Ètvrtek 18. øíjna 1928

Tausende und Abertausende anderer Industriearbeiter neben den Bauarbeitern leben in einer Schicksalsgemeinschaft mit ihnen, tausende anderer Arbeiter und vor allem unsere Grubensklaven, denen man in frivolem Übermut in einer Zeit, wo sie bei einer unglaublichen Arbeitsleistung etwas über normale Löhne verdienten, den fast vergessenen Titel "Börseaner der Arbeit" wieder an den Kopf geworfen hat, die Grubensklaven, die Tag für Tag, wenn sie die Förderschale betreten, mit dem Leben abrechnen müssen, die, wenn sie in die Tiefe fahren, nie wissen, ob sie lebend oder als zerstückelte Leichname wieder ans Tageslicht kommen; neben ihnen die Hüttenarbeiter, die Arbeiter der Schwerindustrie, die so wie die Bergarbeiter ununterbrochen von schweren Betriebsgefahren umgeben sind, die ebenfalls nie wissen, ob der Hochofen, der Kuppelofen, das geschmolzene Metall oder die Riesenmaschine sie noch vor Arbeitsschluß vernichtet oder verstümmelt; und neben ihnen nun auch die Bauarbeiter, bei denen uns das grausige Schicksal und das ungeheuere Risiko dieser Arbeitsgruppe bei der großen Baukatastrophe das erstemal so ganz klar und deutlich aufgezeigt wurde. Von den Löhnen, wenn sie etwas übernormal sind, spricht man, von dem Risiko, von den Gefahren, von der furchtbaren Umgebung, in der diese Arbeiter den ganzen Tag während der Arbeitsleistung sich befinden, davon sprechen die, die von den höheren Löhnen sprechen, gewöhnlich nicht. Und wenn wir heute erklären, daß 50% dieser Arbeitsgruppen mit dem Tode oder mit der Verkrüppelung rechnen müssen, dem Tode und der Verkrüppelung geweiht sind in dem Augenblicke, wo sie die Arbeitsstätte betreten, dann übertreiben wir nicht. Und neben denen, die die Betriebskatastrophe in einem Betriebe trifft, haben wir die Hinterbliebenen, die Frauen, die Witwen, die Waisen und die alten Eltern der verunglückten Arbeiter. Und wer in den ersten Stunden und Tagen nach dem Zusammenbruch dieses modernen Riesenbaues die Anverwandten der verunglückten Arbeiter am Bauplatze gesehen hat, wer gesehen hat, wie diese Frauen mit ihren Kindern dort mit schmerzverzerrten Gesichtern gewartet haben und jeden Toten, der geborgen wurde, betrachteten und in ihm den Verlorenen oder Vermißten suchten, der vergißt das nicht und weiß, daß neben dem körperlichen Schaden, der den Arbeiter trifft, noch viel größer und schmerzhafter die nächsten Angehörigen getroffen werden, denen der Verdiener, der Erhalter und Ernährer verunglückt war. Die furchtbare Katastrophe am Poøiè ist in Prag nicht die erste. Seit Monaten und in der letzten Zeit fast jede Woche können wir Einsturzkatastrophen, Einstürze von Neubauten in Prag verzeichnen. Und trotzdem ist nichts geschehen, um solche Katastrophen zu verhüten; obwohl vor einigen Monaten in der Revolutionsstraße eine schwerere Einsturzkatastrophe zu verzeichnen war, die die Öffentlichkeit damals schwer beunruhigte und obwohl damals die Behörden unter dem Eindruck dieser Katastrophe erklärten, daß sie alles vorsorgen werden, daß sie in gründlicher Weise Sicherheitsmaßnahmen ergreifen werden, können wir feststellen, daß es trotz dieser Mahnung bei dem Versprechen geblieben ist, daß nichts geschehen ist, trotz der bereits verzeichneten Katastrophen, um weitere Unglücksfälle, weitere noch größere Katastrophen zu vermeiden. Nicht ein Elementarereignis, nicht Naturgewalten, die stärker sind, als menschliches Wollen und Können, haben am Poøiè gewütet, es waren schwere Unterlassungssünden aller verantwortlichen Faktoren, die Sühne und verläßliche Remedur fordern, die Rechenschaft fordern von denen, die an diesem Unglück direkt und indirekt schuld sind. Wir haben es nicht mit blindem Zufall, mit Schicksalstücke zu tun, auch nicht zu tun mit dem bedingten Verschulden einzelner Personen, in Wirklichkeit haben wir es zu tun mit einem System der brutalen und rücksichtslosen Herrschaft der besitzenden Klassen, mit einem System, in dem vor allem anderen die brutale Ausbeutungssucht und die soziale Reaktion die markantesten Momente sind.

Die Katastrophe am Poøiè ist die letzte, die die schrecklichen und sichhtbaren Auswirkungen dieses Systems zum Ausdruck bringt. Die Katastrophe bringt sichtbar und deutlich die Auswirkung der falschen Behandlung unserer ganzen Wohnungspolitik, des ganzen Wohnungsproblems in diesem Staate der Öffentlichkeit förmlich zum Anschauungsunterricht. Das Wohnungsproblem soll ein volkswirtschaftliches, vielleicht auch ein Problem der Volksgesundheit sein; bei uns ist es eine Sache des Profits, eine Sache wucherischer Kapitalsanlage. Habgier und brutaler Egoismus feiern gerade in dieser Zeit außergewöhnliche Orgien. Die kapitalistische Profitgier und die Ausbeutung wird, das können wir wohl feststellen, immer rücksichtsloser, immer brutaler in dem Bestreben der Erlangung ihrer Ziele. Und die kapitalistische Ausbeutung und die Profitgier kann sich immer zügelloser ausleben, hat sie doch in dem gegenwärtigen Regierungssystem einen Hort, der sie auf allen Seiten stützt. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.) Die èechisch-deutsche bürgerliche Mehrheit hat die gesetzlichen Maßnahmen des Wohnungsproblems in ganz einseitiger und ganz unsozialer Weise ausschließlich fast im Privatinteresse der Hausbesitzer und Grundrentner behandelt; sie hat schon begonnen, einseitig die Interessen der Hausbesitzer und Grundrentner zu fördern und zu verteidigen, als die daran ging, den ohnedies schon geschwächten und durchlöcherten Mieterschutz noch mehr abzubauen. Trotzdem wir gewarnt haben, trotzdem wir wieder warnen, gehen Sie jetzt daran, ohne für die Schaffung von genügenden und entsprechenden Volkswohnungen Vorsorge zu treffen, den Mieterschutz ganz abzubauen. Wir können uns vorstellen, wie die Auswirkung dieser neuen sozialreaktionären Maßnahme sein wird. Die Hausbesitzer, die Besitzer alter Häuser werden alles daran setzen, in dem Augenblicke, wo der Mieterschutz fällt, in kürzester Frist ihre Wohnungsmieten anzupassen den Mieten der neuen Häuser und die Besitzer der neuen Häuser werden ihre hohen Wohnungsmieten dadurch gesichert erhalten, daß die niedrigen Wohnungsmieten in den alten Häusern verschwinden. Eine ungeheuere Wohnungsteuerung, eine außergewöhnliche Steigerung der Profitrate der Hausherren und Grundrentner wird die Folge sein und wir brauchen nicht weit zu gehen, wir können in Prag schon außergewöhnliche, fast schwindelerregende Phantasiepreise für Baugrund feststellen. Auf der einen Seite die steigende Profitrate der Hausherren und Grundrentner, auf der anderen Seite die Not der notleidenden Massen, die Verschlechterung der Lage der breiten Massen der Arbeiterschaft. Die Kapitalinvestierung in den Häusern, die vermehrte Kapitalanlage in den Häusern wird wieder gewinn- und nutzbringend sein. Wir wissen, daß die Hausherren neuer Häuser damit rechnen, in 10 Jahren ihre Häuser amortisiert zu haben und sich in 10 Jahren eine hohe Rente zu sichern.

Und in dieser Zeit, in der Zeit des Abbaues des Mieterschutzes kommt auch der Abbau der Bauförderung, der Abbau des ersten Bauförderungsgesetzes, das ermöglichte, mit Hilfe von Staatsmitteln Kleinwohnungen zu bauen. Dieser Abbau des Bauförderungsgesetzes hat nun einen wesentlichen Anteil an den Baukatastrophen und vor allem anderen an der Katastrophe am Poøíè. Das alte Bauförderungsgesetz, das Subventionen für Kleinwohnungen vorsah, wurde durch das neue Bauförderungsgesetz ersetzt. Wäre das alte Gesetz bestehen geblieben, wäre die Möglichkeit der Erstellung einer größeren Anzahl von Wohnungen und damit eine Ausgleichung zwischen Angebot und Nachfrage herbeigeführt worden, dann wäre für einen längeren Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, durch Ausnützung dieses Gesetzes der Wohnungsnot zu steuern. Aber es lag nicht im Interesse der Hausrentner, nicht im Interesse der Bodenrentner, daß dieses Gesetz weiter bestehen bleibt, es lag auch nicht im Interesse des Staates, der Jahr für Jahr - wir können das wieder bei der Behandlung des Voranschlages aus den offiziellen und inoffiziellen Beträgen, die für die einzelnen Ministerien ausgesetzt sind, ersehen - für den Militarismus wieder zwei Milliarden verausgabt. Und für den Staat, der zwei Milliarden für den Militarismus verausgabt, ist die Last zu groß gewesen, die ihm durch das alte Bauförderungsgesetz auferlegt wurde. In dem neuen Bauförderungsgesetz wurde dann die Subvention eingestellt, es kam die Garantie und die Haftung des Staates und eine ziemlich langfristige Befreiung von Steuern und Abgaben. Wir haben damals darauf verwiesen, daß das Bauförderungsgesetz nicht ein kurzes Provisorium sein darf, wir haben darauf verwiesen, daß es mindestens für 10 Jahre bestehen muß, damit sich die Wirtschaft im Bauwesen den Verhältnissen anpassen kann und damit bei dem Bau von Häusern jene Solidität gewahrt wird, die notwendig ist, was deutlich die Katastrophe am Poøíè gezeigt hat. Man hat unseren Antrag verworfen, hat wieder ein kurzfristiges Provisorium beschlossen. Die Folge war, daß unsere Prophezeiung wahr wurde, daß nämlich ein hastiges Bauen, ein schnellerer Verbrauch vom Materialien, schnellere Verarbeitung des Baumaterials, damit höhere Anforderungen an die Baumaterialerzeugung und dadurch eine Verteuerung der Baumaterialkosten eintreten mußte. Kaum hatte sich die Bauindustrie auf das neue Gesetz eingestellt, kam im Frühjahr dieses Jahres ein neues Provisorium, das mit 31. März 1928 durch das Gesetz Nr. 43 kundgemacht wurde. In diesem Provisorium wurde vorgeschrieben, daß die Bauten, die noch die Begünstigungen des Gesetzes genießen wollen, bis Ende 1928 fertig sein müssen. Darin ist wohl ein wesentlicher Teil der Schuld an der schweren Katastrophe am Poøíè zu suchen. Die Frist, die es noch ermöglichen sollte, die Baubegünstigungen für die Bauherren auszunützen, betrug 9 Monate. Eine spätere Beendigung des Baues hatte den Verlust der Steuerfreiheit für eine Reihe von Jahren zur Folge. Es mußte also wieder eine Umstellung eintreten, und damit können wir schon eine ganz bedeutende Nervosität in der Bauindustrie feststellen. Die neun Monate mußten ausgenützt werden, und zwar zum Vorteil der Bauherren. Was war die Folge? Die Häuser, an denen früher ein oder eineinhalb Jahre oder noch länger gearbeitet wurde, sollten und mußten nun in neun Monaten fertig werden. Es trat ein wahnsinniges Arbeitstempo ein, das wiederum eine Vermehrung der Baumaterialiennot und damit eine Weiterverteuerung der Baumaterialien zur Folge hatte. Eine weitere Folge war, daß mit den Baumaterialien gespart wurde, daß schlechtere Qualitäten als Ersatz für bessere und fehlende benützt wurden, daß die Entwürfe schnell fertiggestellt werden mußten, in aller Eile fertiggestellt wurden und oft keine oder nur fehlerhafte statische Berechnungen angestellt wurden, keine genügende Prüfung der Tragfähigkeit des Bodens für die in Prag aufgeführten Hochbauten. Kurz und gut, überall eine für die Sicherheit und Verläßlichkeit der Bauten nachteilige Auswirkung. Infolge der großen Anzahl der Bauten, 700 bis 1000 im letzten Jahre, ist noch eines zu konstatieren, daß das städtische Bauamt in Prag und auch die anderen Ämter ihre Bureaus und ihre Einrichtungen nicht mit der entsprechenden Anzahl von Beamten dotieren konnten und infolgedessen den größeren Aufträgen bezüglich der Bau- und Gewerbeaufsicht nicht nachzukommen vermochten. So wurde 7 Monate seit dem Frühjahr dieses Jahres gearbeitet, Tag und Nacht ohne Unterbrechung, auf nasse Betonstützen, auf nasse Betonwerke wurden neue Lasten gelegt, es wurde nicht abgewartet, bis die Bindung des Materials eingetreten ist, es wurde weiter gebaut, es wurden weitere ungeheure Lasten auf das noch nicht entsprechend getrocknete Unterbauwerk aufgelegt. Und so können wir feststellen, daß sich aus all diesen Gründen immer mehr und mehr die Zahl der Katastrophen vergrößert hat.

Ich habe schon vorhin gesagt, daß die Katastrophe in der Revolutionsstraße ein warnendes Signal gewesen ist, es blieb unbeachtet. Die Behörden haben alles unterlassen, was sie hätten tun müssen, um solchen Gefahren, wie sie die Katastrophe in der Revolutionsstraße aufgezeigt hat, zu begegnen. Die Kontrolle aller Bauten hätte sofort vorgenommen werden müssen, die Kontrolleinrichtungen und Kontrollämter hätten sofort ausgestaltet werden sollen, die Beaufsichtigung hätte entsprechend ausgebaut werden müssen. Die Heranziehung von Bauinspektoren aus dem Arbeiterstand wäre etwas Selbstverständliches gewesen. Wir wissen aus Erfahrung, daß die Praktiker, die Arbeiter gemeinsam mit den Theoretikern oder mit anderen Worten praktische Arbeit mit theoretischem Wissen gepaart, wesentlich dazu beigetragen hätte, die Bauüberwachung entsprechend zu modernisieren und leistungsfähiger zu machen. Das ist keine neue Forderung, wenn wir nach Aufsichtsorganen aus den Kreisen der Arbeiterschaft rufen, es ist dies eine alte Forderung, denn schon im alten Österreich haben wir verlangt, daß den Gewerbeinspektoren Assistenten aus den Reihen der manuellen Arbeiter, aus den Reihen der Arbeitnehmer beigestellt werden sollen. Das wäre für die Bauaufsicht eine unvermeidliche Notwendigkeit. Der Arbeiter, der sich in Gefahr befindet, die Gefahr kennt, leider sie aber oft auch unterschätzt, weiß ihr aber doch zu begegnen, kennt die Umstände, unter denen er sie verhüten könnte. Wir wissen aber, daß er, wenn er auch selbst die Verhütung der Gefahr dem Unternehmer vorführt, dieser auf ihn nicht hört. Und auch hier bei dem Unfall am Poøíè soll von Arbeitern vor der Katastrophe festgestellt worden sein, daß die Kellerdecke Risse gezeigt hat und auch da soll von den Arbeitern auf die entstehende Gefahr aufmerksam gemacht worden sein. Aber wie immer blieben die Warnungen auch hier unbeachtet. Der Arbeiter darf nicht klüger sein, als sein Herr und Arbeitgeber. Umsomehr müssen wir darauf bestehen, daß aus den Reihen der Arbeiter in Zukunft Sachverständige zur Bauaufsichtkommission in das Gewerbeinspektorat berufen und bestellt werden. Es kommt nicht immer auf die akademische Bildung, nicht immer auf den erworbenen Doktorgrad oder Ingenieurtitel an, es kommt nicht immer nur auf die Befähigung des Menschen an, es ist vielmehr das praktische Können, das am meisten dazu beiträgt, in solchen Fällen, wie in demjenigen, von dem wir hier sprechen, die ungeheueren Gefahrenmomente zu erkennen und zu vermindern.

Aber auch die Befähigung allein macht es nicht, sondern die Gewissenhaftigkeit ist es vor allem anderen, auf die es ankommt. Und da können wir konstatieren, daß die Gewissenhaftigkeit bei den Angestellten oft eingeschränkt oder vollständig ertötet wird durch die Sorge um seine Existenz, durch sein Abhängigkeitsverhältnis von dem guten oder bösen Willen des Arbeitgebers. Der Angestellte muß oft seine Gewissenhaftigkeit ausschalten, um seinen Arbeitsplatz nicht zu säumen, um nicht den Verdienst, bezw. die Profitgier des Unternehmers zu hemmen. Gewinn oder Pönale ist beim Baumeister das Ausschlaggebende und in dem Falle, um den es sich hier handelt, wie bei allen Bauunfällen in Prag, handelte es sich meiner Überzeugung nach nicht mehr darum, gewissenhaft zu bauen, sondern vor allem um die Gefahr des Pönales, um die Furcht, den Endtermin zu versäumen, der Profit oder Nachteil bringt. Und so wurden in vielen Fällen und wahrscheinlich auch am Poøíè die notwendigen Sicherungen außer Acht gelassen. Das Tempo wurde und mußte beschleunigt werden. Dazu kommt noch, daß der Verdienst am Material und die Verteuerung des Materials bei einer weiteren Bauverzögerung ebenfalls ein anspornendes Moment sind. Wir können feststellen, daß der Hausherr letzten Endes ebenfalls bei jedem Bau so schnell wie möglich den Zinsgenuß haben will, auf der anderen Seite wie hier bei dem kurzterminierten Gesetz auch den Vorteil der Steuer- und Abgabenfreiheit genießen will. Der Arbeiter hat auf alles das nicht zu achten. Bei ihm ist vor allem das Gefahrenmoment das wichtigste und seine Tätigkeit und sein Bestreben geht instinktiv dahin, das Gefahrenmoment möglichst zu verkleinern. Aber hier tritt sein Bestreben in Kollission mit dem Bestreben des Bauherrn, des Bauauftraggebers. Hier am Poøíè können wir feststellen, daß vor allem die nötige Gewissenhaftigkeit nicht vorhanden war, Gewissenhaftigkeit nicht nur der Bauführung, sondern darüber hinaus der amtlichen Organe, der Behörden. Wenn es richtig ist, was von dem überlebenden Bauingenieur festgestellt wurde, daß in dem Hause schon, als man beim Mezzanin war, konstatiert wurde, daß bei den Grundsäulen Material abbröckelte, daß das Material sehlecht war, daß der Zement nicht genug bindend war, wenn es richtig ist, daß man auf diesem bereits festgestellten, schlechten Untergrund dann noch vier Stockkwerke aufbaute, und zwar diesmal schon mit besserem Material - man wagte es nicht mehr, mit dem schlechten Material weiter zu bauen.... (Posl. Roscher: Gerade umgekehrt hätte es gemacht werden sollen!) Sehr richtig! Unten hätte man das bessere Material geben müssen und oben, wenn die Last von 800.000 q auf den Unterbau drückte, hätte vielleicht etwas schlechteres Material die Katastrophe nicht herbeigeführt. Noch eines muß hervorgehoben werden: Hätte das Fundament etwas länger gehalten, wäre vielleicht der Zusammenbruch einige Wochen oder Monate später gekommen - auch diese Möglichkeit muß im Auge behalten werden - wäre das Haus bereits bewohnt gewesen und viele Familien und zahlreiche Geschäftslokalitäten mit hunderten und tausenden Kunden dort untergebracht gewesen, und dann erst die Katastrophe eingetreten, so läßt sich vor innerem Grauen gar nicht ausdenken, welche furchtbare Auswirkungen, noch schlimmer als jetzt vielleicht, eingetreten wären.

Angesichts dieser Tatsachen müssen wir die Frage erheben, ob nun endlich die Behörden und die Regierung eingreifen werden, um diesem Verbrechen eines privatkapitalistischens Systems ein Ende zu bereiten. Unsere Hoffnungen und unser Glaube, daß die Behörden und vor allem die Regierung diesem Zustande ein Ende bereiten werden, sind allerdings sehr gering. Der Herr Minister Spina hat sich hier so wie im Senat damit begnügt zu erklären, daß eigentlich der Staat mit diesen Privatbauten nichts zu tun habe. Er hat erklärt, daß eine Baukontrolle erst dann möglich sei, wenn eine gesetzliche Handhabe dazu vorhanden ist. Alles, was er sonst sagte, waren Gemeinplätze, Verlegenheitserklärungen, die nichts Konkretes über den Standpunkt der Regierung zu dieser Baukatastrophe und zu dem ganzen System sagten. Wir müssen ferner fragen: Warum hat denn der Herr Minister nicht schon nach den ersten Einstürzen in Prag das Nötige veranlaßt? Was er hier gesagt hat, ist sehr billig und zeigt sehr wenig Ernst, dem Übel wirklich abzuhelfen. Wir haben erwartet, daß, wenn das Parlament noch unter dem Eindruck der Katastrophe zusammentritt und wenn der Minister hier auf die Rednertribüne kommt, er in seinem Exposée schon Vorschläge bringt und bereits einen Gesetzentwurf vorlegt, der eine Verschärfung vor allem der Bauaufsicht mit sich bringt, daß er strikte Vorschriften für die Feststellung der statischen Verhältnisse vorschlagen wird, daß er vor allem auch eine Verschärfung des Arbeiterschutzes vorkehren wird, daß er sich für eine Verbesserung der Unfallversicherung einsetzen wird. Das zumindest hätten wir in den Ausführungen das Herrn Ministers erwartet, weil es unserer Meinung nach die erste und wichtigste Aufgabe des Ministers für öffentliche Arbeiten gewesen wäre, wenn er vor das Plenum des Hauses tritt, klar und deutlich auszusprechen, welche Maßnahmen die Regierung zu ergreifen gedenkt, um in Zukunft solche oder ähnliche Baukatastrophen zu vermeiden.

Wenn wir diese Frage behandeln, müssen wir auch feststellen, daß das bisherige Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz veraltet ist, daß die rationalisierten Arbeitsmethoden, daß die neue Art des Hochbaues, wie man ihn in Prag eingeführt hat, einen weitergehenden Schutz der Arbeiter gegen Unfall, eine bessere Hilfe für verunglückte Arbeiter bedingt. Das Unfallversicherungsgesetz entspricht nicht mehr und ist unter den obwaltenden Umständen in der Wirtschaft und Industrie, auch in der Bauindustrie mehr oder weniger ein Schutzgesetz für den Unternehmer. Der Baumeister, der den Arbeiter bei der Unfallversicherung anmeldet, zahlt seine Prämie und damit ist er jeder Verantwortung ledig, ist er für die Gesundheit und das Leben der von ihm beschäftigen Arbeiter nicht mehr verantwortlich zu machen, auch wenn durch seine Fahrlässigkeit, Gewissenlosigkeit und Unfähigkeit der Arbeiter an Leben und Gesundheit schwer geschädigt wird. Nur bei einem dolosen Vorgehen, bei absichtlicher Verletzung des Arbeiters, d. h. wie ich heute in einem Gespräch von einem Parteigenossen gehört habe, wenn der Baumeister den Arbeiter mit einem Zementblock totwirft, dann ist die einzige Möglichkeit gegeben, diesen Baumeister zur Verantwortung und Schadloshaltung für den von ihm verursachten Sehaden an diesem Arbeiter und seine Hinterbliebenen zu verhalten. Aber sonst ist den Unternehmern das Leben der Arbeiter sehr billig, mit der Unfallsprämie ist alles für ihn erledigt und wir wissen ja, wenn unsere verunglückten, verkrüppelten Industrieproleten zur Unfallversicherungsanstalt kommen, wenn sie die Rentenbemessung bekommen, wie erbärmlich klein die Renten gegenüber den Vorkriegsverhältnissen sind, wie trotz aller Zuschläge auf die Grundrente die Rente ungenügend ist. Wir wissen, wie diese Arbeiter von der Unfallsversicherungsanstalt behandelt werden, wie so und so viele Organe hinausgeschickt werden, um festzustellen, ob dieser oder jener Arbeiter wirklich nicht imstande ist, zehn Heller mehr zu verdienen, durch Gelegenheitsarbeit, vielleicht durch das Wohlwollen seines Unternehmers in einem seltenen Falle, oder weil er bei einer leichteren Arbeit verwendet wird, wo ihn der Unternehmer doch etwas mehr Lohn zu zahlen vermag, ob diese Krüppel nicht doch einige Heller mehr verdienen, die der Anstalt die Möglichkeit geben, sofort die Rente herabzusetzen, oder ob se nicht möglich ist, wenn er irgend eine leichtere Arbeit als Bote oder Laufbursche hat, wozu er die Hände nicht braucht, ihm vielleicht, weil er annähernd so viel an Lohn hat, als er früher verdiente, die Rente ganz zu entziehen. Bei der Vermehrung der Unfälle und den gräßlichen Folgen derselben bei den Hochbauten, bei der Rationalisierung in der Industrie, bei der Vergrößerung der Werkzeugmaschinen, muß unbedingt eine Novellierung des Unfallversicherungsgesetzes in der allernächsten Zeit kommen, wenn auf diesem Gebiete nicht noch mehr gegen die Opfer unserer Industrie und Wirtschaft gesündigt werden soll. Außerdem aber soll das eine aktive Tat sein, nicht nur Worte und Anregungen, die Zukunftsmusik sind; wir wollen, daß schnell gehandelt wird. Aus diesem Grunde haben wir einen Antrag eingebracht, der einen Ausbau und eine Verbesserung der Bauaufsicht und des Schutzes für die Arbeiter beinhaltet. Wir erwarten, daß das Haus diesem Antrag zustimmt, weil er erst die gesetzliche Handhabe bietet, um die Bauaufsicht so auszugestalten, daß sie auch wirksam wird und solche Katastrophen, abgesehen von Elementarereignissen, in Zukunft vermieden werden können.

Die Einstürze von Neubauten in Prag sind das Ergebnis des von mir geschilderten Systems. Lassen Sie, meine Damen und Herren, der Opfer genug sein. 45 erschlagene Bauarbeiter klagen das herrschende Regierungssystem an. Ankläger der gegenwärtigen bürgerlichen Regierung sind aber auch die vielen Obdachlosen, die keine Unterkunft finden können, sind die vielen kinderreichen Familien, die in schlechten Wohnungen, oft in Unterkünften, in denen man ein Tier nicht unterbringt, hausen und leben müssen, sind die dahinsiechenden Kinder armer Familien, die in gesundheitsschädlichen, nicht bewohnbaren Räumen doch wohnen müssen, weil sie, keine andere Unterkunft haben. Ankläger des gegenwärtigen Regierungssystems sind aber auch die Armen, denen die Herrschenden das Leben verteuert und verbittert haben. Ankläger sind die Soldaten, die ihrer Freiheit für vierzehn und mehr Monate beraubt, dem Militarismus dienen müssen, Ankläger ist die gesamte arbeitende und trotz emsigen Schaffens notleidende Bevölkerung. Die Anklage soll ihre Verurteilung finden und wird sie finden, wenn die Völker in diesem Staate wieder zur Entscheidung antreten werden, die ihnen auch im Laufe dieses Jahres mit dem Stimmzettel in die Hand gegeben wird; und da werden die Arbeitermassen, die durch das gegenwärtig herrschende System Mühe, Not und Elend leiden müssen, die an den Auswirkungen dieses Systems, zu denen auch das Unglück auf dem Poøíè gehört, zu leiden haben, sie alle werden als Richter auftreten, als Richter dieses Systems und aller jener, die dieser Regierungskoalition angehören und dieses System auch weiterhin zu stützen und zu erhalten versuchen. (Potlesk poslancù. nìm. strany soc. demokratické.)

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