Hohes Haus! Nach alldem, was in den letzten
Tagen vor sich gegangen ist (Výkøiky nìm.
soc. demokratických poslancù.), dürfte
man erwarten, daß das erste Wort nach Zusammentritt des
Parlamentes der Herr stellvertretende Ministerpräsident,
der Leiter der Regierung, sprechen und der mit Recht aufgeregten
und besorgten Bevölkerung eine Erklärung über das
ungeheuerliche Attentat abgeben werde, das vor wenigen Tagen auf
ihre Taschen verübt wurde. Statt dessen ist die Regierungsbank
leer, die Regierung schweigt, und das kann man schwerlich anders
deuten, als daß sie indirekt mit den Maßnahmen, die
in den letzten Tagen erfolgt sind, ihr Einverständnis erklärt.
(Výkøiky.) Wäre
dem nicht so, so hätte, wie gesagt, der stellvertretende
Herr Ministerpräsident die Pflicht gehabt, dem Hause eine
Mitteilung zu machen.
Was wir in den letzten Tagen erlebt haben,
ist die Fortsetzung einer Politik, die im Jahre 1927 begonnen
hat, einer Wirtschaftspolitik, die nicht darauf aufgebaut ist,
das wirtschaftliche Leben im allgemeinen zu bessern, sondern die
ihren Grundpfeiler darin hat, den Profit, das arbeitslose Einkommen,
einer bestimmten Schichte von Menschen fortgesetzt und ununterbrochen
auf Kosten der Lebenshaltung und der Taschen der breiten Massen
des Volkes zu vermehren. Nach den gleitenden Zöllen, die
unsere Landwirte und ihre Vertreter mit der Begründung gefordert
haben, daß sie die Weltmarktpreise haben müssen, haben
sie die festen Zölle bekommen und wir haben ein Plus über
den Weltmarktpreis zollgeschützter Gegenstände erhalten.
Wie groß die Belastung ist, die durch
dieses Zollgesetz auf der Allgemeinheit lastet, will ich nur mit
zwei Zahlen beweisen. Der Wert der Ernte an Weizen, Roggen,
Gerste, Hafer und Kartoffeln im Jahre 1925, also vor den Zöllen,
betrug cca 10 Milliarden Kè. Der Wert ist berechnet nach
den Mitteilungen des statistischen Staatsamtes und nach den offiziellen
Notierungen an der Prager Börse.
Der Wert der Ernte im Jahre 1926, also nach den Zöllen, betrug
12 Milliarden Kè, aber die Ernte in diesem Jahre war um
28 Millionen q gesunken. (Hört! Hört!)
Was wir also seinerzeit bei Einführung
der Zölle ganz klar vorausgesagt haben, ist mit voller Schärfe
eingetreten. Die bedeutend schlechtere Ernte des Jahres 1926 brachte
den Landwirten, natürlich nur jenen, die solche Produkte
zu verkaufen haben, ein um 1700 Millionen größeres
Einkommen. Wenn wir nun annehmen, daß von diesen 1.7 Milliarden
zumindest eine Milliarde von den Verbrauchern in Form höherer
Preise für Nahrungsmittel bezahlt werden mußte, entsteht
die Frage, wer das Defizit, wer diese Kosten beglichen hat. Lohnerhöhungen
fanden nur in ganz geringem Ausmaß und weitaus nicht bei
allen Berufsgruppen statt. Daher sind die durch die Zölle
verursachten Mehrausgaben eine Belastung u. zw. eine nichtausgeglichene
Belastung der Arbeiter und Angestellten. Wie kamen wir dazu? Nun,
es ist sehr dankbar, heute daran zu erinnern: Im Jahre 1923 wurde
ein neuer volkswirtschaftlicher Grundsatz in diesem Staate aufgestellt,
indem man sagte: Wir haben einen siebenfachen Weizenpreis, es
muß daher alles auf das siebenfache gebracht werden. Dem
siebenfachen Weizenpreis, muß der siebenfache Eisenpreis,
muß der siebenfache Kohlenpreis, müssen siebenfache
Löhne, kurzum muß das Siebenfache auf allen Gebieten
folgen. Die Regierung hatte sich an dieser Idee so begeistert
und so berauscht, daß sie in diesem Jahr ihren ganzen Einfluß
einsetzte, um diesen siebenfachen Schlüssel zu erzielen.
Wo hat sie ihn aber erzielt? Nicht vollständig, aber doch
beinahe ist es ihr gelungen den siebenfachen Schlüssel bei
den Löhnen und Gehältern zur Durchsetzung zu bringen.
Wir haben siebenfache Löhne und siebenfache Gehälter
- das einzige, was vom Siebenfachen übriggeblieben
ist - aber wir haben seither zehn- und elffache Weizenpreise bekommen.
Der Reallohn ist infolgedessen in der Èechoslovakischen
Republik sehr niedrig, ist einer der niedrigsten in den Export-
und Industriestaaten Europas. Das internationale
Arbeitsamt in Genf, das die Höhe der Reallöhne geprüft
hat, ist zu der Feststellung gekommen, daß die Èechoslovakische
Republik unter 20 Staaten in Bezug auf die Höhe der Reallöhne
an vierzehnter Stelle steht. Während der
Reallohn in London 100 beträgt, beträgt er in Prag 49.
Also nicht einmal die Hälfte des Lebensstandards eines englischen
Arbeiters erreicht ein qualifizierter Arbeiter in der Hauptstadt
Prag. Seitdem diese Feststellungen gemacht wurden, ist der Reallohn
durch die Auswirkungen der Zölle - nicht allein hiedurch,
aber sicherlich mit infolge der Zölle - weiter gesunken.
Und wenn wir uns fragen: "Was hat gegen alle diese Wirtschaftspolitik
die Regierung getan?", so kann man nicht bloß sagen,
daß sie völlig passiv geblieben ist, sondern man muß
weit mehr sagen: daß sie alles getan hat, um dieses wirtschaftliche
Unrecht zu Lasten der Schwachen zu vermehren. Ich erinnere an
den systematisch durchgeführten Abbau der direkten Steuern
als Geschenk an die Besitzenden, an die Erhöhung aller Verbrauchssteuern
und aller indirekten Steuern überhaupt. Daß bei diesen
Methoden der Inlandskonsum ständig sinken muß, ist
eine glatte Selbstverständlichkeit. Wo es eben zum Notwendigsten
nicht mehr ausreicht, dort wird gedrosselt und eingeschränkt
und das betrifft den Haushalt der breiten Massen der Bevölkerung.
(Výkøiky.) Unsere
Industrie sagt nun: "Was wir nicht im Inland absetzen können,
muß ins Ausland." Logisch. Seit je sind wir mit einem
grossen Teil unserer Produktion, auch in der Zukunft, auf den
Export angewiesen, aber so wie das heute ist, ist das Exportgeschäft
auf keine volkswirtschaftliche Grundlage gestellt, sondern auf
eine sehr traurige Grundlage. Wenn wir die Frage untersuchen,
warum wir exportieren, so lautet die Antwort: wir können
nur noch exportieren dank der niedrigen Lebenshaltung der in den
Industrien Beschäftigten, dank der geringeren Löhne.
Daher spricht man im Ausland schon allenthalben von einem èechoslovakischen
Lohndumping und nicht ganz mit Unrecht, denn wenn
Sie die Zahlen und die Reallöhne vergleichen, kommen Sie
selbst zu dieser Einsicht. Und wenn man von einem èechoslovakischen
Lohndumping spricht, so ist es ganz klar, daß sich die Welt
danach einrichten wird.
Und in einem gewissen Zusammenhang damit steht
auch die Zuckerkrise, deren Ursache eine zweifache englische Krise
ist: Einmal eine englische Krise deshalb, weil die Engländer
sie verursacht haben, indem sie den Rohzuckerzoll herabsetzten,
und zum zweiten Male ist diese Krise eine èechoslovakisch-
"engliše" Krise geworden, denn die Demission des
Finanzministers Engliš steht damit in einem innigen
Zusammenhang. (Sehr gut!)
Die Zuckerindustriellen verlangten die Unterstützung
des Staates, sie verlangten staatliche Maßnahmen und staatliche
Mittel, um dem Anschlage Englands zu begegnen. Finanzminister
Engliš hat sich dagegen gestellt, wir können
ihn dieserhalb nicht kritisieren. Zweifellos ist richtig, daß
die Zuckerindustrie staatlicher Hilfe gegen die englischen Maßnahmen
in erster Linie nicht bedarf, und in zweiter Linie muß
die Frage gestellt werden, ob es der èechoslovakische Staat
und die èechoslovakische Wirtschaft auf einen Wirtschaftskrieg
mit England ankommen lassen will oder nicht. Es taucht die Frage
auf: Wenn England aus inneren wirtschaftlichen
Gründen einen Zollsatz ändert, welche Mittel hat der
èechoslovakische Staat, diesen Bestrebungen der englischen
Zuckerindustrie zu begegnen? Ich fürchte sehr und wahrscheinlich
müssen auch alle einsichtigen Volkswirtschaftler mit mir
zur Ansicht kommen, daß die Mittel
des èechoslovakischen Staates zu einem Wirtschaftskrieg
mit England noch lange, lange nicht ausreichen, und deshalb muß
ein anderer Ausweg aus der Krise gesucht werden. Der èechoslovakische
Staat ist einer der zuckerreichsten Staaten der
Welt und was allen andern Ländern wahrscheinlich zu
einem gewissen Wohlstand und einem gewissen Segen gereichen würde,
die Bevölkerung des èechoslovakischen Staates hat
von dem Zuckerreichtum nichts. Schon im alten Österreich
erklärte man immer, daß in England
der österreichische Zucker so billig sei, daß die englischen
Viehzüchter die Schweine damit füttern können und
in Österreich war er so teuer, daß die Kinder der armen
Leute keinen Zucker bekommen konnten, so notwendig sie ihn als
Nahrungsmittel brauchten. Wir stehen heute wieder auf dem
selben Standpunkt, auf dem wir gestanden sind. In England kostet
der èechoslovakische Zucker 4.30
Kè pro kg, in Österreich 4.75
Kè, in der Schweiz kostet er 3.60
Kè pro kg. Im zuckerreichsten Land Europas, in der Èechoslovakischen
Republik, kostet er von jetzt an 7 Kè. Ich glaube, ein
größeres Unrecht und eine drastischere Illustration
unserer verkehrten Wirtschaftspolitik ist schwer möglich.
Die logische Folge davon ist, daß der Zuckerkonsum im zuckerreichsten
Lande Europas ein verhältnismäßig
niedriger ist, er beträgt 26 kg pro Kopf und Jahr, in England
38 kg, in Dänemark sogar 44 kg. Ich glaube, es ist die Frage
anders zu stellen, als sie die Zuckerindustriellen bezüglich
der Sanierung der Krise in der Zuckerindustrie gestellt haben.
Das einfachste wäre doch, Mittel und Wege zu suchen, um den
Inlandskonsum an Zucker zu erhöhen. Er ist erhöhungsfähig.
Und wenn wir nur um 3 bis 4 kg pro Kopf und Jahr den Konsum steigern
können, so ist ein sehr wesentlicher Teil dessen ausgeglichen,
was wir wahrscheinlich nach England niemals mehr ausführen
können, weil wir eben den Wirtschaftskrieg mit England -
ich will kein Prophet sein durch keinerlei Maßnahmen gewinnen
werden. Im vorigen Jahr tagte in Genf die Weltwirtschaftskonferenz.
Auf dieser Konferenz waren sich die Vertreter aller Staaten und
zwar in beiden Kommissionen, in der industriellen und in der Landwirtschaftskommission
über eines einig und es herrschte diesbezüglich volles
Einvernehmen, daß nämlich die europäische Wirtschaft
vor allem nur dadurch saniert und gehoben werden kann, wenn der
Lebensstandard gehoben wird, dadurch, daß das Einkommen
vermehrt und die Kaufkraft der Bevölkerung und natürlich
insbesondere der untersten Schichten wesentlich erhöht wird.
Die Staaten haben nach dieser Wirtschaftskonferenz alle
ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Genfer Wirtschaftskonferenz
gegeben, auch die Èechoslovakische Republik, aber so wie
es mit so vielen internationalen Konferenzen war, war es auch
mit dieser. In Genf wurden schöne
lobenswerte Grundsätze beschlossen und verhältnismäßig
entsprechende Beschlüsse gefaßt. Alle sind dann nach
Hause gegangen und machen das Gegenteil von dem, was auf der Genfer
Tagung beschlossen wurde, und die Èechoslovakische Republik,
wie ich schon vorher gesagt habe, folgt getreu
den Spuren der anderen, wenn sie ihnen nicht noch vorangeht. Wir
können also sagen, daß diese ganze Staatshilfe gar
nicht notwendig gewesen wäre. Ich sage das deshalb, weil
in den heutigen Zeitungen Dr Heidler, der Generalsekretär
des Zuckerkartells, einen Bericht gibt, in dem er darzulegen versucht,
daß die Zuckerpreiserhöhung unabwendbar war, daß
sie nicht mehr vertagt werden konnte, u. s. w., und daß
das wegen der Geldknappheit geschehen mußte. Den Darlegungen
Dr Heidlers stehen die tatsächlichen Verhältnisse der
Zuckerindustrie in den modernen Fabriken entgegen, daß die
Zuckerpreise übermäßige Gewinne abwerfen; und
wenn man das den Industriellen sagt, so erwidern sie: "Ja,
die Preise müssen hoch sein, damit auch die schlecht eingerichteten
Zuckerfabriken bestehen können." Also nur mit Rücksicht
auf die technisch nicht auf der Höhe befindlichen Fabriken
muß der Zuckerpreis so hoch sein. Übrigens, wem werden
die Herren schon imponieren mit ihrem Gejammer, daß sie
dem Staat 5 Milliarden gegeben haben - so behauptete nämlich
Dr Heidler - daß die Zukkerindustriellen kein Geld haben,
daß sie vollständig verarmt sind? Wenn man nämlich
die Tätigkeitsberichte der Zuckerfabriksgesellschaften nicht
nur, sondern auch diejenigen der Banken und ihrer Zuckerabteilungen
liest, so kommt man zu einem ganz andern Schluße. So berichten
z. B. heuer die Živnobank, die Unionbank und die Anglobank
in ihrem Tätigkeitsberichte, daß das Zuckergeschäft
im abgelaufenen Jahre befriedigend war, und ich glaube,
daß wir hier den Banken mehr glauben dürfen, als dem
Herrn Dr Heidler.
Ich habe schon vorher gesagt, daß es
mit Herrn Dr Engliš so ein eigenes Verhängnis
ist. Wenn der Minister Engliš siegt, dann kostet das
immer etwas, und meistens kostet es Geld aus den Taschen der ärmsten
Bevölkerung in diesem Staate. (Souhlas na levici.) So
war es bei der Verwaltungsreform, bei dem Gemeindefinanzengesetz
und so war es bei der Steuerreform, und wen wird es wundern, daß
es genau so in der Frage der Zuckerwirtschaft stimmen wird. Minister
Engliš siegt und die breiten Massen des Volkes müssen
zahlen. Aber die Frage, die uns heute beschäftigt, hat noch
eine andere, und zwar eine wesentlich politische Bedeutung. Noch
vor wenigen Tagen, am 31. August, hat der Achterausschuß
getagt, die oberste Regierung in diesem demokratisch regierten
Staate. Sie ist zwar niemandem verantwortlich, aber es wird doch
der mithörenden Bevölkerung mitgeteilt, daß am
31. August die "Osmièka" im Beisein des Finanzministers
Engliš und
des Innenministers Èerný getagt
und sich mit der Frage der von der Zuckerindustrie projektierten
Zukkerpreiserhöhung beschäftigt hat. Das Resultat der
Beratungen war, heißt es hier, daß den Zuckerindustriellen
ein Zugeständnis bezüglich der Refaktie der Handelssteuern
im Ausmaße von 40 bis 45 Mill. gemacht werden wird. Das
Gesetz soll noch in der Herbstsession beschlossen werden. Offiziell
teilt der Achterausschuß mit - und es wurde auch von den
Zeitungen angekündigt - daß gegen die Verteuerung des
Zuckers durch die Zukkerkartellisten die Regierung und die koallierten
Parteien die erforderlichen Vorkehrungen treffen werden. Diese
nichtoffizielle Mitteilung ist, soweit die Regierung in Frage
kommt, nicht dementiert worden. Also, die Regierung versichert
uns am 31. August, daß sie Mittel und Wege finden werde,
um eine Verteuerung zu verhindern. Nun, die Lösung der Frage
hat nicht lange auf sich warten lassen. Schon am 3. September
teilte das Zuckerkartell mit, daß es den Preis für
den Zucker um 60 Heller erhöhen werde, und am 3. oder 4.
September erhöht es ihn tatsächlich um 60 Heller. Bis
dahin ist nur von einer Verteuerung des Zuckers von 20 bis 30
Hellern pro Kilogramm gesprochen worden. In diese 60 Heller teilen
sich die Rübenbauern mit 32 und die Zuckerindustriellen mit
28 Hellern. Im Detail sind das nicht 60, sondern 70 Heller. Und
nun entsteht folgende Frage: Wenn die Mitteilung der Regierung
vom 31. August den Tatsachen entspricht, wie kann sich ein eigentlich
unter dem Einfluß der Regierung stehender und abhängiger
Wirtschaftsverband, wie es das Zuckerkartell ist, erlauben, drei
Tage, nachdem die Regierung feierlich versprochen hat, eine Verteuerung
des Zuckers nicht zuzulassen, diese exorbitant hohe Verteuerung
praktisch in Kraft treten zu lassen? Da gibt es nur zwei
Möglichkeiten. Entweder, die Osmièka mit den beiden
Herrn Ministern hat sich am 31. August aus der ganzen Bevölkerung
des èechoslovakischen Staates einen guten Tag gemacht,
oder die Zuckerkartellisten haben sich am 3. September aus der
Regierung einen guten Tag gemacht. Eines
von beiden ist nur möglich. Wir wollen nicht ohne weiters
ersteres annehmen und rechnen gegebenenfalls, daß das Zweite
den Tatsachen entspricht, aber die Frage ist doch - wir sind nicht
berufen das Prestige der èechoslovakischen Regierung
hochzuhalten, das ist nicht unsere Aufgabe und ist uns auch nicht
eingefallen - die Frage ist: Wenn hier nicht ein stilles Einverständnis
vorhanden ist zwischen den Kartellisten und der Regierung, wäre
es möglich gewesen, daß sich die Zuckerherren auch
nur trauen konnten, einen solchen Beschluß zu fassen?
Hier etwas Persönliches. Der Herr Ernährungsminister
Èerný glänzt
ja wie alle übrigen Herren Minister durch Abwesenheit. Doch
er wird wohl erfahren, was ich hier sage. Der Herr Ernährungsminister
Èerný hat einen
sehr nahen Verwandten im jetzigen Ministerium, und das ist der
Herr Innen minister Èerný.
Dieser Minister verfügt über eine ungeheuere Macht,
hat riesig viel Gendarmen, riesig viel Polizei, und wir sehen
ja bei jedem Anlaß, wie er diese Polizeimacht gegen die
Arbeiterschaft mobil macht, wir hören stets das Säbelgerassel
dieses Herrn. Da wäre doch die Frage erlaubt: Konnte nicht
Herr Ernährungsminister Èerný seinen
Amtsbruder den Herrn Innenminister Èerný
ersuchen, ihm ein paar seiner Polizisten
zur Verfügung zu stellen, um sie eventuell gegen die widerspenstigen
Zuckerkartellisten zu mobilisieren? Alle diese Fragen tauchen
auf, aber sie können keine Lösung und keine Aufklärung
finden. Die Minister sind stumm, die Ministerbank ist in diesem
hochwichtigen Zeitpunkt und bei Erörterung einer solchen
Frage vollkommen leer. (Výkøiky.) Da
ist es nun die Sache der Abgeordneten, abgesehen vom Staatsanwalt,
der auch schon erwähnt wurde, aufzutreten. Gerade gegen dieses
Zuckerkartell hätte die Regierung tausende Möglichkeiten,
um es zur Raison zu bringen. Aber die Herren werden sich in bekannter
Weise noch als die Wohltäter des Staates aufspielen, dem
sie alles Mögliche schenken. Vor zwei Jahren haben sie eine
Tarifermäßigung bekommen, die Rübenbauern und
die Zuckerindustriellen, u. zw. für Rübenschnitzel und
Zucker, die ein Drittel dessen beträgt, was z. B. die Tarife
für das Massengut Kohle betragen. Ein Geschenk von wenigstens
35 Mill. Kè wird durch diese Tarifherabsetzung den Rübenbauern
jährlich auf diese Weise gemacht und durch
alle möglichen anderen Mittel hätte die Regierung sicher
die Zuckerherren mehr in der Hand als umgekehrt. Aber es handelt
sich ja nicht um die Zuckerherren allein. Denn diese Herren sind
ja nicht mehr die ursprünglichen reinen Bankkapitalisten.
Heute sind es schon weite Kreise der Agrarier, die gleichzeitig
Aktionäre von Zuckerfabriken sind, und der Schlüssel
zur ganzen Frage liegt wohl darin, daß in dem Raub an den
Taschen des Volkes sich zwei Faktoren teilen: Die Rübenbauern
und die Zuckerproduzenten.
Hier wäre noch eine Frage am Platze: Alljährlich
in den Monaten Feber und März werden Verträge über
den Zuckerpreis für die laufende Kampagne abgeschlossen.
Im allgemeinen sagt man, daß Verträge heilig sind und
daß sie gehalten werden müssen. Auch über den
Rübenpreis des Jahres 1928 wurden heuer bindende Vereinbarungen
abgeschlossen. Wieso können also heuer die Rübenbauern
an einer Verteuerung des Zuckers, an einer Erhöhung des Zuckerpreises
partizipieren? Über alle diese Fragen wäre es notwendig
zu reden, wäre es notwendig Aufklärung zu geben. Aber
solange die Regierung noch nicht gesprochen hat, kann man nur
Mutmaßungen hegen.
Wir, meine Herren, unser Klub, unsere Partei,
hat rechtzeitig zu dieser Frage Stellung genommen. Wir haben schon
am 21. Juni d. J. einen Initiativantrag überreicht zur Lösung
oder wenigstens zur Linderung der Zuckerkrise, in dem wir nicht
eine Erhöhung des Zuckerpreises, sondern vielmehr eine Herabsetzung
forderten, Aufhebung der Zölle, Aufhebung der Zuckersteuer
unter der Bedingung, daß der Zuckerpreis herabgesetzt wird.
Wir verlangten damals, daß an Stelle des Kartells ein Zwangsverkaufssyndikat
eingeführt wird, das unter öffentlicher Kontrolle stehen
soll und das die Mitkontrolle des Konsums ermöglichen soll,
wobei die Rationierung und Verteilung bestimmt und beschlossen
wird, indem auch eine gewisse Rationierung der Gestehungskosten
vorgenommen werden kann. Die Übergewinne der gut organisierten
Zuckerfabriken könnten auf diese Weise für eine vorübergehende
Zeit zur Tilgung des Defizits bei den schlechtorganisierten, schlecht
rationalisierten Fabriken beitragen und so die Krise mildern.
Darauf hätte die Regierung längst eine Antwort zu geben
gehabt. Aber sie hat, wie schon gesagt, nicht einmal in diesem
Zeitpunkt eine Antwort gegeben. Freilich wollen wir mit unserem
Antrag etwas, was die Regierung nicht will: statt des freien Wuchers,
der heute Orgien in allen Belangen, in allen Kreisen und in allen
Bedarfsartikeln feiert, wollen wir eine organisierte gebundene
Wirtschaft mit Rücksicht auf die Allgemeinheit.
Hohes Haus! Es gibt in unserem Staate zwei
wichtige Artikel des Handels und der Produktion: der eine ist
ein wichtiges Nahrungsmittel, der Zucker, der andere ein wichtiger
Rohstoff für die Industrie: die Kohle. Beide Probleme sind
reif für eine öffentliche Einflußnahme auf die
Verwaltung und Verteilung dieser dringend notwendigen Bedarfsgegenstände.
Das geschieht in einem Zeitpunkt, wo die Kosten
der Getreidezölle, wie ich schon vorhin erwähnte, noch
nicht ausgeglichen sind. Man spricht von neuen wichtigen Zöllen,
von einer neuerlichen Erhöhung der Zölle auf Lebend
vieh-Einfuhr, obzwar wir doch Zeugen eines Wirtschaftsprozesses
sind, daß trotz sinkender Viehpreise eine Herabsetzung der
Fleischpreise nirgends zu verzeichnen ist. (Výkøiky
na levici.) Aber einen Fortschritt haben
wir erzielt: Der Herr Ernährungsminister hat in den letzten
Tagen wenigstens angeordnet, daß in einigen Bezirken Untersuchungen
angestellt werden, wie weit die Vieh- mit den Fleischpreisen in
Einklang stehen. Solange jedoch diese Herren das Heft in der Hand
haben, wissen wir schon, wie die Untersuchung ausfallen und daß
dabei nicht viel herauskommen wird. Meine Herren, die Faktoren,
die an der Verteuerung der Ware den wichtigsten Anteil haben,
machen den wertvollsten Bestandteil der Regierung aus. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Die Agrarier und die Gewerbetreibenden von
hüben und drüben bilden den wertvollsten Bestandteil
der Regierungsparteien und sie sind es, die an den unorganisierten
Preiserhöhungen, an den wilden Wucherpreisen die Hauptschuld
haben. Eine Verteuerung der Milch ist schon jetzt im Zuge. Die
Verteuerung der Kartoffeln ist bereits eingetreten. Das alles
sollen die armen Menschen weiter ertragen? Meine Herren, nein,
das ist unmöglich. Das ist die Politik des nackten Wuchers,
der unverhüllten Volksausbeutung. Ich habe schon darauf verwiesen,
wie groß der Unterschied ist zwischen der Theorie der Genfer
Wirtschaftsbeschlüsse und der Tätigkeit der Herren hier.
Unter der Marke der Erhöhung der Kaufkraft ist in allen Staaten
ein wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen. Unter der Marke
der Konsolidierung geschieht bei uns das Gegenteil. Die Lebenshaltung
wird ständig herabgesetzt. Die Arbeiter und Angestellten,
tausende Kleinbauern und Gewerbetreibende, können diese Politik
der Ausplünderung nicht mehr länger ertragen. Schwere
soziale Kämpfe um höhere Löhne müssen und
werden die Folge dieser Politik sein.
Wir sind der Anwalt der Unterdrückten
und wir werden deshalb bei diesem Kampfe wie stets unentwegt auf
Seiten der Unterdrückten und Ausgebeuteten stehen. Wir sagen
diesem Regime des Wuchers und der Volksausbeutung unseren allerschärfsten
Kampf an. Es ist bezeichnend, daß gerade dieser Kampf um
das nackte Leben hier in einem Zeitpunkt geführt werden muß,
wo Sie, meine Herren, den zehnjährigen Bestand der Republik
festlich zu feiern gedenken. (Výkøiky.)
Ein Kontrast, wie er ärger nicht mehr
zu denken ist. Sie liefern den Rahmen zu diesem Jubiläumsfest
der Republik durch Ihre Wucherpolitik, und die Regierung liefert
den Rahmen durch ihre Passivität. Uns aber wird das Volk
an seiner Seite finden. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Hohes Haus! Die Gemüter der Bevölkerung
erregt seit vielen Wochen die immer mehr und mehr anziehende Teuerung,
die sich allgemein bemerkbar zu machen beginnt. Aber besonders
die Frage des Zuckers hat die Bevölkerung in einem so tiefen
Maße erregt, wie selten irgend ein anderes Ereignis im öffentlichen
oder wirtschaftlichen Leben. Die Zuckerteuerung darf nicht als
ein Fall für sich betrachtet werden, sondern muß im
Zusammenhang mit den großen Geschehnissen, deren Zeitgenossen
wir sind, verfolgt werden. Sie ist ja nur ein Symptom des Abbaues
jenes wirtschaftlichen Imperialismus, von dem sich die
Èechoslovakische Republik bei ihrer Gründung und in
der ersten Zeit ihres Bestandes leiten ließ. Mit der Zerreissung
des alten Staatsgebietes hat sie auch das alte sichere Absatzgebiet
von 52 Millionen Menschen verloren und hat nichts getan, um irgendwie
die wirtschaftlichen Verbindungsfäden, die Jahrhunderte auf
diesen Gebieten hin und her gelaufen sind, zu festigen oder neu
zu knüpfen, sie hat vielmehr eine Politik der Gehässigkeit
auf wirtschaftlichem nicht nur auf politischem und nationalem
- Gebiet gegenüber den Nachfolgestaaten und besonders gegenüber
Deutschösterreich und Ungarn betrieben, eine Politik der
Gehässigkeit, die in wirtschaftlichen Dingen die allerwenigsten
Früchte tragen kann. Diese Gehässigkeit hat dazu beigetragen
und dazu geführt, daß vor allem Österreich,
aber auch die anderen Nachfolgestaaten immer mehr sich mit Waren
aus anderen Gebieten versorgt haben. Deshalb sehen wir, daß
die gesamte Einfuhr der Èechoslovakei in die Nachfolgestaaten
ununterbrochen im Sinken begriffen ist. Während
noch im Jahre 1921 die gesamte Ausfuhr in die Nachfolgestaaten
57% betrug, ist sie im Jahre 1922 auf 41%, im Jahre 1923 auf 40%,
im Jahre 1924 auf 36% und 1925 gar auf 19% des ehemaligen Absatzes
gesunken und ist gewiß auch im heurigen Halbjahr abermals
in absteigender Linie begriffen. Das ist nicht nur auf dem Gebiete
des Zuckers, sondern allgemein in Bezug auf alle industriellen
Exportartikel der Fall. Wie hat es in der Zeit des Umsturzes und
in der Zeit nachher förmlich aus dem Selbstbewußtsein
des Staatsvolkes geklungen, wenn es von dem "weißen
Golde" der Republik sprach, wenn man darauf hinwies, daß
die stärkste Säule für die Wirtschaft der Zucker
sei und daß diese Stütze der Valuta, der Zucker, förmlich
ein Monopolartikel dieses Landes sei. Und plötzlich sehen
wir, eigentlich nicht ganz plötzlich, sondern schon seit
Jahren, daß diese mächtigste Stütze, dieses stärkste
Bollwerk einer alten Industrie und Wirtschaft zusammenbricht,
wenn ein einziger großer Staat die wirtschaftlichen Konsequenzen
- zieht, die ihm seine eigenen wirtschaftlichen Notwendigkeiten
vorschreiben. Der Beschluß des englischen Parlaments vom
24. April, die Zolldifferenz zwischen Roh- und Raffinadezucker
auf 52 Kè herabzusetzen, hat dem èechoslovakischen
Zuckerexport nach England den Garaus
gemacht. Was das zu bedeuten hat, das werden wir erst in künftigen
Monaten und Jahren gewiß in vollem Umfange zu spüren
bekommen. Aber wir verweisen darauf, daß die èechoslovakische
Zuckerindustrie mit diesen Dingen rechnen mußte. Sie wußte
genau, daß der Kampf auf dem Weltmarkt
nicht seit gestern besteht, und da sie an dem gesamten Zuckerkonsum
Englands im Ausmaße von 7 Mill. q mit 3.25
Mill. q beteiligt ist, so mußte sie genau wissen, was für
Konsequenzen das für sie haben wird. Aber die Zuckerindustrie
hat sich das einfach und billig gemacht. Sie fordert einfach Entschädigung
für ihren Verlust, sie fordert Exportprämien. Steuernachlässe,
sie fordert kurz und gut, daß die Bevölkerung ihr zum
Fraß und zur Ausbeutung hingeworfen wird.
Schon am 13. Juli d. J. hat Koll. Simm in
einer Wirtschaftsrede gegen die Preiserhödigt worden ist;
wir haben aber bereits damals, als die ersten Nachrichten aus
England kamen - bekanntlich datierte der Beschluß des englischen
Parlaments vom 24. April am 26. April, also zwei Tage nachher,
haben wir bereits eine dringliche Interpellation an die Gesamtregierung
gerichtet, in der wir zum Schluß sagten: "Ist die Regierung
geneigt, bei Beratung der Maßnahmen zur Abwendung der Verluste
in der Zuckerindustrie alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine
Erhöhung des Inlandspreises für Zucker abzuwenden, ja
im Gegenteil den Zuckerpreis im Inlande so günstig als möglich
zu gestalten, um jede neuerliche Belastung der Konsumenten zu
vermeiden und eine Erhöhung des Zuckerkonsums im Inlande
zu ermöglichen?" Die Regierung hat aber, nicht nur daß
sie diese Interpellation nicht beantwortet hat, was wir übrigens
von der jetzigen Regierung nahezu gewohnt sind, auch von sich
aus nichts getan, um das heraufziehende Unheil abzuwenden oder
zu mildern.