Tausende und Abertausende anderer Industriearbeiter
neben den Bauarbeitern leben in einer Schicksalsgemeinschaft mit
ihnen, tausende anderer Arbeiter und vor allem unsere Grubensklaven,
denen man in frivolem Übermut in einer Zeit, wo sie bei einer
unglaublichen Arbeitsleistung etwas über normale Löhne
verdienten, den fast vergessenen Titel "Börseaner der
Arbeit" wieder an den Kopf geworfen hat, die Grubensklaven,
die Tag für Tag, wenn sie die Förderschale betreten,
mit dem Leben abrechnen müssen, die, wenn sie in die Tiefe
fahren, nie wissen, ob sie lebend oder als zerstückelte Leichname
wieder ans Tageslicht kommen; neben ihnen die Hüttenarbeiter,
die Arbeiter der Schwerindustrie, die so wie die Bergarbeiter
ununterbrochen von schweren Betriebsgefahren umgeben sind, die
ebenfalls nie wissen, ob der Hochofen, der Kuppelofen, das geschmolzene
Metall oder die Riesenmaschine sie noch vor Arbeitsschluß
vernichtet oder verstümmelt; und neben ihnen nun auch die
Bauarbeiter, bei denen uns das grausige Schicksal und das ungeheuere
Risiko dieser Arbeitsgruppe bei der großen Baukatastrophe
das erstemal so ganz klar und deutlich aufgezeigt wurde. Von den
Löhnen, wenn sie etwas übernormal sind, spricht man,
von dem Risiko, von den Gefahren, von der furchtbaren Umgebung,
in der diese Arbeiter den ganzen Tag während der Arbeitsleistung
sich befinden, davon sprechen die, die von den höheren Löhnen
sprechen, gewöhnlich nicht. Und wenn wir heute erklären,
daß 50% dieser Arbeitsgruppen mit dem Tode oder mit der
Verkrüppelung rechnen müssen, dem Tode und der Verkrüppelung
geweiht sind in dem Augenblicke, wo sie die Arbeitsstätte
betreten, dann übertreiben wir nicht. Und neben denen, die
die Betriebskatastrophe in einem Betriebe trifft, haben wir die
Hinterbliebenen, die Frauen, die Witwen, die Waisen und die alten
Eltern der verunglückten Arbeiter. Und wer in den ersten
Stunden und Tagen nach dem Zusammenbruch dieses modernen Riesenbaues
die Anverwandten der verunglückten Arbeiter am Bauplatze
gesehen hat, wer gesehen hat, wie diese Frauen mit ihren Kindern
dort mit schmerzverzerrten Gesichtern gewartet haben und jeden
Toten, der geborgen wurde, betrachteten und in ihm den Verlorenen
oder Vermißten suchten, der vergißt das nicht und
weiß, daß neben dem körperlichen Schaden, der
den Arbeiter trifft, noch viel größer und schmerzhafter
die nächsten Angehörigen getroffen werden, denen der
Verdiener, der Erhalter und Ernährer verunglückt
war. Die furchtbare Katastrophe am Poøiè ist in
Prag nicht die erste. Seit Monaten und in der letzten Zeit fast
jede Woche können wir Einsturzkatastrophen, Einstürze
von Neubauten in Prag verzeichnen. Und trotzdem
ist nichts geschehen, um solche Katastrophen zu verhüten;
obwohl vor einigen Monaten in der Revolutionsstraße eine
schwerere Einsturzkatastrophe zu verzeichnen war, die die Öffentlichkeit
damals schwer beunruhigte und obwohl damals die Behörden
unter dem Eindruck dieser Katastrophe erklärten, daß
sie alles vorsorgen werden, daß sie in gründlicher
Weise Sicherheitsmaßnahmen ergreifen werden, können
wir feststellen, daß es trotz dieser Mahnung bei dem Versprechen
geblieben ist, daß nichts geschehen ist, trotz der
bereits verzeichneten Katastrophen, um weitere Unglücksfälle,
weitere noch größere Katastrophen zu vermeiden. Nicht
ein Elementarereignis, nicht Naturgewalten, die stärker sind,
als menschliches Wollen und Können, haben am Poøiè
gewütet, es waren schwere Unterlassungssünden
aller verantwortlichen Faktoren, die Sühne und verläßliche
Remedur fordern, die Rechenschaft fordern von denen, die an diesem
Unglück direkt und indirekt schuld sind. Wir haben es nicht
mit blindem Zufall, mit Schicksalstücke zu tun, auch nicht
zu tun mit dem bedingten Verschulden einzelner Personen, in Wirklichkeit
haben wir es zu tun mit einem System der brutalen und rücksichtslosen
Herrschaft der besitzenden Klassen, mit einem System, in dem vor
allem anderen die brutale Ausbeutungssucht und die soziale Reaktion
die markantesten Momente sind.
Die Katastrophe am Poøiè ist die letzte, die die
schrecklichen und sichhtbaren Auswirkungen dieses Systems zum
Ausdruck bringt. Die Katastrophe bringt sichtbar und deutlich
die Auswirkung der falschen Behandlung unserer
ganzen Wohnungspolitik, des ganzen Wohnungsproblems in diesem
Staate der Öffentlichkeit förmlich zum Anschauungsunterricht.
Das Wohnungsproblem soll ein volkswirtschaftliches, vielleicht
auch ein Problem der Volksgesundheit sein; bei uns ist es eine
Sache des Profits, eine Sache wucherischer Kapitalsanlage. Habgier
und brutaler Egoismus feiern gerade in dieser Zeit außergewöhnliche
Orgien. Die kapitalistische Profitgier und die Ausbeutung wird,
das können wir wohl feststellen, immer rücksichtsloser,
immer brutaler in dem Bestreben der Erlangung ihrer Ziele. Und
die kapitalistische Ausbeutung und die Profitgier kann sich immer
zügelloser ausleben, hat sie doch in dem gegenwärtigen
Regierungssystem einen Hort, der sie auf allen Seiten stützt.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
inž. Dostálek.) Die
èechisch-deutsche bürgerliche Mehrheit hat die gesetzlichen
Maßnahmen des Wohnungsproblems in ganz einseitiger und ganz
unsozialer Weise ausschließlich fast im Privatinteresse
der Hausbesitzer und Grundrentner behandelt;
sie hat schon begonnen, einseitig die Interessen der Hausbesitzer
und Grundrentner zu fördern und zu verteidigen, als die daran
ging, den ohnedies schon geschwächten und durchlöcherten
Mieterschutz noch mehr abzubauen. Trotzdem wir gewarnt haben,
trotzdem wir wieder warnen, gehen Sie jetzt daran, ohne für
die Schaffung von genügenden und entsprechenden Volkswohnungen
Vorsorge zu treffen, den Mieterschutz ganz abzubauen. Wir können
uns vorstellen, wie die Auswirkung dieser neuen sozialreaktionären
Maßnahme sein wird. Die Hausbesitzer, die Besitzer alter
Häuser werden alles daran setzen, in dem Augenblicke, wo
der Mieterschutz fällt, in kürzester Frist ihre Wohnungsmieten
anzupassen den Mieten der neuen Häuser und die Besitzer der
neuen Häuser werden ihre hohen Wohnungsmieten dadurch gesichert
erhalten, daß die niedrigen Wohnungsmieten in den alten
Häusern verschwinden. Eine ungeheuere Wohnungsteuerung, eine
außergewöhnliche Steigerung der Profitrate der Hausherren
und Grundrentner wird die Folge sein und wir brauchen nicht weit
zu gehen, wir können in Prag schon außergewöhnliche,
fast schwindelerregende Phantasiepreise für Baugrund feststellen.
Auf der einen Seite die steigende Profitrate der Hausherren und
Grundrentner, auf der anderen Seite die Not der notleidenden Massen,
die Verschlechterung der Lage der breiten Massen der Arbeiterschaft.
Die Kapitalinvestierung in den Häusern, die vermehrte Kapitalanlage
in den Häusern wird wieder gewinn- und nutzbringend sein.
Wir wissen, daß die Hausherren neuer Häuser damit rechnen,
in 10 Jahren ihre Häuser amortisiert zu haben und sich in
10 Jahren eine hohe Rente zu sichern.
Und in dieser Zeit, in der Zeit des Abbaues
des Mieterschutzes kommt auch der Abbau der Bauförderung,
der Abbau des ersten Bauförderungsgesetzes, das ermöglichte,
mit Hilfe von Staatsmitteln Kleinwohnungen zu bauen. Dieser Abbau
des Bauförderungsgesetzes hat nun einen wesentlichen Anteil
an den Baukatastrophen und vor allem anderen an der Katastrophe
am Poøíè. Das alte Bauförderungsgesetz,
das Subventionen für Kleinwohnungen vorsah, wurde durch das
neue Bauförderungsgesetz ersetzt. Wäre das alte Gesetz
bestehen geblieben, wäre die Möglichkeit der Erstellung
einer größeren Anzahl von Wohnungen und damit eine
Ausgleichung zwischen Angebot und Nachfrage herbeigeführt
worden, dann wäre für einen längeren Zeitpunkt
die Möglichkeit gegeben, durch Ausnützung dieses Gesetzes
der Wohnungsnot zu steuern. Aber es lag nicht im Interesse der
Hausrentner, nicht im Interesse der Bodenrentner, daß dieses
Gesetz weiter bestehen bleibt, es lag auch nicht im Interesse
des Staates, der Jahr für Jahr - wir können das wieder
bei der Behandlung des Voranschlages aus den offiziellen und inoffiziellen
Beträgen, die für die einzelnen Ministerien ausgesetzt
sind, ersehen - für den Militarismus wieder zwei Milliarden
verausgabt. Und für den Staat, der zwei Milliarden für
den Militarismus verausgabt, ist die Last zu groß gewesen,
die ihm durch das alte Bauförderungsgesetz auferlegt wurde.
In dem neuen Bauförderungsgesetz wurde dann die Subvention
eingestellt, es kam die Garantie und die Haftung des Staates und
eine ziemlich langfristige Befreiung von Steuern und Abgaben.
Wir haben damals darauf verwiesen, daß das Bauförderungsgesetz
nicht ein kurzes Provisorium sein darf, wir haben darauf verwiesen,
daß es mindestens für 10 Jahre bestehen muß,
damit sich die Wirtschaft im Bauwesen den Verhältnissen anpassen
kann und damit bei dem Bau von Häusern jene Solidität
gewahrt wird, die notwendig ist, was deutlich die Katastrophe
am Poøíè gezeigt hat. Man hat unseren Antrag
verworfen, hat wieder ein kurzfristiges Provisorium beschlossen.
Die Folge war, daß unsere Prophezeiung wahr wurde, daß
nämlich ein hastiges Bauen, ein schnellerer Verbrauch vom
Materialien, schnellere Verarbeitung des Baumaterials,
damit höhere Anforderungen an die Baumaterialerzeugung und
dadurch eine Verteuerung der Baumaterialkosten eintreten mußte.
Kaum hatte sich die Bauindustrie auf das neue Gesetz eingestellt,
kam im Frühjahr dieses Jahres ein neues Provisorium, das
mit 31. März 1928 durch das Gesetz Nr. 43 kundgemacht wurde.
In diesem Provisorium wurde vorgeschrieben, daß die Bauten,
die noch die Begünstigungen des Gesetzes genießen wollen,
bis Ende 1928 fertig sein müssen. Darin ist wohl ein
wesentlicher Teil der Schuld an der schweren Katastrophe am Poøíè
zu suchen. Die Frist, die es noch ermöglichen sollte, die
Baubegünstigungen für die Bauherren auszunützen,
betrug 9 Monate. Eine spätere Beendigung des Baues hatte
den Verlust der Steuerfreiheit für eine
Reihe von Jahren zur Folge. Es mußte also wieder eine Umstellung
eintreten, und damit können wir schon eine ganz bedeutende
Nervosität in der Bauindustrie feststellen. Die neun Monate
mußten ausgenützt werden, und zwar zum Vorteil der
Bauherren. Was war die Folge? Die Häuser, an denen früher
ein oder eineinhalb Jahre oder noch länger gearbeitet wurde,
sollten und mußten nun in neun Monaten fertig werden. Es
trat ein wahnsinniges Arbeitstempo ein, das wiederum eine Vermehrung
der Baumaterialiennot und damit eine Weiterverteuerung der Baumaterialien
zur Folge hatte. Eine weitere Folge war, daß mit den Baumaterialien
gespart wurde, daß schlechtere Qualitäten als Ersatz
für bessere und fehlende benützt wurden, daß die
Entwürfe schnell fertiggestellt werden mußten, in aller
Eile fertiggestellt wurden und oft keine oder nur fehlerhafte
statische Berechnungen angestellt wurden, keine genügende
Prüfung der Tragfähigkeit des Bodens für die in
Prag aufgeführten Hochbauten. Kurz und gut, überall
eine für die Sicherheit und Verläßlichkeit der
Bauten nachteilige Auswirkung. Infolge der großen Anzahl
der Bauten, 700 bis 1000 im letzten Jahre, ist noch eines zu konstatieren,
daß das städtische Bauamt in Prag und auch die anderen
Ämter ihre Bureaus und ihre Einrichtungen nicht mit der entsprechenden
Anzahl von Beamten dotieren konnten und infolgedessen den größeren
Aufträgen bezüglich der Bau- und Gewerbeaufsicht nicht
nachzukommen vermochten. So wurde 7 Monate seit dem Frühjahr
dieses Jahres gearbeitet, Tag und Nacht ohne Unterbrechung, auf
nasse Betonstützen, auf nasse Betonwerke wurden neue Lasten
gelegt, es wurde nicht abgewartet, bis die Bindung des Materials
eingetreten ist, es wurde weiter gebaut, es wurden weitere ungeheure
Lasten auf das noch nicht entsprechend getrocknete Unterbauwerk
aufgelegt. Und so können wir feststellen, daß sich
aus all diesen Gründen immer mehr und mehr die Zahl der Katastrophen
vergrößert hat.
Ich habe schon vorhin gesagt, daß die
Katastrophe in der Revolutionsstraße ein warnendes Signal
gewesen ist, es blieb unbeachtet. Die Behörden haben alles
unterlassen, was sie hätten tun müssen, um solchen Gefahren,
wie sie die Katastrophe in der Revolutionsstraße aufgezeigt
hat, zu begegnen. Die Kontrolle aller Bauten hätte sofort
vorgenommen werden müssen, die Kontrolleinrichtungen und
Kontrollämter hätten sofort ausgestaltet werden sollen,
die Beaufsichtigung hätte entsprechend ausgebaut werden müssen.
Die Heranziehung von Bauinspektoren aus dem Arbeiterstand wäre
etwas Selbstverständliches gewesen. Wir wissen aus Erfahrung,
daß die Praktiker, die Arbeiter gemeinsam mit den Theoretikern
oder mit anderen Worten praktische Arbeit mit theoretischem Wissen
gepaart, wesentlich dazu beigetragen hätte, die Bauüberwachung
entsprechend zu modernisieren und leistungsfähiger zu machen.
Das ist keine neue Forderung, wenn wir nach Aufsichtsorganen aus
den Kreisen der Arbeiterschaft rufen, es ist dies eine alte Forderung,
denn schon im alten Österreich haben wir verlangt, daß
den Gewerbeinspektoren Assistenten aus den Reihen der manuellen
Arbeiter, aus den Reihen der Arbeitnehmer beigestellt werden sollen.
Das wäre für die Bauaufsicht eine unvermeidliche Notwendigkeit.
Der Arbeiter, der sich in Gefahr befindet, die Gefahr kennt, leider
sie aber oft auch unterschätzt, weiß ihr aber doch
zu begegnen, kennt die Umstände, unter denen er sie verhüten
könnte. Wir wissen aber, daß er, wenn er auch selbst
die Verhütung der Gefahr dem Unternehmer vorführt, dieser
auf ihn nicht hört. Und auch hier bei dem Unfall am
Poøíè soll von Arbeitern vor der Katastrophe
festgestellt worden sein, daß die Kellerdecke Risse gezeigt
hat und auch da soll von den Arbeitern auf die entstehende Gefahr
aufmerksam gemacht worden sein. Aber wie immer blieben die Warnungen
auch hier unbeachtet. Der Arbeiter darf nicht klüger sein,
als sein Herr und Arbeitgeber. Umsomehr müssen wir darauf
bestehen, daß aus den Reihen der Arbeiter in Zukunft Sachverständige
zur Bauaufsichtkommission in das Gewerbeinspektorat berufen und
bestellt werden. Es kommt nicht immer auf die akademische Bildung,
nicht immer auf den erworbenen Doktorgrad oder Ingenieurtitel
an, es kommt nicht immer nur auf die Befähigung des Menschen
an, es ist vielmehr das praktische Können, das am meisten
dazu beiträgt, in solchen Fällen, wie in demjenigen,
von dem wir hier sprechen, die ungeheueren Gefahrenmomente zu
erkennen und zu vermindern.
Aber auch die Befähigung allein macht
es nicht, sondern die Gewissenhaftigkeit ist es vor allem anderen,
auf die es ankommt. Und da können wir konstatieren, daß
die Gewissenhaftigkeit bei den Angestellten oft eingeschränkt
oder vollständig ertötet wird durch die Sorge um seine
Existenz, durch sein Abhängigkeitsverhältnis von dem
guten oder bösen Willen des Arbeitgebers. Der Angestellte
muß oft seine Gewissenhaftigkeit ausschalten, um seinen
Arbeitsplatz nicht zu säumen, um nicht den Verdienst, bezw.
die Profitgier des Unternehmers zu hemmen. Gewinn oder Pönale
ist beim Baumeister das Ausschlaggebende und in dem Falle, um
den es sich hier handelt, wie bei allen Bauunfällen in Prag,
handelte es sich meiner Überzeugung nach nicht mehr darum,
gewissenhaft zu bauen, sondern vor allem um die Gefahr des Pönales,
um die Furcht, den Endtermin zu versäumen, der Profit oder
Nachteil bringt. Und so wurden in vielen Fällen und
wahrscheinlich auch am Poøíè die notwendigen
Sicherungen außer Acht gelassen. Das Tempo wurde und mußte
beschleunigt werden. Dazu kommt noch, daß der Verdienst
am Material und die Verteuerung des Materials bei einer weiteren
Bauverzögerung ebenfalls ein anspornendes Moment sind. Wir
können feststellen, daß der Hausherr letzten Endes
ebenfalls bei jedem Bau so schnell wie möglich den Zinsgenuß
haben will, auf der anderen Seite wie hier bei dem kurzterminierten
Gesetz auch den Vorteil der Steuer- und Abgabenfreiheit genießen
will. Der Arbeiter hat auf alles das nicht zu achten. Bei ihm
ist vor allem das Gefahrenmoment das wichtigste und seine Tätigkeit
und sein Bestreben geht instinktiv dahin, das Gefahrenmoment möglichst
zu verkleinern. Aber hier tritt sein Bestreben in Kollission
mit dem Bestreben des Bauherrn, des Bauauftraggebers. Hier am
Poøíè können wir feststellen, daß
vor allem die nötige Gewissenhaftigkeit nicht vorhanden war,
Gewissenhaftigkeit nicht nur der Bauführung,
sondern darüber hinaus der amtlichen Organe, der Behörden.
Wenn es richtig ist, was von dem überlebenden Bauingenieur
festgestellt wurde, daß in dem Hause schon, als man beim
Mezzanin war, konstatiert wurde, daß bei den Grundsäulen
Material abbröckelte, daß das Material sehlecht war,
daß der Zement nicht genug bindend war, wenn es richtig
ist, daß man auf diesem bereits festgestellten, schlechten
Untergrund dann noch vier Stockkwerke aufbaute, und zwar diesmal
schon mit besserem Material - man wagte es nicht mehr, mit dem
schlechten Material weiter zu bauen.... (Posl. Roscher: Gerade
umgekehrt hätte es gemacht werden sollen!) Sehr richtig!
Unten hätte man das bessere Material geben müssen und
oben, wenn die Last von 800.000 q auf den Unterbau drückte,
hätte vielleicht etwas schlechteres Material die Katastrophe
nicht herbeigeführt. Noch eines muß hervorgehoben werden:
Hätte das Fundament etwas länger gehalten, wäre
vielleicht der Zusammenbruch einige Wochen oder Monate später
gekommen - auch diese Möglichkeit muß im Auge behalten
werden - wäre das Haus bereits bewohnt gewesen und viele
Familien und zahlreiche Geschäftslokalitäten mit hunderten
und tausenden Kunden dort untergebracht gewesen, und dann erst
die Katastrophe eingetreten, so läßt sich vor innerem
Grauen gar nicht ausdenken, welche furchtbare Auswirkungen, noch
schlimmer als jetzt vielleicht, eingetreten wären.
Angesichts dieser Tatsachen müssen wir
die Frage erheben, ob nun endlich die Behörden und die Regierung
eingreifen werden, um diesem Verbrechen eines privatkapitalistischens
Systems ein Ende zu bereiten. Unsere Hoffnungen und unser Glaube,
daß die Behörden und vor allem die Regierung diesem
Zustande ein Ende bereiten werden, sind allerdings sehr gering.
Der Herr Minister Spina hat sich hier so wie im Senat damit
begnügt zu erklären, daß eigentlich der Staat
mit diesen Privatbauten nichts zu tun habe. Er hat erklärt,
daß eine Baukontrolle erst dann möglich sei, wenn eine
gesetzliche Handhabe dazu vorhanden ist. Alles, was er sonst sagte,
waren Gemeinplätze, Verlegenheitserklärungen, die nichts
Konkretes über den Standpunkt der Regierung zu dieser Baukatastrophe
und zu dem ganzen System sagten. Wir müssen ferner fragen:
Warum hat denn der Herr Minister nicht schon nach den ersten Einstürzen
in Prag das Nötige veranlaßt? Was er hier gesagt hat,
ist sehr billig und zeigt sehr wenig Ernst, dem Übel wirklich
abzuhelfen. Wir haben erwartet, daß, wenn das Parlament
noch unter dem Eindruck der Katastrophe zusammentritt und wenn
der Minister hier auf die Rednertribüne kommt, er in seinem
Exposée schon Vorschläge bringt und bereits einen
Gesetzentwurf vorlegt, der eine Verschärfung vor allem der
Bauaufsicht mit sich bringt, daß er strikte Vorschriften
für die Feststellung der statischen Verhältnisse vorschlagen
wird, daß er vor allem auch eine Verschärfung des Arbeiterschutzes
vorkehren wird, daß er sich für eine Verbesserung der
Unfallversicherung einsetzen wird. Das zumindest hätten wir
in den Ausführungen das Herrn Ministers erwartet, weil es
unserer Meinung nach die erste und wichtigste Aufgabe des Ministers
für öffentliche Arbeiten gewesen wäre, wenn er
vor das Plenum des Hauses tritt, klar und deutlich auszusprechen,
welche Maßnahmen die Regierung zu ergreifen gedenkt, um
in Zukunft solche oder ähnliche Baukatastrophen zu vermeiden.
Wenn wir diese Frage behandeln, müssen
wir auch feststellen, daß das bisherige Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz
veraltet ist, daß die rationalisierten Arbeitsmethoden,
daß die neue Art des Hochbaues, wie man ihn in Prag eingeführt
hat, einen weitergehenden Schutz der Arbeiter gegen Unfall, eine
bessere Hilfe für verunglückte Arbeiter bedingt. Das
Unfallversicherungsgesetz entspricht nicht mehr und ist unter
den obwaltenden Umständen in der Wirtschaft und Industrie,
auch in der Bauindustrie mehr oder weniger ein Schutzgesetz für
den Unternehmer. Der Baumeister, der den Arbeiter bei der Unfallversicherung
anmeldet, zahlt seine Prämie und damit ist er jeder Verantwortung
ledig, ist er für die Gesundheit und das Leben der von ihm
beschäftigen Arbeiter nicht mehr verantwortlich zu machen,
auch wenn durch seine Fahrlässigkeit, Gewissenlosigkeit und
Unfähigkeit der Arbeiter an Leben und Gesundheit schwer geschädigt
wird. Nur bei einem dolosen Vorgehen, bei absichtlicher Verletzung
des Arbeiters, d. h. wie ich heute in einem Gespräch von
einem Parteigenossen gehört habe, wenn der Baumeister den
Arbeiter mit einem Zementblock totwirft, dann ist die einzige
Möglichkeit gegeben, diesen Baumeister zur Verantwortung
und Schadloshaltung für den von ihm verursachten Sehaden
an diesem Arbeiter und seine Hinterbliebenen zu verhalten. Aber
sonst ist den Unternehmern das Leben der Arbeiter sehr billig,
mit der Unfallsprämie ist alles für ihn erledigt und
wir wissen ja, wenn unsere verunglückten, verkrüppelten
Industrieproleten zur Unfallversicherungsanstalt kommen, wenn
sie die Rentenbemessung bekommen, wie erbärmlich klein die
Renten gegenüber den Vorkriegsverhältnissen sind, wie
trotz aller Zuschläge auf die Grundrente die Rente ungenügend
ist. Wir wissen, wie diese Arbeiter von der Unfallsversicherungsanstalt
behandelt werden, wie so und so viele Organe hinausgeschickt werden,
um festzustellen, ob dieser oder jener Arbeiter wirklich nicht
imstande ist, zehn Heller mehr zu verdienen, durch Gelegenheitsarbeit,
vielleicht durch das Wohlwollen seines Unternehmers in einem seltenen
Falle, oder weil er bei einer leichteren Arbeit verwendet wird,
wo ihn der Unternehmer doch etwas mehr Lohn zu zahlen vermag,
ob diese Krüppel nicht doch einige Heller mehr verdienen,
die der Anstalt die Möglichkeit geben, sofort die Rente herabzusetzen,
oder ob se nicht möglich ist, wenn er irgend eine leichtere
Arbeit als Bote oder Laufbursche hat, wozu er die Hände nicht
braucht, ihm vielleicht, weil er annähernd so viel an Lohn
hat, als er früher verdiente, die Rente ganz zu entziehen.
Bei der Vermehrung der Unfälle und den gräßlichen
Folgen derselben bei den Hochbauten, bei der Rationalisierung
in der Industrie, bei der Vergrößerung der Werkzeugmaschinen,
muß unbedingt eine Novellierung des Unfallversicherungsgesetzes
in der allernächsten Zeit kommen, wenn auf diesem Gebiete
nicht noch mehr gegen die Opfer unserer Industrie und Wirtschaft
gesündigt werden soll. Außerdem aber soll das eine
aktive Tat sein, nicht nur Worte und Anregungen, die Zukunftsmusik
sind; wir wollen, daß schnell gehandelt wird. Aus diesem
Grunde haben wir einen Antrag eingebracht, der einen Ausbau und
eine Verbesserung der Bauaufsicht und des Schutzes für die
Arbeiter beinhaltet. Wir erwarten, daß das Haus diesem Antrag
zustimmt, weil er erst die gesetzliche Handhabe bietet, um die
Bauaufsicht so auszugestalten, daß sie auch wirksam wird
und solche Katastrophen, abgesehen von Elementarereignissen, in
Zukunft vermieden werden können.
Die Einstürze von Neubauten in Prag sind
das Ergebnis des von mir geschilderten Systems. Lassen Sie, meine
Damen und Herren, der Opfer genug sein. 45 erschlagene Bauarbeiter
klagen das herrschende Regierungssystem an. Ankläger der
gegenwärtigen bürgerlichen Regierung sind aber auch
die vielen Obdachlosen, die keine Unterkunft finden können,
sind die vielen kinderreichen Familien, die in schlechten Wohnungen,
oft in Unterkünften, in denen man ein Tier nicht unterbringt,
hausen und leben müssen, sind die dahinsiechenden Kinder
armer Familien, die in gesundheitsschädlichen, nicht bewohnbaren
Räumen doch wohnen müssen, weil sie, keine andere Unterkunft
haben. Ankläger des gegenwärtigen Regierungssystems
sind aber auch die Armen, denen die Herrschenden das Leben verteuert
und verbittert haben. Ankläger sind die Soldaten, die ihrer
Freiheit für vierzehn und mehr Monate beraubt, dem Militarismus
dienen müssen, Ankläger ist die gesamte arbeitende und
trotz emsigen Schaffens notleidende Bevölkerung. Die Anklage
soll ihre Verurteilung finden und wird sie finden, wenn die Völker
in diesem Staate wieder zur Entscheidung antreten werden, die
ihnen auch im Laufe dieses Jahres mit dem Stimmzettel in die Hand
gegeben wird; und da werden die Arbeitermassen, die durch
das gegenwärtig herrschende System Mühe, Not und Elend
leiden müssen, die an den Auswirkungen dieses Systems, zu
denen auch das Unglück auf dem Poøíè
gehört, zu leiden haben, sie alle werden als Richter auftreten,
als Richter dieses Systems und aller jener,
die dieser Regierungskoalition angehören und dieses System
auch weiterhin zu stützen und zu erhalten versuchen. (Potlesk
poslancù. nìm. strany soc. demokratické.)