Die Arbeiterklasse hat kein Interesse an diesem
Gesetze. Wir weisen die Zumutung zurück, in der Vorlage eine
sozialpolitische Handlung der jetzigen Regierung zu erblicken.
Für diese Sozialpolitik danken wir bestens. Diese Sozialpolitik
wollen die Arbeiter nicht. Man soll sich mit jenen Forderungen
beschäftigen, die die Arbeiter seit Jahren vergeblich aufgestellt
haben. Wenn die jetzige Regierung so sozial fühlt, daß
sie sich für berufen hält, wenigstens für den Schutz
des Arbeitsmarktes etwas zu tun, so sollte sie sich auch mit den
jetzigen Vorgängen in der Industrie und der Arbeiterschaft
befassen. Wir werden in den nächsten Tagen einen wirtschaftlichen
Kampf ausbrechen sehen, den Kampf der Bergarbeiter, der dem Auslande
deutlich zeigen wird, wie in diesem Staate berechtigte Arbeiterforderungen
von den Herrschenden dieses Landes behandelt werden. Es wird die
ausländische Arbeiterschaft dann sehen, daß die Arbeiterschaft
in diesem Lande nichts zu erhoffen hat. Von dieser Koalition erwarten
wir nichts. Sie ist feindselig gegen die Arbeiterklasse, ihr erster
Plan richtete sich gegen ein wichtiges sozialpolitisches Werk,
die Sozialversicherung, und was sie jetzt an Sozialpolitik tun
will, dient nicht den Arbeitern. Es dient der staatlichen Bürokratie.
Das mag ihren reaktionären Anschauungen entsprechen, Sozialpolitik
ist das keine. (Souhlas a potlesk nìm. soc.
demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Die Gesetzesvorlage, die uns heute
beschäftigt, wird damit begründet, daß die Aufhebung
der Paßvisa die Kontrolle des heimischen Arbeitsmarktes
nötiger mache als je. Anderseits steht im Motivenbericht,
daß die größeren Angestelltenverbände in
der èechoslovakischen Republik ein derartiges Gesetz verlangt
hätten. Und weiters wurde verschiedentlich bei den Verhandlungen
im sozialpolitischen Ausschuß und im Budgetausschuß
darauf hingewiesen, daß auch die Nachbarländer ähnliche
Gesetze haben, daß daher auch die èechoslovakische
Republik ein derartiges Gesetz haben müsse, um den heimischen
Arbeitsmarkt zu schützen. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda
inž. Dostálek.) Es ist merkwürdig,
daß gerade von der bürgerlichen Regierung, die gegenwärtig
die Geschäfte der Majorität führt, plötzlich
das Verlangen bestimmter gewerkschaftlicher Organisationen anerkannt
und mit einer großartigen Geschwindigkeit befürwortet,
daß es Gesetz wird. (Výkøiky na
levici.) Es ist uns zwar nicht bekannt, welche Gewerkschaften
dieses Verlangen geäußert haben, denn wir wissen, daß
auch die èechischen Gewerkschaftsorganisationen, wie ihre
Vertreter im Hause, dieses Gesetz in dieser Form ablehnen. Es
ist daher mehr als merkwürdig, daß
sich die Regierung plötzlich zum Exekutivorgan irgendwelcher
anonymer Gewerkschaften aufspielt und hier die Forderung solcher
Gewerkschaften so rasch erfüllt, während sie sonst bei
Erfüllung anderer gewerkschaftlicher Forderungen, wo es wirklich
um soziale und Lebensinteressen der betreffenden Berufsangehörigen
geht, nicht geneigt ist, auch nur das geringste Entgegenkommen
zu zeigen. (Sehr gut!) In Wirklichkeit steckt hinter dem
Gesetze doch etwas anderes. Ich möchte nicht gerade sagen,
daß es die Furcht vor der Zuwanderung neuer deutscher Kräfte
in die Republik ist, sondern ich halte es vielmehr für ein
recht brauchbares Agitations- und Propagandamaterial für
bestimmte politische Kreise in der Republik, gerade ein derartiges
Gesetz auf den Tisch des Abgeordnetenhauses zu legen. Nur
so ist es auch zu erklären, warum sich eine bestimmte Presse
in der èechischen Öffentlichkeit dieses Gesetzes bemächtigt
hat und eine so gehässige Propaganda treibt. Ich will auf
die Auslassungen dieses Teiles der èechischen
Presse nicht näher eingehen, aber ich muß auf etwas
zurückkommen, was sich im sozialpolitischen Ausschuß
des Abgeordnetenhauses abgespielt hat. Dort hat unter anderem
Koll. Abg. Tuèný Behauptungen
aufgestellt, die nicht unwidelegt bleiben dürfen. Ich würde
auf diese Äußerungen nicht zurückkommen, wenn
das nicht gerade ein Kollege gewesen wäre, der selbst das
Ministerium für soziale Fürsorge verwaltet, also in
einer hohen verantwortlichen Stellung in diesem Lande gestanden
hat und daher auch die Möglichkeit hatte, sich jederzeit
sein Material zu verschaffen, und auch wissen muß, inwieweit
er verantwortlich für das ist, was er sagt. Koll. Tuèný
hat dort gesagt, daß es eine ganze Reihe von Betrieben
in der Republik gibt, in denen es nicht bloß ausländische
Arbeiter gibt, sondern wo diese Arbeiter in der Mehrheit sind,
und er hat insbesondere auch auf den Fall der Eisenwerke in Tøinic
hingewiesen. Aber er hat auch auf die Beschäftigung
zahlreicher österreichischer Schneider insbesondere in Karlsbad
und in den Kurorten überhaupt hingewiesen und zum Schluß
hat er vor allem anderen ein Beispiel genannt, in dem er auf die
Verhältnisse in den "Kupferbergwerken Böhmen"
in Pömmerle, politischer Bezirk Aussig, hinwies. Er hat damals
gesagt, daß in diesem Betrieb 27 èechoslovakische
Staatsangehörige beschäftigt seien, während alle
anderen dort Beschäftigten Reichsdeutsche oder Deutschösterreicher
seien. Ich bin in der Lage, dem hohen Hause
den tatsächlichen Stand der Dinge darzulegen, um zu zeigen,
mit welchem Agitations- und Propagandamaterial man selbst in einem
Ausschuß, wie es der sozialpolitische Ausschuß ist,
arbeitet. Ich habe mir die Mühe genommen, die Verhältnisse
in diesen Werken zu untersuchen, und da habe ich festgestellt,
daß von 798 Arbeitern 731 èechoslovakische Staatsangehörige
sind, daß weiters 25 Deutschösterreicher, 39 Reichsdeutsche,
2 Jugoslaven und 1 polnischer Arbeiter beschäftigt sind.
Die angeführten reichsdeutschen und österreichischen
Arbeiter sind ausschließlich vor dem Kriege angestellt worden,
ein großer Teil ist seit der Gründung des Werkes im
Jahre 1899 dort beschäftigt. Von den Österreichern ist
der größte Teil Spezialarbeiter, Wälzer und Drahtzieher
aus der Steiermark, von den Reichsdeutschen ist fast die Hälfte
Meister, die andere Hälfte ist als Spezialarbeiter angestellt.
Es handelt sich meist um Westfalen, welche als Spezialarbeiter
in der Kupferbranche auf der ganzen Welt zu finden sind. Die Kupferraffineriemeister
dagegen stammen aus Mansfeld im Deutschen Reiche und sind ebenfalls
Spezialarbeiter, die Sie nirgends finden. Nun vergleichen Sie
das mit den Angaben, die Koll. Tuèný vorgebracht
hat. Es entspricht also gar nicht den Tatsachen, auch in diesem
einzelnen Beispiele nicht, daß etwa die Deutschen aus dem
Reiche und Österreich unseren Arbeitsmarkt überschwemmen.
Danach sind ja unsere ganzen sozialen Verhältnisse gar nicht
angetan. (Výkøiky na levici.) Die
Èechoslovakische Republik ist ja, leider
müssen wir es sagen, jenes Land, das in Bezug auf die Lohnverhältnisse
in ganz Europa am schlimmsten gestellt ist. Wir stehen in Bezug
auf unseren Reallohn an dreizehnter Stelle und es fällt einem
reichsdeutschen Arbeiter normalerweise gar nicht ein, in
die Èechoslovakische Republik herüberzukommen, weil
die Arbeitslosenunterstützung im Deutschen Reiche bereits
höher ist als hier bei uns der Lohn, den gerade die jetzt
sich zum Streik vorbereitenden Bergarbeiter noch immer nicht bewilligt
bekommen. (Sehr richtig!) Die Èechoslovakei
ist aber überdies ein typisches Arbeiterauswanderungsland.
Wir haben durch die Friedensverträge einen großen Teil
unserer Industrieabsatzgebiete verloren und nicht mehr wiedergewinnen
können. Wir haben daher heute vielleicht
noch mehr als je eine Auswanderung, die sich in Zukunft vielleicht
ganz wesentlich steigern wird. Wir dürfen uns nicht darüber
täuschen, wenn unsere Industrie heute besser beschäftigt
ist als vor zwei oder drei Jahren. Erst vor einigen Tagen
- das ist bezeichnend - hat die Èechoslovakei mit dem Deutschen
Reiche einen Vertrag betreffend die Beschäftigung èechoslovakischer
landwirtschaftlicher Arbeiter im Deutschen Reiche abgeschlossen,
also den treffendsten Beweis dafür geliefert, daß wir
in unsere Nachbarländer Arbeitsuchende entsenden und nicht
das Gegenteil der Fall ist. In Deutschland und in Deutschösterreich
sind gegenwärtig neunmal soviel èechoslovakische Staatsangehörige
beschäftigt oder überhaupt lebend als hier bei uns reichsdeutsche
oder österreichische Staatsangehörige sind. Wir haben
auf dem Gebiete der Èechoslovakischen Republik 58.673 Österreicher
und 39.660 Reichsdeutsche, zusammen also etwa 90.000 Ausländer
aus diesen beiden Nachbarstaaten. Dagegen haben wir in Deutschösterreich
520.000 èechoslovakische Staatsangehörige und im Deutschen
Reich 330.000 èechoslovakische Staatsangehörige, zusammen
850.000. (Výkøiky na levici.) Das ist also
neunmal soviel wie umgekehrt. Dabei mag vielleicht gewissen Kreisen
in der Èechoslovakischen Republik der Gedanke vorschweben,
daß der größte Teil dieser èechoslovakischen
Staatsangehörigen im Reiche und in Österreich Sudetendeutsche
sind, aber auch das sind èechoslovakische Staatsangehörige,
und wenn sie von einer Repressalie betroffen würden,
so würden sie den Staat genau so angehen, wie wenn es Èechen
betreffen würde. (Výkøiky posl. inž.
Junga.) Dabei ist zu bedenken - ein Argument, auf
das das "Èeské Slovo" aufmerksam gemacht
hat - daß gerade unter diesen èechoslovakischen Arbeitern
in Österreich und im Deutschen Reiche
vorwiegend solche Arbeiter beschäftigt sind, die zu niedrigen
Löhnen arbeiten, während die besseren Stellungen in
den Nachbarländern die Sudetendeutschen einnehmen. Das ist
nicht aus irgendwelchen politischen Gründen, sondern aus
der sozialen Struktur der beiden Völker in unserem Lande
so gekommen. Bei Repressalien fürchtenwiroderwenn Sie wollen,
wir fürchten es nicht - könnten gerade Ihre Volksangehörigen
vielleicht schlimmer wegkommen als die unsrigen. Aber wenn wir
heute untersuchen, ob die Republik ein solches Gesetz braucht
und wenn Sie sagen, daß sie es braucht, weil auch in den
Nachbarstaaten solche Gesetze bestehen, so müssen wir fragen,
aus welchen Ursachen in den Nachbarstaaten diese Schutzgesetze
und aus welchen Ursachen bei uns dieses Gesetz geschaffen worden
ist. Im Deutschen Reiche wurde das Gesetz über den Arbeitsnachweis
vom 22. Juli 1922 eingeführt, also in einer Zeit, in der
das Deutsche Reich sich in der schwersten wirtschaftlichen Krise
befand, in einer Zeit der ungeheueren Arbeitslosigkeit und Inflation,
wo die deutsche Valuta zerstört wurde, wo tausende und abertausende
Industriebetriebe zum Stillstand gekommen sind. In diesem Augenblick
hat man im Deutschen Reiche dieses Notgesetz eingeführt.
In Deutschösterreich ist ebenfalls das Bundesgesetz über
die, wie es ausdrücklich heißt, zeitweilige Beschränkung
der Beschäftigung ausländischer Arbeiter und Angestellten
am 19. Dezember 1925 zum Gesetz erhoben worden. Also auch dort
in einer Zeit, wo die Arbeitslosigkeit den höchsten Grad
erreichte und wo sich Deutschösterreich in einer Situation
der Verzweiflung, der Krise, der Arbeitslosigkeit und der Not
befand. Aber was haben wir bei uns? Wir haben im Jahre 1923 einen
Stand von 321.000 Arbeitslosen gehabt. Im Dezember 1927 haben
wir dagegen lediglich 35.770 Arbeitslose. Wir haben heute nur
ein Zehntel der Arbeitslosigkeit des Jahres 1923, und diese Arbeitslosigkeit
ist heute eigentlich nicht mehr als solche zu bezeichnen. Das
ist jener Teil der Arbeiterschaft, von denen ich heute
einleitend gesprochen habe, die eben infolge des Verlustes der
Absatzmärkte der Èechoslovakischen Republik, durch
die Zertrümmerung der alten Wirtschaftsgebiete dauernd zur
Arbeitslosigkeit verurteilt sind und die in der Èechoslovakischen
Republik wahrscheinlich niemals werden dauernd
beschäftigt werden, so daß sie wiederum nur in den
Nachbargebieten Beschäftigung finden können. Ein Schutz
des Arbeitsmarktes ist bei uns in diesem Augenblick nicht nur
unnötig und überflüssig, sondern er verscherzt
auch die Möglichkeit des Abbaues aller der Schwierigkeiten,
welche die Folge der Nachkriegszeit sind. Da richte ich an die
Majorität, die sich heute anschickt, diesem Gesetze zuzustimmen,
die Frage: Sollen denn in Mitteleuropa die Mauern niemals fallen,
die gegenüber den anderen Wirtschaftsgebieten aufgerichtet
worden sind? Wir gehen daran, oder man will wenigstens daran gehen,
die Visa zu beseitigen. Man will dadurch die Erleichterung des
Verkehres von einem Land in das andere erreichen. Aber in demselben
Augenblick richten Sie durch das Gesetz zum sogenannten Schutze
des heimischen Arbeitsmarktes eine neue Schranke auf, (Souhlas
na levici) die nicht nur unseren heimischen Arbeitern keinen
Schutz gewährt, sondern im Gegenteil jenem Teil der Arbeiter,
der nicht mehr von uns beschäftigt werden kann und von unserer
Industrie niemals mehr wird beschäftigt werden können,
die Möglichkeit der Abwanderung nach Deutschösterreich
oder in die anderen Nachbarstaaten benimmt. Wenn Sie sich auf
den gegenteiligen Standpunkt gestellt, wenn Sie gesagt
hätten, die Èechoslovakische Republik ist der einzige
Staat in Mitteleuropa, der ein solches Gesetz nicht hat, der,
weil er es nicht hat, mit moralischem Rechte fordern darf, daß
auch die Nachbarstaaten diese Einschränkungen,
die nur Auswüchse einer Nachkriegswirkung sind, beseitigen
mögen, dann hätten Sie endlich einmal, das erstemal
vielleicht in der Geschichte des Staates, die Möglichkeit
gehabt, mustergültig in der Entwicklung der mitteleuropäischen
Verhältnisse voranzuschreiten.
Gestatten Sie mir, daß ich mich zu dem
Gesetze selbst und seinen einzelnen Bestimmungen kurz äußere.
Es ist, wie ich schon im sozialpolitischen Ausschusse angeführt
habe, viel aus den analogen Gesetzen des Deutschen Reiches und
Deutschösterreichs übernommen worden, es sind
ganze Kapitel, ganze Paragraphen wortwörtlich übernommen
worden. Aber leider, wie wir ausdrücklich feststellen müssen,
immer die schlimmsten Paragraphen, immer jene, die die schlimmsten
Folgen nach sich ziehen. So hat das èechoslovakische
Gesetz gerade die ausgezeichneten Bestimmungen sowohl des österreichischen
wie auch des reichsdeutschen Gesetzes nicht übernommen, daß
die Bewilligung zur Aufnahme von Ausländern von den Bezirksorganisationen
- in beiden Ländern sind es andere - von den Trägern
der lokalen Verwaltung also, ausgestellt werden. Sie haben vielmehr
die politische Landesverwaltung zum Bewilligungsorgan gemacht.
Ich frage die Majorität: Glauben Sie wirklich, daß
die politischen Landesverwaltungen so glänzend und so rasch
arbeitende Körperschaften sind, daß sie die Bewilligung
des Arbeitsantrittes rasch genug im entscheidenden Momente werden
erteilen können? Können Sie ferner auch dafür garantieren,
daß dieses Bewilligungsverfahren bei der politischen Landesverwaltung
auch von der nötigen Sachkenntnis getragen sein wird? Wissen
wir nicht, daß jede Bewilligung bei der politischen Landesverwaltung
derart erfolgt, daß man bei der zuständigen politischen
Bezirksverwaltung anfragt, die wiederum das Gendarmerieorgan in
den betreffenden Ort hinausschickt, also ein Instanzenweg, der
mindestens ein bis eineinhalb Monate dauert? Dann kommt das Ding
zurück und die Landesverwaltung entscheidet normalerweise
so, wie es die politische Verwaltung erster Instanz vorschlägt.
Was wir auch an diesem Gesetze sehen - es ist ein ganz kleines,
vielleicht ein nebensächliches Gesetz, es ist aber typisch
für den ganzen Geist - ist die absolute Ausschaltung jedes
Einflusses einerseits der Interessenten, also derjenigen, die
es in erster Linie angeht, und andererseits die Ausschaltung einer
jeden lokalen Mitbestimmung oder lokalen Beeinflussung. Sie wollen
auch mit diesem Gesetze nichts anderes, als den starren
Zentralismus einrichten, Sie wollen auch hier nichts anderes als
den èechoslovakischen Obrigkeitsstaat, in dem der Untertan,
nicht der freie demokratische Bürger - wir sind es in diesem
Staate gar nicht - den Bürokraten einfach
zu parieren hat. (Souhlas na levici.) Dafür zeugt
nicht nur diese Bestimmung, sondern auch die Art und Weise, wie
dieses Gesetz in dieses Haus gekommen ist.
Als die ersten Andeutungen veröffentlicht
wurden, daß die Regierung ein solches Gesetz beabsichtige,
sind aus allen beteiligten Kreisen Proteststürme laut geworden.
Ich mache aufmerksam, daß dieses Gesetz - gerade weil es
eine bürgerliche Mehrheit beschlossen hat - den Handelskammern
nicht zur Begutachtung vorgelegt worden ist, daß nicht der
Wirtschaftsbeirat, nicht die Gewerkschaftskommission, auch nicht
die Organisationen der Unternehmer befragt worden sind, Dieses
Gesetz hat einfach ein Ministerialbeamter von den Nachbarstaaten
abgeschrieben, ohne auf die Bedürfnisse unserer Wirtschaft
Rücksicht zu nehmen, ohne die Marktverhältnisse dieses
Landes überhaupt zu überprüfen, und so kommt es,
daß eine ganze Reihe notwendiger Bestimmungen in diesem
Gesetze fehlt.
So ist die Frage der Grenzläufer für
uns außerordentlich wichtig, Ich erinnere daran,
daß an der ganzen Grenze des Böhmerwaldes von Neuern
bis Hohenfurth hunderte und tausende Böhmerwäldler,
also èechoslovakische Staatsangehörige, als Waldarbeiter
in Bayern tätig sind, die nun möglicherweise sehr schlimme
Erfahrungen machen werden. Ich mache aufmerksam,
daß längs der ganzen Grenze von Asch bis hinüber
nach Troppau tausende und abertausende Grenzarbeiter von uns nach
dem Deutschen Reiche arbeiten gehen, während Reichsdeutsche
zu uns überhaupt nicht oder nur in den seltensten Fällen
als Grenzläufer zur Arbeit kommen. Ich möchte vor allem
auch darauf hinweisen, daß noch eine ganze Reihe von Bestimmungen
in diesem Gesetzentwurfe sind, gegen die wir auf das energischeste
Verwahrung einlegen müssen. So z. B. die Bestimmung, daß
das Gesetz rückwirkende Kraft für alle jene ausländischen
Angestellten und Arbeiter hat, die ab 1. Mai 1923 in diesem Lande
beschäftigt sind. Das bedeutet praktisch daß, wenn
rund 4000 ausländische Arbeiter, und Angestellte jährlich
in das Land kommen, ungefähr 12.000 Menschen von morgen an,
wo das Gesetz in Kraft treten wird, sich in absoluter Unsicherheit
befinden werden, ob sie nicht schon in der nächsten Woche
oder dem nächsten Monat den Befehl in der Tasche haben werden,
ihre bisherige Arbeit aufzugeben. Wir haben demgemäß
den Antrag gestellt, daß das Gesetz erst vom 15. November
1927 rückwirkende Kraft erlangen soll.
Weiterhin möchte ich aufmerksam machen,
daß ein Rechtsmittel gegen einen abweisenden Bescheid überhaupt
nicht existiert, daß also derjenige, der abgewiesen worden
ist, gar keine Möglichkeit hat, gegen diese Abweisung zu
appellieren. Weiters möchte ich auf die gegenwärtige
Praxis, die auch in Zukunft beibehalten werden soll, auf die außerordentlich
hohen Amtshandlungsgebühren hinweisen, Nach dem Gesetz vom
16. Dezember 1926 kann das Ministerium für soziale Fürsorge
oder die politische Landesverwaltung Gebühren von 20 bis
1.000 Kè für jeden einzelnen Fall einheben, und sie
tun es auch. Ja, darüber hinaus besteht bisher die Praxis,
daß jeder Unternehmer für
jeden ausländischen Arbeiter, gleichgültig welcher Kategorie,
pro Jahr 100 Kè als Amtshandlungsgebühr zahlen muß,
eine außerordentlich hohe Summe.
Wir möchten bei diesem Anlasse und bei
der ganzen Art der Entstehung dieses Gesetzes denn doch fragen,
ob das Abgeordnetenhaus die Art und Weise, wie bei uns jetzt in
der letzten Zeit, aber auch schon früher Gesetze gemacht
worden sind, es nicht unter seiner Würde erachtet, ein derartiges
Verfahren immer mehr und mehr platzgreifen zu lassen. Ein paar
Ministerialbeamte fabrizieren einfach einen Gesetzentwurf und
die Majorität nimmt ihn ohne jede Abänderung an. Wir
haben uns bemüht, die Gründe für unsere Anträge
sachlich zu unterbauen. Wir haben in den Ausschüssen darauf
hingewiesen, da, insbesondere die Verlegung der Bewilligungsstellen
aus dem Bereiche der politischen Verwaltung zweiter Instanz in
die lokale, in die Bezirksinstanz, eine der wichtigsten Notwendigkeiten
ist. Alle diese Dinge sind abgelehnt worden, einfach deshalb,
weil die Majorität sich gar nicht die Mühe nimmt, die
sachlichen Gründe reiflich zu prüfen, und weil es sich
andererseits eingebürgert hat, daß alles, was in einem
Ministerium entstanden ist, von der Majorität einfach angenommen
und durchgepeitscht wird. Wir möchten hier fragen, wer denn
der Gesetzesmacher ist, ist es überhaupt noch das Parlament
oder sind es nicht eigentlich ganz unverantwortliche Organe, die
dieses Parlament zur Staffage herabwürdigen, die dieses Parlament
zur Bewilligungsmaschine herabdrücken? Wenn die Majorität
sich in dieser Jasager-Rolle wohlfühlt, dann bedauern wir
dieses Parlament und seine Majorität außerordentlich,
Dann wundern Sie sich aber nicht, daß der Kredit jedes Parlamentarismus
verloren geht, der eigentlich die Grundlage einer demokratischen
Verwaltung, eines demokratischen Regierungssystems sein sollte,
daß er in der Bevölkerung jegliches Ansehen verliert,
immer mehr an Achtung einbüßt.
Wir haben im sozialpolitischen Ausschuß
eine Resolution beantragt und begründet Dieser Resolutionsantrag
geht dahin, daß die Regierung aufgefordert werden soll,
jede mögliche Gelegenheit zu benützen, um mit den Nachbarstaaten
Sonderverträge über die Ausländergesetzgebung abzuschließen,
um diese schwerste Benachteiligung der arbeitenden Bevölkerung
und der wirtschaftlichen Verhältnisse zu beseitigen, eine
Gesetzgebung, durch die die Ausländer gegenseitig nur schikaniert
werden. Diese Resolution wurde angenommen. Es wäre auch an
dem Tage, wo in Prag eine internationale Abrüstungskommission
mit ausländischen Vertretern saß, höchst merkwürdig
gewesen, wenn ein solcher Resolutionsantrag im Ausschusse von
der Majorität abgelehnt worden wäre, auch schon deshalb,
weil das Gesetz selbst vorgibt, nur ein vorübergehendes Ausnahmsgesetz
zu sein. Meine Herren, gerade diese Resolution wird vielfach in
ganz kurzer Zeit der Prüfstein dafür sein, ob Sie es
wahrhaft ehrlich gemeint haben In Kürze wird es wohl möglich
sein, mit dem einen oder mit den anderen Nachbarstaat - es muß
ja nicht gerade Deutschland oder Deutschösterreich sein,
wir grenzen ja auch an Ungarn, Polen und Rumänien - jene
Vereinbarungen zu treffen, die die Beseitigung dieser Schikanen
möglich machen. Aus den vorgebrachten Gründen muß
unsere Partei gegen die Vorlage stimmen, weil sie dieses Gesetz
als einen Rückschritt in der Entwicklung der Zusammenarbeit
der Völker und der Staaten betrachtet. (Potlesk
poslancù nìm. strany nár. socialistické.)