agrarische Politik den unheilvollsten Einfluß ausgeübt. Vor kurzem hat es ein offiziöses Jubelgeschrei gegeben, weil uns Frankreich endlich die Meistbegünstigung gewährt hat. Aber wenn man den Erfolg etwas näher ansieht und untersucht, so findet man, daß es nichts, aber auch gar nichts bedeutet. Frankreich verzeichnet eine Einfuhr in die Èechoslovakei von 3.9% und eine Ausfuhr von 1.46%. Also ein Minimum dessen, was überhaupt für unsere Handelsbilanz in Betracht kommt, wird von Frankreich konsumiert. Dagegen beträgt der Ausfuhrhandel mit Deutschland ca 20%, mit Österreich etwa 16% und auch Jugoslavien weist diesbezüglich wesentlich höhere Ziffern auf als Frankreich. Mit Deuschland aber und mit Jugoslavien können wir noch immer nicht zu geordneten Handelsbeziehungen kommen, die Handelspolitik unserer Regierung hat eben vollständig versagt.

Dabei finden wir, daß nicht nur diese Gründe in Betracht kommen, die gestern der Herr Regierungschef als dafür verantwortlich hingestellt hat, sondern noch eine ganze Reihe anderer Motive und vor allen Dingen ein Grund, zu dem gerade seine Partei, die Partei der Agrarier, das wesentlichste beigetragen hat. Weiter sehen wir, daß auch die sogenannten christlichen Volksparteien gegen diese einseitige agrarische Politik hie und da schüchtern aufzumucken wagen, daß sie aber, wenn es zur Entscheidung kommt, ruhig alle Attentate auf die Lebenshaltung der breiten Massen mitmachen, genau so, wie sie sich zu allen antisozialen Gesetzen hergegeben haben, genau so, wie sie bei der Behandlung des Wohnungsproblems hie und da von Mieterinteressen reden, aber immer im Hausherrninteresse handeln. Es ist charakteristisch, daß von diesem wichtigen Problem gestern in der Regierungserklärung überhaupt nicht die Rede war. Wir müssen bei dieser Gelegenheit auch unser Bedauern darüber aussprechen, daß Herr Prof. Rauchberg, der immerhin einen sozialpolitischen Ruf zu verlieren hat, nunmehr schon fast auf jenem Standpunkt angelangt ist, der dem Mieterschutz die Schuld an der Wohnungsnot zuschiebt, obwohl gerade er diesen Unsinn früher so temperamentvoll bekämpft hat. Wir halten angesichts der Schwierigkeit der Lohnkämpfe, angesichts der Hartnäckigkeit, mit der sich die Unternehmer, insgeheim von der Regierung unterstützt, den bescheidensten Forderungen der Arbeiter entgegenstellen, angesichts der ungeheuren Notlage der breiten Massen des Volkes, das Spiel mit dem Überwälzungsgedanken für höchst gefährlich, ja geradezu für frivol. Es gibt zur Lösung des Wohnungsproblems nur zwei Wege: Entweder man stellt die Rentabilität des privatkapitalistischen Bauens wieder her, dann aber kommen wir nicht zu valorisierten, sondern zu weit übervalorisierten Mietzinsen, welche die arbeitenden Massen unmöglich erschwingen können. Oder aber, nachdem dieser Weg nicht zur Beseitigung, sondern zu einer katastrophalen Verschärfung der Wohnungsnot führt, es wird aus öffentlichen Mitteln oder wenigstens mit öffentlicher Unterstützung gebaut. Dann aber ist es, selbst wenn man auf dem Standpunkt steht, daß die Mietzinse eine Erhöhung vertragen, wirtschafts- und finanzpolitisch widersinnig, die Mittel, die zu Wohnungszwecken verwendet werden könnten, dem Hausherrn als arbeitslose Rente zuzuschanzen. Wir bestreiten den Anspruch der Hauseigentümer auf Valorisierung ihrer Renten ganz und gar. Alle Renten sind entwertet worden, warum sollte just die Hausherrenrente eine Ausnahme machen? Was wir fordern müssen, ist ein dauerndes Mietenrecht, das den sozial Schwächeren schützt, und ausgiebige Bauförderung aus staatlichen Mitteln, wobei, solange die Lebenshaltung sich nicht bessert, von einer Erhöhung der Mietzinse keine Rede sein darf.

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