Hohes Haus! (Posl. dr Schollich: Was sagst
Du? Wo ist ein hohes Haus?) Das hohe Haus ist nur ein leeres
Haus. Die ganze Verhandlungsart, daß bei einem Gesetz, das
nur einen einzigen Paragraphen umfaßt, eine Redefreiheit
ad libitum gewährt wird, während die Gesetze, die von
einschneidender Bedeutung sind und 10, 20 oder 100 Paragraphen
umfassen, in ganz kurzer Zeit durchgepeitscht werden. Diese ganze
Verhandlungsart, wie sie hier in diesem Hause beliebt wird, zeigt,
daß nicht bloß die jetzige Regierung und ihre Mehrheit
unfähig und am Ende der Kraft sind, sondern ich möchte
sagen, es ist das das Zeichen einer Krise des Parlamentarismus
und der Demokratie, wie sie hier in diesem Staat beliebt wird
und als Panacee angepriesen wurde, zu der Zeit, als wir andere
Regierungsformen besaßen.
Das Gesetz umfaßt einen einzigen Paragraphen,
die Verwaltungsreform wird in den historischen Ländern nicht
zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt, wie es das Gesetz über
die Verwaltungsreform vorschreibt, sondern am 1. Dezember. (Posl.
inž. Kallina: Gemeint ist der 1. April ohne Jahreszahl!)
Gemeint vielleicht, aber nicht mit der
Jahreszahl; zum Skt. Nimmerleinstag hätten wir es ja am liebsten.
Es wird also in diesem dualistischen Staat ein Unterschied zwischen
den sogenannten historischen Ländern und den Ländern
der Stephanskrone gemacht. (Posl. inž. Kallina:
Zwischen der Èechei und der Slovakei!),
der Wenzelskrone und der Stephanskrone.
Die Slovakei ist unbedingt der fortgeschrittenere Teil des Staates,
weil sie Einrichtungen besitzt, die es ermöglichen, diese
Verwaltungsreform schon zeitgerecht in Kraft zu setzen, während
die Länder, wo Èechen und Deutsche
wohnen, in ihren Einrichtungen bezüglich der Administration
allzusehr zurückgeblieben sind, als daß das Gesetz
sofort in Kraft gesetzt werden könnte. Nun hat man früher
immer gesagt, daß hinter den Karpathen Asien anfängt,
die ganzen Magyaren sind ein herübergekommenes Nomadenvolk,
haben die Kulturvölker dort unterdrückt, haben sie mit
asiatischen Methoden regiert. Jetzt sind sie durch die Friedensschlüsse
von Trianon und Versailles befreit worden, jetzt eigentlich ist
die Slovakei und Nordungarn an Westeuropa angeschlossen. Und siehe
da, beim jetzigen Gesetz zeigt es sich, daß diese asiatischen
Länder viel fort geschrittener sind als wir in den sogenannten
historischen Ländern und daß wir noch lange nicht asiatisch
genug sind, um ein solches Gesetz zu vertragen. (Výkøiky
na levici) Wir
müssen tatsächlich den Balkan noch etwas weiter nach
dem Westen schieben.
Bei dieser Gelegenheit, wenn die Verwaltungsreform
nicht aktiviert werden kann, wie es in den Zeitungen so schön
heißt, sondern bezüglich ihrer Wirksamkeit verschoben
werden muß, müssen wir doch ganz kurz unserer Bevölkerung
ins Gedächtnis zurückrufen, was die Verwaltungsreform
bedeutet, daß sie die Konzentration der Machtmittel der
Verwaltung, sowohl der staatlichen wie der autonomen, in der Hand
der Bürokratie verbürgt, daß sie einen straffen
Zentralismus verbürgt, wie er nie in einem alten monarchistischen
Staate bestanden hat. Mit Hilfe einer Scheinvertretung, die neben
der Staatsverwaltung und mit ihr zusammengekoppelt die Geschäfte
führen soll, die tatsächlich eine Komödie darstellt,
weil auch diese Vertretung zu einem Drittel von der Regierung
ernannt wird, wird dem Volke vorgetäuscht, daß es sich
selbst regiert. Wer weiß, wie die Bezirkshauptleute im alten
Österreich gegen einzelne Bürger, die etwa renitent
waren, oder gegen Parteien, die sich nicht der Staatsgewalt gefügig
zeigten, vorgingen, wer weiß, daß unter dem èechischen
Regime die in deutsche Gegenden gekommenen èechischen Beamten
mehr als die Bach-Husaren im seinerzeitigen Ungarn sich als
Repräsentanten des èechischen Chauvinismus betrachten
und danach handeln, der wird es verstehen, wenn wir unsere warnende
Stimme gegen die Regierungsparteien erklingen ließen, diesen
verhängnisvollen Schritt nicht zu tun, den sie damals gegen
unseren Rat, unsere Mahnung und unseren Einspruch
getan haben. (Výkøiky na levici.)
Wir haben sie daran erinnert, daß
mit Hilfe der Verwaltungsreform die Polizeigewalt ins ungemessene
gesteigert wird. Wir haben so wie so schon alles - ich möchte
sagen - von der Wiegebis zur Bahre polizeilich geregelt, von einer
Freiheit ist in diesem demokratischen Staate nie die Rede gewesen.
Von allem Anfang an, von 1918 angefangen bis zum Jubiläumsjahr
1928, fühlen wir nichts anderes als fortwährende Bedrückung
unserer persönlichen Freiheit. Diese Bedrückung soll
nun ins Ungemessene gesteigert werden. Der Hausfriede, der bis
jetzt noch irgendwie gesichert war, daß nicht jeder Polizist
ohne gerichtlichen Befehl in das Haus eindringen durfte, auch
dessen Bruch soll jetzt, unter gewissen Bedingungen allerdings,
möglich gemacht werden.
So könnte ich eine Unmenge von jeden einzelnen
Bürger persönlich treffenden Bestimmungen herausheben,
die in der Auswirkung einfach furchtbar sein werden. Aber was
das schlimmste ist, die geringen Reste der Selbstverwaltung, die
uns noch zu blühen schienen, sind vorbei, denn heute ist
es schon so weit, daß die Bezirksvertretungen ernannt sind
und z. B. im Bezirke Reichenberg für die Regierung die deutsche
Nationalpartei überhaupt nicht existiert. Es hat die deutsche
Nationalpartei keinen Vertreter in der Bezirksverwaltungskommission
bekommen, ebenso nicht die Deutschsoziale Partei, weil sie auf
dem Standpunkte der Selbstbestimmung steht. Dagegen wurde den
Agrariern und Christlichsozialen und auch einem Nationalsozialisten
der Eintritt in die Verwaltungskommission gnädigst gewährt.
Was also meinen Bezirk anlangt, ist erwiesen, daß es nicht
richtig ist, wenn behauptet wird, die Ernennungen erfolgten schlüsselmäßig
nach den letzten Wahlen; es ist an diesem Beispiele erwiesen,
daß die Regierung jene Leute ernennt, die ihr passen. Das
Recht hat sie, sie hat es sich genommen, indem sie die gewählten
Vertretungen aufhob und Bezirksverwaltungskommissionen einsetzte
und es ist nur ihr guter Wille, wenn sie die Ernannten nach dem
Schlüssel ernennt.
Was können wir aus diesem einen Beispiel
lernen? Die Regierungsdeutschen behaupten, es wehe jetzt ein ganz
anderer Wind, die Gleichberechtigung liege in der Luft; Gleiche
unter Gleichen hat Švehla gesagt. Jetzt ist er allerdings
krank, und wenn er stirbt ich wünsche es ihm nicht - haben
wir niemandem, an den wir uns halten können; und schon Šrámek
wird es sicher nicht einhalten. Wenn also die Regierungsdeutschen
behaupten, es wehe ein anderer Wind, kann ich, auch wenn ich den
Finger naß mache und ihn in die Höhe halte,
wahrlich nicht feststellen, daß sich der èechische
Wind geändert hätte. (Výkøiky: Der
Windirsch!) Der
Wind weht noch immer aus der chauvinistischen Ecke. Der Windirsch
fühlt es allerdings anders, der hat vielleicht eine andere
Empfindung. Er hat die Weltgegenden nach allen Richtungen durchmessen
(Posl. dr Schollich: Als agrarischer Abgeordneter?) und
es ist mir nicht möglich, einen solchen feinen Sinn zu besitzen.
Aber wir fühlen von einer Änderung des Zustandes in
diesem Staate seit 10 Jahren nichts. Höchstens, wie es immer
ist, wenn das Wetter schlecht ist, wird es immer noch schlechter.
Wir haben also eine politische Änderung
nicht verspürt. Sind wir nicht eine gerade so hoffnungslose
Opposition wie früher, machen die Èechen, auch
wenn jetzt Deutsche in der Regierung sitzen, nicht gerade das,
was sie brauchen und wollen, und nehmen sie auf die oppositionellen
Deutschen und auch auf die Regierungsdeutschen wirklich Rücksicht?
Nicht im mindesten. (Posl. Horpynka: Oh
ja, sie dürfen mit nach Belgrad fahren, das durften sie früher
nicht!) Das ist nicht richtig, behaupte
ich, sie hätten auch früher fahren können und vielleicht
wären sie damals von den Serben und Kroaten höher geschätzt
worden als heute, wo sie als Statisten und Trabanten eines Kramáø
hinkommen. Es ist von meinem Freunde Windirsch behauptet
worden, daß er bei einem Bankett für eine èechische
Schule in Jugoslavien 700 Kronen gesammelt habe. Ich habe einen
seiner Kollegen ersucht, er möge das richtig
stellen. Ich kann es nicht glauben. Solange aber keine Richtigstellung
erfolgt, können wir an dieser Tatsache nicht ohne Kritik
vorübergehen. Man kann ja schließlich international
gesinnt sein. Das ist Ansichtssache. Man kann, wenn man früher
national war, später auch eine internationale Gesinnung bekommen.
Bitte, die Menschen ändern sich. Es ist nicht schön,
ich halte nicht viel von so einem Menschen, aber item - ich kann
den Menschen deshalb nicht schmähen. Aber daß ich für
den nationalen Gegner, wo der Kampf in meiner Heimat tobt, so
viel übrig habe, daß ich mich entwürdige und eine
solche Sammlung einleite, wenn es auch schließlich eine
kulturelle Sache betrifft, das würde ich nicht übers
Herz bringen und das wird in Reichenberg auch niemand verstehen,
wenn der Windirsch es wirklich gemacht hat.
Wirtschaftlich geht es uns - so sagt man - sehr gut. Die Èechen
haben uns ja, besonders die Industríe, damit ködern
wollen: Wenn ihr zu Deutschland kommt, müßt ihr Reparationen
bezahlen und die Arbeiterschaft bekommt natürlich geringere
Löhne; wenn ihr aber zur Èechei kommt, dann seid ihr
ein Mitglied des Siegerstaates, dann geht es euch glänzend.
(Posl. dr Schollich: Wo haben wir gesiegt?)
Wir haben ja verspielt, die Deutschen
haben den Krieg verloren. Darauf berufen sich die Èechen,
daß wir besiegt worden sind und daß wir uns infolgedessen
alles gefallen lassen müssen. Die Èechen haben nicht
gesiegt, aber sie waren so klug, zwei Eisen im Feuer zu halten
und haben zur richtigen Zeit das richtige herausgezogen.
Einesteils hatten sie bei Kaiser Franz Joseph Unterläufel,
den Grafen Paar, den Dr. Kerzl und Kammerdiener, die ihn aus-
und angezogen haben, lauter Èechen. Graf Paar hat auch
sicherheitshalber seine Kriegsanleihe bei der Živnostenská
banka hinterlegt und hat sie hoffentlich auch
zur richtigen Zeit umgetauscht. Und das andere Eisen waren Beneš
und Masaryk. Die sind hinausgefahren und haben mit
den Verbündeten verhandelt. Hätten die Deutschen den
Krieg gewonnen, da wären die Èechen bei uns, da wären
Masaryk und Beneš vergessen und desavouiert
und kämen nicht mehr herein. Lauter loyale Staatsbürger
wären sie gewesen. Wenn der Krieg umgekehrt ausging, da kamen
Masaryk und Beneš herein und sagten:
Hier ist èechischer Boden, ein èechisches Reich,
ein Nationalstaat usw. Dabei fällt mir ein: man regt sich
jetzt über die Magyaren im èechischen Lager auf und
besonders Beneš
regt sich auf, daß Lord Rothermere sich in die Politik mischt,
ein Zeitungsmagnat in England, der ganz gewiß mit englischer
Regierungszustimmung ein klein wenig den Èechen
eingeheizt hat, weil sie nicht gegen Rußland mobil zu machen
sind. Dieser Lord Rothermere mischte sich in die Politik ein und
behauptete, der Vertrag von Trianon wäre revisionsbedürftig
und sollte friedlich, schiedlich revidiert
werden; es wären von der magyarischen Nation Teile in die
Èechoslovakei einverleibt worden, die nicht herein wollten.
Von den anderen Staaten hat er vorläufig nicht viel gesprochen.
Das hält Beneš
für ausgeschlossen, er wehrt sich dagegen mit Händen
und Füßen. Aber es wird ihm natürlich nicht viel
helfen, denn an der Kemenate einer Frau hat auch Beneš
keine Gewalt mehr, da endet seine Macht. Man erzählt sich
die pikante Historie, daß Rothermere eine schöne Magyarin
kennen gelernt hat, die ihn vor der Gerechtigkeit der magyarischen
Sache überzeugte. Rothermere ist ein alter Herr, die Partnerin
dürfte etwas jünger sein und so ist die Überzeugungskraft
eine größere. Aber etwas ganz ähnliches hat sich
bei der Gründung der Èechoslovakei auch ereignet.
Beim Wilsonbahnhof wird ein Denkmal errichtet. Wie kommt denn
Wilson überhaupt nach Prag? Wilson in Amerika! Kennt jemand
von den hiesigen Professoren alle Staaten von U.S.A.? Wie kennt
Wilson die nationalen und ethnographischen Verhältnisse dieses
kleinen Flecks von Mitteleuropa so genau? Wäre es
nicht vielleicht auch gut, wenn man die kleine Èechin mit
auf das Denkmal bringen könnte, nebst den 14 Punkten, die
letzten Endes auf sie zurückzuführen sind? Es ist sehr
traurig, daß die Weltgeschichte von kranken
Menschen gemacht wird. (Posl. Moudrý: Wilhelm II!) Er
war auch krank, er hat an periodischem Irrsinn gelitten. Das ist
richtig, Wilhelm II. war krank. Aber Llyod George hat sich jetzt
verpflichtet, nicht mehr in die Zeitungen zu schreiben. Was hat
er in die Zeitungen geschrieben? Er hat geschrieben, daß
er sich beim Friedensvertrag geirrt hat, er hat gegen seine früheren
Überzeugungen geschrieben, er hat damit erwiesen, daß
er moralisch irre ist und daß er überhaupt nicht begreift,
wie er sich selbst heruntersetzt, wenn er sich selbst als Lügner
hinstellt. Und dafür bekommt der Mann ein Einkommen, das,
wie ich gehört habe, in die Millionen geht. Das erträgt
die jetzige Zeit. Wilson ist an Paralyse gestorben, Clémenceau
war Sadist. Das sind die Männer, die uns diesen Frieden beschert
haben, die uns dieses Nová Evropa
des Masaryk schaffen halfen, das im Geiste Masaryks
schon vorher gelebt hat. Es schaut allerdings danach aus, und
ich will nicht sagen, wie es früher bei ihm ausgeschaut hat.
Aber wie es durch diese Weltbaumeister bei der Friedenskonferenz
zusammengebaut wurde, wie diese ausgegrabenen Nationen wieder
auf die Beine gestellt wurden, und mit welchen Stützen umgeben,
das ist allerdings sehenswert.
Ich sagte vorhin, daß sich der Zustand,
in dem wir leben, gar nicht geändert hätte, wir wären
seit 10 Jahren gleichmäßig unterdrückt, ob auch
die Deutschen in der Regierung sitzen, und wir hätten auch
wirtschaftlich keine Besserung erfahren. Und das ist richtig.
Unsere Wirtschaft lebte bisher immer nur von der Konjunktur, einmal
war es der Ruhreinbruch, dann war es die Inflation, dann war uns
diese oder jene Gelegenheit günstig, so daß sich unsere
Industrie über Wasser halten konnte. Aber mit den Reparationen
sind wir schön hineingefallen, denn von der nächsten
Zeit an müssen wir die Befreiungstaxe zahlen, die uns zu
unseren Milliarden Schulden noch neue Milliarden Staatsschulden
bringen wird, die aufgebracht und verzinst werden müssen,
und außerdem müssen wir für unsere Befreiung einen
solch kostspieligen Militärapparat unterhalten - ich habe
mir unlängst die Scheinwerfer, Flugzeugabwehrgeschütze,
alles mit deutschem Militär, angeschaut (Posl. dr Schollich:
Flugzeuge!) Flugzeuge habe ich nicht gesehen, die sehe ich
immer auf der Fahrt von Gbel - diesen kostspieligen Militärapparat,
den wir haben und der immerfort ausgebaut werden muß. Wir
wissen, daß die regierungsdeutschen Parteien auch für
10 oder 11 Jahre, ich weiß es nicht ganz genau, eine jährlich
wiederkehrende Militärausrüstungssumme von 350 Millionen
beschlossen haben. Hätten wir diese 350 Mill. jährlich,
könnten wir sie für kulturelle Zwecke oder in dem Ausgleichsfond
für die Verwaltungskörper, für die Städte
und Gemeinden, verwenden, dann wäre mancher Not abgeholfen.
So aber ist es schon festgelegt und sie rühmen sich noch
ihrer Gesetzgeberei! Und was wir sprachlich seit der Zeit, seit
deutsche Minister auf der Bank hier nicht sitzen, erdulden, ist
genau dasselbe, was wir vorher unter allnationalen Koalition erdulden
mußten. Wir finden hier im Parlamente schon kein einziges
deutsches Wort, höchstens daß man in der Restauration
auf den Tisch der deutschen Nationalpartei eine deutsche Übersetzung
der Speisekarte gibt.