Úterý 17. ledna 1928

Wir haben die Frage der Arbeitsvermittlung; seit dem Jahre 1921 verlangen wir ihre Regelung. Im Betriebsrätegesetz sind Arbeitsvermittlungämter vorgesehen, wir können zu ihnen nicht gelangen, nur aus dem einen Grunde, weil die Bergwerksbesitzer dagegen sind und sich die freie Entscheidung und Verfügung über den Arbeitsmarkt nicht nehmen lassen wollen. Ich bitte! Welche Wirkungen hat dieser Mangel, daß wir keine geordnete oder keine solche Arbeitsvermittlung haben, in der auch die Bergarbeiter etwas dreinzureden haben auf die Arbeitsverhältnisse im Bergbau? In den Jahren 1924, 1925 und 1926 sind im èechoslovakischen Bergbau 17.000 Bergarbeiter durch Tod oder Invalidität abgegangen; infolge anderer Ursachen 67.000, zusammen etwa 85.000. Der Zugang beträgt in derselben Zeit 75.000, davon wurden 34.000 neu in den Gruben aufgenommen. Meine Damen und Herren! Es wird vielleicht der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zum Bewußtsein kommen, was in diesen Ziffern steckt. In diesen Ziffern steckt neben manchem anderen, was ich noch besprechen will, zunächst die eine Tatsache, daß die Bergwerksbesitzer willkürlich über die Arbeitspläze verfügen und infolge dieses Verfügungsrechtes fast, oder man kann schon direkt sagen, Mißbrauch treiben. Es ist heute für einen Bergarbeiter mit mehreren Kindern nicht mehr möglich, irgendwo Arbeit zu finden. Nach dem Lohnvertrag muß der Unternehmer auch eine Kinderzulage von 1.50 Kè pro Schicht bezahlen und der Arbeitsuchende Bergarbeiter wird gefragt: "Hast du Kinder und wieviele?" Und wenn er Kinder hat, hat man keine Verwendung für ihn. Die Wirkung des völligen Einflusses der Unternehmer auf den Arbeitsmarkt und auf den Arbeitsplatz äußert sich aber noch auch in anderer Beziehung, u. z. in einem ungeheueren Zuwachs der Rentner der Bruderladen. Unter den entlassenen 85.000 befinden sich Leute, die 25, 30 und 35 Jahre im Bergbau zurückgelegt haben, durchaus noch zu manchen Arbeiten fähig sind, die sich aber auch in einem Zustande befinden, daß, wenn ihnen Arbeit verweigert wird, ihnen die Rente nicht vorenthalten werden kann. Ich will Sie nicht mit Ziffern belästigen, aber ich werde Ihnen zwei Ziffern nennen: Die Zahl der Provisionisten betrug in den èechoslovakischen Bruderladen im Jahre 1920 u. zw. der ordentlichen Mitglieder, die sich in Provisionsstadium befanden 25.000. Diese Zahl ist im Jahre 1926 auf 43.000 gestiegen, und die Gesamtzahl der Rentner auf 88.000. Wir können getrost behaupten, daß durch diese willkürlichen und absichtlichen Manipulationen der Bergwerksbesitzer die Bruderladen ruiniert und an den Rand des Abgrundes gebracht wurden und jetzt, nachdem dies geschehen, kommen die Bergwerksbesitzer und kommt die Regierung und sagt: Die Sanierung muß auf Kosten der Rentner, auf Kosten der Bergarbeiter durchgeführt werden. Und noch immer steht die Regierung auf ihrem Standpunkte, daß die Bergarbeiter-Provisionisten, die nach 30jähriger Tätigkeit in der Grube heute eine Pension von 9.04 Kè erhalten, zuviel haben, daß ihnen ein Drittelgenommen werden soll, daß die Pension auf 6 Kè und 2 Heller ermäßigt oder herabgesetzt werden soll, (Výkøiky na levici.) daß Rechte der aktiven Mitglieder um 40% herabgesetzt, daß der Begriff "Berufsunfähigkeit", der so alt ist als die Bergbau- und Bruderladenversicherung existiert, abgeschafft, die Altersgrenze erhöht und daß unbedingt die Witwenpension herabgesetzt werden muß. Zudem kommt die èechoslovakische Regierung in einem Zeitpunkte, wo fast rings um uns die Renten der Versicherten in den Bergbauen in den letzten Jahren erhöht wurden. So hat im vergangenen Jahre die österreichische Nationalversammlung ein Gesetz beschlossen, daß die Provisionen der österreichischen Bruderladenmitglieder um nahezu 40% erhöht werden. So betragen die Renten der deutschen Reichsknappschaftskassen das drei- und vierfache dessen, was unsere Renten heute in den Bruderladen ausmachen. Die Èechoslovakische Republik und die derzeitige Regierung kommt mit ihren Konsolidierungsbestrebungen und beharrt bis heute auf dem Antrage, daß die Renten um ein Drittel zu kürzen sind. Ich hätte noch manches anzuführen, wo die sozialpolitische Gesetzgebung im Bergbau viel zu wünschen übrig läßt. Alle Menschen sind sich klar darüber, daß das Betriebsrätegesetz zu novellieren sei. Wieder enthält es Rechtsverweigerungen. Wir haben beispielsweise seit dem Jahre 1922 einen Prozeß anhängig um eine Frage, die im Gesetz ganz klar gelöst ist, ob nämlich der Bergwerksbesitzer dem Betriebsrate die Betriebskanzlei beizustellen hat oder nicht. Es steht im Gesetz. Über diesen Rechtsstreit hat das Oberste Verwaltungsgericht bereits dreimal, der Oberste Gerichtshof einmal und der Kompetenzgerichtshof zur Erledigung negativer Kompetenzkonflikte auch einmal beraten, mit dem Ergebnis, daß sich alle diese höchsten Justizstellen für unzuständig erklärt haben. Ich frage: Wo in der ganzen Welt ist ein solcher Skandal noch möglich, ohne daß die Regierung, oder die zuständige Behörde, in diesem Falle das Ministerium für öffentliche Arbeiten und das Justizministerium, eingreifen und die notwendigen gesetzlichen Vorkehrungen treffen, um diesen skandalösen Zustand zu beseitigen, ihm abzuhelfen? Es ist auch leicht verständlich, daß bei diesen sozialpolitischen Zurückgebliebenheiten und Unzulänglichkeiten die Lage der Bergarbeiter wesentlich beeinflußt wird. Minister für öffentliche Arbeiten Prof. Spina hat anläßlich der Beratung des Voranschlages im Budgetausschuß zwar erklärt, die Arbeitsverhältnisse im Bergbau seien hinreichend konsolidiert. Warum denn? Weil es im Jahre 1926 im Bergbau sogut wie keinen Streik gab. Auch eine Argumentation für einen Staatsmann! Der Herr Minister hat dabei ganz vergessen, daß die Bergarbeiter schon in den Jahren 1925 und 1926 zum Ausgleich ihrer bedrohten Lebensinteressen zu Lohnforderungen gezwungen waren, daß sie nur mit Rücksicht auf die abwehr der beantragten Verschlechterung der Versicherung im Jänner von einem effektiven Kampf Abstand genommen haben. Das hat wohl wahrscheinlich die ganze Öffentlichkeit gewußt, nur der Herr Arbeitsminister nicht, denn sonst hätte er im Budgetausschuß nicht so argumentieren können. Wie steht es nun damit? Wir müssen vom Jahre 1923 ausgehen, weil in diesem Jahre der Lohnabbau erfolgte, unter der Begründung, es müssen die Kohlenpreise herabgesetzt werden, damit auch die übrigen Bedarfsartikel im Preise sinken. Seit dieser Zeit ist der amtliche Lebenshaltungsindex von 889 auf 940 gestiegen. Das sind Durchschnittsziffern. Ich fühle mich verpflichtet, an der Hand einiger wichtiger Nahrungsmittelpreise die Steigerung darzustellen, aus der Sie ersehen, daß die praktische Auswirkung der mittlerweise erfo!g ten Teuerung noch weit größer ist. Brot ist seit dem Jahre 1923 um nahezu 50% gestiegen, Mehl um 33 %, Kartofeln um 13%, Zucker um 21%. Dabei ist die Preiserhöhung, die uns die letzten Tage beschert haben, noch nicht berücksichtigt. Geräucherter Speck ist um 16%, Erbsen sind um 18% gestiegen. Sie ersehen daraus, daß die Steigerung, herbeigeführt durch die Erhöhung der Zölle, sich besonders für die ärmsten Haushalte durch eine wesentliche Verteuerung der primitivsten und dringendsten Nahrungsmittel am stärksten fühlbar macht. Die Löhne dagegen, wenn man bezüglich der Lebenshaltungskosten von dem amtlichen Index von 940 gesprochen hat, stiegen gegen die Vorkriegszeit durchschnittlich auf 734 in Nordwestböhmen, daher ist ihre Kaufkraft gegen das Vorkriegsjahr kaum 80%. Die Unternehmer behaupten das Gegenteil. Die Löhne seien hoch und übrigens seien die sozialen Lasten so groß, daß das Produkt dadurch zu sehr verteuert wird. Ich habe schon im Budgetausschuß darauf verwiesen und muß es hier im Hause öffentlich wiederholen, daß das eine glatte Unwahrheit ist. Die Löhne und sozialen Lasten haben im Jahre 1913 betragen: im Mährisch-Ostrauer Revier 47%, im Brüxer Revier 43 % des Wertes der erzeugten Ware, im Jahre 1927 im Ostrauer Revier um 16% weniger, im Brüxer um 11% weniger, also nur 33 %. Die Lohnbildung ist rückläufig geworden von 54 Kè Durchschnittsverdienst pro Schicht auf 39.60 Kè pro Schicht, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß ein Bergarbeiter durchschnittlich 18 bis 19 Kè wöchentlich an Abzügen für Versicherung hat. Wie steht es demgegenüber mit dem Unternehmer? Wir können feststellen, daß die Gewinne der Unternehmer noch zu keiner Zeit so groß waren, wie in den letzten Jahren. Die ausgewiesenen Gewinne der wichtigsten Bergunternehmungen, die im Jahre 1923 41 Mill. betragen haben, sind mittlerweile bis zum Jahre 1926 auf 64 Mill. gestiegen. Das ist also der Gewinn der Bergwerksbesitzer aus der Aktion vom Jahre 1923. Das sind nur die ausgewiesenen Gewinne. Die nicht ausgewiesenen und bei dieser Darstellung nicht berücksichtigten sind die kolossalen Reserven und Abschreibungen, die Jahr für Jahr zu konstatieren sind.

Im Jahre 1927 ist die. Steuerreform beschlossen worden, deren Vater der Finanzminister Prof. Dr Engliš ist. Diese Steuerreform hat den Industriellen und den zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen es möglich gemacht, gewisse Manipulationen vorzunehmen. Und da haben wir wieder wahrgenommen, daß unter allen Industrieunternehmungen die Bergwerksbesitzer an erster Stelle stehen, mit den Überweisungen an die Reservefonds, mit der Ausgabe von Gratisaktien, mit einer Aufwertung des Aktienkapitals, wie sie in diesem Staate keine andere Berufsschicht, auch nicht einmal eine andere kapitalistische Schicht zu verzeichnen hat. Den Besitzern der Gruben wurden ihre Werte aufgewertet, mit Gold aufgewogen, könnte man fast sagen. Aber darin allein besteht der wahre Gewinn noch immer nicht. Die Zeitschrift "Wirtschaft" hat uns vor wenigen Tagen in dankenswerter Weise eine Aufstellung gegeben wie die Kurswerte gewisser Aktienunternehmungen im Jahre 1927 sich entwickelt haben. Und da finden wir, daß die größten Bergbaugesellschaften in der Republik, die Nordbahn, die böhmische Handelsgesellschaft, die westböhmische Kohlen, die Berg- und Hütten u. s. w. einen Aktienwert von 1.2 Milliarden Kronen im Jahre 1926 aufzuweisen hatten und daß der Wert derselben Aktien gegen Ende 1927 auf 1,9 Milliarden gestiegen ist. Diese gewaltige Steigerung des Aktienwertes kommt weder in den Stabilisierungsbilanzen noch sonstwo zum Ausdruck und übersteigt eigentlich, wenn die Gesamtsumme berechnet und berücksichtigt wird, die Aufwertung auf die Goldparität.

Wir haben die Herren bei ihrer Argumentation gesehen. Ich erinnere mich dabei lebhaft an eine Aussprache, die am 7. Jänner 1927 stattgefunden hat und die damals der Minister für öffentliche Arbeiten Spina zwischen uns und den Bergbaubesitzern vermittelte, als die Bergwerksbesitzer durch den Präsidenten des Verbandes erklären ließen: "Meine Herren! Wir sehen ein, daß die Bergarbeiter etwas brauchen, aber der Stand der Grubenunternehmungen ist ein derartiger, daß wir absolut nicht in der Lage sind, etwas zu geben. Es heißt für uns alle den Riemen fester schnallen". Wie das Festerschnallen des Riemens ausschaut, habe ich Ihnen jetzt geschildert. Ich könnte Ihnen für jeden einzelnen Fall etwas besonderes anführen, doch das würde zu weit führen.

Die Herren hören fortwährend vom Abbau der Löhne, der im Interesse der Produktion notwendig ist. Soweit der Bergbau in Frage kommt, haben die verantwortlichen Leiter dieser Unternehmungen Riesengehälter und Nebenbezüge, die das 10 bis 100-fache des Jahreseinkommens eines Bergarbeiters ausmachen. Aber den Riemen bei sich selbst fester zu schnallen, fiel ihnen auch im Jahre 1927 wahrlich nicht im mindesten ein. Die Bergarbeiter haben infolge dieser Verhältnisse gegen Ende des Jahres 1927 an die Grubenbesitzer die ganz bescheidene, angesichts der großen Notlage mehr als bescheidene Forderung nach einer einmaligen Teuerungsaushilfe von 400 Kè für Verheiratete und 300 Kè für Ledige gerichtet. Diese Forderung wurde von den Bergbaubesitzern aller Reviere mit dem Hinweis abgelehnt, daß die Löhne der Bergarbeiter ohnehin hoch genug seien. Angesichts der von mir geschilderten Betriebsergebnisse in den letzten Jahren und angesichts der zu erwartenden Tatsache, daß die Betriebsergebnisse des Jahres 1927, wo sich der Wert der Stabilisierungsbilanzen erst ordentlich auswirken kann, noch weit größer sein werden, muß diese Haltung der Bergwerksbesitzer als ganz unverständlich, ja als Verhöhnung der Bergarbeiter empfunden werden.

Die Bergarbeiter haben darauf hin, vorläufig in einem Revier, den Lohnvertrag gekündigt und den Unternehmern bekannt gegeben, daß sie zu Verhandlungen über einen neuen Lohnvertrag auf Grund von geforderten Lohnerhöhungen bereit sind. Die Bergwerkbesitzer haben am 13. ds. zu dieser Frage Stellung genommen und beschlossen, die Frage zu studieren und in den nächsten Wochen darüber einen Bericht erstatten zu lassen. Wenn ich erklärt habe, daß die Bergarbeiter zu Unterhandlungen bereit sind, möchte ich doch von dieser Stelle ohne jede Drohung auch hinzufügen: So gerne die Bergarbeiter zu Unterhandlungen bereit sind, so mögen es sich die Herren gesagt sein lassen, daß die Bergarbeiter ebenso zum Handeln bereit sind und nicht gewillt sind, vertragslos zu arbeiten.

Das schafft natürlich eine kritische Situation. Wir und ich besonders, stehen nicht hier, um jemanden aufzurufen, die Initiative zu ergreifen. Nein, dazu habe ich keine Vollmacht im Namen der Bergarbeiter, dazu sind aber auch die Erfahrungen, die wir mit dem Ministerium für öffentliche Arbeiten im Vorjahr gemacht haben, durchaus nicht angetan. (Posl. Hackenberg: Das Ministerium zeigt auch heute recht geringes Interesse. Nicht ein einziger Minister ist anwesend!) Vielleicht kommen sie in vier Wochen, ich weiß es nicht. Aber daran will ich erinnern, wie das Ministerium für öffentliche Arbeiten vorgegangen ist, in einer Weise, die naturgemäß die provokative Haltung der Bergwerkbesitzer unterstützt und geradezu herausfordert. Am 6. Dezember 1926 sind die Vertreter der Bergarbeiter beim Herrn Minister Dr Spina erschienen und haben ihn ersucht, bei den Forderungen der Bergarbeiter vermittelnd einzugreifen. Der Herr Minister hat das ausdrücklich und feierlich versprochen. Was ist geschehen? Man verlangte von uns eine schriftliche Eingabe. Sie wurde geliefert. Und diese Eingabe ließ nun der Herr Minister durch seinen Sektionchef dem Verband der Bergwerkbesitzer zugehen. Nach ein paar Tagen wurde sie zur Äußerung urgiert. Der Verband der Bergwerkbesitzer hat sich, dann genau so ablehnend geäußert, wie 14 Tage vorher zu uns. Es war nicht anders zu erwarten. Daraufhin hat der Herr Minister diese Antwort uns zur Kenntnisnahme zugeschickt. Das war die versprochene Vermittlung. Aber, meine Herren, es kommt noch schöner.

Am 30. Dezember 1926 haben die Vertreter der Bergarbeiter den Herrn Minister noch einmal persönlich auf die kritische Situation aufmerksam gemacht und verlangt, der Herr Minister möge irgendwelche Verhandlungen mit vermittelnder Tätigkeit einleiten. Der Herr Minister hat sich dazu bereit erklärt. Die Parteien wurden für den 7. Jänner eingeladen. Der Herr Minister ließ sich entschuldigen und schickte seinen Sektionschef, der die Verhandlungen eröffnete und den Parteien dann nacheinander das Wort erteilte. Als die Herren Bergwerksbesitzer erklärten, die Bergarbeiter müßten halt den Riemen fester schnallen, eilte der Sektionschef zum Schluß der Verhandlungen und schloß mit der Erklärung, er werde dem Herrn Minister Bericht erstatten. Ob er und wie er den Bericht erstattet hat und was der Herr Minister weiter nach diesem Berichte getan hat, darüber ist uns der Herr Minister bis zum heutigen Tage die Antwort schuldig geblieben. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)

Wenn ich also sage, wir nähern uns einer kritischen Situation, so sage ich wohl nicht zuviel. Die Notlage der Bergarbeiter ist derartig groß, daß ich nicht übertreibe, wenn ich sage, daß in einzelnen Fällen aktive verheiratete Bergarbeiter, Regiearbeiter, bei Kurzarbeit buchstäblich ihre Kinder neben der Arbeit betteln schicken müssen. Wundern Sie sich da, wenn man mit Recht von einer kritischen Situation spricht, wenn in diesem Staate das in Wegfall kommt, was in Deutschland, in Österreich und in allen übrigen Staaten vorhanden ist: eine übergeordnete Stelle, die gegebenenfalls die Initiative zu Verhandlungen ergreift? Werden Sie begreifen, daß niemand von den Bergarbeitern mehr den Mut aufbringen kann, nach den Erfahrungen der Jahren 1926 und 1927 das Ministerium um Verhandlungen zu ersuchen? Die Teilnahmslosigkeit der Regierung ist nicht nur Teilnahmslosigkeit, sondern Vorschubleistung für die Bestrebungen der Bergwerksbesitzer. Mit Recht wohl erkläre ich: wenn die Vermittlungstätigkeit so ausgeübt wird, dann wären die Bergarbeiter ohne sie vielleicht im Verhandlungsweg ein ganzes Stück weiter. Diese Verhältnisse treiben naturgemäß zum Konflikt und das ist sehr bemerkenswert angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse.

Wir haben ein Jahr abgeschlossen, erst wenige Tage stehen wir im neuen Jahre. Am Schluß des vorigen Jahres waren die Arbeitgeber, die Staatsmänner dieses Staates und die bürgerlichen Blätter voll von Lobeshymnen, was für ein gutes Jahr das Jahr 1927 war. Es war in der Tat ein gutes Jahr für sie, aber auf Kosten aller arbeitenden Menschen, und daher auch auf Kosten der Bergarbeiter. Mit dem Jahr 1928 haben wir angeblich das Jubeljahr der zehnjährigen Staatsgründung eröffnet und die Feierlichkeiten haben ja schon begonnen.

Meine Herren, wir sind uns keinen Moment darüber im Unklaren, was auch das Jahr 1928 für die arbeitenden Klassen bringen wird: Die Fortsetzung dessen, was die Herren im Jahre 1927 so erfolgreich für ihre Taschen aus den Taschen des arbeitenden Volkes herausgeschunden haben. Unter den Jubilaren des Jubeljahres werden sich auch die Bergarbeiter einfinden und die Herren von der Regierung und von den èechischen Regierungsparteien werden von ihnen daran erinnert werden müssen, was sie alle miteinander den Bergarbeitern im Jahre 1918 versprochen und was sie ihnen restlos schuldig geblieben sind. Schuldig geblieben deshalb, weil unsere sozialpolitische Gesetzgebung, weil die soziale Lage der Bergarbeiter schlechter ist als in irgendeinem Staate unserer Umgebung.

Die Bergarbeiter werden jeden Anlaß dazu benützen, um die Herren daran zu erinnern, welche Versprechungen sie damals erhalten haben. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie der erste Arbeitsminister der Republik, der Herr Stanìk, in den Bergbaurevieren herumgefahren ist und den Bergarbeitern das Blaue vom Himmel versprochen hat, ein Angehöriger jener Partei, deren Chef an der Spitze dieser Regierung steht, welche die soziale Reaktion im vollen Umfange einzuleiten und durchzuführen und besonders an den Bergarbeitern zur Auswirkung und zum Durchbruch kommen zu lassen gedenkt. Wenn ich sage: "Sie sind ihnen alles schuldig geblieben", so ist das, was ich aufgezählt habe, weitaus nicht alles, was Sie schuldig geblieben sind.

Für den vorliegenden Gesetzentwurf werden wir stimmen, weil er ein altes Unrecht an den slovakischen und karpathorussischen Bergarbeitern gut macht, auf keinen Fall aber kann er keine Abschlagzahlung auf all die schuldig gebliebenen Versprechungen gegenüber den Bergarbeitern beinhalten. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

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