Úterý 31. ledna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 126. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v úterý dne 31. ledna 1928.

1. Øeè posl. Blatné (viz str. 14 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der uns vorliegende Gesetzesantrag fordert unsere Kritik in einem solchen Maße heraus, daß wir, trotzdem der Antrag auf Rückverweisung an den Rechts- und Verfassungsausschuß vorliegt, es für unsere Pflicht erachten, dazu Stellung zu nehmen. Schon am Donnerstag der letzten Woche hat Genosse Dr Meissner von dieser Stelle aus an Beispielen auf die direkt grotesken Auswirkungen eines Gesetzes hingewiesen, das eine andere Auswirkung in den historischen Ländern und eine andere in der Slovakei hat. Er hat auf die Unmöglichkeit dieses Gesetzes schon wegen der ganz verschiedenartigen Bewährungsfrist hingewiesen. Man sollte meinen, daß es die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers wäre, eine solche Ungleichheit der Gesetzgebung zu beseitigen. Aber bei uns geschieht etwas ganz anderes. Bei uns werden auf ein altes und ganz veraltetes Gesetz Ideen einer anderen Auffassung des Strafvollzuges direkt aufgepfropft. Dadurch wird die Vorlage verworren und unlogisch, es werden so die einzelnen Bestimmungen unklar und nur ein Band hält sie zusammen und verbindet sie: das ist die reaktionäre Auffassung. Schon Art. fordert, daß Zwangsarbeitskolonien gegründet werden, ohne nur mit einem Worte zu sagen, was die wesentlichsten Merkmale dieser Strafarbeitskolonien sein sollen, wie sie sich der Gesetzgeber vorstellt. Das Wort wird nicht definiert. Wir wissen nicht, ob das Wort bedeuten soll, daß der dort Angehaltene bloß gezwungen sein soll, dort zu bleiben oder daß er auch gezwungen sein soll, dort zu arbeiten. Wir wissen das nicht; das Gesetz gibt keine Auskunft, wie weit der Zwängling handlungsfrei ist, ob er den Arbeitsvertrag selbst abschließt oder für ihn die Anstaltsleitung, kurz, wie weit der Zwang reicht. Das Gesetz gibt uns keine Antwort darauf, wie dieser Arbeitsvertrag aussieht und unter welchen Bedingungen er abgeschlossen wird. Wir müssen auch verlangen, und dahin geht auch unser Antrag, daß die Arbeiten in den Zwangsarbeitskolonien nicht zu einem Lohndruck für die Arbeiter draußen werden. Wir verlangen auch, daß diese Arbeiter der Sozialversicherung teilhaft werden, daß die Löhne auch dieser Kategorien von Arbeitern den Löhnen der freien Arbeiter angeglichen werden.

Lassen Sie mich im Zusammenhange mit diesem Gesetze auch über die Arbeiten der leitenden Beamten in unseren Strafanstalten sprechen. Die leitenden Beamten in unseren Strafanstalten sind geradezu erdrückt von administrativen Arbeiten. Sie können sich mit ihrer eigentlichen, mit ihrer vornehmsten Aufgabe, mit der Beschäftigung mit den Gefangenen gar nicht befassen. Unsere Direktoren, unsere leitenden Beamten in den Strafanstalten sehen den Sträfling kaum. Sie sehen ihn nur, wenn er die Anstalt betritt; und dieser Moment sollte weit mehr als ein administrativer Akt sein. Sie sehen ihn nur, wenn er die Anstalt verläßt und darüber hinaus nur in den Momenten, wo ihnen der Sträfling nach einem Disziplinarvergehen vorgeführt wird, also immer nur in Situationen, die für den Sträfling äußerst ungünstig sind, und so lernen die Strafanstaltsdirektoren ihn, sein Seelenleben, nicht kennen und so ist es klar, daß der Strafanstaltsdirektor auf dieses Seelenleben keinen Einfluß nehmen kann. In unseren Strafanstalten fehlt der wichtigste Beamte das ist der Psychiater. Man sollte meinen, daß unter diesen Umständen erhöhte Anforderungen an die Eignung der Strafanstaltsaufseher gestellt werden. Aber auch das ist bei uns nicht der Fall. Denn wir können doch nicht annehmen, daß, wie dieses Gesetz es will, dadurch, daß dem Strafanstaltsaufseher ein leichter losgehender Schießprügel in die Hand gedrückt wird eine höhere Eignung gekennzeichnet sei. Bei uns wird weniger verlangt als im alten Österreich. Im alten Österreich forderte man vom Aufseher zumindest eine berufliche Durchbildung. Man verlangte von ihm eine berufliche Durchbildung, damit er dann in der Strafanstalt den Gefangenen gegenüber als Arbeitsinstruktor gelten könne.

Aber das wird bei uns - zumindest in der Praxis - nicht mehr verlangt. Bei uns müssen die länger dienenden Unteroffiziere untergebracht werden. Ich will damit nicht etwa sagen, daß unsere Strafanstaltsaufseher in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht den besten Willen mitbringen, daß sie den Gefangenen nicht wohlwollend gegenüberstehen würden. Aber das genügt nicht, wenn wir wissen, daß die Menschen, die in die Strafanstalt kommen, das komplizierteste Menschenmaterial sind, die einen stumpf, und leidenschaftlich die anderen, schwer zu behandeln durchwegs, daß an diesen Menschen schon die Gesellschaft draußen im allgemeinen gesündigt hat, daß diese Menschen keine Schulbildung, keine berufliche Bildung erhalten haben, daß diese Menschen zur Arbeit nahezu durchwegs nicht erzogen sind. Da müssen wir verstehen, daß an die Strafanstaltsaufseher erhöhte Anforderungen gestellt werden müssen, daß wir eine Höchstleistung von ihnen verlangen müssen, daß wir aber auch eine pädagogische Durchbildung bei ihnen verlangen müssen.

Lassen Sie mich auch ein paar Worte über die Arbeiten der Sträflinge sagen, auch über das Arbeitsmaterial und die Arbeitsmethoden in unseren Strafanstalten. Wir finden hier veraltete und ganz primitive Arbeitseinrichtungen und Arbeitsmaterial. Da finden wir noch Handwebstühle, wo Leinen und Baumwolle gewebt wird wie zu Großmutters Zeiten. Dann werden Papierdüten geklebt, in endlosen Zöpfen Papierstreifen zusammengeflochten, die dann zu Matten verarbeitet werden. In dem Jahrhundert der Maschinentechnik geschieht das das geschieht in der Zeit, in der draußen die Rationalisierung der Arbeit durchgeführt wird. Was sollen dann diese armen Teufel anfangen, wenn sie vielfach nach Jahren mit ihren Kenntnissen hinauskommen in eine Welt, in der die Entwicklung vorwärts gestürmt ist, in eine Welt, die ihnen solcher Art fremd geworden ist, in eine Welt, die sie nur feindselig aufnimmt? Das ist das böseste Kapitel unseres Strafvollzuges, daß niemand da ist, daß vor allem der Staat nicht da ist, dessen Pflicht es wäre, die Einordnung der Strafentlassenen in die Gesellschaft zu leiten. Der Strafentlassene nimmt bei uns den Kampf um die Existenz mit ganz ungeeigneten Mitteln auf, und wer will sich dann wundern, daß er wieder unterliegt? Meine Herren und Frauen während in Deutschland bereits im Juni 1923 durch einen Beschluß der Länder der Strafvollzug auf eine neue Grundlage gehoben wurde - und das wird dort praktiziert - während in der Schweiz und insbesondere in Amerika eine Musterstrafanstalt nach der andern entsteht, wo nicht, so wie bei uns, die Sträflinge in der freien Stunde des Tages herumgeführt werden in irgend einem trostlosen Hof einer hinter dem anderen her, nein, wo sie Körperübungen pflegen, wo sie turnen, wo ihre Körperkraft erhalten wird, wo ihr Wille gestärkt wird, wo ihre Selbstachtung wieder erweckt und gehoben wird, ist bei uns das Gegenteil der Fall. Die Statistik hat erwiesen, daß die Deutschen, die Schweizer und die gar nicht sentimentalen Amerikaner sehr gut gerechnet haben, daß sie sehr gute Erfahrungen gemacht haben: denn die vorzeitig, bedingt Entlassenen bewähren sich in der Freiheit draußen, sie sind für die Freiheit erzogen worden und fügen sich reibungslos in das gesellschaftliche Leben ein, während sie bei uns straucheln müssen, während sie bei uns neuerdings die Gerichtssäle füllen müssen, neuerdings in die Gefängnisse kommen. So rächt sich dieses unser ganz veraltetes Strafvollzugssystem auch rein volkswirtschaftlich, so rächt es sich auch finanziell, ich will gar nicht reden von weit Wichtigerem, wie es die Vergeudung von Menschentum in unseren Strafanstalten darstellt.

Hohes Haus! Bei einem flüchtigen Besuch einer Strafanstalt immer in Begleitung des Direktors, da wird einem Laien wohl manches Wesentliche vom Strafvollzug entgehen müssen, aber was man auch unter diesen Umständen erfährt, ist mehr als genug. Dieses unser veraltetes Strafvollzugssystem birgt soviel des Ungesetzlichen in sich, daß wir kein Wort darüber reden müssen. Ich selbst habe gefunden, daß bei uns Erstbestrafte mit Mehrbestraften immer wieder zusammengepfercht sind, daß Erstbestrafte mit Mehrbestraften zusammenarbeiten, wodurch die besseren Elemente rettungslos den schlechteren Elementen, die ja immer den größeren Einfluß ausüben, preisgegeben sind. Ich habe bemerkt, wie unsanitär und nach jeder Richtung gesundheitsschädlich unsere Anstalten eingerichtet sind; wir haben an der Typhusepidemie in Bory erleben müssen, wie solche Dinge sich auswirken. Die Koll. Landová-Štychová hat uns von dieser Stelle berichtet, was für Ungehörigkeiten, welche Unbilden die politischen Häftlinge erleiden müssen, ja ein bürgerliches oppositionelles Blatt hat aufgezeigt, in welcher Weise in der Musterstrafanstalt Pankrác gegen politisch Inhaftierte vorgegangen wird, die dort einen Hungerstreik inszeniert haben. Die Berichtigung des Oberlandesgerichtes hat die wesentlichen Anschuldigungen nicht berichtigt. Aus unserer Unruhe heraus haben wir in diesem Hause einen Initiativantrag eingebracht und die Annahme dieses unseres Antrages wäre die einzige Gewähr dafür, daß die Ungesetzlichkeiten innerhalb unseres an sich veralteten Strafvollzuges beseitigt würden.

Hohes Haus! Der Art. II führt die Gründe aus, die zur Anhaltung in einer Arbeitsanstalt führen und er führt durch das Wort "Nichtswürdigkeit" einen neuen Fachausdruck in unsere Rechtswissenschaft, in die Judikatur ein, einen Fachausdruck, den wir bisher in unseren Gesetzen niemals gefunden haben, einen Fachausdruck, der nicht definiert wird, der dehnbar und in seiner Dehnbarkeit gefährlich ist, der einer willkürlichen, auch einer gehässig willkürlichen Auslegung Tür und Tor öffnet. Durch die Auslegung dieses Ausdruckes könnte z. B. ganz leicht ein Jugendlicher, der in jugendlichem Leichtsinn eine Tat begangen hat, oder ein Redakteur, der im Leichtsinn seine pflichtgemäße Obsorge verabsäumt hat, auf Jahre hinaus, auch auf 5 Jahre, zumindest aber auf 5 Monate, zur Zwangsarbeit verhalten werden. Meine Herren und Frauen, wir haben ein Preßgesetz, wir haben ein Schutzgesetz, wir haben politische Ausnahmsgesetze, die die fortschrittliche Politik und eine freiheitliche Presse mit einer Fülle von Gefahren umgeben, wir haben nach dieser Richtung schon böse Dinge erlebt. Wenn nun auf Grund der Unklarheit dieses Ausdruckes die Macht in die Hände der politischen Polizei gelegt wird, so kann die politische Polizei, die an ein starres Strafgesetz nicht gebunden ist, auf Grund dieses Ausdruckes einen mißliebigen Redakteur, einen mißliebigen Politiker auf Jahre hinaus aus dem öffentlichen Leben verschwinden machen. Wir haben daher den Antrag gestellt, daß dieser Art. II durch einen Zusatz zu ergänzen wäre, wonach die Anhaltung in einer Zwangsarbeitskolonie niemals ausgesprochen werden kann als Folge eines Deliktes, dessen Gründe politischer oder sozialpolitischer Natur sind.

Artikel lII überträgt die Entscheidung über das Schicksal eines Menschen aus den Händen des Gerichtes in die Hände der politischen Polizei. Meine Herren und Frauen, das ist unter all diesen dunklen Kapiteln das schwärzeste, das ist eine erzreaktionäre Bestimmung, wie sie kein einziges Kulturland aufweist, eine Bestimmung, die nicht einmal das alte Österreich in seinen dunkelsten Zeiten kannte, die wir nicht im alten Österreich gefunden haben bis in die Tage des Vormärz hinein, aber diese Bestimmung ist nicht nur erzreaktionär, sie ist vor allem hart, ist unmenschlich, denn nun hat die Entscheidung über das Schicksal eines Menschen nicht mehr der Richter, der den Menschen gesehen hat, der dem Menschen gegenüber gestanden war, der ihn kennen gelernt hat in allen seinen Bedingheiten, nun entscheidet die politische Polizei, die nicht mehr den lebendigen Menschen sieht, sondern nur den toten Akt. Wir unter breiten daher dem Hause auch nach dieser Richtung einen Abänderungsantrag.

Lassen Sie mich Ihnen, meine Herren und Frauen, ein paar Worte sagen über die Methoden, wie heute noch Sträflinge, aber nicht nur Sträflinge, sondern auch Häftlinge, deren Schuld durchaus nicht erwiesen ist, in die Gerichte, in die Gefängnisse transportiert werden. Schon im Jahre 1923 hatte unser Klub hier im Hause eine Interpellation eingebracht, da in meiner Vaterstadt Karlsbad ein Transport von 14 Leuten beiderlei Geschlechtes von Gendarmen begleitet am hellichten Tage mitten durch die belebtesten Straßen der Stadt geführt wurden und ein ungeheures Aufsehen erregt haben. Ich habe aber vor kurzer Zeit diesem Schauspiel tiefster menschlicher Entwürdigung neuerlich beiwohnen müssen, da ich in Schlesien am Bahnhofe von Zauchtel eine Gruppe von Sträflingen aneinander gefesselt, von Gendarmen begleitet, wiederum mitten am Tage vom Bahnhofe abtransportieren sah. Ich möchte Sie fragen, ob das nicht jeder gesunden Vernunft ins Angesicht schlägt, ob solche Methoden nicht der Rücksicht ins Gesicht schlagen, die wir ja schließlich auch diesen Menschen noch schuldig sind. Ich möchte Sie fragen, meine Herren und Frauen, ob das Ertöten eines jeglichen Schamgefühles ein Mittel ist, um einen Menschen zu bessern.

Art. V, Abs. 2 bestimmt, daß in gewissen Fällen nach verbüßter Strafe die Polizeiaufsicht ausgesprochen werden kann. Hohes Haus! Auch Fachleute von Ruf sagen heute, daß die Polizeiaufsicht einen sehr problematischen Wert hat, auch Fachleute von Ruf sagen, daß die Polizeiaufsicht die Gesellschaft vor gefährlichen Individuen nicht schützen könne, daß sie aber das verhindern könne, daß sich der Strafentlassene in die Gesellschaft wieder einbürgert, daß sie also die Gesellschaft neuerlich gefährdet durch neuerliche Verbrechen. Ich selbst habe nach der Richtung schon meine Erfahrungen gemacht. Da ich einmal eine Jugendstrafanstalt besuchte, machte mich der Direktor auf ein Mädchen aufmerksam, das 2/3 der Strafzeit verbüßt hatte, das sich in der Strafanstalt einwandfrei verhalten hatte, so daß es unter diesen Umständen das Recht auf die Erlassung des dritten Drittels erworben hätte, daß es jedoch freiwillig auf diese Begünstigung verzichtete. Ich war nicht wenig erstaunt und fragte das Mädchen um den Grund dieses ganz sonderbaren Verhaltens; sie sagte mir unter großer Aufregung, daß sie nicht neuerlich die schrecklichen Erfahrungen machen wolle, daß sie wiederum bedingt vorzeitig entlassen durch die Besuche der uniformierten Gendarmen von einer Arbeitsstelle zur anderen gejagt würde bis ihr kein anderer Weg mehr übrig geblieben sei, als der Weg zurück in die Strafanstalt. (Hört! Hört!) Und wir haben vor wenigen Wochen in unserem Blatte von dem tragischen Fall des Kutschers Jan Mašek lesen können, der vorzeitig bedingt entlassen Diebstähle nur aus dem Grunde ausgeführt und sich freiwillig der Staatsanwaltschaft nur aus dem Grunde gemeldet hatte, um wieder ins Gefängnis zurückkommen zu können. Er sagte bei seiner Verteidigung, daß ihn zwei bis dreimal im Monat uniformierte Gendarmen besucht hätten, daß diese Belästigung für seine Arbeitgeber hinreichend war, ihn aus jeder Arbeitsstelle zu entlassen, so daß er sich keinen anderen Rat gewußt hatte und seine Ruhe wieder in der Strafanstalt suchen mußte.

Hohes Haus! Es gehört schon ein großer Teil menschlichen Blödsinns dazu, um in den Methoden unseres Strafvollzugs Methoden zur Besserung der Menschen zu finden. Unser Strafvollzug zerbricht die Menschen, aber er bessert sie nicht. Am zermürbendsten wirkt die Einzelhaft. Meine Herren und Frauen, Sie sollten nur einmal so eine Zelle sehen, Sie sollten nur einmal den Menschen innerhalb der grauen Trostlosigkeit dieser Zellen sehen, Sie sollten nur einmal zumindest den Versuch machen, sich vorzustellen, wie schwer die Einsamkeit in dieser Zelle ist, Sie sollten den Versuch machen, sich nur ein wenig vorstellen zu können, wie endlos lang ein Tag in so einer Zelle ist, wie endlos Jahre sind in einer solchen Zelle. Ich kann Ihnen sagen, wenn ich eine Strafanstalt verlasse, dann habe ich immer ein tief beunruhigendes, ein tief deprimierendes Gefühl, dann habe ich immer das Gefühl, als wenn ich selbst mitschuldig wäre an Dingen, die sich da vollziehen, als wenn wir alle mitschuldig wären an den Dingen, die sich da vollziehen, vor allem die Abgeordneten mitschuldig, vor allem aber der Minister mitschuldig schon durch die grenzenlose Gleichgültigkeit all diesen schweren Fragen gegenüber. Und so hat denn auch schon das alte Österreich, das kaiserliche, das reaktionäre Österreich, schon vor ein Menschenalter, und zwar schon vor 55 Jahren, ein Gesetz beschlossen, das bestimmt, daß zwei in der Einzelhaft verbüßte Straftage als drei Straftage zu gelten haben. Und erst der Regierung dieses Landes, der Regierung einer Republik, die unter ganz anderen Auspizien geschaffen worden ist, erst dieser reaktionären kapitalistischen Regierung ist es vorbehalten, an diesem Gesetzesantrage, der uns vorliegt, diese menschliche Bestimmung, dieses menschliche Gesetz zu beseitigen (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Dagegen erheben wir unseren leidenschaftlichen Protest und protestieren darüber hinaus noch dagegen, daß, wie es in diesem Gesetze gesagt wird, die Bestimmung sich auch erstrecken solle auf bereits verbüßte Strafen. Meine Damen und Herren, das ist eine Bestimmung, die allen Rechtsgrundsätzen, die jedem Rechtsprinzip direkt ins Gesicht schlägt. Wir lehnen das Gesetz ab, weil es unmenschlich und hart ist, wir lehnen es ab, weil es jedem Rechtsprinzip zuwider ist, wir lehnen es aber vor allen Dingen ab, weil es erzreaktionär ist, weil es ein Schritt weiter ist zur Verpolizeilichung unseres Lebens. Der Herr Justizminister hat im Budgetausschuß gesagt, wir kämen jetzt, was sein Ressort anbelangt, in normale Verhältnisse. Jawohl, mehr Arten zu strafen, mehr Gendarmerie, mehr Schießmöglichkeiten dünkt e:ne kapitalistische reaktionäre Regierung als der normale Zustand. Uns will es als bittere Ironie dünken, daß just in dem Momente, just in der Zeit, da drüben im sozialpolitischen Ausschuß das schwere Ringen anheben soll um die Sozialversicherung, da eine machtverblendete, machttolle Majorität sich anschickt, nahezu eine Million Menschen aus der Versicherungsberechtigung herauszuwerfen und zwar die Hilfslosesten der Menschen, die Ärmsten der Menschen, das just in dem Momente, wo im ganzen Lande von vielen Hunderttausenden dieser Hilfslosen die Frage aufschreit, was denn mit dem kleinen Teil an Existenzsicherheit werden soll den ihnen die Nachkriegszeit gebracht hat, uns will als bittere Ironie dünken, daß in diesem Moment, von dieser Stelle aus, die Antwort schallt: "Nein, keine Sozialpolitik, aber die politische Polizei; nein, keinen Arbeiterschutz, aber Zwangsarbeitskolonien". Wir sagen einer solchen Regierung den allerschärfsten Kampf an. (Potlesk èsl. a nìm. soc. demokratických poslancù.)

2. Øeè posl. dr Koberga (viz str. 17 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die von meinen geehrten Vorrednern an diesen Gesetzentwurf bereits geübte Kritik kann ich mich kurz fassen. Dreierlei beinhaltet die Vorlage neben der Einführung der Zwangsarbeitskolonien. Erstens eine Abänderung des § 7, Abs. 2 des Vagabundengesetzes vom Jahre 1885, außerdem noch einiger Bestimmungen des Zwangsarbeitsgesetzes. Zweitens die Einführung der Polizeiaufsicht auch in der Slovakei und Karpathorußland und drittens eine Abänderung hinsichtlich der Anrechnung der Einzelhaft. Was zunächst die Zwangsarbeitskolonien selbst anlangt, so beauftragt der vom Senat bereits angenommene Gesetzentwurf die Länder, neben den bestehenden Zwangsarbeitsanstalten auch noch Zwangsarbeitskolonien zu errichten, in denen die Zwänglinge hauptsächlich zu Arbeiten im Freien, also jedenfalls in der Landwirtschaft, in Gärtnereibetrieben usw. verwendet werden sollen. Dagegen wäre ja nichts einzuwenden, wenn der Entwurf nicht einen Pferdefuß hätte denn nach Art. II können nämlich zur Zwangsarbeit in der Dauer von mindestens einem Jahre bis längstens 5 Jahre - während bisher die längste Dauer der Zwangsarbeit nur 3 Jahre war auch Personen verhalten werden, die wegen eines aus Nichtswürdigkeit begangenen Verbrechens verurteilt wurden, wenn sei nämlich in den letzten 5 Jahren bereits zweimal eine Freiheitsstrafe für ein aus dem gleichen Beweggrunde verübtes Verbrechen oder eine Übertretung abgebüßt haben. Bei dieser Fassung ist gar nicht ausgeschlossen, daß einmal auch Delikte z. B. nach dem Schutzgesetz, also rein politischer Natur, zum Anlaß genommen werden könnten, um eine Verschickung in Zwangsarbeitskolonien zu begründen, wobei man offenbar das russische Muster vor Augen hat.

Zwar erklärt der verfassungsrechtliche Ausschuß des Abgeordnetenhauses im Vorlageberichte, daß die Bestimmungen dieses Artikels sich niemals - ausdrücklich gesagt - niemals auf politische Delikte beziehen dürfen. Was aber nicht im Gesetze selbst steht, was nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen ist, ist für die Auslegung des Wortlautes später nicht maßgebend. Wir haben ja im Falle Bäran gesehen, wie leicht sich sogar "niedrige und unehrenhafte Motive" bei einem politischen Delikt konstruieren lassen, um daraus ein gemeines Verbrechen zu machen. Noch viel leichter würde es sein, in Hinkunft bei Straftaten wie Hochverrat, Störung der öffentlichen Ruhe, Aufstand und Aufruhr, bei politischen Preßvergehen oder bei irgendwelchen Delikten nach dem Schutzgesetz festzustellen, daß das Verbrechen aus "Nichtswürdigkeit" begangen wurde. Ein derart allgemeiner Begriff ist wie Kautschuk und läßt sich nach Belieben kneten.

Bisher ist die Anhaltung zur Zwangsarbeit nur gegen Landstreicher, Bettler, Arbeitsscheue und Dirnen zulässig, u. zw. wie schon gesagt, höchstens durch drei Jahre. Nun sollen außerdem noch Müßiggänger - übrigens auch so ein vager Begriff - und solche Verbrecher hinzukommen, die entweder aus grober Gewinnsucht oder, wie gesagt, aus Nichtswürdigkeit, handelten. Die letztere Bestimmung gehört aus dem Entwurfe für jeden Fall hinaus, denn eine über die Strafe hinausreichende Einschränkung der freien Willensbetätigung unter zwangsweiser Anhaltung zur Arbeit ist nur gegenüber Individuen gerechtfertigt, die entweder der öffentlichen Sicherheit schon gefährlich sind oder voraussichtlich ohne vorbeugendes Eingreifen in Zukunft gefährlich werden könnten, keinesfalls aber gegenüber Menschen, die aus rein idealen politischen Gründen sich einen Verstoß gegen die herrschende Staatsordnung zuschulden kommen ließen. Daß aber der Text in diesem Entwurfe gerade gegen diese Gruppe gemünzt ist, geht auch aus dem Art. IV hervor, durch den folgende bisher geltende Gesetzesbestimmung als unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht notwendig, wie es im Motivenbericht heißt, aufgehoben wird. Diese Gesetzesbestimmung lautet: "Hat ein Sträfling mindestens drei Monate in Einzelhaft zugebracht, so gelten bei Berechnung der Dauer der nach diesen drei Monaten abgebüßten Strafe je zwei vollständig in Einzelhaft zugebrachte Tage als drei Tage". Diese Begünstigung kam insbesondere den politischen Strafgefangenen zugute, die von den anderen Sträflingen abgesondert verwahrt werden und demnach eine 101/2monatige Strafe durch 8monatige Einzelhaft verbüßen konnten. Dieser Vorteil soll nun durch den vorliegenden Entwurf aufgehoben werden, obwohl das doch gewiß mit den Zwangsarbeitskolonien und deren Errichtung nicht das Mindeste zu tun hat. Man will eben offenbar den Unterschied zwischen den auf ehrloser Gesinnung beruhenden gemeinen Verbrechen und den politischen Delikten überhaupt verwischen und beide auf die gleiche Stufe stellen. Das ist ein unerhörtes Unterfangen und widerspricht allen neuzeitlichen Bestrebungen, die Unterschiede in der Art der Behandlung dieser beiden Kategorien immer deutlicher zum Ausdruck zu bringen. In Deutschland wird bis heute für politische Strafhandlungen an der Festungshaft festgehalten, im Gegensatze zu dem entehrenden Zuchthaus. In der Èechoslovakei entspricht es aber durchaus der Entwicklung zum Polizeistaate, wenn Delikte gegen den Staat und die Obrigkeit den gemeinsten Verbrechen gleichgestellt werden.

Auch der im gleichen Entwurfe vorgesehene Ausbau der Polizeiaufsicht und deren Ausdehnung auf die Slovakei und Karpathorußland als eine Art Nebenstrafe liegt ganz im Sinne des zentralistischen Polizeiregimentes. Ich will darüber nicht näher sprechen, da bereits Herr Dr. Meissner ausführlich darauf hingewiesen hat, in welcher Weise hier ein Unterschied zwischen der Slovakei einerseits und den sogenannten historischen Ländern andererseits gemacht wird. Im Deutschen Reiche will man jedenfalls die Polizeiaufsicht nach den neuesten Bestrebungen und vorliegenden Entwürfen überhaupt beseitigen und dafür bloße Sicherungsmaßnahmen einführen, um die ordentlichen Staatsbürger vor Schädlingen, gegenüber Eingriffen in das Eigentum, in die Freiheit usw. zu schützen. Es wäre hoch an der Zeit, daß man sich hierzulande daran ein Beispiel nehmen und die Polizeiwillkür nicht, wie es jetzt geschieht, erweitern, sondern endlich einmal abbauen würde. Wenn der gesunde Sinn der Bevölkerung auch in der Mehrheit der Volksvertreter lebendig wäre, dann dürfte ein solcher Regierungsentwurf wie der über die Zwangsarbeitskolonien überhaupt nicht auf den Tisch des Hauses gelegt werden. Wir erwarten, daß er wenigstens jetzt schleunigst zurückgezogen und erst dann wieder eingebracht wird, bis er in den von uns gerügten Punkten abgeändert und verbessert sein wird. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)


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