Der Herr Abg. Zajièek
erklärte, daß die deutschen Regierungsparteien die
Wünsche der Kriegsbeschädigten nicht rasch genug deshalb
erfüllen konnten, weil sie nur 20% in der Koalition ausmachen
und einer Übermacht von 80% der èechischen
Parteien gegenüberstehen. Diese Ausrede ist nicht sehr originell,
denn ich habe sie schon vor mehr als einem Jahre aus dem Munde
des Ministers Mayr-Harting
gehört, der sie scheinbar erfunden hat, und gegenwärtig
rumort mit derselben Ausrede der Herr Senator Dr. Medinger
in den christlichsozialen Parteiversammlungen herum und entschuldigt
damit die Ergebnislosigkeit der deutschen Regierungspolitik. Ich
muß diese Ausflucht als sehr fadenscheinig bezeichnen. Die
deutschen Regierungsparteien haben bei ihrem Eintritte
in die Regierung vor 2 Jahren ganz genau gewußt, wie sich
ihre ziffernmäßige Stärke im Verhältnis zu
den Èechen darstellt. Sie hatten daher die Pflicht, von
allem Anfange an ihr Programm und ihre Taktik auf diese Stärkeverhältnisse
abzustimmen, insbesondere aber die gespannten Verhältnisse
unter den èechischen Parteien zur Stärkung der eigenen
Position auszunützen. Vielleicht wäre auch ein taktisch
klug eingerichtetes Zusammenspiel zwischen deutschen Regierungs-
und Oppositionsparteien von Vorteil gewesen,
wozu die deutschen Oppositionsparteien nachweisbar anfangs bereit
gewesen sind, das aber von den Regierungsparteien ausdrücklich
und öffentlich abgelehnt wurde. Die deutschen Aktivisten
haben aber ihre Stärke überschätzt, haben
alles lieber auf die eigene Karte der èechischen Freundschaft
gesetzt, sind in schärfste Kampfstellung gegen die deutschen
Oppositionsparteien, also gegen die eigenen Volksgenossen gegangen
und haben sich dadurch selbst bei ihrem planlosen Hineindrängen
in die Regierung von vornherein um jeden Einfluß gebracht.
Es ist auch lächerlich, in einer demokratischen Regierung
- und um eine solche handelt es sich doch nach Ansicht der deutschen
Regierungsparteien den politischen Erfolg von der ziffernmäßigen
Stärke abhängig machen zu wollen. Das heißt doch
nichts anderes, als in das demokratische System die Diktatur der
Ziffer hineinschmuggeln zu wollen. Gerade aber im demokratischen
System liegen doch die Verhältnisse ganz anders. Die Macht
eines Ministers im Ministerrate ist einzig und allein nur abhängig
von seiner Persönlichkeit, von seiner sachlichen Eignung
und seinem politischen Talent, von der Fähigkeit sich durchsetzen
zu können. Genau so hängen die Erfolge in der Politik
einer Partei nicht allein von ihrer zahlenmäßigen Stärke,
als vielmehr von ihrer zielbewußten und energischen Taktik
ab, die allerdings bei dem Parteiführer ein gewisses politisches
Talent und einen sicheren Blick im Erfassen der politischen Situation
voraussetzt. Wenn Koll. Zajièek die
Erfolglosigkeit der deutschen Regierungspolitik aus der proportionalen
Stärke der deutschen Regierungsparteien gegenüber ihren
èechischen Gegenspielern ableitet, so gibt er damit implicite
zu, daß diese deutschen Parteien weder die richtigen Persönlichkeiten
in den Ministerrat entsenden, noch die richtige Taktik eingeschlagen
haben. Damit aber gibt er uns recht, die wir von allem Anfange
an unsere Kritik der deutschen Regierungspolitik auf diese Argumente
aufgebaut haben.
Der Herr Abg. Zajièek
weist auch mit Emphase darauf hin, daß das von uns
noch heute als schlecht bekämpfte Kriegsbeschädigtengesetz
von den èechischen sozialistischen Parteien mitgemacht
wurde, denen es während ihrer Regierungsteilnahme nicht gelungen
sei, eine Verbesserung dieses Gesetzes zu erzielen.
Ich bin weit davon entfernt, die Politik sozialistischer Parteien
irgendwie verteidigen oder rechtfertigen zu wollen. Ich darf aber
bloß die eine Tatsache feststellen, daß das bisherige
Kriegsbeschädigtengesetz die Frucht eines Kompromisses
zwischen èechischen bürgerlichen und èechischen
sozialistischen Parteien gewesen ist, das naturnotwendig alle
Mängel und Schönheitsfehler eines Kompromisses an sich
tragen muß. Wenigstens haben aber die èechischen
sozialistischen und bürgerlichen Parteien
im Kompromißwege ein Gesetz herausgebracht, also Positives
geschaffen. Das Kompromiß zwischen den deutschen und èechischen
Bürgerparteien hat aber weder etwas Positives noch etwas
Negatives, sondern nur das Resultat Null gezeitigt. Die bürgerlich
konservative Regierungsmehrheit hat das Kompromiß
geschlossen, gar nichts zu machen und den gegenwärtigen Zustande
der Kriegsinvalidenfürsorge unverändert bis zum heutigen
Tage zu erhalten. Der schmähende Hinweis auf die angeblich
schlechte Arbeit der Sozialisten entschuldigt aber gar nicht die
Untätigkeit der deutschen Regierungsparteien, die sie selbst
so gerne mit dem Namen des Aktivismus verdecken.
Die ärgste Entgleisung ist aber dem Koll.
Zajièek dadurch passiert,
daß er den in statu demissionis befindlichen Minister Dr.
Engliš öffentlich der Lüge beschuldigt.
Dr. Engliš hat im Jahre 1926 in der Budgetdebatte
ausdrücklich erklärt, daß er die Invalidenentschädigung
ebenfalls in das Programm der Sparmaßnahmen einbeziehe,
daß er aber keineswegs an eine Verschlechterung der Invalidenversorgung
in unsozialer Weise denke. Engliš erklärte, er
wolle allen denen, die eine Invalidenrente ganz zu Unrecht beziehen,
oder deren Erwerbstätigkeit den Bezug einer Rente überflüssig
macht, die Rente entziehen, mit diesen ersparten Beträgen
die Renten der Schwerstbeschädigten auf eine menschenwürdige
Höhe bringen und dabei von selbst noch Ersparnis für
den Staatshaushalt erzielen, die er den Altpensionisten zuzuwenden
gedenke. Dieser Plan des Finanzministers stieß damals auf
den Widerspruch der Opposition, wurde aber von den Regierungsparteien
lobend zur Kenntnis genommen. Heute stellt aber der Koll. Zajièek
den Finanzminister Engliš als einen Mann hin, der
die Invalidenfürsorge plan mäßig verschlechtern
wollte, und bucht es als einen Erfolg der deutschen Regierungsparteien,
die angeblich verhindert hätten, daß Engliš
seine schwarzen Pläne in die Tat umsetze. Es wäre wirklich
interessant, den Herrn Finanzminister Engliš zu hören,
was er zu dieser Darstellung des Herrn Abgeordneten Zajièek
zu sagen hat. Diese Antwort könnte sieh dann auch der Herr
Abg. Tichý hinter den Spiegel stecken, der ebenfalls
den Herrn Finanzminister an einen von den deutschen Regierungsparteien
behinderten Schädling der Invalidenfürsorge geschildert
hat.
Der Herr Abg. Schubert hat bei
dieser Gelegenheit auch die ganze Schuld, daß die deutschen
Regierungsparteien den armen Kriegsbeschädigten noch nicht
helfen konnten, den èechischen Regierungsparteien in die
Schuhe geschoben. Da drängt sieh einem doch die Frage auf,
warum die deutschen Regierungsparteien sieh in der Kriegsinvalidenfrage
nicht ganz einfach an die Seite der deutschen und èechisehen
Oppositionsparteien gestellt haben. Da wäre eine parlamentarische
Mehrheit geschaffen worden, die in seltener Eintracht
das Problem der Invalidenfürsorge in geradezu glänzender
Weise gelöst hätte. Bitte nicht zu sagen, daß
das nicht möglich wäre. In der Politik ist alles möglich,
und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und wenn die jetzige Regierung
dabei über die Klinge gesprungen wäre, so brauchte uns
das auch keine Sorge zu bereiten. Es hätte sich sofort eine
neue Mehrheit gebildet, die bereit gewesen wäre, das Ruder
des Staatsschiffes zu führen.
Der Herr Abg. Schubert hat aber noch
ein ganz merkwürdiges Rezept aus der politischen Küche
der Regierungskoalition verraten. Wenn nämlich ein Vertreter
im Achterausschuß, dem alle Gesetzesanträge zuerst
vorgelegt werden müssen, gegen eine Gesetzesvorlage Einspruch
erhebt, so muß dieselbe von der Tagesordnung abgesetzt werden.
Da es in diesem Achterkomitee also überhaupt kein Überstimmen
gibt, so ist damit auch der Abg. Zajièek
durch seinen Koalitionskollegen Schubert widerlegt, der
die Erfolglosigkeit der Regierungsdeutschen durch deren ziffernmäßige
Schwäche entschuldigen wollte. Es ist nur merkwürdig,
daß immer die deutschen Regierungsparteien diesem èechischen
Veto unterlegen sind, wenn sie den Kriegsbeschädigten helfen
wollten. Hingegen war von einem deutschen Veto im Achterausschuß
nichts zu spüren, als der Minister Udržal
das ganze Bukett von Militärvorlagen zur Welt brachte, als
Minister Èerný
die Verwaltungsreform erfand und Finanzminister Engliš
uns das Gemeindefinanzgesetz bescherte. Warum haben die deutschen
Regierungsparteien durch ihr Veto diese und andere, für uns
Deutschen schädlichen Gesetze nicht verhindert? Wir haben
ein Recht zu erfahren, ob hier ein Verrat der deutschen Regierungsparteien
an den Lebensinteressen des deutschen Volkes in diesem Staate
vorliegt oder ob vielleicht das Vetorecht im Achterausschuß
nur die Èechen, nicht aber die Deutschen haben, was eine
ganz merkwürdige Illustration zu ihrer Behauptung von "Gleichen
unter Gleichen" wäre. Ich befürchte, daß
weder ein Vertreter der deutschen noch der èechischen Regierungsparteien
auf diese Fragen antworten wird. Die Herrschaften
werden sich hinter das Amtsgeheimnis der Regierungskoalition verstecken
und sich dabei noch den Nimbus der geheimen Diplomatie zulegen
wollen. Sie spekulieren aber falsch, wenn sie hoffen, daß
niemand so etwas als feige Flucht vor der Verantwortung erkennen
wird. Die Versprechungen, welche die deutschen Regierungsparteien
den Kriegsbeschädigten am 31. Mai gemacht haben, haben sie
dadurch in die Tat umgesetzt, daß sie im Laufe dieser Woche
alle Versuche der Oppositionsparteien, eine Verbesserung des vorliegenden
Gesetzesantrages durchzuführen, in rücksichtsloser Weise
bekämpft und vereitelt haben. Die deutschen Regierungsparteien
sind Sieger über die Opposition geblieben. Die deutschen
Regierungsparteien geben zwar vor, daß sie nicht die Macht
haben, den Kriegsbeschädigten zu helfen, aber sie zeigen,
daß sie soviel Macht haben, um jede Hilfe für die Kriegs
invaliden unmöglich zu machen. Sie nennen das Teilnahme an
der Macht, wir nennen das sträflichen Mißbrauch der
geringen Reste von Macht. Der Minister Šrámek
und die deutschen Regierungsparteien sind einander würdig.
Alle lösen sie ihr gegebenes Wort nicht ein. Und von diesen
Menschen ist das Schicksal der Kriegsbeschädigten abhängig.
So sieht im Jubiläumsjahr die Sozialpolitik in der
Èechoslovakischen Republik aus. (Potlesk poslancù
nìm. strany národní.)
Meine Damen und Herren! Es ist von meinem unmittelbaren
Vorredner mit Recht der Umstand kritisiert worden, daß während
der ganzen Zeit der Behandlung der zur Beratung aufliegenden Regierungsvorlage
der Minister für soziale Fürsorge, also der Minister
des zuständigen Ressorts im Hause nicht erscheint. Es ist
schon bei der Beratung des sozialpolitischen Ausschusses zu diesem
Gesetz wie auch bei der Beratung des Budgetausschusses die gleiche
Beschwerde geführt worden. Wir haben nunmehr versucht, dieser
Beschwerde des Koll. Horpynka in Form eines Antrages ein
bißchen zur Durchführung zu verhelfen, dadurch, daß
wir beantragt haben, die Sitzung des Hauses zu unterbrechen, bis
es eben der Minister für soziale Fürsorge der Mühe
wert gefunden haben wird, im Hause zu erscheinen. Die komplizierte
Geschäftsordnung hat uns allerdings nicht die Möglichkeit
gegeben, diesem Antrage auch nur einigermaßen Beachtung
durch das Präsidium verliehen zu sehen, aber vielleicht findet
sich das Präsidium selbst auch in die Lage versetzt, dem
Appell, der hier von einigen Rednern an das Präsidium schon
gerichtet wurde, zur Berufung des Ministers für soziale Fürsorge
zur Beratung im Hause Nachdruck zu verleihen in Form der Durchführung
dieses Antrages. (Výkøiky posl.
inž. Junga.) Ich habe zum vorliegenden
Gesetzesantrag der Regierung schon im sozialpolitischen Ausschuß
Stellung genommen und wenn auch nur kurz, so glaube ich doch kennzeichnend
genug meine und meiner Partei Meinung hierüber Ausdruck gegeben
zu haben. Ich wiederhole die bei den Beratungen im Ausschuß
getane Äußerung, mit der, so nehme ich an, mehr charakterisiert
wird als die Haltung der Regierung etwa zum vorliegenden Gesetze,
eine Meinung, die in dem Gesetze gipfelte, es fehlt den heutigen
Regierungsparteien, es fehlt der heutigen Koalition überhaupt
der nötige Ernst, eine große Frage aufrichtig und befriedigend
zu behandeln. (Sehr richtig!) Mit dem Beschluß des
vorliegenden Gesetzes bewegt man sich seitens der Regierungsparteien
nur weiter innerhalb des berüchtigten Systems der Provisorien,
das man aufrichtete, um großen Fragen aus dem Wege gehen
zu können. Wir begegnen diesem System bei der Kriegsbeschädigtengesetzgebung,
wie wir es wahrnehmen konnten, vor nicht all zu langer Zeit bei
der Behandlung der Pensionistenfrage in diesem Hause und wie wir
es wahrnehmen konnten bei den weiteren Gesetzeswerken, wie sie
durch die heutige Regierungskoalition verabschiedet wurden. (Posl.
inž. Jung: Baubewegung!) Sehr richtig,
bei der Baugesetzgebung, bei der Gesetzgebung über die Mieten
und dergleichen. (Posl. inž. Jung: Wenn sie einmal
ein Gesetz macht, wie das Gemeindefinanzgesetz,
dann ist es ein Quark!)
Ich wollte eben das sagen, was Koll. Jung
durch den Zwischenruf bemerkt hat. Ein. Provisorium oder etwas,
was in der Tat schlecht und schlampig ist, das ist die Tätigkeit
der heutigen Regierungskoalition; Provisorien oder Gesetze wie
das Gemeindefinanzgesetz oder das Gesetz über die Verwaltungsreform,
Gesetze, die nicht durchführbar sind und novelliert werden
müssen, bevor sie zur Durchführung gelangen können.
Nichts anderes also als wieder ein Provisorium ist das vorliegende
Gesetz, und an dieser Feststellung ändert gar nichts der
Umstand, daß dieses Provisorium diesmal ein halbes Jahr
gilt, bis zum 30. Juni 1929, statt wie früher auf ein ganzes
Jahr. Das ist der ganze Sinn der augenblicklichen Arbeit der Koalition,
der bezüglich der Kriegsbeschädigtengesetzgebung in
dem lapidaren Satze des Art. I dieses vorliegenden Gesetzes gipfelt,
der da heißt: "Die Wirksamkeit des § 2, Abs. 1,
des Gesetzes vom 20. Feber 1920, S. d. G. u. V. Nr. 142, über
die Bezüge der Kriegsbeschädigten in der Fassung des
Gesetzes vom 25. Jänner 1922, S. d. G. u. V. Nr. 39, mit
der durch das Gesetz vom 10. April 1924, S. d. G. u. V. Nr. 79,
beschlossenen Abänderung wird bis längstens 30. Juni
1929 verlängert." (Výkøiky.)
Das ist die ganze Weisheit, meine
Damen und Herren, die auch noch aus so viel anderen Arbeiten und
Tätigkeiten der heutigen Koalition hervorgeht, sie ist insbesondere
durch dieses Gesetz charakterisiert. (Posl. inž.
Jung: Am besten ist, ein einziges Gesetz zu machen, mit der Bestimmung:
Die Regierung kann machen, was sie will!) Das
wäre am besten, wenigstens er sparte das uns die erfolglose
und uns zum Ekel werdende Arbeit, die wir leider Gottes verrichten
müssen. Bei unseren seinerzeitigen Reden zum Kriegsbeschädigtenproblem
verwiesen wir schon darauf, wie unhaltbar die Einrichtung
einer Einkommensgrenze, an die der Bezug der Rente gebunden ist,
sich überhaupt erweist und wie bei dieser Regelung der èechslovakische
Staat einzig und allein in der Reihe der Staaten marschiert, die
über eine Kriegsbeschädigtengesetzgebung
verfügen und wie er die Sonderstellung, welche er bei der
Behandlung des ganzen Komplexes der Invalidenfrage einnimmt, geradezu
ad absurdum führt. Kein Staat hat eine solche gesetzliche
Regelung geschaffen, überall ist der von uns gewünschte
Grundsatz verwirklicht, daß die Rente dem gebührt,
der das Opfer seiner Körperbeschädigung für die
Allgemeinheit brachte, unbeschadet seines Einkommens, das er sich
nachträglich im zivilen Leben zu schaffen wußte. Wir
gaben unserer Meinung weiter dahin Ausdruck, daß es höchstens
einen freiwilligen Verzicht auf die Rente geben dürfe. Deutschland
hat zwar in einer gewissen Form eine Einkommensgrenze für
Kriegsbeschädigte gesetzlich eingeführt, doch ist die
Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte beim reichsdeutschen
Gesetz weit höher gehalten und so organisiert, daß
bei Erreichung des festgesetzten Einkommens nicht die ganze Rente
in Wegfall kommt, sondern lediglich eine Abstufung im Bezuge derselben
eintritt. Die Schwerbeschädigtenzulage, die Ortszulage
und die Ausgleichszulage werden ohne Rücksicht auf die Höhe
des Personaleinkommens eines Kriegsbeschädigten in Deutschland
weiter bezahlt. Wie sieht es nun aber tatsächlich mit der
Kriegsbeschädigtenfürsorge in der Èechoslovakei
aus? Seit dem Jahre 1920, also seit
acht Jahren, kämpfen die Kriegsbeschädigten in der Èechoslovakischen
Republik um eine Verbesserung der gesetzlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge,
die durch das Urgesetz vom Jahre 1920 nicht gelöst war. Die
Novelle vom Jahre 1922 hat nur unwesentliche
Veränderungen des Urgesetzes gebracht, sie beließ vor
allem die Einkommensgrenze, die durch das Gesetz vom 10. April
1924 zu allem Unheil noch von 6000 auf 5000 Kè herabgesetzt
wurde.
Wenn wir aus dem Versorgungsgesetz nur einige
Bestimmungen wie z. B. die über die Höhe der Rentensätze
herausgreifen, so zeigt sich der ganze Jammer, der die Kriegsbeschädigtenfrage
umgibt, deutlich genug auf. So erhält z. B. bei uns ein hundertprozentiger
Kriegsbeschädigter einschließlich der Teuerungszulage
täglich 9.60 Kè, ein 25%iger unter Einschluß
der Teuerungszulage 2.22 Kè, ich bitte 2.22 Kè,
eine 50 %ig erwerbsunfähige Kriegerwitwe mit ihrer Teuerungszulage
2.46 Kè, eine Vollwaise 2.40 Kè, eine Halbwaise
und ein Vorfahre 1.67 Kè. Ich frage Sie: Sind
diese Sätze nicht ein Hohn auf alle Einsicht, die man gerade
den Kriegsverletzten gegenüber doch walten lassen müßte?
(Posl. inž. Jung: Vielleicht wird sogar noch etwas
abgezogen!) i Ich möchte auch weiter
die Frage stellen, ob solche Ziffern nicht eine Illustration
sind für unsere Behauptung von der Lüge vom sozialen
Staat, als welchen sich die Èechoslovakische Republik im
In- und Auslande repräsentiert. Ich frage Sie: Wer wagte
es denn, die Frage anders zu beantworten, die ich hier gestellt
habe als in dem Sinne, wie wir das heute tun
müssen, nachdem wir erfolglos zu wiederholtenmalen dasselbe
schon getan haben?
Aber zur richtigen Beurteilung der Behandlung der èechoslovakischen
Kriegsbeschädigten gelangt man doch erst, wenn wir die Bestimmungen
der geltenden Versorgungsgesetze in ihrer praktischen
Anwendung draußen im Leben studieren. Diese praktische Anwendung
draußen im Leben stellen den Jammer und das Elend der Kriegsbeschädigten
besser dar, als es schon durch die Bestimmungen des Gesetzes uns
vor Augen geführt wird. Das Ergebnis eines solchen Studiums
der Handhabung unserer geltenden schlechten Kriegsbeschädigtengesetze
draußen auf dem Lande ist der letzte Grund unserer Empörung
und inneren Erregung, mit der wir heute sprechen. Wir werden draußen
nicht fertig, die Klagen zu hören, die uns anvertraut werden,
insbesondere über die ständigen Revisionen der zurückliegenden
Jahre, welche eine große Anzahl von Kriegsbeschädigten,
die selbst nach dem Gesetz über eine Einkommensgrenze rentenbezugsberechtigt
wären, in ihrem Erwerbsunfähigkeitssatze so minderten,
daß sie aus der Rentenversorgung ausschieden, und dazu kommt
dann dieses Gesetz, das man heute hier verlängert, über
die Einkommensgrenze, an die der Bezug der Rente gebunden ist,
eine Gesetzvorlage, die dann womöglich den Anspruch
des Kriegsbeschädigten auf eine Versorgung illusorisch macht.
Ein wirtschaftlich unselbständiger Kriegsbeschädigter,
also ein Arbeiter oder Angestellter darf täglich nicht mehr
als 27.42 Kè verdienen, wenn er im Besitz der Rente
bleiben will. Bei dem wirtschaftlich selbständig tätigen
Kriegsverletzten ist der Höchstverdienst mit 13.71 Kronen
festgesetzt. In diese Sätze, das darf nicht vergessen werden,
ist aber das Einkommen der Angehörigen des Kriegsverletzten,
die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, hinzuzurechnen. Ich
frage Sie: Glauben Sie wirklich, daß ein Kriegsbeschädigter
als wirtschaftlich selbständig Tätiger mit 5000 Kronen
Jahreseinkommen zu leben vermag, heute bei der verteuerten Lebensführung,
bei der steigenden Teuerung aller Lebens- und Bedarfsartikel,
bei den steigenden Mieten? Glauben Sie wirklich, daß der
Kriegsbeschädigte mit diesen 5.000 Kronen das Auslangen zu
finden vermag? Er wird, um nur sein blankes Leben fristen zu können,
versuchen müssen, sich ein höheres Einkommen zu verschaffen,
er wird also die Einkommensgrenze bei seinem Einkommen überschreiten,
insbesondere dann, wenn seine Angehörigen bereit sind, mit
zu verdienen - und das müssen sie im praktischen Leben, ob
sie wollen oder nicht. Dann aber ist es mit der Rente für
den Kriegsbeschädigten zu Ende. Dann ist der Rentenbezug
illusorisch geworden.
Aber wenn ich diese praktische Anwendung draußen
im Leben an hunderten und tausenden jammervollen Fällen wahrnehmen
kann, dann muß ich mich immer fragen, ob die Regierung nicht
in einer solchen Entwicklung ihren Zweck erfüllt sieht, einen
Zweck, den sie eben durch eine solche Gesetzgebung erfüllen
will! Meine Herren, es sind Fälle zu verzeichnen, daß
ein vollkommen erwerbsunfähiger Kriegsverletzter, der gar
keine Arbeit verrichten kann, nur deshalb vom Rentenbezuge ausgeschlossen
wurde, weil der Verdienst seiner Angehörigen die Einkommensgrenze
des Gebietes überschreitet. (Posl. Geyer: Und gezahlte,
aber verbrauchte Genüsse müssen rückerstattet werden!)
Das Opfer des Kriegsverletzten, welches er in der Preisgabe
seiner Gesundheit der Gesellschaft gegenüber gebracht hat,
finden in solchen krassen Fällen, die gewiß vielleicht
Grenzfälle sein mögen - aber sie sind vorgekommen kein
Äquivalent, nicht einmal das Äquivalent, das
etwa in der èechoslovakischen Kriegsbeschädigtengesetzgebung
den Kriegsbeschädigten sozusagen zugesichert wurde. Diese
Ungeheuerlichkeit, meine Herren, schreit nach Abhilfe und wir
geben der hundertfachen Sorge, der hundertfachen Not, die
wir draußen im praktischen Leben wahrnehmen, hier Ausdruck
und verdolmetschen an dieser Stelle die Gefühle von Tausenden
und Abertausenden Menschen, die in ihrem Innern geradezu zur Empörung
und Erregung ob solcher Behandlung gelangen müssen.
Die Überprüfung der Einkommensverhältnisse
der Kriegsbeschädigten, die Überprüfung, die eine
Folge dieses Gesetzes ist, welches wir heute beschließen,
geschieht oftmals unter den größten Schikanen in der
rigorosesten Form. (Posl. Geyer: Gesundassentierungen!) Jawohl,
das ist der richtige Ausdruck! Krankenkassa, Arbeitgeber, Steueramt,
müssen herhalten, etwaige eigene Angaben des Kriegsbeschädigten
über sein Einkommen auf Stichhältigkeit zu prüfen,
und wehe, wenn sich eine Differenz etwa zwischen den Angaben der
Kriegsbeschädigten und den Angaben der genannten Faktoren
ergibt! Wehe, die Feststellung einer solchen Differenz kann für
den Kriegsbeschädigten weitgehende Repressalien zur Folge
haben. (Posl. Geyer: Rückwirkend wird die Rente wieder
abgezogen!) Auch die Praxis bei Unterstützungs- und Darlehensgewährung
ist schikanös. Sucht ein Kriegsverletzter um Unterstützung
infolge einer über ihn gekommenen Notlage oder um Gewährung
eines Darlehens zum Zwecke der Existengründung an, so tritt
diese Revisionsuntersuchung, von der ich eben gesprochen habe,
in ihr triumphalstes Stadium. Die ärztliche Nachuntersuchung
wird dann in 999 von 1000 Fällen in einer solchen Art und
Weise geführt, daß eine Herabsetzung der Erwerbsunfähigkeitsprozente
eintritt, um nur ja die Höhe des angeforderten Darlehens
engstens begrenzen zu können. Auf das Darlehen aber hat der
Kriegsbeschädigte trotz eines solchen schikanösen, rigorosen
Revisionsuntersuchungsverfahrens gewöhnlich lange Zeit zu
warten, es können zwei Jahre vergehen, bis der Kriegsbeschädigte
vom Amt seinen endgültigen Bescheid erhält und der ist
wieder in 99 von 100 Fällen abweisend und ungünstig.
Einer Information des Bundes der Kriegsverletzten,
entnehme ich folgendes: Das ist ein Fall, der nachgewiesen werden
kann und ich wünschte mir, daß dieser Fall, dessen
Namen ich später nennen kann, von einem etwa hier anwesenden
Vertreter der Regierung aufgegriffen werde. Ein 60%ig Kriegsbeschädigter
suchte um eine Notstandsunterstützung an. Es folgte auf Grund
des Ansuchens die übliche Revisionsuntersuchung, bei welcher
die Erwerbsunfähigkeit des Werbers auf 45% herabgesetzt wurde.
Dagegen erfolgte wie in allen Fällen der Praxis die Berufung
an die Landesberufungskommission, allerdings ohne Erfolg, denn
diese Kommission bestätigte die erste Entscheidung. Nach
langer Frist bekam dann der Kriegsbeschädigte die Erledigung
auf sein Ansuchen, aus der zu entnehmen war, daß auf Grund
des Gesetzes vom 4. Dezember 1925 ihm die Notstandsunterstützung
nicht gewährt wird, weil er nicht wenigstens 50% Erwerbsunfähigkeit
nachweisen kann. Jetzt wird der Zweck der Revisionsuntersuchung,
die jeder Darlehensgewährung vorangehen muß, klar.
Diese Revisionsuntersuchung hat wahrscheinlich nur den Zweck,
in allen Fällen die Erwerbsunfähigkeit unter 50% herabzudrücken,
um Ansuchen der Kriegsbeschädigten auf alle Fälle abweisen
zu können. Der angezogene Erlaß legt nämlich fest,
daß Geschenke und Darlehen an Invalide mit einer chirurgischen
Verwundung nur gewährt werden dürfen, wenn wenigstens
eine 50%ige Erwerbsbeschränkung besteht, bei Invaliden mit
inneren Erkrankungen ist die Grenze mit 40% festgesetzt, bei Witwen
müssen drei unversorgte Kinder unter 16 Jahren vorhanden
sein, bei Vorfahren ist die Unterstützung erst an die Erreichung
des 60. Lebensjahres gebunden usw. Erhalten tun ja die Leute auf
Grund der eingebrachten vielen Ansuchen nichts, eben als Folge
der jetzt von mir geschilderten Praxis.
Die ständigen Revisionskommissionen und
die rigorose Überprüfung des Einkommens der Kriegsbeschädigten
führt zur Vorschreibung der Rückzahlung der von Koll.
Geyer hier in einem Zwischenrufe erwähnten zuviel
bezogenen Rentenbeträge. Meine Herren, diese Praxis, von
den Kriegsbeschädigten Übergenüsse zurückzufordern,
hat geradezu katastrophale Formen angenommen, die wir im praktischen
Leben beobachten können, katastrophale Formen, gleichbedeutend
mit der Vernichtung der Existenz Hunderter und Tausender von Kriegsverletzten.
Und trotzdem solch katastrophale Auswirkungen bei Rückforderung
zuviel geleisteter Rentenbeträge eintreten, wird ohne Rücksicht
mit Pfändungen und Exekutionsdrohungen usw. vorgegangen.
Gegen diese Maßnahmen, meine Herren, protestiere ich von
dieser Steile auf das allerschärfste und ich gebe der Hoffnung
Ausdruck, daß man mit dieser Praxis endlich aufräume,
welche Tausende und Abertausende Kriegsverletzte, die sich keinen
Rat wissen, wie sie die empfangenen Übergenüsse, die
sie selbstverständlich verlebt haben, zurückzahlen können,
in begreifliche Unruhe versetzen, in eine Unruhe, aus der nicht
nur einzelne zur Waffe oder zum Strick gegriffen haben, um sich
umzubringen, um das Elendsdasein zu beendigen. (Posl.
inž. Jung: Im alten Österreich gab es keine Rückforderung
des Staates für solche Dinge!) Man
sollte doch glauben, daß hier der Grundsatz in der Praxis
angewendet werden sollte, daß die Kriegsbeschädigten
gewiß in gutem Glauben die Überrente bezogen haben,
sicherlich im guten Glauben. Dem ist wohl nichts entgegenzuhalten.
Außerordentlich beklagenswert ist auch die Methode, mit
der man den Kriegsbeschädigten-Trafikanten begegnet. Wir
stellten eine Reihe von Kriegsblinden und vollkommen erwerbsunfähigen
Kriegsbeschädigten fest, die, weil sie sich im Besitze einer
Tabaktrafik befinden, keinen Heller Rente beziehen. Nach §
4 des Versorgungsgesetzes fällt dieselbe unter allen Umständen
weg, wenn das Einkommen aus der Tabaktrafik das Renteneinkommen
um 100% übersteigt. Hiezu kommt das üble Kapitel der
Gesellschafterzuteilungen, die man draußen anwendet, um
dem Kriegsbeschädigten die empfangene Wohltat, die zugewiesene
Trafik, so zu verekeln, daß er freiwillig zur gegebenen
Zeit auf diese Wohltat verzichtet. (Posl. Geyer: Und kommt
um Beides, um die Trafik und um die Rente! - Posl.
inž. Jung: Oder man verweigert ihm die Staatsbürgerschaft,
wenn er diese Staatsbürgerschaft nicht
hat, Fall Sláma in Znaim!)