Ètvrtek 21. èervna 1928

Der Herr Abg. Zajièek erklärte, daß die deutschen Regierungsparteien die Wünsche der Kriegsbeschädigten nicht rasch genug deshalb erfüllen konnten, weil sie nur 20% in der Koalition ausmachen und einer Übermacht von 80% der èechischen Parteien gegenüberstehen. Diese Ausrede ist nicht sehr originell, denn ich habe sie schon vor mehr als einem Jahre aus dem Munde des Ministers Mayr-Harting gehört, der sie scheinbar erfunden hat, und gegenwärtig rumort mit derselben Ausrede der Herr Senator Dr. Medinger in den christlichsozialen Parteiversammlungen herum und entschuldigt damit die Ergebnislosigkeit der deutschen Regierungspolitik. Ich muß diese Ausflucht als sehr fadenscheinig bezeichnen. Die deutschen Regierungsparteien haben bei ihrem Eintritte in die Regierung vor 2 Jahren ganz genau gewußt, wie sich ihre ziffernmäßige Stärke im Verhältnis zu den Èechen darstellt. Sie hatten daher die Pflicht, von allem Anfange an ihr Programm und ihre Taktik auf diese Stärkeverhältnisse abzustimmen, insbesondere aber die gespannten Verhältnisse unter den èechischen Parteien zur Stärkung der eigenen Position auszunützen. Vielleicht wäre auch ein taktisch klug eingerichtetes Zusammenspiel zwischen deutschen Regierungs- und Oppositionsparteien von Vorteil gewesen, wozu die deutschen Oppositionsparteien nachweisbar anfangs bereit gewesen sind, das aber von den Regierungsparteien ausdrücklich und öffentlich abgelehnt wurde. Die deutschen Aktivisten haben aber ihre Stärke überschätzt, haben alles lieber auf die eigene Karte der èechischen Freundschaft gesetzt, sind in schärfste Kampfstellung gegen die deutschen Oppositionsparteien, also gegen die eigenen Volksgenossen gegangen und haben sich dadurch selbst bei ihrem planlosen Hineindrängen in die Regierung von vornherein um jeden Einfluß gebracht. Es ist auch lächerlich, in einer demokratischen Regierung - und um eine solche handelt es sich doch nach Ansicht der deutschen Regierungsparteien den politischen Erfolg von der ziffernmäßigen Stärke abhängig machen zu wollen. Das heißt doch nichts anderes, als in das demokratische System die Diktatur der Ziffer hineinschmuggeln zu wollen. Gerade aber im demokratischen System liegen doch die Verhältnisse ganz anders. Die Macht eines Ministers im Ministerrate ist einzig und allein nur abhängig von seiner Persönlichkeit, von seiner sachlichen Eignung und seinem politischen Talent, von der Fähigkeit sich durchsetzen zu können. Genau so hängen die Erfolge in der Politik einer Partei nicht allein von ihrer zahlenmäßigen Stärke, als vielmehr von ihrer zielbewußten und energischen Taktik ab, die allerdings bei dem Parteiführer ein gewisses politisches Talent und einen sicheren Blick im Erfassen der politischen Situation voraussetzt. Wenn Koll. Zajièek die Erfolglosigkeit der deutschen Regierungspolitik aus der proportionalen Stärke der deutschen Regierungsparteien gegenüber ihren èechischen Gegenspielern ableitet, so gibt er damit implicite zu, daß diese deutschen Parteien weder die richtigen Persönlichkeiten in den Ministerrat entsenden, noch die richtige Taktik eingeschlagen haben. Damit aber gibt er uns recht, die wir von allem Anfange an unsere Kritik der deutschen Regierungspolitik auf diese Argumente aufgebaut haben.

Der Herr Abg. Zajièek weist auch mit Emphase darauf hin, daß das von uns noch heute als schlecht bekämpfte Kriegsbeschädigtengesetz von den èechischen sozialistischen Parteien mitgemacht wurde, denen es während ihrer Regierungsteilnahme nicht gelungen sei, eine Verbesserung dieses Gesetzes zu erzielen. Ich bin weit davon entfernt, die Politik sozialistischer Parteien irgendwie verteidigen oder rechtfertigen zu wollen. Ich darf aber bloß die eine Tatsache feststellen, daß das bisherige Kriegsbeschädigtengesetz die Frucht eines Kompromisses zwischen èechischen bürgerlichen und èechischen sozialistischen Parteien gewesen ist, das naturnotwendig alle Mängel und Schönheitsfehler eines Kompromisses an sich tragen muß. Wenigstens haben aber die èechischen sozialistischen und bürgerlichen Parteien im Kompromißwege ein Gesetz herausgebracht, also Positives geschaffen. Das Kompromiß zwischen den deutschen und èechischen Bürgerparteien hat aber weder etwas Positives noch etwas Negatives, sondern nur das Resultat Null gezeitigt. Die bürgerlich konservative Regierungsmehrheit hat das Kompromiß geschlossen, gar nichts zu machen und den gegenwärtigen Zustande der Kriegsinvalidenfürsorge unverändert bis zum heutigen Tage zu erhalten. Der schmähende Hinweis auf die angeblich schlechte Arbeit der Sozialisten entschuldigt aber gar nicht die Untätigkeit der deutschen Regierungsparteien, die sie selbst so gerne mit dem Namen des Aktivismus verdecken.

Die ärgste Entgleisung ist aber dem Koll. Zajièek dadurch passiert, daß er den in statu demissionis befindlichen Minister Dr. Engliš öffentlich der Lüge beschuldigt. Dr. Engliš hat im Jahre 1926 in der Budgetdebatte ausdrücklich erklärt, daß er die Invalidenentschädigung ebenfalls in das Programm der Sparmaßnahmen einbeziehe, daß er aber keineswegs an eine Verschlechterung der Invalidenversorgung in unsozialer Weise denke. Engliš erklärte, er wolle allen denen, die eine Invalidenrente ganz zu Unrecht beziehen, oder deren Erwerbstätigkeit den Bezug einer Rente überflüssig macht, die Rente entziehen, mit diesen ersparten Beträgen die Renten der Schwerstbeschädigten auf eine menschenwürdige Höhe bringen und dabei von selbst noch Ersparnis für den Staatshaushalt erzielen, die er den Altpensionisten zuzuwenden gedenke. Dieser Plan des Finanzministers stieß damals auf den Widerspruch der Opposition, wurde aber von den Regierungsparteien lobend zur Kenntnis genommen. Heute stellt aber der Koll. Zajièek den Finanzminister Engliš als einen Mann hin, der die Invalidenfürsorge plan mäßig verschlechtern wollte, und bucht es als einen Erfolg der deutschen Regierungsparteien, die angeblich verhindert hätten, daß Engliš seine schwarzen Pläne in die Tat umsetze. Es wäre wirklich interessant, den Herrn Finanzminister Engliš zu hören, was er zu dieser Darstellung des Herrn Abgeordneten Zajièek zu sagen hat. Diese Antwort könnte sieh dann auch der Herr Abg. Tichý hinter den Spiegel stecken, der ebenfalls den Herrn Finanzminister an einen von den deutschen Regierungsparteien behinderten Schädling der Invalidenfürsorge geschildert hat.

Der Herr Abg. Schubert hat bei dieser Gelegenheit auch die ganze Schuld, daß die deutschen Regierungsparteien den armen Kriegsbeschädigten noch nicht helfen konnten, den èechischen Regierungsparteien in die Schuhe geschoben. Da drängt sieh einem doch die Frage auf, warum die deutschen Regierungsparteien sieh in der Kriegsinvalidenfrage nicht ganz einfach an die Seite der deutschen und èechisehen Oppositionsparteien gestellt haben. Da wäre eine parlamentarische Mehrheit geschaffen worden, die in seltener Eintracht das Problem der Invalidenfürsorge in geradezu glänzender Weise gelöst hätte. Bitte nicht zu sagen, daß das nicht möglich wäre. In der Politik ist alles möglich, und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und wenn die jetzige Regierung dabei über die Klinge gesprungen wäre, so brauchte uns das auch keine Sorge zu bereiten. Es hätte sich sofort eine neue Mehrheit gebildet, die bereit gewesen wäre, das Ruder des Staatsschiffes zu führen.

Der Herr Abg. Schubert hat aber noch ein ganz merkwürdiges Rezept aus der politischen Küche der Regierungskoalition verraten. Wenn nämlich ein Vertreter im Achterausschuß, dem alle Gesetzesanträge zuerst vorgelegt werden müssen, gegen eine Gesetzesvorlage Einspruch erhebt, so muß dieselbe von der Tagesordnung abgesetzt werden. Da es in diesem Achterkomitee also überhaupt kein Überstimmen gibt, so ist damit auch der Abg. Zajièek durch seinen Koalitionskollegen Schubert widerlegt, der die Erfolglosigkeit der Regierungsdeutschen durch deren ziffernmäßige Schwäche entschuldigen wollte. Es ist nur merkwürdig, daß immer die deutschen Regierungsparteien diesem èechischen Veto unterlegen sind, wenn sie den Kriegsbeschädigten helfen wollten. Hingegen war von einem deutschen Veto im Achterausschuß nichts zu spüren, als der Minister Udržal das ganze Bukett von Militärvorlagen zur Welt brachte, als Minister Èerný die Verwaltungsreform erfand und Finanzminister Engliš uns das Gemeindefinanzgesetz bescherte. Warum haben die deutschen Regierungsparteien durch ihr Veto diese und andere, für uns Deutschen schädlichen Gesetze nicht verhindert? Wir haben ein Recht zu erfahren, ob hier ein Verrat der deutschen Regierungsparteien an den Lebensinteressen des deutschen Volkes in diesem Staate vorliegt oder ob vielleicht das Vetorecht im Achterausschuß nur die Èechen, nicht aber die Deutschen haben, was eine ganz merkwürdige Illustration zu ihrer Behauptung von "Gleichen unter Gleichen" wäre. Ich befürchte, daß weder ein Vertreter der deutschen noch der èechischen Regierungsparteien auf diese Fragen antworten wird. Die Herrschaften werden sich hinter das Amtsgeheimnis der Regierungskoalition verstecken und sich dabei noch den Nimbus der geheimen Diplomatie zulegen wollen. Sie spekulieren aber falsch, wenn sie hoffen, daß niemand so etwas als feige Flucht vor der Verantwortung erkennen wird. Die Versprechungen, welche die deutschen Regierungsparteien den Kriegsbeschädigten am 31. Mai gemacht haben, haben sie dadurch in die Tat umgesetzt, daß sie im Laufe dieser Woche alle Versuche der Oppositionsparteien, eine Verbesserung des vorliegenden Gesetzesantrages durchzuführen, in rücksichtsloser Weise bekämpft und vereitelt haben. Die deutschen Regierungsparteien sind Sieger über die Opposition geblieben. Die deutschen Regierungsparteien geben zwar vor, daß sie nicht die Macht haben, den Kriegsbeschädigten zu helfen, aber sie zeigen, daß sie soviel Macht haben, um jede Hilfe für die Kriegs invaliden unmöglich zu machen. Sie nennen das Teilnahme an der Macht, wir nennen das sträflichen Mißbrauch der geringen Reste von Macht. Der Minister Šrámek und die deutschen Regierungsparteien sind einander würdig. Alle lösen sie ihr gegebenes Wort nicht ein. Und von diesen Menschen ist das Schicksal der Kriegsbeschädigten abhängig. So sieht im Jubiläumsjahr die Sozialpolitik in der Èechoslovakischen Republik aus. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

7. Øeè posl. Simma (viz str. 58 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Es ist von meinem unmittelbaren Vorredner mit Recht der Umstand kritisiert worden, daß während der ganzen Zeit der Behandlung der zur Beratung aufliegenden Regierungsvorlage der Minister für soziale Fürsorge, also der Minister des zuständigen Ressorts im Hause nicht erscheint. Es ist schon bei der Beratung des sozialpolitischen Ausschusses zu diesem Gesetz wie auch bei der Beratung des Budgetausschusses die gleiche Beschwerde geführt worden. Wir haben nunmehr versucht, dieser Beschwerde des Koll. Horpynka in Form eines Antrages ein bißchen zur Durchführung zu verhelfen, dadurch, daß wir beantragt haben, die Sitzung des Hauses zu unterbrechen, bis es eben der Minister für soziale Fürsorge der Mühe wert gefunden haben wird, im Hause zu erscheinen. Die komplizierte Geschäftsordnung hat uns allerdings nicht die Möglichkeit gegeben, diesem Antrage auch nur einigermaßen Beachtung durch das Präsidium verliehen zu sehen, aber vielleicht findet sich das Präsidium selbst auch in die Lage versetzt, dem Appell, der hier von einigen Rednern an das Präsidium schon gerichtet wurde, zur Berufung des Ministers für soziale Fürsorge zur Beratung im Hause Nachdruck zu verleihen in Form der Durchführung dieses Antrages. (Výkøiky posl. inž. Junga.) Ich habe zum vorliegenden Gesetzesantrag der Regierung schon im sozialpolitischen Ausschuß Stellung genommen und wenn auch nur kurz, so glaube ich doch kennzeichnend genug meine und meiner Partei Meinung hierüber Ausdruck gegeben zu haben. Ich wiederhole die bei den Beratungen im Ausschuß getane Äußerung, mit der, so nehme ich an, mehr charakterisiert wird als die Haltung der Regierung etwa zum vorliegenden Gesetze, eine Meinung, die in dem Gesetze gipfelte, es fehlt den heutigen Regierungsparteien, es fehlt der heutigen Koalition überhaupt der nötige Ernst, eine große Frage aufrichtig und befriedigend zu behandeln. (Sehr richtig!) Mit dem Beschluß des vorliegenden Gesetzes bewegt man sich seitens der Regierungsparteien nur weiter innerhalb des berüchtigten Systems der Provisorien, das man aufrichtete, um großen Fragen aus dem Wege gehen zu können. Wir begegnen diesem System bei der Kriegsbeschädigtengesetzgebung, wie wir es wahrnehmen konnten, vor nicht all zu langer Zeit bei der Behandlung der Pensionistenfrage in diesem Hause und wie wir es wahrnehmen konnten bei den weiteren Gesetzeswerken, wie sie durch die heutige Regierungskoalition verabschiedet wurden. (Posl. inž. Jung: Baubewegung!) Sehr richtig, bei der Baugesetzgebung, bei der Gesetzgebung über die Mieten und dergleichen. (Posl. inž. Jung: Wenn sie einmal ein Gesetz macht, wie das Gemeindefinanzgesetz, dann ist es ein Quark!)

Ich wollte eben das sagen, was Koll. Jung durch den Zwischenruf bemerkt hat. Ein. Provisorium oder etwas, was in der Tat schlecht und schlampig ist, das ist die Tätigkeit der heutigen Regierungskoalition; Provisorien oder Gesetze wie das Gemeindefinanzgesetz oder das Gesetz über die Verwaltungsreform, Gesetze, die nicht durchführbar sind und novelliert werden müssen, bevor sie zur Durchführung gelangen können. Nichts anderes also als wieder ein Provisorium ist das vorliegende Gesetz, und an dieser Feststellung ändert gar nichts der Umstand, daß dieses Provisorium diesmal ein halbes Jahr gilt, bis zum 30. Juni 1929, statt wie früher auf ein ganzes Jahr. Das ist der ganze Sinn der augenblicklichen Arbeit der Koalition, der bezüglich der Kriegsbeschädigtengesetzgebung in dem lapidaren Satze des Art. I dieses vorliegenden Gesetzes gipfelt, der da heißt: "Die Wirksamkeit des § 2, Abs. 1, des Gesetzes vom 20. Feber 1920, S. d. G. u. V. Nr. 142, über die Bezüge der Kriegsbeschädigten in der Fassung des Gesetzes vom 25. Jänner 1922, S. d. G. u. V. Nr. 39, mit der durch das Gesetz vom 10. April 1924, S. d. G. u. V. Nr. 79, beschlossenen Abänderung wird bis längstens 30. Juni 1929 verlängert." (Výkøiky.) Das ist die ganze Weisheit, meine Damen und Herren, die auch noch aus so viel anderen Arbeiten und Tätigkeiten der heutigen Koalition hervorgeht, sie ist insbesondere durch dieses Gesetz charakterisiert. (Posl. inž. Jung: Am besten ist, ein einziges Gesetz zu machen, mit der Bestimmung: Die Regierung kann machen, was sie will!) Das wäre am besten, wenigstens er sparte das uns die erfolglose und uns zum Ekel werdende Arbeit, die wir leider Gottes verrichten müssen. Bei unseren seinerzeitigen Reden zum Kriegsbeschädigtenproblem verwiesen wir schon darauf, wie unhaltbar die Einrichtung einer Einkommensgrenze, an die der Bezug der Rente gebunden ist, sich überhaupt erweist und wie bei dieser Regelung der èechslovakische Staat einzig und allein in der Reihe der Staaten marschiert, die über eine Kriegsbeschädigtengesetzgebung verfügen und wie er die Sonderstellung, welche er bei der Behandlung des ganzen Komplexes der Invalidenfrage einnimmt, geradezu ad absurdum führt. Kein Staat hat eine solche gesetzliche Regelung geschaffen, überall ist der von uns gewünschte Grundsatz verwirklicht, daß die Rente dem gebührt, der das Opfer seiner Körperbeschädigung für die Allgemeinheit brachte, unbeschadet seines Einkommens, das er sich nachträglich im zivilen Leben zu schaffen wußte. Wir gaben unserer Meinung weiter dahin Ausdruck, daß es höchstens einen freiwilligen Verzicht auf die Rente geben dürfe. Deutschland hat zwar in einer gewissen Form eine Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte gesetzlich eingeführt, doch ist die Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte beim reichsdeutschen Gesetz weit höher gehalten und so organisiert, daß bei Erreichung des festgesetzten Einkommens nicht die ganze Rente in Wegfall kommt, sondern lediglich eine Abstufung im Bezuge derselben eintritt. Die Schwerbeschädigtenzulage, die Ortszulage und die Ausgleichszulage werden ohne Rücksicht auf die Höhe des Personaleinkommens eines Kriegsbeschädigten in Deutschland weiter bezahlt. Wie sieht es nun aber tatsächlich mit der Kriegsbeschädigtenfürsorge in der Èechoslovakei aus? Seit dem Jahre 1920, also seit acht Jahren, kämpfen die Kriegsbeschädigten in der Èechoslovakischen Republik um eine Verbesserung der gesetzlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge, die durch das Urgesetz vom Jahre 1920 nicht gelöst war. Die Novelle vom Jahre 1922 hat nur unwesentliche Veränderungen des Urgesetzes gebracht, sie beließ vor allem die Einkommensgrenze, die durch das Gesetz vom 10. April 1924 zu allem Unheil noch von 6000 auf 5000 Kè herabgesetzt wurde.

Wenn wir aus dem Versorgungsgesetz nur einige Bestimmungen wie z. B. die über die Höhe der Rentensätze herausgreifen, so zeigt sich der ganze Jammer, der die Kriegsbeschädigtenfrage umgibt, deutlich genug auf. So erhält z. B. bei uns ein hundertprozentiger Kriegsbeschädigter einschließlich der Teuerungszulage täglich 9.60 Kè, ein 25%iger unter Einschluß der Teuerungszulage 2.22 Kè, ich bitte 2.22 Kè, eine 50 %ig erwerbsunfähige Kriegerwitwe mit ihrer Teuerungszulage 2.46 Kè, eine Vollwaise 2.40 Kè, eine Halbwaise und ein Vorfahre 1.67 Kè. Ich frage Sie: Sind diese Sätze nicht ein Hohn auf alle Einsicht, die man gerade den Kriegsverletzten gegenüber doch walten lassen müßte? (Posl. inž. Jung: Vielleicht wird sogar noch etwas abgezogen!) i Ich möchte auch weiter die Frage stellen, ob solche Ziffern nicht eine Illustration sind für unsere Behauptung von der Lüge vom sozialen Staat, als welchen sich die Èechoslovakische Republik im In- und Auslande repräsentiert. Ich frage Sie: Wer wagte es denn, die Frage anders zu beantworten, die ich hier gestellt habe als in dem Sinne, wie wir das heute tun müssen, nachdem wir erfolglos zu wiederholtenmalen dasselbe schon getan haben?

Aber zur richtigen Beurteilung der Behandlung der èechoslovakischen Kriegsbeschädigten gelangt man doch erst, wenn wir die Bestimmungen der geltenden Versorgungsgesetze in ihrer praktischen Anwendung draußen im Leben studieren. Diese praktische Anwendung draußen im Leben stellen den Jammer und das Elend der Kriegsbeschädigten besser dar, als es schon durch die Bestimmungen des Gesetzes uns vor Augen geführt wird. Das Ergebnis eines solchen Studiums der Handhabung unserer geltenden schlechten Kriegsbeschädigtengesetze draußen auf dem Lande ist der letzte Grund unserer Empörung und inneren Erregung, mit der wir heute sprechen. Wir werden draußen nicht fertig, die Klagen zu hören, die uns anvertraut werden, insbesondere über die ständigen Revisionen der zurückliegenden Jahre, welche eine große Anzahl von Kriegsbeschädigten, die selbst nach dem Gesetz über eine Einkommensgrenze rentenbezugsberechtigt wären, in ihrem Erwerbsunfähigkeitssatze so minderten, daß sie aus der Rentenversorgung ausschieden, und dazu kommt dann dieses Gesetz, das man heute hier verlängert, über die Einkommensgrenze, an die der Bezug der Rente gebunden ist, eine Gesetzvorlage, die dann womöglich den Anspruch des Kriegsbeschädigten auf eine Versorgung illusorisch macht. Ein wirtschaftlich unselbständiger Kriegsbeschädigter, also ein Arbeiter oder Angestellter darf täglich nicht mehr als 27.42 Kè verdienen, wenn er im Besitz der Rente bleiben will. Bei dem wirtschaftlich selbständig tätigen Kriegsverletzten ist der Höchstverdienst mit 13.71 Kronen festgesetzt. In diese Sätze, das darf nicht vergessen werden, ist aber das Einkommen der Angehörigen des Kriegsverletzten, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, hinzuzurechnen. Ich frage Sie: Glauben Sie wirklich, daß ein Kriegsbeschädigter als wirtschaftlich selbständig Tätiger mit 5000 Kronen Jahreseinkommen zu leben vermag, heute bei der verteuerten Lebensführung, bei der steigenden Teuerung aller Lebens- und Bedarfsartikel, bei den steigenden Mieten? Glauben Sie wirklich, daß der Kriegsbeschädigte mit diesen 5.000 Kronen das Auslangen zu finden vermag? Er wird, um nur sein blankes Leben fristen zu können, versuchen müssen, sich ein höheres Einkommen zu verschaffen, er wird also die Einkommensgrenze bei seinem Einkommen überschreiten, insbesondere dann, wenn seine Angehörigen bereit sind, mit zu verdienen - und das müssen sie im praktischen Leben, ob sie wollen oder nicht. Dann aber ist es mit der Rente für den Kriegsbeschädigten zu Ende. Dann ist der Rentenbezug illusorisch geworden.

Aber wenn ich diese praktische Anwendung draußen im Leben an hunderten und tausenden jammervollen Fällen wahrnehmen kann, dann muß ich mich immer fragen, ob die Regierung nicht in einer solchen Entwicklung ihren Zweck erfüllt sieht, einen Zweck, den sie eben durch eine solche Gesetzgebung erfüllen will! Meine Herren, es sind Fälle zu verzeichnen, daß ein vollkommen erwerbsunfähiger Kriegsverletzter, der gar keine Arbeit verrichten kann, nur deshalb vom Rentenbezuge ausgeschlossen wurde, weil der Verdienst seiner Angehörigen die Einkommensgrenze des Gebietes überschreitet. (Posl. Geyer: Und gezahlte, aber verbrauchte Genüsse müssen rückerstattet werden!) Das Opfer des Kriegsverletzten, welches er in der Preisgabe seiner Gesundheit der Gesellschaft gegenüber gebracht hat, finden in solchen krassen Fällen, die gewiß vielleicht Grenzfälle sein mögen - aber sie sind vorgekommen kein Äquivalent, nicht einmal das Äquivalent, das etwa in der èechoslovakischen Kriegsbeschädigtengesetzgebung den Kriegsbeschädigten sozusagen zugesichert wurde. Diese Ungeheuerlichkeit, meine Herren, schreit nach Abhilfe und wir geben der hundertfachen Sorge, der hundertfachen Not, die wir draußen im praktischen Leben wahrnehmen, hier Ausdruck und verdolmetschen an dieser Stelle die Gefühle von Tausenden und Abertausenden Menschen, die in ihrem Innern geradezu zur Empörung und Erregung ob solcher Behandlung gelangen müssen.

Die Überprüfung der Einkommensverhältnisse der Kriegsbeschädigten, die Überprüfung, die eine Folge dieses Gesetzes ist, welches wir heute beschließen, geschieht oftmals unter den größten Schikanen in der rigorosesten Form. (Posl. Geyer: Gesundassentierungen!) Jawohl, das ist der richtige Ausdruck! Krankenkassa, Arbeitgeber, Steueramt, müssen herhalten, etwaige eigene Angaben des Kriegsbeschädigten über sein Einkommen auf Stichhältigkeit zu prüfen, und wehe, wenn sich eine Differenz etwa zwischen den Angaben der Kriegsbeschädigten und den Angaben der genannten Faktoren ergibt! Wehe, die Feststellung einer solchen Differenz kann für den Kriegsbeschädigten weitgehende Repressalien zur Folge haben. (Posl. Geyer: Rückwirkend wird die Rente wieder abgezogen!) Auch die Praxis bei Unterstützungs- und Darlehensgewährung ist schikanös. Sucht ein Kriegsverletzter um Unterstützung infolge einer über ihn gekommenen Notlage oder um Gewährung eines Darlehens zum Zwecke der Existengründung an, so tritt diese Revisionsuntersuchung, von der ich eben gesprochen habe, in ihr triumphalstes Stadium. Die ärztliche Nachuntersuchung wird dann in 999 von 1000 Fällen in einer solchen Art und Weise geführt, daß eine Herabsetzung der Erwerbsunfähigkeitsprozente eintritt, um nur ja die Höhe des angeforderten Darlehens engstens begrenzen zu können. Auf das Darlehen aber hat der Kriegsbeschädigte trotz eines solchen schikanösen, rigorosen Revisionsuntersuchungsverfahrens gewöhnlich lange Zeit zu warten, es können zwei Jahre vergehen, bis der Kriegsbeschädigte vom Amt seinen endgültigen Bescheid erhält und der ist wieder in 99 von 100 Fällen abweisend und ungünstig.

Einer Information des Bundes der Kriegsverletzten, entnehme ich folgendes: Das ist ein Fall, der nachgewiesen werden kann und ich wünschte mir, daß dieser Fall, dessen Namen ich später nennen kann, von einem etwa hier anwesenden Vertreter der Regierung aufgegriffen werde. Ein 60%ig Kriegsbeschädigter suchte um eine Notstandsunterstützung an. Es folgte auf Grund des Ansuchens die übliche Revisionsuntersuchung, bei welcher die Erwerbsunfähigkeit des Werbers auf 45% herabgesetzt wurde. Dagegen erfolgte wie in allen Fällen der Praxis die Berufung an die Landesberufungskommission, allerdings ohne Erfolg, denn diese Kommission bestätigte die erste Entscheidung. Nach langer Frist bekam dann der Kriegsbeschädigte die Erledigung auf sein Ansuchen, aus der zu entnehmen war, daß auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1925 ihm die Notstandsunterstützung nicht gewährt wird, weil er nicht wenigstens 50% Erwerbsunfähigkeit nachweisen kann. Jetzt wird der Zweck der Revisionsuntersuchung, die jeder Darlehensgewährung vorangehen muß, klar. Diese Revisionsuntersuchung hat wahrscheinlich nur den Zweck, in allen Fällen die Erwerbsunfähigkeit unter 50% herabzudrücken, um Ansuchen der Kriegsbeschädigten auf alle Fälle abweisen zu können. Der angezogene Erlaß legt nämlich fest, daß Geschenke und Darlehen an Invalide mit einer chirurgischen Verwundung nur gewährt werden dürfen, wenn wenigstens eine 50%ige Erwerbsbeschränkung besteht, bei Invaliden mit inneren Erkrankungen ist die Grenze mit 40% festgesetzt, bei Witwen müssen drei unversorgte Kinder unter 16 Jahren vorhanden sein, bei Vorfahren ist die Unterstützung erst an die Erreichung des 60. Lebensjahres gebunden usw. Erhalten tun ja die Leute auf Grund der eingebrachten vielen Ansuchen nichts, eben als Folge der jetzt von mir geschilderten Praxis.

Die ständigen Revisionskommissionen und die rigorose Überprüfung des Einkommens der Kriegsbeschädigten führt zur Vorschreibung der Rückzahlung der von Koll. Geyer hier in einem Zwischenrufe erwähnten zuviel bezogenen Rentenbeträge. Meine Herren, diese Praxis, von den Kriegsbeschädigten Übergenüsse zurückzufordern, hat geradezu katastrophale Formen angenommen, die wir im praktischen Leben beobachten können, katastrophale Formen, gleichbedeutend mit der Vernichtung der Existenz Hunderter und Tausender von Kriegsverletzten. Und trotzdem solch katastrophale Auswirkungen bei Rückforderung zuviel geleisteter Rentenbeträge eintreten, wird ohne Rücksicht mit Pfändungen und Exekutionsdrohungen usw. vorgegangen. Gegen diese Maßnahmen, meine Herren, protestiere ich von dieser Steile auf das allerschärfste und ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß man mit dieser Praxis endlich aufräume, welche Tausende und Abertausende Kriegsverletzte, die sich keinen Rat wissen, wie sie die empfangenen Übergenüsse, die sie selbstverständlich verlebt haben, zurückzahlen können, in begreifliche Unruhe versetzen, in eine Unruhe, aus der nicht nur einzelne zur Waffe oder zum Strick gegriffen haben, um sich umzubringen, um das Elendsdasein zu beendigen. (Posl. inž. Jung: Im alten Österreich gab es keine Rückforderung des Staates für solche Dinge!) Man sollte doch glauben, daß hier der Grundsatz in der Praxis angewendet werden sollte, daß die Kriegsbeschädigten gewiß in gutem Glauben die Überrente bezogen haben, sicherlich im guten Glauben. Dem ist wohl nichts entgegenzuhalten. Außerordentlich beklagenswert ist auch die Methode, mit der man den Kriegsbeschädigten-Trafikanten begegnet. Wir stellten eine Reihe von Kriegsblinden und vollkommen erwerbsunfähigen Kriegsbeschädigten fest, die, weil sie sich im Besitze einer Tabaktrafik befinden, keinen Heller Rente beziehen. Nach § 4 des Versorgungsgesetzes fällt dieselbe unter allen Umständen weg, wenn das Einkommen aus der Tabaktrafik das Renteneinkommen um 100% übersteigt. Hiezu kommt das üble Kapitel der Gesellschafterzuteilungen, die man draußen anwendet, um dem Kriegsbeschädigten die empfangene Wohltat, die zugewiesene Trafik, so zu verekeln, daß er freiwillig zur gegebenen Zeit auf diese Wohltat verzichtet. (Posl. Geyer: Und kommt um Beides, um die Trafik und um die Rente! - Posl. inž. Jung: Oder man verweigert ihm die Staatsbürgerschaft, wenn er diese Staatsbürgerschaft nicht hat, Fall Sláma in Znaim!)

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