Das war damals. Es ist heute nicht anders geworden.
Und wenn wir die Ereignisse der letzten Tage ins Auge fassen und
wenn wir bedenken, daß wir vor der Inkraftsetzung der Verwaltungsreform
stehen, die auch in den nächsten Stunden das Haus beschäftigen
wird, so können wir wohl sagen, daß den Herren, die
die Regierungs- und Polizeigewalt in diesem Staate in Händen
haben, die Verwaltungsreform schon ziemlich zu Kopf gestiegen
ist und daß auch ihr Machtbewußtsein ganz außergewöhnlich
gestiegen ist, denn sonst wären Dinge, wie sie sieh in den
letzten Tagen ereignet haben, unmöglich gewesen. Ich muß
einiges davon anführen, weil wir feststellen können,
daß jene Leute, die die Polizeigewalt in Händen haben,
scheinbar das Vereins- und Versammlungsrecht in diesem Staate
vollständig negieren, daß sie die Absicht haben, diese
wichtigen Gesetze außer Kraft zu setzen. Wir können
feststellen, daß schließlich und endlich die kommunistische
Partei, die im Jahre 1925 nach den Wahlen durch ihren ungeheueren
Wahlerfolg und durch ihre große Mandatszahl in diesem Parlamente
die Spitze ihrer Macht erklommen hatte, heute kaum mehr, wenn
es zu Wahlen käme, jenen Machtfaktor darstellen würde,
der sie damals war. Die Regierungs- und Polizeigewalt dieses Staates
scheint aber vor allem anderen beflissen zu sein, für die
kommunistische Partei eine möglichst gute Propaganda zu machen
und wir könnten, wenn wir die letzte Verfügung der Polizeidirektion
und ihre Auswirkungen ins Auge fassen, der Prager Polizeidirektion
anempfehlen, ihre Firmatafel herabzunehmen und eine neue aufzuhängen,
auf der steht: Kommunistisches Propagandabureau. Die Prager Polizeidirektion
hat sich nicht nur durch ihren Erlaß, durch den sie das
angemeldete Arbeiterfest der kommunistischen Partei, den sogenannten
Roten Tag in Prag, verboten hat, bemerkbar gemacht, sondern es
ist vor allem anderen der Ton, in dem die Prager Polizeidirektion
diese Verfügung erlassen hat, der uns zeigt, wessen wir uns
zu versehen haben, wenn die Verwaltungsreform in ihrer gegenwärtigen
Fassung tatsächlich durchgeführt wird. Die Prager Polizeidirektion
hat, wie in unserem Parteiblatt verlautbart wird, folgende Verfügung
herausgegeben:
"Die Prager Polizeidirektion erhielt ein
Ansuchen um Bewilligung der Veranstaltung eines Roten Tages am
Vormittag des 6. Juli, verbunden mit Umzügen und öffentlichen
Volksversammlungen. Die Polizeidirektion hat diese Kundgebungen
mit Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und Ruhe verboten.
Außerdem wurde vom Zentralsekretariat der Faszistengemeinde
gemeldet, daß am 5. Juli um 8 Uhr abends im Großen
Saal auf der Sophieninsel eine öffentliche Volksversammlung
veranstaltet wird und gleichzeitig um die Bewilligung ersucht,
daß die Faszistengemeinde Freitag, den 6. Juli um 4.30 Uhr
auf dem Altstädter Ring beim Hus-Denkmal eine öffentliche
Versammlung veranstalten dürfe. (Výkøiky
posl. Hackenberga.) Die Veranstaltung
der öffentlichen Versammlung auf der Sophieninsel wurde nicht
zur Kenntnis genommen und auch die auf dem Altstädter Ring
geplante Volksversammlung wurde mit Rücksicht auf die öffentliche
Ruhe und Ordnung verboten." - Das sind zwei Versammlungen,
die räumlich ziemlich auseinander liegen. - "Die Polizeidirektion
macht bei dieser Gelegenheit aufmerksam, daß sie ausgiebige
Maßnahmen treffen werde, damit in keinem Falle die öffentliche
Ruhe und Ordnung gestört werde und daß sie gegen jeden
Versuch, das amtliche Verbot zu verletzen, mit allen ihr zur Verfügung
stehenden Mitteln auf das strengste und energischeste ohne alle
Rücksichten einschreiten wird. Infolgedessen warnt die Polizeidirektion
jeden einzelnen, sich vor jeder Verletzung der öffentlichen
Ruhe und Ordnung zu hüten, widrigenfalls er sich die Folgen
selbst zuzuschreiben hätte."
Aber nicht der Inhalt allein, sondern wie schon
gesagt, der Ton, in welchem dieses Verbot erlassen wurde, ist
ausschlaggebend. Dazu kommt noch, daß sich die Polizeidirektion
damit nicht begnügte, sondern außerdem noch drei Turnvereine
der kommunistischen Partei auflöste. Noch eine Sache möchte
ich hier anführen. In den letzten Tagen haben wir in mehreren
Städten meines Wahlkreises Rundschreiben der politischen
Bezirksverwaltungen an die Amtsvorstände, Schuldirektoren
usw. feststellen können, in denen diese aufgefordert
wurden, mit den schärfsten Maßnahmen auf die Lehrerschaft
bezw. auf die Beamten einzuwirken, dem èechischen Roten
Kreuz beizutreten. Ja, es wurde von einzelnen Amtsvorständen
den ihnen unterstellten Beamten sogar bedeutet, daß ein
Nichtbeitritt zum Roten Kreuz ihre Existenz
in Frage stellen könnte.
Pøedseda (zvoní): Pane øeèníku,
upozoròuji vás, že øeènická
lhùta již uplynula.
Posl. Kaufmann (pokraèuje):
Sofort bin ich fertig. Ich habe
mit einem der Herren gesprochen und habe ihm vorgehalten, daß
eine derartige Verfügung, d. h. Androhung von Zwangsmaßregeln,
die Existenz eines Menschen zu bedrohen, die den Zweck haben,
ihn zum Beitritt in einen Verein, auch wenn dieser rein humanitärer
Natur wie das Rote Kreuz ist, zu bewegen, das dies ein Vergehen
ist, das nach dem Terrorgesetz geahndet werden müßte.
Das ist Terror, dem wir uns nicht fügen und den wir uns nicht
gefallen lassen werden. Ich zeige das nur auf, um ihnen zu beweisen,
daß die Polizeigewalt in unserem Staate immer übermütiger
wird, sich immer weniger Schranken auferlegt und alles versucht,
um dem Staatsbürger beizubringen, daß in diesem Staate
von nun ab mit der Einführung der Verwaltungsreform die Polizeigewalt
ausschließlich und absolut herrscht.
Ich möchte weiter darauf verweisen, daß
mir gestern eine noch nicht ganz verbürgte Mitteilung zugegangen
ist, die bei uns erregt diskutiert wurde, nämlich daß
am Sonntag in Oberleutensdorf von Prager Gendarmen eine kommunistische
Versammlung gesprengt und nicht nur gesprengt wurde, sondern daß
auch Teilnehmer an der Versammlung mit dem berüchtigten Pendrek
mißhandelt wurden. Es wäre wichtig, wenn das Ministerium
des Innern sofort alles veranlassen würde, um festzustellen,
ob eine derartige brutale Vergewaltigung von Staatsbürgern
vorgekommen ist.
Zum Schlusse möchte ich noch feststellen,
daß nur ein Gesetz, das die Elektrifizierung entsprechend
fördert und diese wichtige wirtschaftliche Institution zu
dem macht, was wir brauchen, nämlich zu ein em wirtschaftlichen
Faktor, der allen Staatsbürgern zugute kommt und der es allen
Konsumenten ermöglicht, zu einem billigen und entsprechenden
Preise elektrische Energie zu bekommen, die Benützung der
elektrischen Energie verallgemeinern wird, so daß, wenn
die Mittel, die wir für sie brauchen, dem privaten, kommunalen
und staatlichen Aufwand entsprechend angelegt werden, die Elektrifizierung
zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor unseres Staates nicht
nur gegenüber dem Auslande werden, sondern auch im Inlande
allen Staatsbürgern entsprechend zugutekommen wird. Das ist
aber nur möglich, wenn ein anderes Gesetz geschaffen wird,
nicht ein Gesetz, das in einem einzigen Paragraphen die Aufteilung
der Kompetenzen zwischen dem Arbeitsministerium und dem Handelsministerium
festsetzt. Das Grundlegende wäre zunächst einmal, eine
Rechtsbasis zwischen den Produzenten und Konsumenten zu schaffen,
allen Zwischenhandel auszuschalten und es so zu ermöglichen,
daß die elektrische Energie für jeden Privatgebrauch,
für das Handwerk, für die kleine Landwirtschaft, kurz
für alle Produktionen entsprechend benützt werden kann.
Einem solchen Gesetze würden wir unsere
Zustimmung geben. Das vorliegende Gesetz ist nach unserer Meinung
ein Formalitätsakt, mit dem man das Parlament nicht hätte
belästigen sollen. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Meine Damen und Herren! Schon in einer der
letzten Sitzungen des Abgeordnetenhauses, als Angelegenheiten
der Kriegsbeschädigten auf der Tagesordnung standen, haben
wir uns dagegen verwahrt, daß die betreffenden Fachminister
das Parlament derart mißachten, daß sie den Beratungen
fern bleiben. Damals ging die Angelegenheit den Herrn Minister
für soziale Fürsorge an, der heute merkwürdigerweise
im Hause erschienen ist, während wir heute feststellen müssen,
daß der Innenminister der Beratung eines Gegenstandes fernbleibt,
der ihn doch gewiß schon deshalb interessiert, weil damit
seine Übersiedlung nach Brünn zusammenhängt.
Zum Gegenstande, der uns heute beschäftigt,
habe ich mich bereits am 15. Feber und 28. Juni des Vorjahres
geäußert. Insbesondere habe ich in meiner zweiten Rede
eingehend dargelegt, daß und weshalb wir die Verwaltungsreform
ablehnen müssen. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Horák.)
Für unseren ablehnenden Standpunkt
waren völkische wie freiheitliche Gründe maßgebend.
An dieser Haltung kann sich natürlich auch dann nichts ändern,
wenn das Inkrafttreten des Gesetzes um wenige Monate hinausgeschoben
wird, sonst aber keinerlei Änderungen eintreten. (Posl.
Krebs: Sic werden es noch einmal verschieben!) Voraussichtlich.
Wir sind überzeugt, daß die Verwaltungsreform ein durch
und durch schlechtes Gesetz ist, ein Machwerk übelster Sorte,
genau so schlecht wie das Gemeindefinanzgesetz (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) und daß
es das Beste wäre, das Gesetz würde überhaupt nie
in Kraft treten, denn abgesehen von den großen Mängeln
in nationaler Hinsicht, auf welche ich heute nochmals hinweisen
werde und für welche wir die deutschen Regierungsparteien
voll und ganz verantwortlich machen müssen, wird durch dieses
Gesetz die jetzt schon gewaltige Macht des Bürokratentums
geradezu ins Ungemessene steigerte. Jede politische Bezirksverwaltung
oder jedes staatliche Polizeikommissariat (Posl. Krebs: Jeder
Bezirkspascha!) gewiß - nimmt sich gegenwärtig
schon heraus, auf eigene Faust allerhand Verbote zu erlassen.
(Výkøiky.) Dabei
handelt es sich oft um Dinge, die nach ausdrücklicher Erklärung
des Innenministeriums überhaupt nicht verboten sind, wie
z. B. das Tragen des Hakenkreuzes. Erst kürzlich hat das
staatliche Polizeikommissariat Jägerndorf unserer Partei
anläßlich eines Bezirksfestes einen Umzug nur unter
der Bedingung gestattet, wenn keinerlei Fahnen oder Wimpel mit
dem Hakenkreuz - die Behörden nennen es gewöhnlich Hackenkreuz,
aus welchem Gedankengang heraus das erfolgt, ist mir unbekannt
- verwendet werden. Die politische Landesverwaltung war in diesem
Falle klüger und hat auf mein Einschreiten hin die Fahnen
freigegeben. Sie fand auch an der Farbenzusammenstellung nichts
Anstößiges, sondern stellte sich auf den richtigen
und vernünftigen Standpunkt, daß unsere Partei keinerlei
Zusammenhänge mit der sog. preußisch-monarchistischen
Reaktion besitzt, die man hiebei gewöhnlich als Wau-Wau hinstellen
will. In diesem Zusammenhange möchte ich auch ganz energisch
Verwahrung gegen das ständige Verbot des Singens gewisser
Lieder erheben. Auch in Jägerndorf hat man uns "Die
Wacht am Rhein", das "Heil Dir im Siegeskranz",
das "Deutschland, Deutschland über alles", die
letzte Strophe des Liedes "Wenn alle untreu werden"
und schließlich unser Hakenkreuzlied verboten. Das Verbot
des "Heil Dir im Siegeskranz" wirkt lächerlich,
weil es ohnehin keinem Menschen einfällt, dieses Lied zu
singen. Anders aber steht es wohl mit den anderen Liedern. Ich
begreife nicht, was das uralte Lied "Die Wacht am Rhein",
welches doch aus dem Jahre 1840 stammt, eigentlich der Èechoslovakei
angetan hat? Sie hat doch wahrlich mit dem Rhein nichts zu tun.
Ich glaube wenigstens, daß nicht einmal die so weitgehenden
Gebietsansprüche des Herrn Hanuš
Kuffner - oder Eduard Beneš - bis an den Rhein reichen.
Auf das schärfste aber verwahre ich mich gegen das Verbot
des Hakenkreuzliedes, das sich doch weder gegen irgendeinen Staat
noch gegen irgendein Volk richtet. Dieses Verbot ist eine der
blödsinnigsten Schikane, die man sich denken kann. (Posl.
dr Schollich: Singen Sie es einmal nach der Melodie "Hrom
a peklo"!) Wir
werden es einmal versuchen müssen. Auf dasselbe Gebiet gehört
das Verbot der letzten Strophe des Liedes "Wenn alle untreu
werden". Abgesehen davon, daß es sich auch hier um
ein sehr altes Lied handelt, so drückt es doch nichts anderes
aus, als das Bekenntnis zur Zusammengehörigkeit aller Deutschen
und dies Ist doch hoffentlich noch erlaubt. Ferner drückt
es eine Absage an die Kriecherei aus. Hierin dürften wir
wohl den Grund des Verbotes sehen, denn die Erziehung zur Kriecherei
ist einer gewissen Regierungsweisheit letzter Schluß.
Wenn Behörden letzter Ordnung jetzt schon
sich derartige Dinge herausnehmen, so kann man sich erst vorstellen,
wie es aussehen wird, wenn ihnen noch mehr Macht in die Hände
gespielt sein wird. Dieses ist ein Grund für uns, diese Vorlage
auf das Entschiedenste abzulehnen. Wir machen - und ich unterstreiche
das noch einmal - die deutschen Regierungsparteien für dieses
Machwerk voll und ganz verantwortlich. (Posl. Krebs: Vielleicht
werden Sie es einmal selbst spüren! Es ist ja schon einmal
eingetroffen, beim Schutzgesetz!) Das dürfte sehr bald
eintreffen, gewisse Parteien haben ja auch das von Ihnen genehmigte
Schutzgesetz schon zu spüren bekommen! Gewiß wird das
auch solche treffen, die jetzt für die Vergewaltigungen der
Regierungskoalition eintreten; dann wird ein großes Jammern
angehen. (Posl. dr Schollich: Sie wollen aber nicht aus der
Regierung!) Sie werden eben herausgeschmissen werden müssen.
Vor allem aber wenden wir uns gegen die nationale
Vergewaltigung, die in diesem Machwerk mit Hilfe deutscher Lanzknechte
am Sudetendeutschtum begangen wird. Wir stellen nochmals fest,
daß dieses Gesetz in keiner Weise dem in der Regierungserklärung
vom 15. Oktober 1926 gegebenen feierlichen Versprechen gerecht
wird, wonach wir Deutschen nunmehr Gleiche unter Gleichen seien.
Noch weniger ist es als Erfüllung jener Ziele zu betrachten,
die in jener staatsrechtlichen Erklärung enthalten sind,
welche der damalige deutsche Vizepräsident des Abgeordnetenhauses
und der jetzige Minister Dr. Spina - vor einigen Augenblicken
hat er noch die Ministerbank geschmückt - von dieser Stelle
aus im Namen der deutschen Regierungsparteien und meiner Partei
abgab. (Výkøiky.)
Möglich, daß unterdessen
die Symbiose sein Erinnerungsvermögen geschwächt hat.
(Veselost na levici.) Aber
wir vergessen nicht und wir erinnern auch den Herrn Dr. Spina
daran, daß es in der staatsrechtlichen Erklärung vom
18. Dezember 1925 u. a. hieß: "Deshalb verlangen wir,
daß auch der Aufbau des Staates und die Art, wie er regiert
wird, sich nach den Bedürfnissen und Forderungen aller ihn
bewohnenden Völker richtet." Man wird in den vier slavischen
Herrschaftsgebieten, welche durch die "Länder"
dargestellt werden, vergeblich eine Erfüllung dieser Forderung
nach einem Umbau des Staates suchen.
Wir klagen die deutschen Regierungsparteien,
die an diesem Machwerk hervorragend mitbeteiligt sind, an, ihre
Verpflichtungen nicht eingehalten zu haben und dem Sudetendeutschtum
alles schuldig geblieben zu sein. (Posl. Simm: Nicht einmal
die Schulautonomie haben Sie durchzusetzen verstanden!) Sehr
richtig, ich komme darauf noch zu sprechen. In meiner Rede vom
28. Juni v. J. habe ich und nach mir mein Parteigenosse Teschner
im Senat die aus dem Streben nach der nationalen Selbstverwaltung
entspringenden Forderungen dahingehend zusammengefaßt, daß
der Staat sich nicht auf den Ländern, sondern auf den ihn
bewohnenden Völkern aufbauen müsse und daß daher
wir nahezu 3 1/2
Mill. Sudetendeutscher als Nation anerkannt werden müßten.
Ferner folgerten wir und vertraten es ebenfalls in Anträgen,
daß dies die Selbstverwaltung unseres gesamten Bildungswesens
und die Anerkennung unseres geschlossenen Siedlungsgebietes als
Lebensraum unseres Volkes zur Folge haben muß. Das sudetendeutsche
Gebiet den Sudetendeutschen, so lautet unser Losungsruf! Diese
unsere Anschauungen sind auch, wie ich schon bemerkte, in unseren
seinerzeit zur Regierungsvorlage eingebrachten Abänderungsanträgen
niedergelegt worden.
Wir haben mit dieser - übrigens schon
im alten Österreich verfochtenen - Stellungnahme auf den
Standpunkt zurückgegriffen, welchen Palacký im Kremsierer
Reichstag vertrat. Er führt dort am 22. Jänner 1849
Folgendes aus: "Ohne die gerechte Abgrenzung ist die so sehr
gepriesene Gleichberechtigung der Völker eine Illusion"
- an diesen Worten möge sich auch Herr Švehla
ein Beispiel nehmen. (Posl. Krebs: Nach 50 Jahren!) Sehr
richtig! Auch darauf komme ich noch zu sprechen. - "Dann
ist in Böhmen der Deutsche gleich Null. Eine unnatürliche
Ehe trug nie gute Früchte. Deshalb ließ man die Ehescheidungen
zu. Ebenso ist die unnatürliche Länderverbindung ein
Fluch der Menschheit."
Soweit die Worte Palacký's. In Auswirkung
dieser seiner Anschauungen stellte er am nächsten Tage folgenden
Antrag: "Ich beantrage folgende Ländergruppen: 1. die
deutschösterreichische, 2. die èechische, 3.
die polnische... Ich rechne nun zur ersten Gruppe Österreich
Ob und Unter Der Enns, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Deutsch-Tirol,
Vorarlberg, dann Deutsch-böhmen, Deutschmähren und Schlesien".
Man möge nicht erschrecken, Palacký sagte ausdrücklich
Deutsch-Böhmen, gebrauchte also ein Wort, das bekanntlich
heute so verpönt ist wie das Wort Èechei, obzwar dieses
Wort unserem Sprachgebrauch entspricht. (Posl.
Krebs: Vorige Woche hat der Abgeordnete Knirsch wegen des
Ausdruckes "Èechei" den Ordnungsruf
bekommen!) Man will uns sogar vorschreiben,
wie wir deutsch zu sprechen haben. (Posl. Krebs: Die Herren
unterscheiden ja auch nicht zwischen Deutschland und dem Deutschen
Reichc! Sie meinen jedesmal etwas anderes!) Sehr richtig.
In diesen Ausführungen Palacký's kommt sogar, wie
ich schon bemerkte, der verpönte Ausdruck "Deutschböhmen"
vor und so ist wohl bald zu erwarten, daß unter dem heutigen
System seine Schriften genau so zensuriert werden wie unsere Reden.
(Posl. Krebs: Der konfiszierte Palacký!) Das kann
ihm unter Mayr-Harting schon passieren. Die Èechen
nennen Palacký den größten Geschichtsschreiber
und haben ihm den Ehrentitel "Vater der Nation" zuerkannt,
aber es fällt ihnen nicht ein, sich an seine Anschauungen
zu halten und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen.
Nicht einmal das jetzige Staatsoberhaupt zieht die Folgerungen
aus jenen Anschauungen, die es als Hochschullehrer und Abgeordneter
im österreichischen Reichsrat vor 32 Jahren vertreten hat.
Damals hat Reichstagsabgeordneter Prof. Dr. Masaryk in
der Wiener Wochenschrift "Die Zeit", Band VII, Nr. 82
seine Anschauungen zur deutsch-böhmischen Ausgleichsfrage
im Sinne Palacký's und Havlíèek's niedergelegt.
In seinen Ausführungen wendete er sich gegen den Nationalismus
überhaupt - gemeint ist hier wohl Chauvinismus
- und bekannte sich zu den Grundsätzen der Freiheit und sozialen
Gerechtigkeit. Ausdrücklich sprach er sich für die politische
Autonomie aus. Ich möchte diese Ausführungen denn doch
zum Teil verlesen, weil sie sehr wertvoll sind. Masaryk
hat 1896 - er hat es dann ausdrücklich im Jahre 1919 wiederholt,
als er von dem Journalisten Hans Vorst darüber befragt wurde,
ob er sich noch immer zu diesen Grundsätzen bekenne - Folgendes
geschrieben: "Erstens erkläre ich, daß ich überhaupt
auf keinem nationalen Standpunkt stehe und daher auch nicht in
der Frage unseres Verhältnisses zu den Deutschen. Ich stehe
auf unserem böhmischen Humanitätsprogramme". Ferner
wendet er sich dagegen, daß jemandem seine Sprache genommen
wird und schreibt darüber: "Jemandem seine Sprache zu
nehmen, ist nach meiner Meinung ein geistloser Materialismus und
ein politischer Mechanismus. Ich komme immer mehr zu der Erkenntnis,
daß, was den Charakter betrifft, die Germanen den Slaven
am nächsten stehen". Auch so ein Satz, der sehr wenig
beherzigt wird. Ferner: "Der Friede zwischen uns und den
Deutschen, ein dauernder Friede, ist auf dem Programm des politischen
Nationalismus nicht möglich. Der heutige Nationalismus ist
ein Aberglaube und Fanatismus. Wer in der Sprache einen Abgott
sieht, der wird im Namen dieses seinen Abgottes jene zu ersticken
trachten, die einen anderen Abgott haben". Wir sagen wohl
ricbtiger statt "Nationalismus": "Chauvinismus".
Weiter: "Der Friede zwischen uns und den Deutschen, oder
besser gesagt eine positive und gemeinsame kulturelle und politische
Mitarbeit ist aber möglich, wenn wir als sogenanntes formales
Prinzip die Freiheit und als sogenanntes materielles Prinzip die
soziale Gerechtigkeit anerkennen. Wer im Ernste die Freiheit und
soziale Gerechtigkeit will, der muß in concreto für
die politische Autonomie arbeiten". (Posl. Simm: Wo ist
aber dieses "concreto"?) Ich komme sofort darauf
zu sprechen. Soweit, allerdings stark gekürzt, die Ausführungen
Masaryks aus dem Jahre 1896. Zwischen den Reichstagsabgeordneten
von damals und dem Präsidenten von heute ist - mag man es
drehen und wenden wie man will - ein gewaltiger Unterschied. Darüber
können auch gelegentliche, übrigens sehr dehnbare Äußerungen
nicht hinweghelfen. Der Masaryk von heute hält zu
Frankreich in guten und bösen Tagen, sieht den wendischen
Volkssplitter als ein unerlöstes slavisches Volk an und betrachtet
uns Sudetendeutsche noch immer als "Kolonisten". (Posl.
Krebs: So wie etwa die französischen Kolonien!) Sehr
richtig. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß
wir unterdessen zum "organischen Bestandteil des Staates"
vorrücken durften (Sehr gut!), denn aus dieser Äußerung
werden ja die notwendigen Folgerungen nicht gezogen. Und es gehört
schon die Bescheidenheit der Senatoren Luksch und Genossen
dazu, sich über derartige Äußerungen kindisch
zu freuen. Nur Hörigennaturen, wie es die parlamentarischen
Vertreter der deutschen Regierungsparteien anscheinend sind, werden
sich mit der Bedientenrolle zufrieden geben, die man uns gnädig
zuerkennen will. Es gehört zu den Ironien der Geschichte,
daß gerade wir Nationalsozialisten die Ansichten Palacký's,
übrigens nicht erst seit heute, vertreten. Wir haben uns
seit jeher gegen die historischen Länder gewendet, ebenso
natürlich auch gegen die Gaue, die wir trotz der zwei reindeutschen
Gaue als unserem Volkstum schädlich ansahen, weil sie dieses
in Bruchteile zerrissen hätten. Was aber nie und nimmer einzusehen
ist und nur mit lächerlichen Scheingründen verteidigt
werden kann, das ist die Angliederung Schlesiens an Mähren,
denn wenn schon die Länder bestehen bleiben, dann muß
dasselbe auch für Schlesien gelten. Es ist schlechterdings
nicht einzusehen, warum zwar Böhmen, Mähren, die Slovakei
und Karpathorußland bestehen bleiben und ausgerechnet Schlesien
von der Landkarte verschwinden muß. Das heißt: es
ist wohl einzusehen, wenn man sich vor Augen hält, daß
seine Vereinigung mit Mähren keinerlei wirtschaftliche und
verwaltungstechnische Ursachen hat, sondern auf rein èechischnationale
Beweggründe zurückzuführen ist.
Schlesien mußte, wie ich schon im Vorjahre ausführte,
seiner Selbständigkeit deshalb und nur deshalb - beraubt
werden, weil es mit seinen mehr als 40% Deutschen die verhältnismäßig
stärkste deutsche Stellung darstellte. An dieser Tatsache
vermag alles Deuteln und Drehen der Herren Koll. Hodina,
Dr. Luschka usw. nichts zu ändern. Sinnfälliger
als durch diese Preisgabe kann die Ohnmacht und Einflußlosigkeit
der deutschen Regierungsparteien, die sich noch anfangs des Vorjahres
für die Selbständigkeit Schlesiens aussprachen, nicht
zum Ausdruck gebracht werden.
In einem Eventualantrag haben wir seinerzeit
bei Beratung der Regierungsvorlage im Abgeordnetenhause und Senat
die Weiterbelassung der Selbständigkeit Schlesiens und der
Hauptstadt Troppau als Landeshauptstadt gefordert. Wir sind uns
darüber klar, daß die Wiederholung dieser Anträge
am heutigen Tage zwecklos wäre, weshalb wir darauf verzichten.
Wir stellen jedoch noch einmal die große Schuld der deutschen
Regierungsparteien an dieser Wandlung der Verhältnisse zum
Schlechteren fest und stellen auch fest, daß sie ihr Wort
nicht gehalten haben. (Souhlas na levici.)
Mit dem Inkrafttreten der Verwaltungsreform
wird Troppau seiner Stellung als Landeshauptstadt entkleidet und
zu einer gewöhnlichen Bezirksstadt herabgedrückt. Darüber
kann auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, daß es
nach der vor Jahren vorgenommenen, sehr gründlichen Beschneidung
seiner ursprünglichen Autonomie noch ein Stückchen Scheinautonomie
besitzt. Meines Wissens ist nicht einmal die Wiederherstellung
seines früheren Zustandes in Aussicht genommen. Über
die Folgen dieser Wandlung - insbesondere jene wirtschaftlicher
Natur - ist sich die Bevölkerung Schlesiens und Troppaus
im Klaren. Eine teilweise Entschädigung von irgend einem
Werte könnte meines Erachtens nur darin liegen, daß
Troppau Hochschulstadt wird. Das soll jedoch selbstverständlich
niemals das Aufgeben der Forderung nach Wiederherstellung der
Selbstständigkeit Schlesiens bedeuten! Zur Forderung nach
der Selbstverwaltung unseres Schulwesens, einer Forderung - die
sehr spruchreif ist, weil sich ja am 1. Juli d. J. der Tag jährt,
an welchem die Schulautonomie nach den Erklärungen des Schulministers
Dr. Hodža eigentlich hätte
in Kraft treten sollen - zur Forderung also nach der Selbstverwaltung
unseres Schulwesens, auf welcher die deutschen Regierungsparteien
angeblich noch immer bestehen, gehört auch die Verlegung
unserer deutschen Hochschulen in das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet.
Wir haben zwei deutsche Hochschulen in Prag. Ich frage:
Was haben sie hier zu suchen? Wenn man schon von Brünn absieht,
das immerhin noch eine bedeutende deutsche Minderheit besitzt,
aber Prag? Für die Èechen allerdings ist Prag der
Mittelpunkt, ihr kultureller, wirtschaftlicher, staatlicher
Mittelpunkt. Für uns aber ist diese Stadt, in welcher nicht
einmal deutsche Aufschriften geduldet werden, dieses Prag, das
sich zwar nach außen hin zur Großstadt entwickelt,
aber was die Einstellung seiner Bevölkerung anbelangt, einer
chauvinistischen Kleinstadt wie etwa Èáslau,
Podìbrad usw. gleicht, nichts anderes als die Verkörperung
eines unerträglichen Systems, das uns zu Hörigen stempelt,
also eine Art Zwingburg! Wir haben aber auch darauf zu verweisen,
daß wir ja mit unseren Hochschulwesen überhaupt
sehr übel dran sind. (Posl. Simm: Wo bleiben unsere Spezialhochschulen?
Wo bleibt die deutsche Handelshochschule?) Ganz richtig. Wo
ist die deutsche Handelshochschule, wo bleiben die deutschen Hochschulen
für Bergbau und Tierarzneikunde? Drei Hochschulen - um nur
das Allernotwendigste zu nennen - besitzen wir überhaupt
nicht und die beiden deutschen Prager Hochschulen stehen weder
ihrer Unterbringung noch ihrer Ausstattung nach auch nur annähernd
auf der Höhe einer reichsdeutschen Provinzhochschule. (Posl.
Krebs: Dabei leben hier mehr Deutsche als in Dänemark Dänen!)
Sehr richtig. Dazu kommen die elenden Verhältnisse -
elend im Hinblick auf Unterkunft wie auf Betätigungsmöglichkeit
unter welchen unsere bedauernswerten Studenten in Prag leben müssen.
Das Verderblichste aber ist die Symbiose, welche von Lehrern an
diesen Pflegestätten deutschen Geistesausstrahl. (Posl.
Krebs: Die aspirieren alle auf Ministerstühle!) Zwei
Hochschullehrer sind ja schon Minister; der eine gesteht offen
die Symbiose zu, der andere ist zwar nicht so offen, aber denkt
sich dasselbe. In einer anderen Umgebung würden auch die
Spina und Mayr-Harting, wenn schon nicht geändert
werden - dazu sind die rassischen Vorbedingungen nicht vorhanden
- so doch sich mehr Zurückhaltung auflegen. In der Provinz
würde man ihnen jedenfalls das Rückgrat steifen, wenn
es sich allzuarg krümmen wollte.