Aber die Einsicht stand in der Èechoslovakei
nur im ersten Anfange und da nur theoretisch. Es ist bedauerlich,
daß die Gedanken, die in Kundgebungen des neuen Staates
enthalten waren und die gewiß eine Theorie des Nationalitätenstaates
ausmachten, nur Theorie blieben, daß man in
der Praxis entgegengesetzt aller guten Theorien handelte. Auf
dem Gebiete des Schulwesens tat man das am ausgiebigsten.
Die Èechen haben die
von mir geschilderte 50jährige Praxis des alten Österreich
mißachtet, indem sie mit einigen wenigen Strichen eben durch
das Gesetz vom 9. April 1920, Slg. 292, die national getrennten
Orts- und Bezirksschulräte zum Verschwinden brachten, um
an ihre Stelle Orts- und Bezirksschulausschüsse zu setzen,
in welchen beide Volksstämme vertreten zu sein haben. Für
Ihre Minderheitsschulen allerdings gilt dieser Grundsatz nicht,
da gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Orts- und Bezirksschulräte.
Die Landesschulräte erlebten dann auch eine Ummodelung. Was
blieb denn übrig von der Selbständigkeit der
deutschen Abteilung des Landesschulrates? Das ist eine ungeheure
Sünde wider den guten Geist. Dabei will ich gar nicht rekapitulieren,
was durch die umgeänderten Schulbehörden an schwerer
Schädigung des deutschen Schulwesens erfolgte.
Eines ist aber sicher, wir müssen den
Rückweg aus diesem Zustande gewinnen können. Ich zeigte
diese Notwendigkeit seit Jahr und Tag auf. Für mich bestand
die ganze Zeit über. durch die ich mein Mandat ausübe.
keine größere Forderung als die nach nationaler Schulselbstverwaltung.
Seit Jahren, und stets mehr, je öfter Ich über
die Schulgesetzgebung spreche, lege ich auch ein Gewicht darauf,
zu beweisen. wie leicht es gerade im èechoslovakischen
Staate ist, die Dinge zu meistern, über die Restitution der
österreichischen Schulgesetzgebung zur Komplettierung
der Schulautonomie zu kommen.
Das erste in dieser Richtung ist. daß
die österreichische Gesetzgebung neuerlich in Anwendung gelangt,
nach der die national getrennten Orts- und Bezirksschulräte
wieder aufleben. Als weiteres Notwendige tritt die Aufrichtung
der Sektionierung der Landesschulräte bezw. die Wiederaufrichtung
auf, die Sektionierung des Ministeriums für Schulwesen und
Volkskultur, letzten Endes das eigene Schulbudget für die
einzelnen Nationen des Staates.
Dieser Weg über die Restitution des Vorkriegszustandes
an Schulgesetzgebung zur Autonomie wird als realisierbar auch
von der Schulverwaltung selbst zugegeben. Wenn ich die Antwort
des Herrn Ministers Hodža
auf meine seinerzeit mit Koll. Jung eingebrachte Schulinterpellation
richtig verstehe, ist es so. Der Herr Minister steht auf dem Standpunkte,
daß es als Folge des Gesetzes über die Organisation
der politischen Verwaltung notwendig wird, auch das Gesetz vom
9. April 1920, Slg. 292, zu ändern und durch einen Gesetzentwurf
dann gleichzeitig Bestimmungen über die nationale Autonomie
in der Schulverwaltung zu erlassen. Das ist ein wenn auch nur
kleiner Fortschritt in der Stellung der Schulverwaltung. Aber
das Einsehen muß von der größten Folge begleitet
sein. Die Novelle des Herrn Unterrichtsministers sollte unserer
Meinung nach nicht nur ein Pflaster sein, sondern durch ihren
Inhalt sich würdig einreihen lassen in die Reihe der legislatorischen
Großtaten von der Art der esthländischen und Kärntner
Selbstverwaltungs-Gesetzgebung.
Erst ein solches Gesetz wird die Visitkarte
der heutigen Koalition sein. Wir wollen gern vergessen, wenn sie
nächstens abgegeben wird, daß sie nicht schon früher
zur Abgabe gelangte. Der Herr Minister aber kann sich durch ein
Werk, wie wir es verlangen, mit der Geschichte verankern, wie
kaum ein anderer, der flüchtige Tagespolitik macht. Sein
Name würde genannt werden über Dezennien hinaus wie
die Namen der Plener. Hallwich, Schmeykal, Scharschmid, Schlesinger,
Rieger, Mattuš, Zeithammer.
Der Herr Minister war im Vorjahre zum großen
Wurfe bereit. Noch am 3. März 1927 bekannte er sich in seinem
bekannten Exposé zur Notwendigkeit einer legislatorischen
Großtat, durch die die Selbstverwaltung der Nationen innerhalb
ihrer Kulturkreise gewährleistet wird. Oftmals darnach wiederholte
er sie. Der Gedanke daran ist heute noch sein Königsgedanke.
Wir wissen, daß es konträre Einflüsse sind. die
ihn in seinen Absichten zurückgeworfen haben. Aber wir sagen,
daß wir nicht eher das Schulproblem gelöst betrachten
können als bis die Selbstverwaltung der Nationen auf diesem
Gebiete gesichert ist. Wieviel Kampf aber, und daraus entstehender
Haß, wieviel Sorgen und Nöte würden begraben,
wenn man unseren Anregungen folgte, wieviel neue Kraft zu aufbauender
Arbeit würde freigemacht, wenn man zumindest das Schulgebiet
neutralisierte.
Nur durch eine politische Tat, die Grundsätzlichkeit
atmet, wie ein Gesetz über die Schulselbstverwaltung der
Nationen, ist der Theorie der heutigen staatspolitischen Konzeption
eine praktische Seite gesetzt. Es liegt an ihnen mehr als an uns,
positiv in diesem Sinne zu schaffen. Scheuen sie sich aber nicht,
von Schulautonomie zu reden.
Wenn ich dies ausspreche, so soll es eine kleine
Polemik gegenüber den deutschen Regierungsparteien sein,
da sich diese deutschen Parteien mehr als zu allen Zeiten ihres
Bestandes und mehr als jede andere Partei, die nicht so legitimiert
ist, für die Vertretung der Interessen des deutschen Volkes
zu sprechen, scheuen, von etwas Grundsätzlichem überhaupt
zu sprechen. Es ist äußerst charakteristisch, daß
in der ganzen Schuldebatte, die wir über ein Jahr abführen,
teils im Ausschuß, teils im Hause selbst, niemals von diesen
Herren, nicht einmal von ihren besonderen Schulleuten, das Wort
von dem Kampf um die Erringung der Selbstverwaltung für das
Schulwesen gefallen ist.
Es ist bei der heurigen Budgetberatung auch
von der Opposition manches Bekenntnis zur positiven Arbeit getan
worden. Wir sind auch auf dem Gebiete des Schulkampfes niemals
nur negativ geblieben. Wir haben praktisch gearbeitet, am meisten,
daß wir in einem Antrage die Schulselbstverwaltung legislatorisch
entwarfen. Dieser Antrag regelt die Grundsätze der Selbstverwaltung,
die Frage des Nationalkatasters so gut wie in seinem zweiten Hauptstück
die Frage der Schulaufsicht. Das dritte Hauptstück spricht
von der Schulerrichtung und -erhaltung, das vierte von der Lehrerschaft
und den Unterrichtsmitteln. Es ist eine beachtenswerte Arbeit,
die dem Interesse begegnen sollte. Das war die mir von der Partei
übertragene Aufgabe, der grundsätzlichen Frage der Schulselbstverwaltung
etwas mehr Worte zu verleihen, als das sonst möglich ist.
Wenn dann die Schulautonomie besteht, gibt es für uns keinen
Zweifel mehr darüber, ob wir für ein Budget stimmen
oder nicht, dann ist das Budget unser und wir werden dafür
stimmen. Bis dorthin aber lehnen wir jeden Schulvoranschlag grundsätzlich
ab. (Potlesk poslancù nìm. strany nár.
socialistické.)