Støeda 27. èervna 1928

3. Øeè posl. dr Lehnerta (viz str. 65 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! (Posl. dr Schollich: Was sagst Du? Wo ist ein hohes Haus?) Das hohe Haus ist nur ein leeres Haus. Die ganze Verhandlungsart, daß bei einem Gesetz, das nur einen einzigen Paragraphen umfaßt, eine Redefreiheit ad libitum gewährt wird, während die Gesetze, die von einschneidender Bedeutung sind und 10, 20 oder 100 Paragraphen umfassen, in ganz kurzer Zeit durchgepeitscht werden. Diese ganze Verhandlungsart, wie sie hier in diesem Hause beliebt wird, zeigt, daß nicht bloß die jetzige Regierung und ihre Mehrheit unfähig und am Ende der Kraft sind, sondern ich möchte sagen, es ist das das Zeichen einer Krise des Parlamentarismus und der Demokratie, wie sie hier in diesem Staat beliebt wird und als Panacee angepriesen wurde, zu der Zeit, als wir andere Regierungsformen besaßen.

Das Gesetz umfaßt einen einzigen Paragraphen, die Verwaltungsreform wird in den historischen Ländern nicht zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt, wie es das Gesetz über die Verwaltungsreform vorschreibt, sondern am 1. Dezember. (Posl. inž. Kallina: Gemeint ist der 1. April ohne Jahreszahl!) Gemeint vielleicht, aber nicht mit der Jahreszahl; zum Skt. Nimmerleinstag hätten wir es ja am liebsten. Es wird also in diesem dualistischen Staat ein Unterschied zwischen den sogenannten historischen Ländern und den Ländern der Stephanskrone gemacht. (Posl. inž. Kallina: Zwischen der Èechei und der Slovakei!), der Wenzelskrone und der Stephanskrone.

Die Slovakei ist unbedingt der fortgeschrittenere Teil des Staates, weil sie Einrichtungen besitzt, die es ermöglichen, diese Verwaltungsreform schon zeitgerecht in Kraft zu setzen, während die Länder, wo Èechen und Deutsche wohnen, in ihren Einrichtungen bezüglich der Administration allzusehr zurückgeblieben sind, als daß das Gesetz sofort in Kraft gesetzt werden könnte. Nun hat man früher immer gesagt, daß hinter den Karpathen Asien anfängt, die ganzen Magyaren sind ein herübergekommenes Nomadenvolk, haben die Kulturvölker dort unterdrückt, haben sie mit asiatischen Methoden regiert. Jetzt sind sie durch die Friedensschlüsse von Trianon und Versailles befreit worden, jetzt eigentlich ist die Slovakei und Nordungarn an Westeuropa angeschlossen. Und siehe da, beim jetzigen Gesetz zeigt es sich, daß diese asiatischen Länder viel fort geschrittener sind als wir in den sogenannten historischen Ländern und daß wir noch lange nicht asiatisch genug sind, um ein solches Gesetz zu vertragen. (Výkøiky na levici) Wir müssen tatsächlich den Balkan noch etwas weiter nach dem Westen schieben.

Bei dieser Gelegenheit, wenn die Verwaltungsreform nicht aktiviert werden kann, wie es in den Zeitungen so schön heißt, sondern bezüglich ihrer Wirksamkeit verschoben werden muß, müssen wir doch ganz kurz unserer Bevölkerung ins Gedächtnis zurückrufen, was die Verwaltungsreform bedeutet, daß sie die Konzentration der Machtmittel der Verwaltung, sowohl der staatlichen wie der autonomen, in der Hand der Bürokratie verbürgt, daß sie einen straffen Zentralismus verbürgt, wie er nie in einem alten monarchistischen Staate bestanden hat. Mit Hilfe einer Scheinvertretung, die neben der Staatsverwaltung und mit ihr zusammengekoppelt die Geschäfte führen soll, die tatsächlich eine Komödie darstellt, weil auch diese Vertretung zu einem Drittel von der Regierung ernannt wird, wird dem Volke vorgetäuscht, daß es sich selbst regiert. Wer weiß, wie die Bezirkshauptleute im alten Österreich gegen einzelne Bürger, die etwa renitent waren, oder gegen Parteien, die sich nicht der Staatsgewalt gefügig zeigten, vorgingen, wer weiß, daß unter dem èechischen Regime die in deutsche Gegenden gekommenen èechischen Beamten mehr als die Bach-Husaren im seinerzeitigen Ungarn sich als Repräsentanten des èechischen Chauvinismus betrachten und danach handeln, der wird es verstehen, wenn wir unsere warnende Stimme gegen die Regierungsparteien erklingen ließen, diesen verhängnisvollen Schritt nicht zu tun, den sie damals gegen unseren Rat, unsere Mahnung und unseren Einspruch getan haben. (Výkøiky na levici.) Wir haben sie daran erinnert, daß mit Hilfe der Verwaltungsreform die Polizeigewalt ins ungemessene gesteigert wird. Wir haben so wie so schon alles - ich möchte sagen - von der Wiegebis zur Bahre polizeilich geregelt, von einer Freiheit ist in diesem demokratischen Staate nie die Rede gewesen. Von allem Anfang an, von 1918 angefangen bis zum Jubiläumsjahr 1928, fühlen wir nichts anderes als fortwährende Bedrückung unserer persönlichen Freiheit. Diese Bedrückung soll nun ins Ungemessene gesteigert werden. Der Hausfriede, der bis jetzt noch irgendwie gesichert war, daß nicht jeder Polizist ohne gerichtlichen Befehl in das Haus eindringen durfte, auch dessen Bruch soll jetzt, unter gewissen Bedingungen allerdings, möglich gemacht werden.

So könnte ich eine Unmenge von jeden einzelnen Bürger persönlich treffenden Bestimmungen herausheben, die in der Auswirkung einfach furchtbar sein werden. Aber was das schlimmste ist, die geringen Reste der Selbstverwaltung, die uns noch zu blühen schienen, sind vorbei, denn heute ist es schon so weit, daß die Bezirksvertretungen ernannt sind und z. B. im Bezirke Reichenberg für die Regierung die deutsche Nationalpartei überhaupt nicht existiert. Es hat die deutsche Nationalpartei keinen Vertreter in der Bezirksverwaltungskommission bekommen, ebenso nicht die Deutschsoziale Partei, weil sie auf dem Standpunkte der Selbstbestimmung steht. Dagegen wurde den Agrariern und Christlichsozialen und auch einem Nationalsozialisten der Eintritt in die Verwaltungskommission gnädigst gewährt. Was also meinen Bezirk anlangt, ist erwiesen, daß es nicht richtig ist, wenn behauptet wird, die Ernennungen erfolgten schlüsselmäßig nach den letzten Wahlen; es ist an diesem Beispiele erwiesen, daß die Regierung jene Leute ernennt, die ihr passen. Das Recht hat sie, sie hat es sich genommen, indem sie die gewählten Vertretungen aufhob und Bezirksverwaltungskommissionen einsetzte und es ist nur ihr guter Wille, wenn sie die Ernannten nach dem Schlüssel ernennt.

Was können wir aus diesem einen Beispiel lernen? Die Regierungsdeutschen behaupten, es wehe jetzt ein ganz anderer Wind, die Gleichberechtigung liege in der Luft; Gleiche unter Gleichen hat Švehla gesagt. Jetzt ist er allerdings krank, und wenn er stirbt ich wünsche es ihm nicht - haben wir niemandem, an den wir uns halten können; und schon Šrámek wird es sicher nicht einhalten. Wenn also die Regierungsdeutschen behaupten, es wehe ein anderer Wind, kann ich, auch wenn ich den Finger naß mache und ihn in die Höhe halte, wahrlich nicht feststellen, daß sich der èechische Wind geändert hätte. (Výkøiky: Der Windirsch!) Der Wind weht noch immer aus der chauvinistischen Ecke. Der Windirsch fühlt es allerdings anders, der hat vielleicht eine andere Empfindung. Er hat die Weltgegenden nach allen Richtungen durchmessen (Posl. dr Schollich: Als agrarischer Abgeordneter?) und es ist mir nicht möglich, einen solchen feinen Sinn zu besitzen. Aber wir fühlen von einer Änderung des Zustandes in diesem Staate seit 10 Jahren nichts. Höchstens, wie es immer ist, wenn das Wetter schlecht ist, wird es immer noch schlechter.

Wir haben also eine politische Änderung nicht verspürt. Sind wir nicht eine gerade so hoffnungslose Opposition wie früher, machen die Èechen, auch wenn jetzt Deutsche in der Regierung sitzen, nicht gerade das, was sie brauchen und wollen, und nehmen sie auf die oppositionellen Deutschen und auch auf die Regierungsdeutschen wirklich Rücksicht? Nicht im mindesten. (Posl. Horpynka: Oh ja, sie dürfen mit nach Belgrad fahren, das durften sie früher nicht!) Das ist nicht richtig, behaupte ich, sie hätten auch früher fahren können und vielleicht wären sie damals von den Serben und Kroaten höher geschätzt worden als heute, wo sie als Statisten und Trabanten eines Kramáø hinkommen. Es ist von meinem Freunde Windirsch behauptet worden, daß er bei einem Bankett für eine èechische Schule in Jugoslavien 700 Kronen gesammelt habe. Ich habe einen seiner Kollegen ersucht, er möge das richtig stellen. Ich kann es nicht glauben. Solange aber keine Richtigstellung erfolgt, können wir an dieser Tatsache nicht ohne Kritik vorübergehen. Man kann ja schließlich international gesinnt sein. Das ist Ansichtssache. Man kann, wenn man früher national war, später auch eine internationale Gesinnung bekommen. Bitte, die Menschen ändern sich. Es ist nicht schön, ich halte nicht viel von so einem Menschen, aber item - ich kann den Menschen deshalb nicht schmähen. Aber daß ich für den nationalen Gegner, wo der Kampf in meiner Heimat tobt, so viel übrig habe, daß ich mich entwürdige und eine solche Sammlung einleite, wenn es auch schließlich eine kulturelle Sache betrifft, das würde ich nicht übers Herz bringen und das wird in Reichenberg auch niemand verstehen, wenn der Windirsch es wirklich gemacht hat.

Wirtschaftlich geht es uns - so sagt man - sehr gut. Die Èechen haben uns ja, besonders die Industríe, damit ködern wollen: Wenn ihr zu Deutschland kommt, müßt ihr Reparationen bezahlen und die Arbeiterschaft bekommt natürlich geringere Löhne; wenn ihr aber zur Èechei kommt, dann seid ihr ein Mitglied des Siegerstaates, dann geht es euch glänzend. (Posl. dr Schollich: Wo haben wir gesiegt?) Wir haben ja verspielt, die Deutschen haben den Krieg verloren. Darauf berufen sich die Èechen, daß wir besiegt worden sind und daß wir uns infolgedessen alles gefallen lassen müssen. Die Èechen haben nicht gesiegt, aber sie waren so klug, zwei Eisen im Feuer zu halten und haben zur richtigen Zeit das richtige herausgezogen. Einesteils hatten sie bei Kaiser Franz Joseph Unterläufel, den Grafen Paar, den Dr. Kerzl und Kammerdiener, die ihn aus- und angezogen haben, lauter Èechen. Graf Paar hat auch sicherheitshalber seine Kriegsanleihe bei der Živnostenská banka hinterlegt und hat sie hoffentlich auch zur richtigen Zeit umgetauscht. Und das andere Eisen waren Beneš und Masaryk. Die sind hinausgefahren und haben mit den Verbündeten verhandelt. Hätten die Deutschen den Krieg gewonnen, da wären die Èechen bei uns, da wären Masaryk und Beneš vergessen und desavouiert und kämen nicht mehr herein. Lauter loyale Staatsbürger wären sie gewesen. Wenn der Krieg umgekehrt ausging, da kamen Masaryk und Beneš herein und sagten: Hier ist èechischer Boden, ein èechisches Reich, ein Nationalstaat usw. Dabei fällt mir ein: man regt sich jetzt über die Magyaren im èechischen Lager auf und besonders Beneš regt sich auf, daß Lord Rothermere sich in die Politik mischt, ein Zeitungsmagnat in England, der ganz gewiß mit englischer Regierungszustimmung ein klein wenig den Èechen eingeheizt hat, weil sie nicht gegen Rußland mobil zu machen sind. Dieser Lord Rothermere mischte sich in die Politik ein und behauptete, der Vertrag von Trianon wäre revisionsbedürftig und sollte friedlich, schiedlich revidiert werden; es wären von der magyarischen Nation Teile in die Èechoslovakei einverleibt worden, die nicht herein wollten. Von den anderen Staaten hat er vorläufig nicht viel gesprochen. Das hält Beneš für ausgeschlossen, er wehrt sich dagegen mit Händen und Füßen. Aber es wird ihm natürlich nicht viel helfen, denn an der Kemenate einer Frau hat auch Beneš keine Gewalt mehr, da endet seine Macht. Man erzählt sich die pikante Historie, daß Rothermere eine schöne Magyarin kennen gelernt hat, die ihn vor der Gerechtigkeit der magyarischen Sache überzeugte. Rothermere ist ein alter Herr, die Partnerin dürfte etwas jünger sein und so ist die Überzeugungskraft eine größere. Aber etwas ganz ähnliches hat sich bei der Gründung der Èechoslovakei auch ereignet. Beim Wilsonbahnhof wird ein Denkmal errichtet. Wie kommt denn Wilson überhaupt nach Prag? Wilson in Amerika! Kennt jemand von den hiesigen Professoren alle Staaten von U.S.A.? Wie kennt Wilson die nationalen und ethnographischen Verhältnisse dieses kleinen Flecks von Mitteleuropa so genau? Wäre es nicht vielleicht auch gut, wenn man die kleine Èechin mit auf das Denkmal bringen könnte, nebst den 14 Punkten, die letzten Endes auf sie zurückzuführen sind? Es ist sehr traurig, daß die Weltgeschichte von kranken Menschen gemacht wird. (Posl. Moudrý: Wilhelm II!) Er war auch krank, er hat an periodischem Irrsinn gelitten. Das ist richtig, Wilhelm II. war krank. Aber Llyod George hat sich jetzt verpflichtet, nicht mehr in die Zeitungen zu schreiben. Was hat er in die Zeitungen geschrieben? Er hat geschrieben, daß er sich beim Friedensvertrag geirrt hat, er hat gegen seine früheren Überzeugungen geschrieben, er hat damit erwiesen, daß er moralisch irre ist und daß er überhaupt nicht begreift, wie er sich selbst heruntersetzt, wenn er sich selbst als Lügner hinstellt. Und dafür bekommt der Mann ein Einkommen, das, wie ich gehört habe, in die Millionen geht. Das erträgt die jetzige Zeit. Wilson ist an Paralyse gestorben, Clémenceau war Sadist. Das sind die Männer, die uns diesen Frieden beschert haben, die uns dieses Nová Evropa des Masaryk schaffen halfen, das im Geiste Masaryks schon vorher gelebt hat. Es schaut allerdings danach aus, und ich will nicht sagen, wie es früher bei ihm ausgeschaut hat. Aber wie es durch diese Weltbaumeister bei der Friedenskonferenz zusammengebaut wurde, wie diese ausgegrabenen Nationen wieder auf die Beine gestellt wurden, und mit welchen Stützen umgeben, das ist allerdings sehenswert.

Ich sagte vorhin, daß sich der Zustand, in dem wir leben, gar nicht geändert hätte, wir wären seit 10 Jahren gleichmäßig unterdrückt, ob auch die Deutschen in der Regierung sitzen, und wir hätten auch wirtschaftlich keine Besserung erfahren. Und das ist richtig. Unsere Wirtschaft lebte bisher immer nur von der Konjunktur, einmal war es der Ruhreinbruch, dann war es die Inflation, dann war uns diese oder jene Gelegenheit günstig, so daß sich unsere Industrie über Wasser halten konnte. Aber mit den Reparationen sind wir schön hineingefallen, denn von der nächsten Zeit an müssen wir die Befreiungstaxe zahlen, die uns zu unseren Milliarden Schulden noch neue Milliarden Staatsschulden bringen wird, die aufgebracht und verzinst werden müssen, und außerdem müssen wir für unsere Befreiung einen solch kostspieligen Militärapparat unterhalten - ich habe mir unlängst die Scheinwerfer, Flugzeugabwehrgeschütze, alles mit deutschem Militär, angeschaut (Posl. dr Schollich: Flugzeuge!) Flugzeuge habe ich nicht gesehen, die sehe ich immer auf der Fahrt von Gbel - diesen kostspieligen Militärapparat, den wir haben und der immerfort ausgebaut werden muß. Wir wissen, daß die regierungsdeutschen Parteien auch für 10 oder 11 Jahre, ich weiß es nicht ganz genau, eine jährlich wiederkehrende Militärausrüstungssumme von 350 Millionen beschlossen haben. Hätten wir diese 350 Mill. jährlich, könnten wir sie für kulturelle Zwecke oder in dem Ausgleichsfond für die Verwaltungskörper, für die Städte und Gemeinden, verwenden, dann wäre mancher Not abgeholfen. So aber ist es schon festgelegt und sie rühmen sich noch ihrer Gesetzgeberei! Und was wir sprachlich seit der Zeit, seit deutsche Minister auf der Bank hier nicht sitzen, erdulden, ist genau dasselbe, was wir vorher unter allnationalen Koalition erdulden mußten. Wir finden hier im Parlamente schon kein einziges deutsches Wort, höchstens daß man in der Restauration auf den Tisch der deutschen Nationalpartei eine deutsche Übersetzung der Speisekarte gibt.

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