Hohes Haus! Die Regierung hat diese Gesetzesvorlage
eingebracht, die den Zweck hat, während der Zeit eines ungünstigen
Standes auf dem inländischen Arbeitsmarkt verschiedene Arbeitsbeschränkungen
einzuführen. Natürlich sind sich alle dessen bewußt,
daß dermalen ein solcher Schutz nicht extrem durchgeführt
werden kann und darf und weicht ja diese Gesetzesvorlage auch
allen solchen Extremen völlig aus. Anhänger und selbst
manche Gegner der Vorlage berühren sich darin, daß
ja überdies, eine Zeit kommen kann, die eventuell noch höheren
Schutz fordern kann und man diesbezüglich auch der Gesetzgebung
der Nachbarstaaten und fast aller europäischen Staaten sich
anpassen müsse, um für später eine gegenseitige
Verhandlungsbasis zu schaffen und schaffen zu können. Letzteres
ist gewiß auch ein beachtenswertes Moment.
Der Standpunkt der Landwirtschaft ist nachfolgender:
Auf Grund der Statistik ist der Stand des Arbeitsmarktes nicht
als katastrophal zu betrachten, da auf Grund der Ausweise des
Zentralarbeitsamtes und der Arbeitsvermittlungsstellen die Zahl
der stellenlosen Bewerber in vielen aber nicht in allen
Berufen ständig abnimmt. So z. B. gab es im Jahre 1923 in
der Èechoslovakei bei einer Anzahl von ungefähr vier
Millionen unselbständig erwerbstätigen Personen 321.000
Stellenlose, Ende des Jahres 1927 nunmehr 35.777.
Von uns gehen meist, mit Ausnahmen, die ich später berühren
werde, unqualifizierte Kräfte ins Ausland, während hoch
qualifizierte Kräfte, welche in der Landwirtschaft und in
der Industrie benötigt werden, aus dem Auslande in die Èechoslovakei
einwandern. Eine radikale Überbeschränkung
der Freizügigkeit kennt das Gesetz daher nicht und wollen
wir diese auch nicht. Für die Landwirtschaft hat die Wanderbewegung
eine ganz besondere Bedeutung, da gerade viele unserer Arbeitskräfte
zwecks besserer Ausbildung in allen Zweigen der Landwirtschaft
ins Ausland wandern und als völlig ausgebildete Kräfte
wieder in die Heimat zurückkehren. Insbesondere fehlt es
im Inlande an völlig ausgebildeten Kräften auf dem Gebiete
der Tierzucht, der Milchwirtschaft und des Pflanzenbaues. Dies
sagen alle unsere kompetenten landwirtschaftlichen Spitzenorganisationen.
Im Auslande hat die Landwirtschaft auf diesem Gebiete bedeutende
technische und organisatorische Fortschritte aufzuweisen. Durch
die Möglichkeit einer besseren Ausbildung der Arbeitskräfte
im Auslande wird auch ein sozialer Aufstieg im Inlande leichter
ermöglicht und so mancher Absolvent einer landwirtschaftlichen
Lehranstalt, der infolge der Bodenreform nicht in der Lage wäre,
eine Stelle zu erhalten, wird durch die ergänzende Ausbildung
im Auslande leichter einen Arbeitsplatz erringen, wie dies z.
B. beim schweizer Personal oft der Fall ist. Unserem landwirtschaftlichen
Nachwuchs ist durch das Gesetz absolut, nicht die Möglichkeit
genommen, sich im Auslande vollwertig auszubilden, zu seinem Nutzen
und zu unserem Frommen. Die Jugend gehört hinaus in die Welt,
die Jugend darf nicht in der Engheit der Heimat verkümmern.
Die Jugend muß Neues sehen, Neues erfassen und Weitblick
gewinnen. Die Jugend soll, gesättigt mit neuem Wissen und
Können heimgekehrt, im guten Sinne wirtschaftlich umbildend,
wirtschaftlich revolutionierend wirken. Das Gesetz ist deshalb
so gehalten, daß nie und nimmer Gegenmaßnahmen vom
Auslande zu erwarten sind. Solche Schreckgespenster male man uns
daher nicht an die Wand.
Wir durften uns im Gesetze nicht kleinlich
zeigen und uns nicht ablehnend verhalten gegen die wenigen hochqualifizierten
Arbeitskräfte, die wir selbst brauchen, und lit. b) des §
8 wurde eigens zu diesem Zwecke formuliert und sichert von
vornherein eine besonders liberale Behandlung solcher Gesuche.
Gegenmaßnahmen anderer Staaten sind nicht nur nicht zu befürchten,
sondern haben ganz gegenteilig erst vor wenigen Tagen die Verhandlungen
zwischen den Vertretern der deutschen und der èechoslovakischen
Regierung über die Anwerbung èechoslovakischer landwirtschaftlicher
Wanderarbeiter in der deutschen Landwirtschaft zu einer guten
Vereinbarung geführt, die am 2. Feber dieses Jahres, also
vor wenigen Tagen, im deutschen Reichsarbeitsministerium
unterzeichnet wurde und die durch einen Notenwechsel in Kraft
gesetzt wird. Das Vorstehende allein straft schon die Gespenstermaler
Lügen. Das Gesetz forciert nicht einen ungerechtfertigten
Überschutz des heimischen Arbeitsmarktes, auch aus dem Grunde
nicht, da die Einwanderung weniger hochqualifizierter Arbeitskräfte
im allgemeinen auf die Bestimmung der Arbeitslöhne in der
Landwirtschaft gar keinen Einfluß hat. Gewiß kennen
auch wir die Zahlen der Statistik und wissen, daß
mehr èechoslovakische Staatsangehörige im Auslande
beschäftigt sind als umgekehrt ausländische bei uns.
In Österreich sind dreimal und in Deutschland viermal so
viel Èechoslovaken in Arbeit wie umgekehrt Österreicher
und Reichsdeutsche bei uns. Gewiß,
es dürfte kaum ein Dörflein in den historischen Ländern
geben - von der Slovakei und Karpathorußland ganz zu schweigen
- das nicht irgend jemanden im Ausland hat. Auch das wissen wir,
daß die Zahl der Arbeitslosen in der Èechoslovakeiderzeit
gesunken ist und nun ca. 8% beträgt, wie ich bereits eingangs
erwähnte. Alle diese Umstände wurden berücksichtigt,
daher hat das Gesetz - ich werde das später klarlegen - auch
eine viel mildere und rücksichtsvollere Fassung gefunden
als die andern gleichen europäischen Gesetze und auch als
die ähnlichen Gesetze unserer Nachbarstaaten. Außerdem
muß ich auch auf die Abgaben hinweisen, die der Arbeitgeber
für die Anstellung von Ausländern zu bezahlen hat. Der
Staat läßt sich unter Hinweis auf die Verordnung vom
18. Juni 1925, S. d. G. u. V. Nr. 163, betreffend die Abgaben
für Verwaltungsamtshandlungen von Fall zu Fall bei der Anstellung
von Ausländern Aufenthaltsgebühren bezahlen. Um hier
gerecht und schonend einzugreifen, wurde ausdrücklich im
§ 13, lit. c) festgelegt - und auch das ist ein Erfolg
- daß für die Beschäftigung der Angehörigen
der einzelnen Staaten gleiche Bedingungen festzusetzen sind, wie
sie in dem betreffenden Staate für die Beschäftigung
èechoslovakischer Angehöriger gelten: also vollständige,
gerechte Gegenseitigkeit. Nach allen Seiten bestrebt sich eben
das Gesetz vernünftig ausgleichend zu wirken.
Es ist nicht uninteressant z. B. konstatieren
zu müssen, daß wir an unseren Landesgrenzen, also am
flachen Lande, ausländisches Arbeitspersonal einstellen müssen.
Arbeitermangel am Lande, Arbeitslose in den Großstädten,
das ist ein Zustand, der ungesund genannt werden muß. Gerade
der Staat und der Industriearbeiter haben kein Interesse an dem
Zuzug eines Übermaßes von Arbeitskräften vom flachen
Lande zu den Städten, ein Ausgleich wäre auch da am
Platze im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wenn das
Flachland von Arbeitskräften verödet und die Stadt an
Arbeitslosen gewinnt, so leiden darunter beide.
Wenn wir die in Verhandlung stehende Gesetzesvorlage
beleuchten, so muß hiezu unbedingt die Gesetzgebung der
für uns besonders in Betracht kommenden Nachbarstaaten zum
Vergleich herangezogen werden, vor allem Deutschland und Österreich.
Solche Gesetze werden zwischen den Nachbarstaaten meist gleichgewichtlich
festgelegt. Die Bestimmungen dieses Gesetzes betreffen jene Ausländer
nicht, welche vor dem 1. Mai 1923 auf das Gebiet der Èechoslovakischen
Republik kamen und ununterbrochen arbeiteten. Leider haben viele
Nachbarstaaten diesen Termin schärfer
eingestellt. Deutschland stellte für landwirtschaftliche
Arbeiter als Stichtag den 1, Jänner 1 913 auf, während
das vorliegende Gesetz einen 10 Jahre weiter regenden Aufenthaltstag
anerkennt, Für nichtlandwirtschaftliche Arbeiter ist in Deutschland
Stichtag der 1. Jänner 1919, bei uns gilt da und überall
der 1. Mai 1923. Dieses Gesetz ist liberaler und in der ausländischen
Gesetzgebung liegt der Urgrund, daß es uns nicht gelang,
den Stichtag weiter zurück bis zum Tage der Gültigkeit
dieses Gesetzes zu erstrecken, eben darin, daß die nachbarländische
Gesetzgebung überweit und überstrenge zurückgreift,
Hier liegen aber auch Gegensätze verstaut, die wir ja mit
gutem Willen in weiterer Folge auch mit allen Staaten bereinigen
und vereinbaren werden und werden die diversen Regierungen eben
dadurch, daß dieses Gesetz geschaffen wurde, erst in die
Lage kommen, entgegenkommend in Verhandlungen treten zu können,
Schritt für Schritt, aber sicher wird der Abbau aller dieser
Restmaßnahmen, die der Krieg gezeitigt hat, eingeleitet
werden. Extreme sind auch da wie überall von der Hand zu
weisen, Selbstverständlich bleiben nach dem Gesetz die alterteilten
Bewilligungen restlos bestehen. Erworbene Rechte müssen respektiert
werden.
Ebenso sind in den verschiedenen Gesetzgebungen
grundverschieden die Strafen verstaut, Deutschland fixiert Geldstrafen
bis 10,000 Mark. Achtfach genommen macht dies den großen
Betrag von 80,000 Kè aus, Überdies Arreste bis zu
6 Monaten. Der ernste deutsche Ordnungsgeist tritt auch hier hervor,
auch das deutsche Steuerreformgesetz hat viel
schwerere Strafen eingestellt als wir, Unseren anderen Verhältnissen
entsprechend wurden die Strafen viel kleiner bemessen, Für
uns ist auch § 8, lit. b) eine besondere Gewähr und
sind dadurch unsere wenigen qualifizierten und bewährten
Auslandskräfte, die ja oft auch auf staatlichen Gütern
arbeiten, ernst geschützt, da sie betreffs des im §
2 festgesetzten Aufenthaltstages leicht Dispens erhalten. Wir
begrüßen daher diese Bestimmung, ganz besonders, Aber
noch mehr. Im weiteren werden auch unsere Landeskulturräte
und Gewerbekörperschaften Wohlmeinungsabgaben erstatten können,
Auch dies ist ein Recht, das wir mit Genugtuung buchen und das
eine gute Erledigung aller begründeten Gesuche verbürgt
und eine Verbesserung der Vorlage darstellt.
Wenn von gegnerischer Seite betont wird, daß
dieses Gesetz zwecklos ist, so trifft dies nicht zu und ist dies
eine offensichtliche Übertreibung, Jede Opposition hat ja
das Recht, in vollen Akkorden zu sprechen. Auf das richtige Maß
zurückgeführt, sage ich wie eingangs: ein Überschutz
ist nicht am Platze Daß es aber bei uns auch Zweige gibt,
die des Schutzes schwer bedürfen, berühre ich anlehnend
an die empfangenen Mitteilungen. Fremdstaatliche Arbeiter und
anders qualifizierte haben im Erzgebirge die Instrumentenfabrikation
erlernt und heute errichtete man mit ihrer Hilfe große Instrumentenfabriken
in Mailand und das Erzgebirge ist der Leidtragende, verliert einen
Teil seines Exportes, Eine deutschböhmische Verlustliste:
Glasmacher - die Glaserzeugung ist eine spezifisch deutsche Industrie
- werden für andere Staaten angeworben und die Glasindustrie
wird in die Fremde verpflanzt. Der Schutz seiner Arbeitsstelle
würde auch den Glasarbeiter an die Heimat fesseln und auch
andere Maßnahmen wären hier zu treffen. Man wirbt selbst
Spitzenklöpplerinnen für die Fremde an um uns auch diesen
Exportzweig zu entwinden, abgesehen davon, daß heute schon
die bei uns erzeugten billig ans Ausland gelieferten Spitzen meist
nach Brüssel gehen und als echte Brüsseler Ware, nicht
um ein Atom besser, als sie erzeugt wurden, nach Paris, London
und Amerika mit einem Prozentaufschlag von mehreren Hundert geliefert
werden. (Výkøiky na levici.)
Das sind alles die Früchte der ausländischen Industriespionage.
Das sind nicht alle Erwerbszweige, die ich anführte, ihre
Liste ist jedoch noch lange nicht vollständig. Erwerbszweige,
die in unseren armen bedürftigen Randgebieten daheim sind,
Für diese wird das Gesetz wohltätig wirken und wird
nur Ausländern, die da nur zu dem Zwecke hereinkommen - es
sind sonderbarerweise weder Österreicher noch Reichsdeutsche
- um japanerartig alle Produktionsweisen uns zu entwinden, ruhig
aber klar auf ihre unreellen Absichten sehen, Solche besonders
befähigte heimische Arbeitskräfte, die den Lockungen
der Fremde folgen, sind nicht zu beneiden, denn über kurz
oder lang, wenn man ihrer nicht mehr bedarf, werden sie einfach
entlassen und brotlos. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan,
der Mohr kann gehen. Im weiteren wünschen wir, daß
die Zone des sogenannten kleinen Grenzverkehres, die sich bisher
auf 10 km beschränkt, mindestens auf 20 bis 30 km erweitert
werde. Auch das wäre rascher in die Wege zu leiten. Die Grenze
will atmen, sie kann es nicht. Die Unterbindung des Grenzverkehrs
ist ja auch eine längst überlebte Kriegsmaßnahme.
Leider ist dies zwar im Rahmen des Gesetzes nicht durchzuführen,
doch der Anruf hierfür soll von mir trotzdem gegeben werden.
Bei diesem Anlasse will ich auch dem Wunsche Ausdruck geben, daß
ein verschärfter Schutz der Auswanderer und eine verschärfte
Aufsicht über die diversen Schiffahrtsgesellschaften, am
Platze wäre, denn auch da handelt es sich um den Schutz unserer
wenn auch abwandernden, aber zum Großteil wieder zurückkehrenden
Arbeitskräfte. Insbesondere wären die italienischen
Gesellschaften intensiver unter die Lupe zu nehmen. Schon vor
dem Kriege hat man bloß italienische Grenzstädte, wie
z. B. Udine, zu besuchen brauchen - und ich tat es - um zu sehen,
wie aufdringlich dort die Auswanderungsagenten ihr, unlauteres
Wesen trieben, und es war ein offenes Geheimnis damals, daß
selbst die Bewohner des ehemaligen österreichischen Küstenlandes
für diese Sorten von Menschen Freiwild waren. Neuerdings
setzt gerade aus dem Böhmerwalde eine Auswanderungsbewegung
nach Kanada ein und wäre es wohl am Platze, dem Schutze dieser
unserer auswandernden Leute ein besonderes Augenmerk zuzuwenden
und dies sollten unsere kanadischen Auslandsvertretungen besonders
beherzigen. Im weiteren wäre auch der Schutz unserer im Ausland
versicherten Personen restlos durchzuführen. Erfreuliche
Anfänge sind ja bereits zu verzeichnen. Nach dieser Richtung
ist es ja gelungen, unseren Staatsbürgern betreffs der österreichischen
und ungarischen Versicherungen volle Auszahlung zu erreichen.
Auch Belgien beginnt in dieser Sache nunmehr einen liberalen Standpunkt
einzunehmen, mit Deutschland sind die Verhandlungen im vollen
Gange, abgesehen davon, daß mehrere große reichsdeutsche
Versicherungen bereits jetzt voll alle Auszahlungen aufnehmen.
Auch das ist ein Schutz der heimischen Arbeit, ein Schutz des
heimischen Arbeitssparers, den wir erreicht haben. Auch auf einen
anderen Umstand erlaube ich mir hinzuweisen, daß es heute
bereits unsere politischen Behörden erster Instanz in der
Hand haben, unseren Angestellten und ihren Familien ihren Arbeitsplatz
im Auslande zu erhalten und sie dadurch vor Not und Unglück
zu schützen. Viele Familienväter, die im Auslande einen
guten Posten innehaben, leisten die letzte Waffenübung nicht
ab, da sie sonst ihren Platz verlieren und, der Not ausgeliefert,
ihren Heimatsgemeinden später zur Last fallen würden.
Die Sache wird für sie besonders dann brenzlich, wenn ihr
Paß abläuft und sie sich an ihre heimische politische
Behörde erster Instanz betreffs einer Paßverlängerung
wenden müssen. Hier wäre eine milde Praxis am Platze
und die Paßverlängerung in leichtem und raschem Wege
zu gewähren. Selbst unsere ausländischen Vertretungen
stehen der Sache wohlwollend gegenüber und weisen oft solche
Personen selbst an, den Gesuchsweg an die politischen Behörden
rasch einzuschlagen. Daß diese Gesetzesvorlage beschleunigt
erledigt wird, begrüßen wir vor allem deshalb, weil
hierdurch die Sichtvemerke zwischen der Èechoslovakei einerseits
und Österreich und Deutschland andererseits bald abgeschafft
werden. Durch diese eintretende Reisefreiheit werden alte lästige
Schikanen behoben und der Fremdenverkehr bekommt eine neue Belebung
und fremde Gelder strömen vermehrt ins Land. Viele Tausende
bleiben unserer Bevölkerung dadurch erspart, daß sie
die Zahlungen für die Sichtvermerke nicht leisten muß.
Auch das ist ein Erfolg, der unserem Volke, das Wien und Deutschland
oft aufsuchen muß, sehr zugute kommt. Auch nach Amerika
hat Deutschland die Sichtvermerksgebühren ermäßigt
und auch die Schweiz ist diesem Beispiel gefolgt. Amerika hat
diesen beiden Staaten gegenüber weniger Entgegenkommen bekundet,
als diese beiden Staaten gegenüber Amerika. Allerdings muß
hierbei festgestellt werden, daß die Herren Dollarbarone
über dem großen Teich Europa als minderwertig behandeln
und nach dieser Richtung hin sehr spröde sind. Dem Vernehmen
nach pflegt dieser Tage unser Außenministerium gleichfalls
Verhandlungen mit der Union, damit die Sichtvermerke von 10 auf
1 Dollar ermäßigt werden. Hoffentlich schwebt über
diesen Verhandlungen ein günstigerer Stern und wird in diesem
Falle die Union mehr zugänglich sein, da ja andererseits
fette Anleihezinsen von hier prompt nach Amerika wandern.
Meine Ausführungen beendend, wiederhole
ich: Dieses Gesetz ist in dieser seiner milden rücksichtsvollen
Fassung eine Notwendigkeit und meine Partei wird daher für
dasselbe votieren. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Wenn der Abgeordnetenklub
der Deutschen Nationalpartei den Regierungsantrag Druck 1227 auf
ein Gesetz zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes in seiner
Gänze ablehnt, so geschieht das keineswegs aus dem Grunde,
als ob die Deutsche Nationalpartei als oppositionelle Partei grundsätzlich
gegen jeden Regierungsantrag ihr Votum abgeben müßte.
Im Gegenteil, uns veranlassen zu unserem ablehnenden Standpunkt
so viele rein sachliche Gründe, daß ich mich veranlaßt
sehe, ihnen wenigstens teilweise und in aller Kürze hier
Ausdruck zu verleihen, trotzdem ich mir bewußt bin, daß
bei dem wohldisziplinierten System der Kollegialdiktatur der gemischtnationalen
Regierungsmehrheit eine Zurückziehung des Gesetzentwurfes
überhaupt nicht, aber auch eine passende Abänderung
des Gesetzesantrages nicht mehr möglich sein wird.
Das 19. Jahrhundert brachte der gesamten Menschheit
die Befreiung des Bauernstandes aus der Leibeigenschaft und damit
der beginnenden kapitalistischen Produktionsmethode die Möglichkeit,
für ihre Erzeugungszweige das notwendige und geeignete Arbeiterpersonal
sich zu beschaffen. Wurden anfangs die Produktionsstätten
immer dorthin verlegt, wo das beste und zahlreichste Arbeiterpersonal
zur Verfügung stand, so kamen später wohl andere Gesichtspunkte
zur Geltung. Die Erzeugunsstätten wurden dort errichtet,
wo infolge des Rohmateriales und der Hilfsstoffe die Erzeugung
am rationellsten und billigsten erfolgen konnte. Den Arbeitern
wurde gleichzeitig die Möglichkeit der Übersiedlung
an jene Erzeugungsorte gegeben, wo sie den besten Lohn, die weitestgehende
Entfaltung ihrer Fähigkeiten und die besten Lebensbedingungen
für sich zu finden hofften. Im Laufe dieser Entwicklung eröffnete
sich den Arbeitern und Industrieangestellten die ganze Welt, die
Staatsgrenzen verloren ihre Bedeutung als unübersteigbare
Mauern, die Freizügigkeit war jedem arbeitenden Menschen
gegeben. Es wird niemand leugnen können, daß diese
Erscheinung der Freizügigkeit, die nebenbei auch dem angeborenen
Freiheitsdrange eines jeden Menschen am besten entspricht, einerseits
den wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der gesamten arbeitenden
Menschheit bedingte, andererseits aber der technischen und ökonomischen
Organisation der Wirtschaft zum größten Nutzen gereichte
und dabei noch den unerwünschten Erscheinungen der Übervölkerung
wirtschaftlich zurückgebliebener Gebiete als wirksames Regulativ
zu Hilfe kam. Vielleicht darf man auch den Forderungen nach dem
Freihandel, den Ruf nach der Freizügigkeit der Waren als
eine naturnotwendige Folge der Freizügigkeit des Arbeitspersonals
auffassen.
Man kann sich gar nicht vorstellen, zu welcher
kulturellen, technischen und wirtschaftlichen Vollkommenheit dieses
Prinzip der Freiheit, der Freizügigkeit der Waren und der
arbeitenden Menschen die gesamte Menschheit geführt hätte,
wenn der Weltkrieg und seine jeder menschlichen Vernunft widersprechenden
Folgeerscheinungen dieser natürlichen Entwicklung nicht unüberwindbare
Hindernisse in den Weg gelegt hätten.
Die Weltwirtschaftskonferenz in Genf hat allen
denkenden Menschen klar gezeigt, wie schädlich die gegenseitige
Absperrung der neu entstandenen nationalen Wirtschaftsgebiete
in Europa sich auswirkt, und daß nur eine gegenseitige Verständigung
der europäischen Staaten auf handelspolitischem Gebiete und
eine auf dieser Verständigung beruhende, natürliche
und gesunde wirtschaftspolitische Entwicklung der einzelnen Staaten
einen chaotischen Zusammenbruch dieses Kontinentes verhindern
kann. Und welche Rolle spielt auf all diesen internationalen
Kongressen die Èechoslovakei? Während sich ihre Vertreter
bei solchen Gelegenheiten für den Internationalismus und
die wirtschaftliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten
erwärmen und die schönsten
Verständigungsphrasen von sich geben, geschieht im èechisch-slovakischen
Parlamente gleichzeitig das gerade Gegenteil. Hier werden künstlich
und unvernünftig Zollschranken errichtet, welche angeblich
zum Schutze unserer Produktionsstätten die Einfuhr
von Waren unterbinden, damit aber sofort zum Schaden unserer Produktionsstätten
die Ausfuhr von Waren unmöglich machen und unserer Industrie
den Verlust des Weltmarktes bringen. Der Handelsminister hat gebundene
Hände und kann nicht eine den wirtschaftlichen Interessen
dieses Völkerstaates entsprechende Handelspolitik entrieren,
weil die merkwürdigen Wege der Außenpolitik des Herrn
Ministers Dr Beneš ihm jede Möglichkeit dazu
benehmen. Erinnert man sich im Zusammenhange damit noch an die
Ereignisse des Herbstes 1926, als Minister Dr Beneš als
Vorsitzender der Abrüstungskommission in Genf in Völkerversöhnung
und Völkerfrieden machte, während zur selben Zeit in
Prag Minister Udržal sich
eine ganze Serie von Militärvorlagen, wie den elfjährigen
Rüstungskredit, die Verlängerung der militärischen
Präsenzdienstzeit, die Erhöhung des Heereskontingentes,
die Einführung der Ersatzreserve, das Zertifikatistengesetz
u. a. m. durch das Parlament bewilligen ließ, so wird man
sich eingestehen müssen, daß die Èechoslovakei
die Rolle eines perfiden Vertragspartners spielt, den sehr bald
im europäischen Völkerkonzert niemand mehr ernst nehmen
oder seines Vertrauens für würdig halten wird.
In dieser Richtung ist auch der vorliegende
Gesetzesantrag zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes
zu werten. Wohl haben die Nachbarstaaten der Èechoslovakei,
besonders die besiegten Staaten Deutschland und Deutschösterreich,
in den Zeiten größter Wirtschafts- und Handelskrisen
derartige Notgesetze zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes
erlassen, die aber im Vergleiche zu dem hier vorliegenden
Regierungsantrag sowohl einerseits viel benevolenter als auch
andererseits gesetztechnisch geschickter und einwandfreier abgefaßt
sind. Die Èechoslovakei begnügte sich damals nur mit
administrativen Vorkehrungen zum Schutze des
heimischen Arbeitsmarktes und lehnte es noch im Jahre 1925 ab,
durch ein besonderes Gesetz die Aufmerksamkeit des Auslandes auf
sich zu lenken. Jetzt, da in Deutschland und in Österreich
die straffe Handhabung dieser Gesetze immer mehr und mehr nachläßt,
besinnt sich plötzlich die hiesige Regierung, post festum
mit einem solchen Gesetze vor das Parlament zu kommen. Kein Mensch
kann sich erklären, warum dies eigentlich geschieht. Angeblich
soll durch das vorliegende Gesetz die Möglichkeit geboten
werden, im Einverständnis mit den Nachbarstaaten die Paßvisa,
bezw. den Visumzwang abzuschaffen. Dem gegenüber muß
ich aber feststellen, daß ein Gesetz zum Schutze des Arbeitsmarktes
ein untaugliches Mittel zur Beseitigung des Visumzwanges ist.
Die Paßvisa wurden nicht zu sozialpolitischen, sondern zu
polizeilichen Zwecken eingeführt.
Sich gegen die Beseitigung des Visumzwanges
aus Gründen des zu schützenden heimischen Arbeitsmarktes
zu wehren, heißt nichts anderes, als die mißbräuchliche
Verwendung der Paßvisa zu Zwecken einzugestehen, für
die sie nicht geschaffen waren, und haben andererseits die administrativen
Maßregeln zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes ihren
Zweck vollständig erfüllt, so ist es nicht notwendig,
nur wegen der Beseitigung des Visumzwanges die weitaus elastischeren
und leichter abzuändernden administrativen Maßnahmen
durch ein starres und schwer variables Gesetz zu ersetzen.
Bleibt nur noch die Begründung übrig, daß die
èechoslovakische Regierung durch das vorliegende Gesetz
die Möglichkeit sich schaffen will, im geeigneten Moment
rasch Retorsionsmaßnahmen gegen Deutschland und Österreich
ergreifen zu können. Dann kommt sie aber
erstens einmal reichlich zu spät. Logisch wäre es gewesen,
diese gesetzliche Basis für Wiedervergeltungszwecke schon
im Jahre 1925 zu konstruieren, als die Nachbarstaaten ähnliche
Vorkehrungen trafen. Ferner aber darf man nicht die Augen vor
der Tatsache verschließen, daß im Falle der
Anwendung von Retorsionsmaßnahmen die Èechoslovakei
gegenüber Deutschland und Deutschösterreich weitaus
im Nachteile ist. Vor dem Weltkriege waren die Länder, die
heute das Gebiet der èechoslovakischen Republik bilden,
die typischen Auswanderergegenden. Besonders
aus den Sudetenländern der Èechoslovakei wanderten
die Arbeitskräfte nicht nur in die österreichischen
Alpenländer, sondern auch nach Deutschland, Ungarn, in die
Schweiz und die übrigen Industriestaaten ab. Die statistische
Auswertung der österreichischen Volkszählungsergebnisse
aus den Jahren 1900 und 1910 hat ergeben, daß die Auswanderung
aus Böhmen, Mähren und Schlesien in die österreichischen
Alpenländer siebenmal so groß war, als die Rückwanderung
in der entgegengesetzten Richtung. Im Jahre 1923 zählte
man in Wien allein 120.000 èechoslovakische Staatsangehörige,
während im Jahre 1921 in der Èechoslovakei nur 50.000
deutschösterreichische Staatsangehörige lebten. Ähnlich
sind die Verhältnisse in Deutschland. Während
in Deutschland annähernd eine halbe Million èechoslovakischer
Staatsangehöriger arbeitet, zählte man im Jahre 1921
in der Èechoslovakei nur 65.000 Reichsdeutsche. Analoge
Ziffern könnte man auch aus anderen Staaten anführen.
Daraus ergibt sich wohl, daß im
Falle des Ergreifens von Wiedervergeltungsmaßnahmen der
verhältnismäßig geringen Abwanderung von Ausländern
aus der Èechoslovakei ein Riesenheer von rückwandernden
Èechoslovaken gegenüberstehen müßte, welche
die Verhältnisse auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkte
mit einem Schlage unerträglich gestalten würden. Ich
glaube, die Èechoslovakei wird das vorliegende Gesetz niemals
im eigenen Interesse zu Retorsionsmaßnahmen verwenden können.