Meine Damen und Herren! Die èechoslovakische Republik und
ihre Regierung bemühen sich krampfhaft,
gerade im zehnten Jahre des Bestandes dieses Staates mit verblüffender
Schamlosigkeit der ganzen Kulturwelt den schwer kranken Parlamentarismus
hier zu enthüllen und zu zeigen. Nicht das erste, wohl aber
das fürchterlichste Bauunglück, das Prag und vielleicht
ganz Europa erlebt hat, hat sich vor mehr als einer Woche sozusagen
unter den Augen des tagenden Parlamentes ereignet. Statt daß
die gesetzgebenden Kammern sofort zusammengetreten wären,
um der Regierung und den politischen Parteien Gelegenheit zu geben,
als für die Gesetzgebung verantwortliche Faktoren zu diesen
Erscheinungen der hiesigen Baubewegung Stellung zu nehmen und
die Mißstände zu beseitigen, bleibt das Parlament vollkommen
passiv und überläßt die Kritik ganz und gar der
Presse, die natürlich aus Sensationslust die erschreckte
Bevölkerung noch weiter aufpeitscht. Das Präsidium des
Abgeordnetenhauses läßt sich sein Konzept nicht weiter
stören, eröffnet im Parlamente, im Plenum des Hauses,
die Budgetdebatte und läßt gnädig so mitten drin
den Herrn Minister für öffentliche Arbeiten ein paar
Worte über das Bauunglück sagen und vereinigt dann noch
die Debatte über die Regierungserklärung mit der Debatte
über den Staatsvoranschlag für 1929.
Diese Mißachtung, die in der Art der
Behandlung einer derartigen Sache gelegen ist, ist so empörend,
daß ich im Namen meiner Partei entschieden und unbedingt
dagegen Einspruch erheben muß. Dem Parlamente handelt es
sich doch keineswegs darum, die Ursachen der beiden Häusereinstürze
im Detail festzustellen. Ob das Fundament des Baues fehlerhaft
berechnet und konstruiert war, ob schlechtes Material verwendet
wurde und ob es einen oder mehrere Schuldige an dieser Katastrophe
gibt, das festzustellen, kann das Parlament ruhig den hiezu berufenen
Faktoren überlassen. Hier handelt es sich um weit
mehr: das Bauunglück auf dem Poøiè ist nur
der Höhepunkt einer ganzen Serie von Bauunglücken, die
letzten Endes auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen
sein müssen. Diese Ursache festzustellen, Mittel und Wege
zur Behebung aufzuzeigen und die unsichtbaren
an allen Bauunfällen Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen,
nur das kann den Inhalt einer parlamentarischen Debatte bilden.
Die sogenannte Baubewegung in Prag und in anderen
Städten dieses Staates hat in der letzten Zeit ganz unverhüllt
Eigenschaften und äußere Merkmale angenommen, die auch
dem Laien schwerste Bedenken verursachen müssen. Wir können
gar nicht mehr von einer Baubewegung, sondern nur von einer Bauhetze,
einem Baufieber, begleitet von einer niederträchtigen Spekulationswut
sprechen. Die Bodenspekulation hat sich zum rücksichtslosen
Wucher ausgebildet und treibt ungehindert im inneren Prag den
Preis für die Quadratklafter bis auf 60.000 Kronen hinauf.
Diesen teueren Boden müssen die Bauherren dadurch ausnützen
und ertragreich machen, daß sie jeden Bau ohne Rücksicht
auf die Bodenbeschaffenheit in unbrauchbare Tiefen und ungewöhnte
Höhen treiben. Beweglicher Schwemmsand und bröckelnder
Schiefer vertragen aber eine solche Bauweise nicht. Weil aber
der unverantwortliche Bodenwucher jeden Bau schon an und für
sich verteuert, so muß natürlich am Baumaterial gespart
werden. Jeder Bauführer müht sich die billigsten und
damit schlechtesten Formen des Materials aufzutreiben und zerbricht
sich in stundenlangen Berechnungen den Kopf, wie er mit diesem
Material noch sparen könne, um nur ja bei jedem Bau ein gutes
Geschäft zu machen. Weil aber auch mit dem Baumaterial ungehindert
Wucher getrieben wird, beginnt der Bauführer mit einem bis
zur Grenze äußerster Gefahr gesteigerten Sparbetrieb
zu arbeiten. Eine ausgiebige Bauaufsicht fehlt, oder wo sie tatsächlich
einsetzen will, wird sie durch Bestechung beseitigt oder mundtot
gemacht.
Zu all dem kommt noch die durch unser Bauförderungsgesetz
förmlich anbefohlene Eile. Um Steuererleichterungen zu erreichen,
müssen ganz bestimmte Fristen zur Vollendung des Baues angewendet
werden. Der Bauherr hetzt den Bauführer durch vertragsmäßig
festgesetztes Pönale zur höchsten Eile, der Bauführer
hetzt die Bauarbeiter durch Akkordlöhne, mit minderwertigen
Material in rasendem Tempo zu arbeiten und das Ergebnis ist, daß
Arbeiter oder Mieter schließlich als Unschuldige die Zeche
mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die Frage nach der Schuld
bei solchen Verhältnissen kann nicht damit beantwortet werden,
daß man die Projektanten und die Bauführer in Untersuchungshaft
sperrt, dem Bauherrn Schadensprozesse aufhalst und über das
städtische Baudepartement schimpfen läßt, wenn
es zu spät ist. Das sind Mätzchen, die bei dem Ernst
der Situation gar nicht in Betracht kommen. Mit eben so viel Recht
könnte der chauvinistische Primator Dr Baxa behaupten, daß
der Prager Schwemmsand und der schlechte Schiefer vom alten Österreich
übernommen wurden und daher die Habsburger Monarchie an dem
einstürzenden Prag die Schuld trage.
Nein, die Hauptschuld an den vergangenen und
den kommenden Bauunglücken in diesem Staate tragen die Regierung
und jene parlamentarische Mehrheit, die dieser Regierung mit unverständlichem
Kadavergehorsam folgt. Die Regierung ist von Hochmut erfüllt,
der in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat. Diese Regierung
ist von ihrer Gottähnlichkeit und Unfehlbarkeit so fest überzeugt,
daß sie sogar das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes noch
übertrumpft. Die Regierungsparteien dürfen der Regierung
mit keinem Wort und mit keiner Forderung entgegentreten, die Einwände
und die Kritik der Opposition werden verächtlich übergangen.
Die Regierung kennt keinen anderen Leitspruch als: "sic volo,
sic jubeo!"
Und dabei ist die Qualität der Arbeit,
welche die Regierung und ihr Beamtenstab leistet, so minderer
Art, daß kein normaldenkender Mensch begreifen wird, woher
die Regierung ihr überspanntes Selbstbewußtsein nimmt.
Maßregeln gegen den Bodenwucher hat die
Regierung überhaupt noch nicht unternommen, dagegen rührt
sie keinen Finger. Eine planmäßige Bauförderung
ist ein Problem, an das die Regierung auch nicht herantritt. Unter
dem Proteste der Opposition wird mit Provisorien und Gesetzesflickereien
gearbeitet, die langsam eine öffentliche Schande unserer
Gesetzgebung geworden sind. Aber selbst die kurzfristigen Gesetzesprovisorien
werden mit einem beispiellosen Leichtsinn vorbereitet und durchberaten.
Die Regierung bemüht sich gar nicht, im Motivenbericht richtig
und sachlich zu argumentieren. In die Ausschüsse kommt kein
Minister, der überläßt es höchstens einem
Beamten des Ministeriums, befehlsgemäß den Standpunkt
der Regierung als unverrückbar bekanntzugeben. Gerade in
der letzten Zeit haben wir ein herrliches Beispiel hiefür
erlebt. In der Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses
vom 3. Oktober d. J. kam der Gesetzentwurf Druck Nr. 1780 betreffend
die Verlängerung der Steuerbegünstigungen für Bauten
zur Verhandlung, die vor dem 1. September 1928 begonnen und bis
Ende 1929 abgeschlossen werden. Von der Opposition wurde beantragt,
die Frist zur Gewährung von Steuerbegünstigungen für
Neubauten bis 1932 zu verlängern. Die Anträge wurden
von den einzelnen Rednern genau begründet und dabei auf die
Gefahr hingewiesen, die das bisherige System für die ganze
Baubewegung gebracht hat. Selbst die Koalitionsparteien haben
die Ansicht ausgesprochen, daß die im Gesetze festgelegten
Fristen eine Verlängerung vertragen. Infolgedessen holte
der Vorsitzende des Ausschusses die Meinung des Finanzministeriums
ein. Sektionschef Dr Fuchs erklärte aber im Namen des Finanzministers,
daß das Finanzministerium auf der im Entwurfe enthaltenen
Frist beharre und ihre Verlängerung nicht zulassen könne.
Was geschah? Die Regierungsabgeordneten, die Koalition, fügten
sich widerspruchslos nach Lakaienart der Regierungsansicht, lehnten
die Anträge der Opposition ab und nahmen das Gesetz in der
von der Regierung vorgeschlagenen Fassung an. Einige Tage später
gab der Regierung und der Regierungsmehrheit das zusammenkrachende
Haus auf dem Poøiè eine fürchterliche Antwort.
(Výkøiky na levici.) Diese
Unglücksstätte weist förmlich mit den Fingern der
Toten auf die Regierung als einzig schuldtragende hin.
Solange die Regierung von ihrem Hochmut nicht
abläßt und nicht eine gedeihliche Zusammenarbeit mit
der Opposition sucht, solange wird die Gesetzesmacherei in diesem
Parlamente unvollkommene Gesetze gebären, die für die
Allgemeinheit die schwersten Schäden zeitigen müssen.
Der Hochmut der Regierung wirkt natürlich ansteckend auf
das ganze Volk und erzeugt zwangsläufig Größenwahn
bei demselben. Prag soll in kürzester Zeit eine moderne Metropole
werden; dabei aber wird auf die Möglichkeiten und Fähigkeiten
keine Rücksicht genommen, man begnügt sich mit oberflächlichem
Pflanz auf Kosten der Sicherheit, übervölkert künstlich
die Stadt und verfällt so in das gerade Gegenteil von Kultur,
in einen jämmerlichen Barbarismus. Dieser Hochmut und Größenwahn
wirkt sich aber auch auf anderen Gebieten aus. Innerpolitisch
wird jede nationale Minderheit als quantité negligeable
betrachtet und ihrer nationalen Rechte beraubt, außenpolitisch
wird gegen die unmittelbaren Nachbarn, von denen wir handelspolitisch
am stärksten abhängig sind, eine größenwahnsinnige
Siegerpolitik betrieben. Der Hochmut und der Größenwahn
der Regierung und des ganzen Staatsvolkes werden schuld daran
sein, daß Prag einmal ein Schutthaufen wird, sie werden
es aber auch dahin bringen, daß der ganze Staat zerfällt,
wenn nicht sehr bald Wandel geschaffen wird.
Schuld an all dem ist aber nur das herrschende
System, das sich zwar nach außenhin als patriotisch und
staatserhaltend auftut, das aber durch seine Unfähigkeit
eine gefährliche Unterminierung aller geordneten Verhältnisse
vornimmt.
Für uns gibt es daher nur eine Aufgabe:
Kampf gegen dieses herrschende System bis zu dessen definitivem
Sturz. Mit dieser Devise werden wir auch in die nächsten
Wahlen gehen. Zusammenfassend erkläre ich im Namen meiner
Partei, daß wir die Erklärung der Regierung nicht zur
Kenntnis nehmen können. Wir fordern die sofortige gesetzliche
Regelung der Bauförderung durch ein definitives langfristiges
Gesetz, gesetzliche Bekämpfung des Bodenwuchers und der Bauspekulation
und verlangen aufbauende Zusammenarbeit zwischen Regierungsmehrheit
und Opposition.
Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen
lassen, noch einen Umstand zu erwähnen, der zwar mit dem
Bauunglück nicht zusammenhängt, aber unter den Begriff
der Baubewegung und des Wohnungsproblems fällt. Ich habe
schon erwähnt, daß die Regierung bei Vorbereitung von
Gesetzen meist leichtsinnig und oberflächlich arbeitet und
in ihrer Argumentation direkt manchmal mit Existenzen spielt.
Hiefür will ich nun eine Tatsache anführen, welche für
weite Kreise der Staatsangestellten und Festbesoldeten Gegenstand
großer Befürchtung ist. Im Jahre 1926 hat die Regierung
einen Gesetzesantrag vorgelegt, der das Problem der Bauförderung
und des Mieterschutzes im Zusammenhang und in großzügiger
Weise lösen sollte. Dieser Gesetzesantrag wurde zwar fallen
gelassen und niemals parlamentarisch behandelt, er wird aber sicher
in einer etwas geänderten Form sehr bald wieder im Parlamente
auftauchen. Im Motivenbericht dieses Gesetzentwurfes steht ein
Satz, der wahrscheinlich über Anregung des Finanzministeriums
aufgenommen wurde. Es wird nämlich dort behauptet, daß
der systematische Abbau des Mieterschutzes bei den Staatsangestellten
und Festbesoldeten keine Gehalts- und Lohnkämpfe zur Folge
haben werde, weil ja die Mehrzahl derselben bereits in Neubauten
wohnt und trotz des hohen Mietzinses wirtschaftlich nicht untergegangen
sei. Diese Argumentation der Regierung war entschieden verblüffend
und für die Staatsangestellten besorgniserregend. Ich bin
nun auf Grund einer von den Staasangestelltenorganisationen angestellten
Untersuchung in der Lage nachzuweisen, daß diese Argumentation
der Regierung falsch ist, weil sich die Regierung gar nicht die
Mühe genommen hat, trotz der ihr zur Verfügung stehenden
Mittel die tatsächlichen Verhältnisse zu untersuchen.
Zum Beweise meiner Behauptung erlaube ich mir, einige einwandfrei
festgestellte Ziffern anzuführen: Von 49 deutschen Postkonzeptsbeamten
wohnen 4, das sind 8.16% in eigenen Häusern, 28, d. s. 57.12%
sind Mieter von Wohnungen in alten Häusern, 10, d. s. 20.4%
wohnen in neuen Häusern, 6, d. s. 12.24% in Untermiete
und einer, das ist 2.04%, ist wohnungslos. Der von den Mietern
in alten Häusern gezahlte niedrigste Jahresmietzins beträgt
1046 Kè, der höchste 5000 Kè. Im Durchschnitt
zahlen die Postkonzeptsbeamten für Wohnungen in alten
Häusern 2672 Kè, in neuen Häusern mindestens
1536 Kè und höchstens 4000 Kè, im Durchschnitt
2926 Kè. Allerdings bewohnen sie ausschließlich neue
Häuser, welche von Baugenossenschaften mit staatlicher Unterstützung
errichtet wurden. Die Untermieter zahlen als
niedrigsten Mietzins 1800 Kè, als höchsten 5400 Kè,
im Durchschnitt 3080 Kè.
Von 376 deutschen Steuerbeamten wohnen 73,
gleich 19.41%, in eigenen Häusern, 221, gleich 58.78%, in
alten Häusern, 54, gleich 14.36%, in neuen Häusern,
19, gleich 5.06%, in Untermiete und 9, gleich 2.39%, bei
Verwandten. Der von diesen Steuerbeamten gezahlte Durchschnittszins
in alten Häusern beträgt 1416 Kè, in neuen Häusern
3006 Kè.
Von 835 Mittelschulprofessoren besitzen 8.5%
eigene Häuser, 14.6% wohnen in Untermiete, 76.9% sind
Mieter ganzer Wohnungen. Davon wohnen 69.8% in alten, 30.2% in
neuen Häusern. Der größte Teil der alten Mieter
zahlt jährlich 1000 bis 2500 Kè, der größte
Teil der neuen Mieter jährlich 2000 bis 5000 Kè Zins.
Mir liegen noch Daten über die Wohnungsverhältnisse
der deutschen Beamten und Professoren in Brünn, der deutschen
Finanzbeamten und andere Tabellen vor. Die angeführten Zahlen
beweisen aber zur Genüge, daß der überwiegende
Teil der Staatsangestellten Wohnungen in alten Häusern inne
hat und infolge dessen noch einen verhältnismäßig
nicht zu hohen Mietzins zahlen muß.
Bei den jetzigen Gehaltsverhältnissen
wäre eine weitere Verteuerung der Wohnungspreise für
die Staatsangestellten untragbar. Da sie aber doch eintreten muß,
so werden die Staatsangestellten gezwungen sein, eine entsprechende
Erhöhung ihrer Bezüge zu fordern, um einer weiteren
Verelendung ihres Standes vorzubeugen. Die Regierung hat es in
der Hand, durch eine vernünftige Gesetzgebung diesen Gehaltskampf
der Staatsangestellten zu verhindern. Die Regierung darf aber
nicht durch falsche und erfundene Argumente die Gesetzgebung ungünstig
beeinflussen, sondern muß die tatsächlichen Verhältnisse
untersuchen und danach ihre Gesetzesmacherei entrichten. Im Namen
der Staatsangestellten fordere ich daher, daß zu der vom
Herrn Minister Dr Šrámek vorbereiteten Ineressentenenquete
über die definitive Lösung des Wohnungsproblems auch
die Vertreter der Spitzenorganisationen der Staatsangestellten
zugezogen werden. (Potlesk poslancù nìm.
strany národní.)
Hohes Haus! Es genügt wohl nicht bei der
Erörterung der großen Unglücksfalle, die sich
in der letzten Zeit ereignet haben, die Ursachen derselben allein
festzustellen, vielleicht die Schuldigen zu ermitteln, sondern
wir müssen uns darüber klar werden, daß diese
Erscheinungen, die früher schon vereinzelt, in der letzten
Zeit jedoch in ganz krasser Form hervorgetreten sind, wohl eine
allgemeine Bedeutung haben. Schon allzulange zieht sich die Serie
der einstürzenden Neubauten und aller größeren
Unglücksfälle hin. Die Zahl der Toten und Verletzten
wächst und die damit verbundene wirtschaftliche Katastrophe
für die Einzelnen weist natürlich auch eine durchwegs
aufsteigende Kurve auf. Hier sehen wir ganz deutlich, daß
es sich um keinen Zufall handeln kann, sondern daß wir es
hier mit einem gewissen System zu tun haben. Für alle diese
blutigen Skandale des Bauwesens hierzulande können wir nicht,
wie dies so oft geschieht und wie man dies aus den Kritiken heraushört,
vielleicht einzelne Firmen verantwortlich machen, sondern wir
müssen feststellen, daß das ganze System krankt. Wir
müssen feststellen, daß es keine gesunde Baubewegung
mehr gibt, sondern es ist eine förmliche Bauwut, ein Spekulationssystem,
eine Spekulationshetze eingetreten und wir müssen uns nach
der Ursache dieses Systems fragen.
Wenn wir heute die Vergebungen der öffentlichen
Arbeiten ins Auge fassen, sehen wir, daß das Ministerium
für öffentliche Arbeiten bereits im Jahre 1922 eine
vom Sektionschef Ing. Hermann ausgearbeitete Ministerialverordnung
über Betonbauten herausgegeben hat. Die Fachleute im Baugewerbe
wissen ganz genau, daß Herr Ing. Hermann ein hervorragender
Fachmann ist. Diese Verordnung für die staatlichen Betonbauten
geht dahin, daß bei jedem Staatsbau besondere Tafeln angebracht
werden müssen, aus denen das Verhältnis der Betonmischung
der öffentlichen Kontrolle ersichtlich sein muß. Wir
sehen also deutlich, daß das Ministerium für öffentliche
Arbeiten bereits im Jahre 1922 ganz genau wußte, was für
eine große Bedeutung die Überwachung der Betonmischungen
bei Betonbauten hat. Und was ist seit jener Zeit geschehen für
jene Bauten, die in öffentlichem Wettbewerb ausgeschrieben
werden? Wir hören das alte Schlagwort: "Billig, billig,
billig". Das ganze Preisdrückungssystem ist die Ursache,
und es wäre vor allem Pflicht der Regierung gewesen, nicht
nur bei der Ausführung von Bauten, die die Regierung durchführt,
derartige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, sondern vor allem
auch bei Bauten privater Natur, die im öffentlichen Wettbewerb
vergeben werden. Wir sehen also, daß hier eine Mitschuld
der Regierung nicht geleugnet werden kann und alle Versicherungen
des Herrn Arbeitsministers in seiner heutigen Erklärung sind
durchaus nicht so ohneweiters richtig. Ich habe hier eine Abschrift
der Erklärungen, die der Herr Arbeitsminister am 10. Oktober
im Senat abgegeben hat. Da sagt der Herr Arbeitsminister, daß
die Staatsverwaltung vor allem keinen direkten Einfluß darauf
hat. Wir sehen aber ganz deutlich, daß sie doch Einfluß
hat. Wenn man Bauten aufführt, die der Staat unternimmt,
und dort eine Verordnung herausgibt, in welchem Verhältnis
die Betonmischungen vorgenommen werden müssen und einen Anschlag
am Bau anordnet, um eine öffentliche Kontrolle der Betonmischung
zu haben, warum geschieht das bei Privatbauten nicht? (Sehr
richtig!) Wir müsen also eine solche Erklärung des
Herrn Arbeitsministers grundsätzlich ablehnen.
Der Herr Arbeitsminister drückt die Hoffnung
aus, daß unter werktätiger Mitwirkung der gesetzgebenden
Körperschaften und der Fachleute solche Katastrophen in Hinkunft
vermieden werden. Die Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei
hat bereits im Jahre 1925 unter Druck Nr. 94 einen Antrag auf
Errichtung eines Beirates für das Baugewerbe zur Bekämpfung
der Wohnungsnot und zur Förderung der Bau- und Denkmalskunst
eingebracht. Wir wußten damals schon auf Grund der Entwicklung
der Dinge, daß einmal der Zeitpunkt kommen wird, wo sich
eine große Not an Baumaterialien herauskristallisieren wird.
Dies voraussehend unterbreiteten wir dem Hause diesen Antrag und
begründeten ihn damit, daß die damaligen wirtschaftlichen
Verhältnisse es gebieten und daß etwas unternommen
werden müsse, das Baugewerbe zu heben und die Wohnungsnot
zu beseitigen. Zu diesem Zweck ist die Schaffung eines Beirates
für das Baugewerbe zur Bekämpfung der Wohnungsnot und
zur Förderung der Bau- und Denkmalkunst erforderlich, da
die Erhaltung eines der Zeit entsprechenden Baustils eine ästhetische
Forderung ist. Die Förderung des Baugewerbes schafft Arbeitsmöglichkeit
für ungezählte Arbeitskräfte. Wir brachten diese
Anträge ein in der festen Überzeugung, daß vor
allem anderen bei der heutigen Entwicklung der Kartelle, der Trusts,
der Konditions- und Lieferungskartelle für die Bauhandwerker
und die Bauunternehmerfirmen etwas geschaffen werden muß.
Wir glaubten so ähnlich, wie es der Herr Arbeitsminister
heute meinte, schon im Jahre 1925, daß durch die Errichtung
eines Beirates zur Förderung des Baugewerbes Fachmänner
hinzugezogen werden müssen. Die Theoretiker, die vielleicht
bei einem ganzen Wust von Akten sitzen, können bei weitem
nicht jene praktischen Erfahrungen haben, wie der Fachmann, der
täglich in diese Dinge Einblick zu gewinnen Gelegenheit hat.
Wir wußten damals schon, daß eine Regelung notwendig
ist, und der Ruf, der aus den Bauhandwerkergenossenschaften kam,
aus den vielen Beratungen in den Handels- und Gewerbekammern,
bei der großen internationalen Manifestationsversammlung
auf der Schützeninsel in Prag, brachte klar und deutlich
zum Ausdruck, wie notwendig eine derartige gesetzliche Regelung
des Baugewerbes wäre, um den Bodenwucher und die Bauspekulation
zu verhindern, eine vernünftige Regelung, die im Hinblick
auf die Zukunft dem Maßstab der Verhältnisse angemessen
wäre. Die Anträge wurden damals von der Opposition,
wie ich bereits gesagt habe, in der tiefen Überzeugung eingebracht,
daß sie nicht eine blinde Opposition bedeuten, sondern eine
Forderung, die wirklich im Interesse einer Baugewerbeförderung
notwendig ist. Herr Koll. Horpynka hat schon zum Ausdruck
gebracht, daß diese Anträge einfach beiseite geschoben
wurden, verschwunden sind, von Session zu Session ganz einfach
in den Papierkorb kamen. Wir wissen aber auch, daß vor allem
anderen es notwendig ist, Richtlinien herauszugeben, aus denen
hervorgeht, daß das System "Billig, billig, billig"
durchaus nicht das Richtige ist. Wir deutschen Nationalsozialisten
haben in dieser Beziehung unsere grundlegenden Anschauungen jedesmal
zum Ausdruck gebracht und sind auf dem Standpunkt gestanden, daß,
wenn - angenommen - 20 Offerenten bei Vergebung eines Baues sich
bewerben, alle Offertsummen zusammenzuzählen und durch die
Zahl der Offerierenden zu dividieren sind, um die mittlere Linie
herauszukristallisieren. Wer Preise schindet und drückt,
drückt natürlich die Qualität der Arbeit, die Qualität
des Materials, zweifellos auch die Löhne und überhaupt
die Solidität der Ausführung. Sie wissen, daß
dieses System zu den Akkordlöhnen trieb, die Baumeister zu
gewaltigen Pönalen verpflichtet, was sie bei der Hetzarbeit
sozusagen im letzten Augenblick zwingt, feuchte Hölzer, miserable
Latten, zerbröckelte Ziegel, minderwertigen Beton anzuwenden.
Es ist also eine Revision des Bausystems nach dieser Richtung
hin notwendig und wir wissen ganz genau, daß diese Forderung
den wirtschaftlichen Ansprüchen Rechnung trägt. (Posl.
Krebs: Bei den Staatsbauten sind die deutschen Unternehmer ausgeschaltet
worden bei diesem System "billig"!) Sehr richtig!
Auf allen Manifestationstagungen der
gesamten Bauhandwerkerschaft ohne Unterschied der Parteirichtung
- ja selbst èechische Interessenten aus der Slovakei waren
anwesend - wurden diese grundlegenden Forderungen des Baugewerbestandes
vorgebracht. Es waren Vertreter des Arbeits- und Handelsministeriums
zugegen. Sie nahmen die vorgebrachten Wünsche entgegen; seit
damals sind Monate und Jahre ins Land gezogen und nichts ist geschehen.
Herr Koll. Horpynka hat bereits davon gesprochen., daß
der sogenannten Bodenspekulation ein Ende gemacht werden sollte.
Da handelt es sich um eine zweifellos traurige Sache. Ein altes
Bauernweib wird ohne weiters vor den Kadi geschleppt, wenn es
zwei Kilo Quark in die Stadt bringt und teuerer verkauft. Aber
gegen den Grund- und Gebäudewucher, gegen diese Spekulationen,
die soviel Unglück anrichten, hat man bis jetzt grundsätzlich
noch nichts unternommen. In den Gemeinden und in den Städten
hat man ja versucht, wo es möglich war, der Grund- und Bodenspekulation
entgegenzuarbeiten und zwar dadurch, daß die Städte
in solidarisch em Vorgehen mit jenen Parteien, die gegen dieses
System sind, Grund und Boden in größerem Maße
erwarben. Nun kam die sogenannte Verwaltungsreform, die dazu führen
wird, daß die Städte künftig kein Geld zum Ankauf
von Grund zur Verfügung haben und infolgedessen auch nicht
in der Lage sein werden, ihn zu billigeren Preisen für Bauzwecke
abzugeben. Durch die Verwaltungsreform wird daher weder die Bodenspekulation
gefördert werden. Auf Grund der Verwaltungsreform wäre
es eben notwendig, ein Gesetz zu schaffen, zumindestens aber eine
scharfe Verordnung herauszugeben, um der Spekulation mit Grund
und Boden ein Ende zu machen. Es müssen natürlich auch
die Grundlagen einer gewissen Verläßlichkeit, Solidität
und Sicherheit vorhanden sein. Wir deutschen Nationalsozialisten
waren vielleicht nie nur Kritiker, nur Theoretiker, sondern haben
immer praktische Vorschläge gemacht, haben den Puls des praktischen
Lebens abgehorcht und wußten, was in der Praxis notwendig
war. Wir haben bereits im Jahre 1925 eine ganze Anzahl wichtiger
Anträge eingebracht, die die Sicherheit und Solidität
garantieren sollten. Wenn heute ein solches Hasten, ein solches
Jagen, ein so kurzfristiges Bauen von fünf- oder sechsstöckigen
Häusern mit zwei Stöcken in die Tiefe herrscht, dann
ist das Mammonismus, ein System der Zinsknechtschaft; und alle
diese Dinge spielen eine ganz gewaltige Rolle. Aber damit kommt
nicht nur der Bauunternehmer, sondern auch der Bauhandwerker in
tiefe Knechtschaft. Ich bedauere nur, daß die Bänke
der gewaltigen Standesorganisation des Bundes der Landwirte heute
wieder leer sind. Ich bedauere es deshalb, weil wir das Gewissen
der Herren wachrufen wollten. Einmal waren die Bauern sehr unglücklich,
mußten roboten und frohnen. Da kam Kudlich und brachte den
Bauern die Freiheit. Und was ist heute mit dem Bauhandwerk? Seit
Jahr und Tag verlangen die Bauhandwerker freie Menschen zu sein,
sie wollen außerd em, so wie es in Deutschland und Amerika
der Fall ist, ein Gesetz zur Sieherung der gewerblichen Bauforderungen.
Es ist das eine ganz einfaehe Sache, die die Regierung und den
Staat nichts kosten würde; nur ein bißchen Fleiß
und Gewissenhaftigkeit seitens der verantwortlichen Faktoren der
Regierung wäre notwendig. Wir haben gegen die sogenannten
Bauspekulanten bestimmte Forderungen aufgestellt und im Interesse
der gesamten Bauhandwerker wiederholt eine ganze Menge Versuche
gemacht. Wir waren beim Handelsminister, beim Justizminister.
Wir haben auch dem früheren Minister für öffentliche
Arbeiten zu wiederholten Malen unsere Entwürfe vorgelegt.
Es waren durchaus keine gesetzlichen Neuheiten, sondern Einrichtungen,
die sich anderswo schon Jahrzehnte bewährt haben, so in Deutschland
und Amerika. Meine Geschätzten! Ich will nicht weiter darauf
hinweisen, welch hohe Bedeutung die gesetzliche Sicherung der
Bauforderungen an und für sich hat, aber ich möchte
nur mit einigen Sätzen feststellen, daß die Sicherstellung
der baurechtlichen Forderungen eine allgemeine Sicherheitsmaßregel
wäre, wobei vor allem die Verwendung des in Anwendung gebrachten
Baumaterials, das Verhältnis des Preises zum Material und
die ganze Art der Bauweise aufs sorgfältigste überprüft
werden müßte. Die Qualität der Ausführung,
die Solidität der Durchführung des Baues ließe
sieh durch ein solches Gesetz am besten erproben. Durch das Baubuch
bekäme man in dieser Richtung eine leichte Übersieht.