Meine Damen und Herren! Als in den letzten
Tagen des Monates September dieses Jahres das Plenum des Abgeordnetenhauses
nach monatelangen Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses
die Debatte über die Novelle zur Sozialversicherung abführte,
hatte ich die Ehre, namens meiner Partei die schwerstwiegenden
Bedenken gegen einige Bestimmungen des Gesetzentwurfes hier darzulegen
und zu begründen, sowie auch die Art und Weise des unparlamentarischen
Vorgehens beim Zustandekommen dieser Gesetzesnovelle zu bemängeln.
Nun hat der Senat einige blamable Fehler in dem vom Abgeordnetenhause
verabschiedeten Gesetz gefunden und es dem Abgeordnetenhaus zur
neuerlichen Beratung und Beschlußfassung zurückgestellt.
Da die vom Senat vorgenommenen Änderungen den Standpunkt
meiner Partei zu den verschiedenen Bestimmungen der Sozialversicherungsnovelle
nicht weiter berühren, so halte ich meine damaligen Ausführungen
in vollem Umfange aufrecht und brauche sie unter Hinweis auf das
stenographische Protokoll jetzt nicht zu wiederholen. Dafür
muß ich aber die Gelegenheit benützen, um meine Partei
gegen die ganz unqualifizierbaren Angriffe seitens der deutschen
Gewerbepartei und des Bundes der Landwirte zu verteidigen, die
schon während der Parlamentsdebatte als auch nach der Abstimmung
im Abgeordnetenhause in der Parteipresse der genannten beiden
Parteien unter Zuhilfenahme von Lügen und Verdrehungen zum
Zwecke der niedrigsten Wahlpropaganda erhoben wurden. Die erste
Abstimmung über die Sozialversicherungsnovelle im Abgeordnetenhaus
fand bekanntlich unter gleichzeitiger technischer Obstruktion
der drei marxistischen und der beiden nationalsozialistischen
Arbeiterparteien statt. Trotzdem der Präsident des Abgeordnetenhauses
sogar den Lautsprecher einschalten ließ, konnte er sich
im Hause während der ganzen Abstimmung nicht verständlich
machen und kein einziger von den im Abgeordnetenhause anwesenden
Abgeordneten hatte eine Ahnung, worüber gerade abgestimmt
wurde. Ja, als bei einigen Abänderungsanträgen der Opposition
von dieser die Auszählung des Hauses beantragt war, konnte
z. B. der zum Stimmenzähler bestimmte Abgeordnete Dr Petersilka
auf Befragen gar nicht angeben, über welche Anträge
oder über welche Paragraphen gerade abgestimmt werde. (Posl.
dr Schollich: Ich habe ihn gefragt, er hat es nicht gewußt!)
Jawohl, wir haben selbst diese Frage gestellt. Unter solchen
Verhältnissen wurde in diesem Parlamente die Abstimmung über
ein wichtiges Gesetz rücksichtslos vom Präsidium erzwungen.
Die Regierungsparteien, die keine Abänderungsanträge
stellen dürfen, haben es verhältnismäßig
leicht, da sie gezwungen sind, bei der Abstimmung dem Kommando
ihres Berichterstatters zu folgen, der unmittelbar vor dem Präsidenten
sitzt. Die Koalitionsparteien haben bei einer Abstimmung keinen
eigenen Willen, sondern müssen sich wider spruchslos der
Koalitionsdisziplin unterwerfen. Diesem Zwang unterliegt, Gott
sei Dank, eine Oppositionspartei nicht, die nur nach reiflicher
Prüfung und Erwägung ihre Stimme pro oder contra abgibt,
sonst aber keinem Befehlsgeber untertan ist. Als nun die technische
Obstruktion eine Abstimmung über die Sozialversicherungsnovelle
überhaupt unmöglich machte, da zogen die Abgeordneten,
der deutschen Nationalpartei die einzig richtige Konsequenz und
beteiligten sich an der Abstimmung überhaupt nicht, stimmten
also weder für noch gegen eine ihnen unbekannte gesetzliche
Bestimmung, weil sie mit gutem Recht vom Präsidium des Hauses
verlangen können, daß es seine Pflicht erfülle
und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln eine einwandfreie
gültige Abstimmung ermögliche. Daß nun die deutsche
Nationalpartei in ihrer Haltung bei dieser Abstimmungskomödie
vollkommen frei und unabhängig war, das empfand besonders
die deutsche Gewerbepartei drückend, deren Abgeordnete als
gehorsame Abstimmungsturner der Koalition prompt und präzise
die Abstimmungsfreiübungen nachmachen mußten, die ihnen
der Abstimmungsvorturner auf der Parlamentstribüne vormachte.
(Veselost na levici.) Weil es als Auftakt zu dem kommenden
Wahlkampf zwischen der deutschen Nationalpartei und der deutschen
Gewerbepartei letzterer in den Kram paßte, mußte der
deutschen Nationalpartei aus ihrer korrekten Haltung bei der Abstimmung
unbedingt ein Strick gedreht werden. Und daher erschien in der
"Sudetendeutschen Gewerbe- und Handelszeitung" vom 29.
September dieses Jahres unter der Überschrift "Die Sozialversicherungsnovelle
und die deutsche Nationalpartei" ein Pamphlet in Sperrdruck,
dessen Unwahrheiten und Lügen ich hier satzweise widerlegen
werde, damit auch die Anhänger der deutschen Gewerbepartei
erkennen, wie weit sie ihren politischen Führern und ihrer
Parteipresse Glauben schenken dürfen. Der Herr Abg. Tichý
schreibt im Leitartikel unter der Überschrift: "Was
bringt die Sozialversicherungsnovelle den Gewerbetreibenden?"
in der gleichen Nummer der "Sudetendeutschen Gewerbe- und
Handelszeitung" in schmähender und beleidigender Weise
von dem "Gekläffe der sozialistischen, national parteilichen
und nationalsozialistischen Presse", ohne allerdings auch
nur mit einem Beispiel nachzuweisen, welche Ausführungen
dieser oppositionellen Zeitungen er als "Gekläffe"
- der Vergleich ist vom Hund her genommen - zu bezeichnen berechtigt
ist. Er glaubt, daß seinen Wählern gegenüber eine
erfundene Pauschalverdächtigung über zeugend genug wirken
muß, wenn sie aus seiner autoritativen Feder stammt. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) Das Pamphlet der
"Sudetendeutschen Handels- und Gewerbezeitung" gegen
die deutsche Nationalpartei ist aber noch viel ärger als
ein Gekläffe, das ist ein mit Absicht zum Zwecke des Wählerfanges
konstruierter Betrüg an der Öffentlichkeit. Und das
werde ich jetzt beweisen. Zwar muß die "Sudetendeutsche
Gewerbe- und Handelszeitung" zähneknirschend zu ihrem
größten Leidwesen eingestehen, daß sich die Abgeordneten
der deutschen Nationalpartei bei der Abstimmung über die
Novelle - ich zitiere - an der "wüsten" Obstruktion
der sozialistischen Parteien nicht beteiligten, was diese Zeitung
gar zu gern gesehen hätte, um noch ärger gegen die deutsche
Nationalpartei kläffen und schimpfen zu können. Dann
wird aber weiter sofort behauptet, daß die Abgeordneten
der deutschen Nationalpartei einem Gesetzantrag, der vor allem
dem Gewerbestand große Vorteil brachte, nicht zugestimmt
haben. Weil also eine technische Obstruktion im Hause, die nebenbei
gesagt durch das wortbrüchige Verhalten der Regierungsparteien
selbst veranlaßt wurde, eine Abstimmung unmöglich machte,
so da ich die deutsche Nationalpartei daran überhaupt nicht
beteiligen konnte, so wird mit einer wahrscheinlich nur bei der
deutschen Gewerbepartei anerkannten Logik geschlossen, daß
die deutsche Nationalpartei gegen das Gesetz gestimmt hat.
Ich habe in meiner Rede zur Sozialversicherungsnovelle
von dieser Stelle aus im Namen meiner Partei erklärt, daß
die deutsche Nationalpartei für einige Bestimmungen der Novelle
in der ersten Lesung stimmen werde. Bei meinen Ausführungen
war der Herr Abg. Tichý im Hause anwesend, außerdem
sind sie für die parlamentarischen Berichterstatter aus dem
stenographischen Protokolle ersichtlich. Diese Schreibweise der
"Sudetendeutschen Gewerbe- und Handelszeitung" ist daher
eine absichtliche Verdrehung der Tatsachen, ist eine frei erfundene
Unwahrheit, daher ein unfaires Kampfmittel, das die Deutsche Gewerbepartei
zur Genüge charakterisiert. Ich habe diese Erklärung
hier im Hause auf Grund eines Geschlusses der Klubsitzung der
deutschen Nationalpartei abgegeben, in welcher meine Fraktionskollegen
auf Grund eines von mir erstatteten Referates beschlossen hatten,
für die Paragraphen der Novelle 1, 3, 4, 6, 19, 20, 21, 35,
39, 62, 63, 70, 75, 78, 79, 83, 84, 89 94, 123 und 125 zu stimmen.
Auf Grund dieses Klubbeschlusses habe ich als Vertreter meiner
Partei im sozial-politischen und im Budgetausschuß bereits
gestimmt, wobei im ersteren der Herr Abg. Tichý,
im letzteren der Herr Abg. Stenzl anwesend waren, so daß
diese beiden Herren ihre Parteipresse hätten informieren
und sie vor einer solchen blamablen Lüge hätten bewahren
können.
Wer den Inhalt der von mir angeführten
Paragraphen kennt oder nachträglich durchliest, wird beurteilen
können, ob der Vorwurf der "Sudetendeutschen Gewerbe-
und Handelszeitung" zurecht besteht oder aufrecht erhalten
werden kann, daß die deutsche Nationalpartei dem Gewerbestande
und der Landwirtschaft gegenüber eine Doppelrolle spielt
oder daß sie gegen die gerechte Forderung des Gewerbe- und
Handelsstandes und der Landwirtschaft ist, wie es in der Nummer
der genannten Zeitung vom 29. September ausdrücklich behauptet
wird. Die deutsche Nationalpartei hat nie geleugnet, daß
die Novelle zum Sozialversicherungsgesetz gewisse wirtschaftliche
Erleichterungen für den Gewerbestand bringt und hat daher
in den Ausschüssen für die von mir vorher aufgezählten
Paragraphen gestimmt und hätte auch bei der Abstimmung im
Plenum des Hauses für diese Paragraphen gestimmt, wenn eine
Abstimmung überhaupt möglich gewesen wäre. Aber
im Widerspruch zu dieser Tatsache erfindet der Journalist der
Deutschen Gewerbepartei die Behauptung, daß die Abgeordneten
der deutschen Nationalpartei "nichts dazu, sondern alles
dagegen getan haben". Den Beweis für diese Pauschalbeschuldigung
bleibt der Herr allerdings de. Öffentlichkeit schuldig und
wird ihn auch nie erbringen können, weil sich Lügen
eben nicht beweisen lassen.
Einen besonders vernichtenden Schlag glaubt
aber die "Sudetendeutsche Gewerbe- und Handelszeitung"
gegen die deutsche Nationalpartei zu führen, wenn sie folgenden
Satz schreibt: "Durch Schlagworte, schöne Reden und
Demonstrationsanträge, die man nicht verwirklichen kann und
gar nicht will, wird unserem deutschen Volke nicht geholfen".
Ich glaube sehr gerne, daß ein deutscher Gewerberetter,
der sich mit den Èechen zum Kampte gegen das deutsche Volk
verbündet hat, zur eigenen Ehrenrettung nationalpolitische
Forderungen als Schlagworte, Abänderungsanträge als
Demonstrationsmittel bezeichnen muß, weil er nicht will,
daß solche Forderungen und Anträge jemals verwirklicht
werden. Denn ein solcher Wille oder Wunsch ist ihm von seinen
èechischen Bundesgenossen untersagt und verboten worden.
Wenn die deutsche Nationalpartei als Volkspartei ihre Mitglieder
in einzelnen Standesgruppen organisiert, so
kann das nur einer einseitig eingestellten Standespartei, die
nur Standespolitik kennt und von Volkspolitik nichts wissen will,
lästig und unverständlich erscheinen. Darum ist der
Deutschen Gewerbepartei die Gruppe "Handel und Gewerbe"
in der deutschen Nationalpartei seit jeher ein Dorn im Auge gewesen.
Denn diese Gruppe ist schuld daran, daß nur der kleinste
Teil der deutschen Handels- und Gewerbetreibenden zu den Anhängern
der deutschen Gewerbepartei zählt. Die "Sudetendeutsche
Gewerbe- und Handelszeitung" schmäht daher unsere Gruppe,
daß sie in ihren Forderungen nicht genug für den Gewerbestand
demonstrieren könne, daß sie nur zur äußeren
Staffage und zum Wählerfang für die gewerblichen Stimmen
diene.
Wie der Mensch selbst ist, so denkt er von
anderen. Die Deutsche Gewerbepartei möchte gerne den deutschen
Handels- und Gewerbetreibenden plausibel machen, daß sie
allein die naturgemäße Vertreterin des erwerbenden
und schaffenden Mittelstandes ist und fordert daher in dem erwähnten
Pamphlet ihrer Parteizeitung den Gewerbe- und Handelsstand auf,
der deutschen Nationalpartei den Rücken zu kehren und seine
Stimme bei den Wahlen jeder Art nur der deutschen Gewerbepartei
zu geben, wenn er für seine Zukunft besorgt ist. (Posl.
dr Schollich: Wie heißt sie denn jetzt?) Sie wird die
Firma zum Zwecke des Wahlkampfes etwas abändern. Und weil
die Gewerbepartei diesen Stimmenfang bisher nicht durch einen
Hinweis auf eigene Erfolge für den Gewerbestand betreiben
konnte, so muß ihre Presse verlogene Behauptungen über
angebliche Verbrechen der deutschen Nationalpartei gegen den Gewerbestand
erfinden, um so vor den Wahlen zugkräftig auf die Gewerbetreibenden
zu wirken. (Výkøiky posl. dr Schollicha.)
Gerade die von der deutschen Gewerbepartei
gehaßte und von ihrer Parteipresse bei jeder Gelegenheit
besudelte Gruppe "Handel und Gewerbe" in der deutschen
Nationalpartei ist der beste Beweis dafür, daß die
deutsche Nationalpartei noch nie gegen die Interessen des Gewerbe-
und Handelsstandes gehandelt hat und auch nie handeln wird, weil
ja in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen in der
deutschen Nationalpartei immer das Votum der betreffenden Standesgruppe
maßgebend und entscheidend ist. Während aber die deutsche
Gewerbepartei nur einseitig die wirtschaftlichen Interessen des
Gewerbestandes vertritt, nationale Interessen der deutschen Gewerbetreibenden
aber vollkommen unbeachtet läßt, unterordnen die deutschen
Handels- und Gewerbetreibenden in der deutschen Nationalpartei
ihre Standespolitik der allgemeinen Volkspolitik, fühlen
sich in erster Linie als Deutsche und dann erst als Handels- und
Gewerbetreibende mit besonderen wirtschaftlichen und sozialen
Interessen und wissen ganz genau, daß das Schicksal des
deutschen Handels- und Gewerbestandes vom Schicksal des gesamten
sudetendeutschen Volksstammes in diesem Staate abhängig ist.
Durch diese Tatsache allein ist der große Unterschied erklärlich,
welcher zwischen der Haltung der deutschen Nationalpartei und
der der deutschen Gewerbepartei zur Sozialversicherungsnovelle
zu Tage getreten ist. Die deutsche Nationalpartei hat genau so
wie die deutsche Gewerbepartei für alle jene gesetzlichen
Bestimmungen gestimmt, welche dem deutschen Handels- und Gewerbestande
und der Landwirtschaft irgend welche wirtschaftliche Vorteile
zu bringen geeignet erscheinen. Während aber die deutsche
Gewerbepartei auch für alle gesetzlichen Bestimmungen stimmen
mußte, die eine Preisgabe von Volksinteressen bedeuten,
konnte die deutsche Nationalpartei unter dem Beifall aller noch
deutschfühlenden Handels- und Gewerbetreibenden sich dagegen
aussprechen, daß deutsche Krankenkassaverbände ihres
obligatorischen Charakters entkleidet und zum Absterben verurteilt
werden, daß zum Schaden der sozialversicherungspflichtigen
Deutschen die in der Sozialversicherungsanstalt aus dem
deutschen Wirtschaftsleben gesammelten Kapitalien der Willkür
eines èechischen Finanzministers ausgeliefert werden, daß
die letzten Reste von Autonomie in der Kranken- und Sozialversicherung
geopfert werden, um die Machtbefugnisse
des Ministers für soziale Fürsorge zu vermehren und
den èechischen Zentralismus zu stärken.
Darum wird die Gruppe "Handel und Gewerbe"
in der deutschen Nationalpartei der "Sudentendeutschen Gewerbe-
und Handelszeitung" nicht den Gefallen tun und liquidieren,
sondern sie wird weiter sehr fruchtbare Aufklärungsarbeit
unter den deutschen Handels- und Gewerbetreibenden leisten, damit
diese erkennen, daß die deutsche Nationalpartei fern jeder
demagogischen Phrase für die wirtschaftlichen und nationalen
Rechte der deutschen Gewerbetreibenden eintritt und für den
Handels- und Gewerbestand mit einer Welt von Feinden kämpft,
während auf der anderen Seite jene stehen, die mit seinen
Feinden gemeinsame Front machen und auf die Vernichtung und Proletarisierung
des ganzen Standes hinarbeiten So ist der Herr Abg. Tichý
mit seinen eigenen Worten aus seinem Leitartikel widerlegt.
Nebenbei bemerkt, hat der Herr Abg. Tichý
jenen Leitartikel aus der "Sudetendeutschen Gewerbe- und
Handelszeitung", in welcher er Parteidemagogie betreibt und
schwere Angriffe gegen die deutsche Nationalpartei erhebt, auch
in der Nr 8 des laufenden Jahrganges des Fachblattes des Kaufmannes
"Der Kaufmann" abdrucken lassen. Ein Nationalparteiler
hat noch nie sich erdreistet, ein ausgesprochenes Fachblatt dazu
zu benützen, Verleumdungen gegen eine andere Partei zu veröffentlichen
und parteiegoistische Ausführungen, die noch dazu unrichtig
sind, dort zu publizieren. Auf diese Heldentat kann der Herr Abg.
Tichý besonders stolz sein. (Výkøiky
posl. dr Schollicha a Weberové.)
Zum Schlusse darf ich auch nicht verschweigen,
daß eine ähnliche Taktik wie die Gewerbepartei auch
der Bund der Landwirte gegen die deutsche Nationalpartei einschlägt.
Nach einem Bericht der Zeitung "Deutscher Landruf",
Folge 42 des laufenden Jahrganges, hat nämlich der Herr Sen.
Scholz den Standpunkt des Bundes der Landwirte zur Sozialversicherungsnovelle
in einer Senatsrede dargelegt. Bei dieser Gelegenheit hat er sich
nicht versagen können, auch der deutschen Nationalpartei
eins aufs Leder zu flikken. Leider hat er das so läppisch
gemacht, daß er sich damit unsterblich blamierte, denn in
derselben Rede findet der Herr Senator Scholz die Haltung
der deutschen Nationalpartei bei der Abstimmung im Abgeordnetenhause
unverständlich und behauptet einige Sätze später,
daß sich die Deutschnationalen vor der Abstimmung aus dem
Hause entfernt haben. Entweder waren die Abgeordneten der deutschen
Nationalpartei bei der Abstimmung im Hause anwesend, und nur dann
könnte sie eine Haltung einnehmen, die der Herr Sen. Scholz
nicht versteht, oder aber die Abgeordneten der deutschen Nationalpartei
haben sich vor der Abstimmung entfernt und konnten daher bei der
Abstimmung keine dem Herrn Sen. Scholz unverständliche
Haltung einnehmen. Wie erklärt der Herr Senator Scholz
diesen Widerspruch in seinen Ausführungen? Blinder Eifer
schadet nur. Entweder war der Herr Sen. Scholz von seinem
Gewährsmann falsch unterrichtet und hat es unterlassen, sich
vorher von der Wahrheit zu überzeugen, oder aber, er hat
bewußt diese Unwahrheiten erfunden, nur um irgend etwas
zu haben, was er gegen die deutsche Nationalpartei ausspielen
kann. In jedem Fall hat Herr Sen. Scholz etwas getan, was
nicht der deutschen Nationalpartei, sondern seiner eigenen Partei,
dem Bund der Landwirte, schadet. Viel Feind´, viel Ehr´,
sagt ein altes Sprichwort. Die deutsche Nationalpartei kann zufrieden
sein, daß die deutsche Gewerbepartei und der Bund der Landwirte
in dieser Form gegen sie Sturm laufen und ankämpfen.
So tragen diese, der deutschen Nationalpartei
in blindem Haß und unverständlicher Feindschaft gegenüberstehenden
Parteien selbst dazu bei, daß endlich die Wahrheit auch
in die weitesten Kreise des sudetendeutschen Volkes dringt. Wir
werden es nicht unterlassen, die gesamte Politik der deutschen
Regierungsparteien in den kommenden Tagen des Wahlkampfes wahrheitsgemäß
zu schildern und zu kritisieren und sehen der Abrechnung am 2.
Dezember ruhig entgegen. Im deutschpolitischen Lager wird sich
der Wahlspruch bewahrheiten, der unter dem Staatswappen auf der
Stirnwand dieses Saales angebracht ist: "Die Wahrheit siegt".
(Potlesk poslancù nìm. strany národní.)
Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter
hat ausgeführt, daß es sich bei dieser Vorlage nur
um die Richtigstellung von Druckfehlern und Unterlassungen handelt,
die in der Eile der Verhandlung des Gegenstandes entstanden sind,
er hat aber zugeben müssen, daß es ihm unbegreiflich
sei, wie manche dieser Fehler, die er hervorgehoben hat, in der
Vorlage verbleiben konnten. Die Art der Verhandlung der Vorlage
sowohl im sozialpolitischen Ausschuß als auch im Hause war
eine derart unwürdige und allen demokratischen Regeln widersprechende,
so daß es begreiflich ist, daß bei der überhasteten
Verhandlung der Vorlage im Ausschusse und bei der Art der Verhandlung
und Abstimmung im Hause nicht nur die schweren Mängel, die
wir während der Debatte gerügt haben, sondern auch die
vielen formalen Mängel in der Vorlage verblieben sind.
Nun will ich gleich anfangs auch darauf verweisen,
daß der Herr Berichterstatter heute nicht einmal alle diese
Mängel, die bei dieser überhasteten Beratung des Sozialversicherungsgesetzes
entstanden sind, festgestellt hat und daß auch der Senat
alle formalen und gesetzestechnischen Mängel der Vorlage
nicht behoben hat, daß die Herren, obwohl seither ziemlich
viel Zeit verflossen ist, noch nicht einmal auf alle formalen
uns gesetzestechnischen Mängel gekommen sind, die in der
Novelle zur Sozialversicherung enthalten sind. Ich werde dann
auf Grund einiger Beispiele zeigen, daß dem so ist. Wir
haben aber nicht nur im Parlamente eine unwürdige Form der
Verhandlung welche allen demokratischen Grundsätzen widerspricht,
sondern auch bei der Handhabung der Staatsgewalt und in der Staatsverwaltung
werden die demokratischen Grundsätze, auf die dieser Staat
aufgebaut sein soll, nicht beachtet und hat gerade in der letzten
Zeit sich eine Gewaltherrschaft entwickelt, die wir keineswegs
ruhig hinzunehmen können. Wir haben jetzt eine Ära der
politischen Entrechtung und der Verfolgung durchzumachen. Es war
nicht nur bei uns, sondern erfreulicherweise auch im Auslande
aufsehenerregend, wie man am 28. Oktober zur Feier des Jubiläums
des Bestandes dieses Staates unsere Presse behandelt hat. In einem
sachlichen Artikel in unserem Zentralorgan der "Sozialdemokrat"
und in einer Reihe von Zeitungen wurde nicht nur zum Staatsjubiläum,
sondern auch zu den Verhältnissen, wie sie sich in diesem
Staate während seines zehnjährigen Bestandes entwickelt
haben, Stellung genommen und diese rein sachliche Kritik der Verhältnisse,
wurde von dem von der Regierung verantwortlichen Zensor zum Anlaß
der Konfiskation genommen. Es wurde auch eine Kritik der einzelnen
politischen Koalitionsparteien, in der Nummer vom 6. November
des "Sozialdemokrat" konfisziert. Um Ihnen nun zu zeigen,
wie jedes freie Wort der Kritik der Verhältnisse im Staate
und einzelnen Parteien unterdrückt wird, um zu verhindern,
daß die Öffentlichkeit von den Handlungen einzelner
Regierungsparteien erfahre, will ich Ihnen nur die Stelle, die
gestern in unseren Organen zensuriert wurde, zur Verlesung bringen,
und werden Sie zugeben müssen, daß eine derartige Zensurpraxis
selbst in dem verschrieenen alten Polizeistaat Österreich
unmöglich gewesen wäre. In dem Artikel des "Sozialdemokrat",
in welchem unter dem Titel "Die Christlichsozialen eröffnen
den Wahlfeldzug" gegen die christlichsoziale Presse polemisiert
wird, wurde ein Absatz konfisziert, der folgendermaßen lautet:
"Die Christlichsozialen schwärmen für die Demokratie
und von ihrem sozialen Programme nur vor den Wahlen. In Wirklichkeit
pfeifen sie auf die Demokratie und verlassen sich lieber auf den
Staatsanwalt, der im Auftrage des christlichsozialen Justizministers
unsere Zeitungen konfisziert, unsere Jugendorganisationen verfolgt,
und ihre Demokratie besteht darin, daß sie, was noch keine
deutsche Partei gemacht hat, sogar nach dem Schutzgesetze gegen
uns rufen". Dieser Satz des Artikels wurde konfisziert, obwohl
darin nur gegen einen Artikel des Hauptorgans der christlichsozialen
Partei polemisiert wird, in welchem der Verwunderung darüber
Ausdruck gegeben wurde, daß die Konfiskation unserer Presse
nicht unter Berufung auf die Bestimmungen des Schutzgesetzes vorgenommen
wird. Wie hat sich nun die christlichsoziale Partei, die jetzt
nach dem Schutzgesetz ruft, seinerzeit zum Schutzgesetz verhalten,
als dasselbe in der gesetzgebenden Körperschaft beraten wurde?
Es hat damals Abg. Køepek
eine Rede gehalten, in welcher er namens des Bundes der Landwirte,
der Nationalpartei, der christlichsozialen Partei und der Deutschdemokraten
wörtlich unter anderem erklärt hat: "Sie richten
sich gegen die Gesinnung der Staatsbürger und sind nichts
anderes, als die Verkleidung des Terrors einer bestimmten politischen
Staat auffassung in der Form parlamentarisch zustandegekommener
Gesetze". Wenn er von Gesetzen in der Mehrzahl sprach, so
bemerke ich, daß damals nicht nur das Schutzgesetz, sondern
auch das Gesetz zur Errichtung eines Staatsgerichtshofes verhandelt
wurde. So war damals die Haltung der Christlichsozialen zum Schutzgesetze
und heute rufen sie die Staatsanwaltschaft auf, damit sie auf
Grund der Bestimmungen des Schutzgesetzes gegen eine deutsche
oppositionelle Partei die Verfolgung einleiten möge.
Daß es sich bei der ganzen Zensurpraxis
um nichts anderes als um den Schutz der Regierungsparteien vor
Kritik handelt, erhellt auch aus der Konfiskation eines Absatzes
des Leitartikels in unserem gestrigen Blatte. Dort wurde geschrieben:
"Seit wir einen deutschen christlichsozialen Justizminister
haben, seit derselbe Mayr-Harting, der sich früher
mit Vorliebe als Wortfübrer der Opposition und ihrer demokratischen
Forderungen aufspielte, das wichtige Justizressort verwaltet,
hat für die deutsche Arbeiterbewegung eine Zeit verschärfter
unerträglicher Schikanen und Verfolgungen begonnen. Man konfisziert
unsere Zeitungen in der rücksichtslosesten Weise und mit
der durchsichtigen Absicht, uns finanziell zu schädigen,
uns für unsere oppositionelle Haltung mit Geldstrafen von
Zehntausenden Kronen zu belegen. Diese Konfiskationen haben einen
Grad erreicht, der das Ausland auf die Pressefreiheit unter dem
Regime Mayr-Harting aufmerksam macht und zur bildmäßigen
Wiedergabe unserer verstümmelten Blätter führt.
Man verfolgt unsere Organisationen in einer Weise, die an die
Zeiten der ärgsten Verfolgungen der Arbeiterbewegung unter
der Ära Taaffe erinnert. Der Prozeß gegen unsere Jugendorganisation
stellt eine unerhörte Verschärfung der politischen Persekutionspraxis
dar und gemahnt an die großen Hochverratsprozesse, die das
alte Österreich - allerdings im Kriege und unter dem
Ausnahmszustand - gegen die èechische Freiheitsbewegung
inszeniert hat. Schon im vorjährigen Gemeindewahlkampf hat
man unsere Agitation durch das Verbot von Plakaten und Flugblättern
hemmen wollen und uns durch derartige Amtshandlungen
schweren finanziellen Schaden zugefügt. Es gibt westlich
der Leitha und der Weichsel keinen parlamentarisch regierten europäischen
Staat, in dem es den staatlichen Behörden einfallen würde,
in den Wahlkampf der politischen Parteien durch Verbote von Plakaten
einzugreifen. Es gibt im zivilisierten. Europa keine Partei, die
zum Schutze ihrer politischen Interessen an den. Zensor und den
Staatsanwalt appellieren würde. Der Mayr-Harting macht
den Zensor zur Hauptstütze in seinem Wahlkampf gegen die
Sozialdemokratie".
Aber nicht genug daran, daß Zeitungen
konfisziert werden, man hat auch die Plakatierung unserer Wahlplakate
für den kommenden Wahlkampf behördlich verboten. Selbst
dort, wo von der politischen Bezirksverwaltung bereits die Bewilligung
zur Plakatierung erteilt worden ist, wurde in den letzten Tagen
diese Bewilligung wieder zurückgezogen und die Plakatierung
verboten, was wohl Beweis genug dafür ist, daß dies
über höheren Auftrag von Prag aus geschehen ist. Es
werden aber nicht nur Zeitungen konfisziert, sondern unter Berufung
auf die Bestimmungen des Schutzgesetzes wurden unter der Ära
dieser Mehrheit kommunistische Zeitungen sogar eingestellt, um
so eine korrigierende Wirkung im Wahlkampf herbeizuführen.
Durch solche Maßnahmen sucht man eine
Stärkung der Parteien herbeizuführen, welche die Herrschaft
im Staate haben. Unsere Jugendorganisationen haben nicht nur jetzt,
sondern schon im alten Österreich, so wie die sozialdemokratische
Partei überhaupt, den Kampf für den Frieden und gegen
den Militarismus geführt. Man hat es aber im alten Österreich
nicht gewagt, deshalb unseren Organisationen Schwierigkeiten zu
bereiten. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Stivín.) Nun
setzt eine rücksichtslose Verfolgung unserer Jugendorganisationen
ein und man droht ihnen mit der Auflösung. All das, um einzuschüchtern
und die Opposition zu schwächen, in der Hoffnung, daß
dadurch eine Stärkung der Majorität und die Aufrechterhaltung
der Mehrheit der gegenwärtigen Koalitionsparteien herbeigeführt
wird.