Ètvrtek 20. prosince 1928
Hohes Haus! Ich möchte mir gestatten über
diese Auslieferungsangelegenheit folgendes zu sagen:
Der in Verhandlung stehenden Auslieferungsangelegenheit
liegt folgender Sachverhalt zugrunde, den ich am 20. Oktober 1927
zum Gegenstand einer Anfrage an den Herrn Minister für nationale
Verteidigung gemacht habe.
Die Anfrage lautet:
"Am 19. Oktober l. J. fuhr ich mit dem
um 18.43 Uhr in Reichenberg eintreffenden Zuge ab Turnau. Unter
den Reisenden im Abteil II. Klasse befand sich ein Offizier im
Mantel, die Kappe am Kopfe beim offenen Fenster. Schon während
der Fahrt durch den Tunnel vor der Station Sychrov kam durch das
offene Fenster Rauch in das Abteil und außerdem herrschte
ein empfindlich kalter Luftzug. Nach dem Verlassen der Station
Sychrov schloß ich das offene Fenster. Der Offizier geriet
darüber in Erregung und bezeichnete das Schließen des
Fensters als "Frechheit". Das Fenster wurde von ihm
auch wieder geöffnet, was ich natürlich nicht verhindern
konnte. Als der Bahnkondukteur kam, ersuchte ich ihn um Sicherstellung
des Namens des Offiziers. Gleichzeitig überreichte ich dem
Offizier meine Karte ohne Angabe, daß ich Abgeordneter bin.
Anfänglich schien es, als ob der Offizier sieh legitimieren
wollte. Seine Legitimation steckte er jedoch wieder ein und er
behielt auch meine Karte. Vor der Station Reichenberg ersuchte
ich ihn nochmals, seinen Namen zu nennen. Darauf gab er mir zur
Antwort, ich möge morgen (20. Oktober 1927) um 11 Uhr zum
Stationskommando in die Kaserne in Reichenberg kommen und dort
werde ich seinen Namen erfahren. Bei der Ankunft in Reichenberg
versuchte ich nochmals durch die Intervention eines Bahnbeamten,
den Namen zu erfahren. Auch das gelang mir nicht. Am Ausgang des
Bahnhofes war leider ein Polizist nicht anwesend, sonst hätte
ich dessen Hilfe, um die Legitimierung zu erreichen, in Anspruch
genommen. Beim Verlassen des Bahnhofes bemerkte ich, daß
der Offizier auf den Wagen der elektrischen Straßenbahn
zuging. Ich folgte ihm. Als der Offizier das merkte, bestieg er
ein Auto. Nachdem mir daran lag, den Namen des Offiziers unter
allen Umständen zu erfahren, fuhr ich in einem anderen Auto
dem Offizier nach. Die Fahrt ging zur Hauptkaserne in Reichenberg.
Dort mußte über Wunsch des von mir verfolgten Offiziers
der diensthabende Offizier erscheinen, der dem von mir verfolgten
Offizier jedoch nicht genügte, sondern es sollte der Garnisons-Kommandant
(posádkový velitel) erscheinen. Scheinbar betrachtete
der Kommandant die Angelegenheit aber nicht für so übermäßig
wichtig und er kam gar nicht. Schließlich erfolgte nach
langem Warten die Legitimierung des mich beleidigenden
Offiziers und zwar ist es der Stabskapitän František
Hájek aus Ružomberok gewesen, dessen Legitimationsnummer
64850 ist.
Ich frage nun, ob Offiziere, wenn sie Beleidigungen
ausgeteilt haben, sich hinter Anonymität verkriechen dürfen.
Es muß doch auch Offizieren als Pflicht auferlegt sein,
daß sie in einem Falle, wie ich ihn schilderte, ihren Namen
nennen müssen. Es geht doch nicht an, daß irgend jemand
von einem Offizier beleidigt wird und sich dann erst an die Fersen
des Beleidigers heften muß, um seinen Namen zu erfahren.
Was wäre im übrigen geschehen, wenn ich als Zivilperson,
um in die Kaserne am späten Abend Einlaß zu finden,
nicht als Schutz meine Legitimation als Abgeordneter zur Hand
gehabt hätte? Mir wäre nicht einmal der Zutritt in die
Kaserne gestattet worden! Mit Rücksicht auf dieses Vorkommnis
halte ich es für unbedingt notwendig, daß den Offizieren
aufgetragen wird, sieh in jenen Fällen, wo es darauf ankommt,
ihren Namen zu erfahren, zu legitimieren. Es hat doch auch nicht
jede Zivilperson die Möglichkeit, jenen komplizierten Weg
zu gehen, wie ich ihn beschreiten mußte, um die Identität
eines mich beleidigenden Offiziers sicherstellen zu können.
Mit Rücksicht auf dieses Vorkommnis frage
ich den Herrn Minister für nationale Verteidigung, ob er
gewillt ist, den Fall untersuchen zu lassen und ob er weiter bereit
ist, darüber Auskunft zu geben, ob Offiziere die Legitimierung
ihrer Person in einem Falle, wie ich ihn schilderte, verweigern
dürfen."
Diese Anfrage wurde am 20. Oktober 1927 an
das Präsidium des Abgeordnetenhauses zwecks Weiterleitung
an den Minister für nationale Verteidigung übermittelt.
Seither ist bereits längst ein Jahr verstrichen. Der Herr
Minister für nationale Verteidigung ist bisher seine Antwort
schuldig geblieben. Ich mache ihn dafür gar nicht verantwortlich,
denn es ist leicht möglich, daß meine Anfrage erst
gar nicht in seine Hände gelangt ist.
Meine seinerzeitige Anfrage hat dagegen eine
andere Wirkung ausgelöst, denn der Offizier, der mich mit
dem Zurufe "Frechheit" beleidigte, hat, als er von meiner
Anfrage Kenntnis erlangte, gegen mich bei dem Bezirksgerichte
in Reichenberg eine Ehrenbeleidigungsklage eingebracht. Der Grund
hierfür lag darin, daß ich zu dem Offizier, der seinen
Namen absolut nicht angeben wollte, sagte: "Sie mögen
sonst ein Held sein! Wenn Sie aber Ihren Namen nicht nennen, dann
sind Sie ein Feigling!"
Das ganze Vorkommnis, so untergeordnet es scheinen
mag, hat doch prinzipielle Bedeutung. Es beweist, welche eigenartige
Auffassung in den Köpfen mancher Offiziere der Zivilbevölkerung
gegenüber herrscht. In meiner an den Offizier gerichteten
und von ihm eingeklagten Aufforderung lag übrigens schon
ein Zweifel darüber, einen Offizier vor mir zu haben. Die
Uniform allein tut es auch nicht. Ihr Träger muß in
seinen Handlungen bekunden, daß er auch hineinpaßt.
Diese Meinung vertrete ich, weil in mir noch nicht die Erinnerung
an vergangene Zeiten erloschen ist, in denen die Offiziere ein
Elitekorps gebildet haben. Damals wäre das Auskneifen eines
Offiziers wohl überhaupt ausgeschlossen gewesen. Hätte
ich meine Anfrage nicht eingebracht, dann wäre von Seite
des Offiziers die ganze Angelegenheit auch mit Stillschweigen
übergangen worden. Erst meine Anfrage hat die Veranlassung
gegeben, den Offizier zu ermahnen, seine Ehrenpflicht zu erfüllen.
Der Fall, den ich zum Gegenstande meiner Anfrage
machte, steht leider nicht vereinzelt da, denn mein Klubkollege,
Herr Sen. Kahler, wurde durch ein ähnliches Vorkommnis
bemüßigt, Beschwerde zu führen.
Angesichts solcher Tatsachen muß befürchtet
werden, daß die bestehenden Vorschriften, die das Verhältnis
der Militärpersonen und besonders der Offiziere zur Zivilbevölkerung
regeln, entweder nicht beachtet werden oder daß sie unzureichend
sind. Wenn seinerzeit der gewesene Generaltruppeninspektor Machar
in seinem Buche "Fünf Jahre in den Kasernen" über
die Aufgaben des Offiziers schrieb, die in dem Umgange mit der
Mannschaft beachtet werden sollen, so muß es doch auch Aufgaben
geben, die von der gleichen Seite bei der Berührung mit der
Zivilbevölkerung zu erfüllen sind.
Die Zivilbevölkerung hat doch auch ein
unbedingtes Anrecht darauf, von militärischer Seite nicht
brüskiert und beleidigt zu werden und das umsoweniger, als
sie allein die großen Opfer aufbringen muß, die das
Vorhanden sein der militärischen Einrichtungen verursacht.
Daß das Verhalten der Offiziere zur Zivilbevölkerung
korrekt sein soll, hat erst vor kurzem der aus dem Weltkriege
rühmlich bekannte, heute an der Spitze des Deutschen Reiches
stehende Feldmarschall Hindenburg neuerlich bestätigt. Er
schrieb in einer an den Offiziersnachwuchs gerichteten Botschaft
anläßlich der Durchführung von Erweiterungsbauten
der Kavallerieschule in Hannover u. a.:
"Seien Sie stolz auf Ihren Beruf, aber
überheben Sie sich nicht anderen Ständen gegenüber.
Wahre Ritterlichkeit bedarf dessen nicht. Vor allem aber halten
Sie den Schild Ihrer Ehre rein."
Diese Worte eines alten Heerführers mögen
auch jene unserer Offiziere beherzigen, die es notwendig haben,
daß sie ihnen überhaupt erst gesagt werden müssen.
Insoweit es sich um meinen Fall handelt, habe
ich durch meinen Kollegen Platzer im Immunitätsausschusse
um meine Auslieferung ersucht und ich bitte, den darauf abzielenden
Beschluß dieses Ausschusses auch hier zu genehmigen.