Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das èechoslovakische
Parlament ist daran, eine seiner wichtigsten verfassungsmäßigen
Aufgaben, den Staatsvoranschlag für 1928, zu erledigen. In
anderen Ländern wird diese Arbeit des Parlaments, diese Arbeit
der höchsten gesetzgebenden Körperschaft,
von der gesamten Öffentlichkeit mit der größten
Aufmerksamkeit verfolgt, das Interesse aller beteiligten Kreise,
all jener, die an den einzelnen Budgetziffern besonders interessiert
sind, konzentriert sich in diesem Augenblicke vollständig
auf die Arbeit des Parlaments. Bei uns ist das anders. Die große
Öffentlichkeit geht verhältnismäßig achtlos
an dieser wichtigen Arbeit des Parlaments vorüber; abgesehen
von der Lektüre der kurzen Zeitungsberichte scheint sie nicht
allzuviel Notiz von dieser Arbeit des Parlaments in diesem Staat
zu nehmen. In anderen Ländern bietet das Parlament gerade
in der Zeit der Budgetberatung ein klares Bild der inneren politischen
und wirtschaftlichen Struktur des Staates, in anderen Ländern
liefert gerade die Budgetberatung den Beweis für die
gewissenhafte geistige und wirtschaftliche Arbeit der gesetzgebenden
Körperschaft. Bei uns in der Èechoslovakei aber wird
das Parlament nicht nur von der großen Öffentlichkeit
nicht besonders beachtet, es wird - woraus
das erstere verständlich ist - auch vom höchsten Funktionär
der Regierung, vom Premierminister, mit außerordentlicher
Mißachtung behandelt. Nur einige wenigemal im Jahre, nur
wenn auch die Stimmen der Minister zur Abstimmung notwendig sind,
erscheint er in diesem Hause, nur dann bekommen wir ihn zu sehen.
Aber nicht einmal während der schon einige Tage währenden
Budgetberatung hat er es für notwendig erachtet, im Hause
zu erscheinen. In anderen Staaten hat der Premierminister, geleitet
von seinem Verantwortlichkeitsgefühl für diesen wichtigen
Akt der gesetzgebenden Körperschaft, von der Achtung als
erster Funktionär der Regierung vor der gesetzgebenden Körperschaft,
sich immer die Aufgabe gestellt, den Voranschlag mit einer entsprechenden
Einbegleitung den Abgeordneten vorzulegen, gleichzeitig wichtige
oder im Budgetausschuß noch strittig gebliebene Posten zu
behandeln und zu begründen. Bei uns unterläßt
er das. Er erscheint einfach nicht und beweist damit eine
wohl in keinem Parlament mögliche seltene Mißachtung
vor der gesetzgebenden Körperschaft. Dieses sein Beispiel
muß ja ganz selbstverständlich auch auf die anderen
Herren Kollegen seines Kabinetts zurückwirken. Wir brauchen
uns bloß die Ministerbank während der ganzen Budgetberatung
anzuschauen und werden dann sehen, daß bei den anderen Herren
des Kabinetts dieselbe Mißachtung vor dem Parlamente, wie
bei dem Ministerpräsidenten, zu verzeichnen ist. Wenn wir
während der Beratung des Staatsvoranschlages die Ministerbank
einmal voll sehen wollen, müssen wir uns die "Lidové
Noviny" kaufen, wo die in der Èechoslovakei nicht
mögliche Tatsache bildlich dargestellt ist, daß einmal
alle Minister auf der Ministerbank zu sehen sind. In der Wirklichkeit
können wir uns aber diese Abbildung der "Lidové
Noviny" gar nicht vorstellen.
Aber nicht nur beim Herrn Premierminister und
bei den Herren Ministern, sondern auch bei allen übrigen
Herren, vom Generalberichterstatter für den Staatsvoranschlag
angefangen bis zum letzten Abgeordneten der Mehrheitsparteien,
können wir die gleiche Mißachtung, Negierung und dieselbe
Gleichgültigkeit verzeichnen. Anstatt daß gerade die
Herren von der Mehrheitsseite sich bemühen würden, ihr
Werk - und der Staatsvoranschlag, wie er vorliegt, ist ihr Werk,
denn sie haben im Budgetausschuß ihren Willen durchgesetzt,
haben bis auf einige belanglose Resolutionen alle Vorschläge
und Anträge der Opposition negiert - zu verteidigen, die
einzelnen Posten auch hier zu begründen und zu erläutern,
wie sie sie im Budgetausschuß durchgesetzt haben, glänzen
sie durch ihre Abwesenheit und überlassen es den einzelnen
Rednern der Opposition, deren Unmut zum Ausdruck zu bringen. damit
die nach der Geschäftsordnung notwendige Redezeit abgeredet
wird. Die Opposition kann ihrem Unmut ja Ausdruck geben. aber
unserer Überzeugung nach zwecklos und resultatlos. Wenn wir
trotz dieser unserer Überzeugung hier auf der Rednertribüne
erscheinen, tun wir dies, um ein Alibi zu haben, um
später, wenn Wählerschaft und Öffentlichkeit Rechenschaft
fordern, diese ablegen zu können.
Auch in anderen Fällen können wir
konstatieren, welcher Mißachtung seitens der Mitglieder
der Regierung sich dieses Haus erfreut. Wo anders, z. B. vor kurzem
im englischen Parlamente, wurde von einem Parlamentsmitglied eine
Anfrage an einen Minister gestellt. Der betreffende Herr Minister
hat sich geweigert, diese Anfrage zu beantworten; ein Sturm der
Entrüstung hat den Herrn doch gezwungen, die geforderte Information
zu geben. Bei uns macht man das anders. Unser Klub, meine Klubkollegen
Taub, Grünzner und Genossen haben vor kurzem
im Druck 1122 an den Herrn Ministerpräsidenten das Ersuchen
gestellt, eine Aufstellung über den Personalstand in den
staatlichen und öffentlichen Diensten vorzulegen. Statt daß
nun der Ministerpräsident den Wunsch einiger Mitglieder des
Abgeordnetenhauses respektiert und erfüllt, hat er
in einer geradezu unerhörten und das Parlament beleidigenden
saloppen Art, im Druck Nr. 1235, erklärt, daß in
ca. 13 Zeitschriften die Erläuterung über die Personalstände
der Bediensteten in den einzelnen Ämtern und staatlichen
Institutionen ohnedies verlautbart sei, und die Herren Abgeordneten,
die Informationen wünschen, mögen sich dieselben
gefälligst in den angeführten Zeitschriften holen.
Ich glaube, in keinem anderen Parlamente ist eine derartige Behandlung
von Abgeordneten, eine derartige Antwort auf eine Interpellation
möglich.
Im Budgetausschuß hat sich am 18. November der Herr Ministerpräsident
in seinem Exposé über das Verhältnis zwischen
den deutschen und den èechischen
Regierungsparteien ausgelassen
und dabei wiederholt auf die vielgerühmte - wir könnten
schon sagen: berüchtigte - Demokratie dieses Staates verwiesen.
Er hat unter anderem auch ausgeführt, das deutsche Volk habe
dieselben bürgerlichen Rechte, wie das èechische,
können wir vielleicht den Deutschen
ein anderes Wahlrecht geben, als wir selbst haben? Mit diesen
wenigen Worten nur hat der Ministerpräsident aussprechen
wollen, daß die Deutschen in diesem Staate gleichberechtigt
sind mit den Èechen, daß also ein demokratisches
Verhältnis zwischen Mehrheits- und Minderheitsvölkern
in diesem Staate besteht. Ich möchte den Herrn Ministerpräsidenten,
der ja leider nicht hier ist, darauf aufmerksam machen, daß
sich im Wahlrecht die Demokratie auch in unserem Staate nicht
erschöpfen kann, die Demokratie muß vielmehr den Ausdruck
finden in der gleichen Behandlung der Minoritätsvölker
in diesem Staate. Sie muß ihren Ausdruck darin finden, daß
die Staatsbürger dieses Staates unbekümmert, welche
Zunge sie sprechen, gleich behandelt werden bei der
Heranziehung zu den einzelnen Ämtern, zu den Arbeiten
im Staate. Im Staatsdienst müssen also die Minoritätsvölker
gleich behandelt werden, wie die Majoritätsvölker. Wenn
wir von Demokratie im Staate reden wollen, müssen wir auch
die gleiche Behandlung in den Staatsbetrieben verlangen und dürfen
nicht in die Lage kommen, sofern Demokratie vorhanden sein soll,
konstatieren zu können, wie es jetzt der Fall ist, daß
nicht nur im Staatsdienst alle Angehörigen der Minderheitsnationen
ausgeschaltet und diese auf alle möglichen Arten entfernt
werden, sondern daß der Raub des Arbeitsplatzes bis in die
Privatindustrie hinein organisiert und gegen die Angehörigen
der Minderheitsvölker rücksichtslos betrieben wird.
Gegen alle Behauptung, daß Demokratie im Staate sei, können
wir an wichtigen Problemen, vor allem in kulturellen Fragen, feststellen,
daß die Bedrückung trotz aller Proteste der Minderheitsvölker
in diesem Staat nicht aufgehört hat. Wir haben wiederholt
und oft das Selbstbestimmungsrecht in allen kulturellen
Fragen verlangt, es ist uns versagt worden. Aber auch in wirtschaftlichen
Dingen können wir feststellen, daß von Demokratie in
diesem Staate keine Rede ist. Bei der Vergebung von Staatsaufträgen
werden fast ausschließlich èechische Firmen herangezogen
und deutsche Firmen ausgeschaltet oder es wird ihnen die Offertstellung
so schwer gemacht, daß sie zu spät kommen und ihnen
eine Offertstellung überhaupt unmöglich ist. Wir können
auch feststellen, daß bei der Erlangung von Auslandsaufträgen,
um die sich unsere Industrie, die größtenteils
Exportindustrie ist, bemühen muß, besonders bei der
Erlangung ausländischer Staatsaufträge, in gleicher
Weise die èechische Industrie
gefördert und die deutsche Industrie zurückgestellt
wird, und ihr Schwierigkeiten bereitet werden.
Ein besonderes Kapitel bildet im Staate selbst
das Verhalten unseres Ministeriums für öffentliche Arbeiten
gegenüber der deutschen Elektrizitätsindustrie. Die
deutsche Elektrizitätsindustrie, die kommunalen Elektrizitätswerke
werden durch das Ministerium für öffentliche Arbeiten
in ihrer Tätigkeit gehemmt und geschädigt und vom Ministerium
eingerichteten sogenannten gemeinnützigen Gesellschaften,
die nichts als Zwischenhandelsgesellschaften sind, nichts als
Körperschaften, die den elektrischen Strom verteuern, ausgeliefert.
Diese sogenannten gemeinnützigen Gesellschaften werden vom
Ministerium, an dessen Spitze der deutsche Arbeitsminister Dr.
Spina steht, in ganz eigentümlicher, einseitiger Weise
gefördert, zum Schaden der deutschen Unternehmungen, der
deutschen kommunalen Werke. Auch hier fehlt mehr oder weniger
die praktische Demokratie in diesem Staate. Ein Meinungsaustausch
zwischen den Mehrheits- und Minderheitsgruppen dieses Staates
ist noch lange keine Demokratie. Was der Herr Ministerpräsident
immer versucht, uns als Demokratie darzustellen, ist, wen wir
es genau betrachten, nichts anderes als eine auf Vergewaltigung
aufgebaute Diktatur. Weiters können wir wohl konstatieren,
daß es wohl auch keine demokratischen Formen sind, die im
Verkehr zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Parlamente
bestehen, wenn der Herr Ministerpräsident alle seine Enuntiationen
und Äußerungen in die Ausschüsse verlegt, wenn
er in einer geradezu an Mißachtung grenzenden Art dem Plenum
des Hauses und der Öffentlichkeit ausweicht. Wir können
feststellen, daß der Herr Ministerpräsident auch ansonsten,
wo er von den Parteien verschiedener Klassen zu Interventionen
und Vermittlungen angerufen wird, sich eine eigene Art der Behandlung
zurecht gelegt hat; das können wir wohl nach dem letzten
Stritt auf den Eisenbahnen sagen. Ebenso wie sich der Herr Ministerpräsident
einer ganz außergewöhnlichen beispielgebenden Mißachtung
gegenüber dem Parlament befleißt, so können wir
auch vom Parlamentspräsidium ein ähnliches konstatieren.
Auch da sehen wir, daß die primitiven Begriffe und Formen
der Demokratie mißachtet werden. Trotz wiederholter Anfragen,
trotz wiederholter Interpellationen seitens eines Teiles der Abgeordneten
wurde im Abgeordnetenhaus in den meisten Fällen über
die durchgeführten, Millionenbeträge verschlingenden
und fast ununterbrochen fortgesetzten Adaptierungsarbeiten dieses
Hauses keine Rechenschaft gegeben. Die Adaptierungsarbeiten an
diesem Hause, welches ein Provisorium darstellt - denn das eigentliche
Parlamentsgebäude soll ja durch Anlegung eines andern Fonds
erst später errichtet werden - werden trotz der Proteste,
und obwohl man Aufschluß verlangte, den Abgeordneten erst
dann mitgeteilt, wenn diese Arbeiten in die Wege geleitet oder
durchgeführt sind. Weiters können wir feststellen, daß
ununterbrochen zu allen möglichen Anlässen sogenannte
parlamentarische Delegationen entsendet werden. Ich möchte
doch einmal fragen, wie viel dieser Delegationen vom Parlament
gewählt wurden, in welcher Weise auf Zusammensetzung und
Umfang der Delegationen das Haus direkt Einfluß genommen
hat. Wir müssen das Präsidium des Hauses wohl fragen,
ob diese Delegationen ein Privileg oder eine Sinekure nur für
die Mehrheitsabgeordneten sind. Wenn die Wichtigkeit der Sache
oder das Prestige des Staates die Entsendung von Delegationen
notwendig erscheinen läßt, dann muß man dem Hause
wenigstens Bericht darüber erstatten, muß dem Hause
die Möglichkeit geben, eine ihm genehme und nach seinen Wünschen
zusammengesetzte Delegation zu entsenden. Außerdem können
wir sagen, daß die Entsendung vieler dieser Delegationen
in einer Zeit, wo ununterbrochen Sparsamkeit das Schlagwort in
diesem Hause ist, wo auf allen Seiten, auf kulturellem Gebiet,
bei der Volksbildung, bei sozialer Fürsorge ununterbrochen
gespart wird, mit diesen Grundsätzen der Sparsamkeit im Widerspruch
steht und müssen fragen, ob diese Delegationen und
die Ausgaben dafür gerade in einer Periode des Sparens
immer berechtigt sind.
Es ist weiters ein Hohn auf die Demokratie,
wenn das Präsidium dieses Hauses ganz einfach im Wege der
Verfügung, im Wege der Verordnung, jene Parteien, die nicht
über ein halbes Dutzend oder ein Dutzend Abgeordneter
in diesem Hause verfügen, also die kleinsten Parteien, ganz
einfach zwingt, nur in kleine Klubs zu 4 Abgeordneten zusammengeschlossen,
die Vorteile und Einrichtungen des Parlamentes benützen zu
dürfen. Es wurde die Bedingung gestellt, daß vier Abgeordnete
dieser kleinsten Parteien sich zusammenfinden. Ich weiß
nicht, ob das Präsidium des Hauses sich klar geworden ist,
wie kleine Klubs aus verschiedenen Parteirichtungen zusammengesetzt,
arbeiten sollen, wie die Arbeit dieser Klubs ausschauen soll,
wenn man Vertreter verschiedener politischer. oft konträre
oder diagonal zu einanderstehender Richtungen zwingt, sich zusammenzusetzen
und zu arbeiten. Ich möchte das Präsidium des Hauses
fragen, wo ein Hinweis oder eine Rechtfertigung 1n der Verfassung
oder in der Geschäftsordnung für diese Verfügung
des Präsidiums enthalten ist, ohne daß das Haus hierzu
Stellung zu nehmen berechtigt wäre. Aber nicht nur das. Das
Präsidium dieses Hauses, oder wie man es häufig nennt,
dieses demokratischen Hauses, hat noch in einer andern Weise eine
seiner heiligsten Pflichten gröblicherweise verletzt, nämlich
die Pflicht zur Wahrung der Immunität. Wir sind in diesem
Hause zwar daran gewöhnt, daß Worte, ganze Sätze
der Abgeordneten, die hier von der Rednertribüne ausgesprochen
werden und dem Präsidium des Hauses aus welchen Gründen
immer nicht genehm sind, aus den Protokollen eliminiert werden;
aber was wir in der Vorwoche erlebten, daß die Rede des
Abg. Dr. Stern der kommunistischen Partei, die vielleicht
dem Präsidium nicht genehm war, einfach vom Präsidium
konfisziert wurde, das, meine Damen und Herren, ist wohl in keinem
anderen Parlamente der Welt möglich. Ich glaube nicht konstatieren
zu müssen, daß das stenographische Protokoll des Parlamentes
ein wichtiges historisches Dokument ist und wenn das Präsidium
dieses Hauses die Rede eines Abgeordneten ganz einfach eliminiert,
dann verstümmelt es - vielleicht können wir auch den
Ausdruck gebrauchen: dann fälscht es - ein Dokument,
das der Zukunft, das kommenden Generationen, kommenden Parlamenten
eine Richtlinie, Wegweiser oder Informator zumindest für
das, was in der Vergangenheit geschehen ist, sein soll
und sein muß.
Aber nicht nur hier, nicht nur gegen die Abgeordneten
geht das Präsidium dieses Hauses als erster Zensor in so
rücksichtsloser Weise vor, wir können feststellen, daß
auch ansonsten die Konfiskationspraxis in unserem Staate sich
steigert. So haben vor kurzer Zeit die sozialdemokratischen Jugendorganisationen
in ihrem Organ ein Gedicht veröffentlicht. Das Gedicht wurde
beschlagnahmt das ist bei uns nichts so Außergewöhnliches
- es haben aber nun, weil die Beschlagnahme ein Unrecht schien,
die Koll. Taub, ich und andere Kollegen meines Klubs dem
Ministerium des Innern eine Interpellation unterbreitet. Diese
Interpellation lautet folgendermaßen - ich will Sie Ihnen
zur Kenntnis bringen, damit Sie daraus schließen können
was sich das Präsidium des Hauses hier erlaubt hat (ète):
Interpellation der Abg. Taub, Kaufmann
und Genossen an das Ministerium des Innern wegen Konfiskation
der Zeitschrift "Sozialdemokratische Jugend."
In der Nr. 10 der "Sozialdemokratischen
Jugend", welche in Teplitz-Schönau erscheint, wurde
nachfolgendes Gedicht von John Henry Mackay konfisziert: (Další
èást øeèi byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. listopadu 1927 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu
vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz
str. 54 této tìsnopisecké zprávy.)
Die Zensurbehörde erblickt in diesem
Gedicht ein Vergehen gegen § 15 des Gesetzes zum Schutz der
Republik. Mit Unrecht. (Další èást
øeèi byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. listopadu 1927 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena
z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 54 této
tìsnopisecké zprávy.) Wir
fragen daher den Herrn Minister, ob er diese Konfiskation
billigt?
Nun, meine verehrten Damen und
Herren, haben wir erleben müssen, daß diese Interpellation
gar nicht zum Ministerium des Innern gelangte, sondern vom Präsidium
dieses Hauses konfisziert wurde. (Hört, hört!) Das
Präsidium dieses Hauses hat sich damit zum Instruktor für
die Konfiskationspraxis der Staatsanwälte draußen erniedrigt.
Das hätte das Präsidium des Hauses nicht tun
dürfen, wenn es die Immunität der Abgeordneten nicht
mit Füßen treten will.
Nun eine weitere Konfiskation. Der "Sozialdemokrat",
das Zentralorgan der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei,
hat in seiner Nummer vom 24. November in einem Artikel aufgezeigt,
wie in diesem Hause vor allem bei der Behandlung und Durchführung
des Bodenreformgesetzes Leute, leider auch Angehörige dieses
Hauses, sich in einer ungehörigen Weise Vorteile verschafft
haben. In einem anderen Lande ist man der Presse dankbar,
wenn sie solche Ungehörigkeiten aufdeckt, in einem anderen
Lande ist man der Presse dankbar dafür, wenn sie die Möglichkeit
der Kontrolle und Überprüfung der Tätigkeit der
öffentlichen Funktionäre gibt. Der "Sozialdemokrat"
hat in einem Artikel, der sich "Korruption" betitelt,
unter anderem Folgendes geschrieben:
"Freilich muß man zugeben, daß
die sich auf dem Boden der èechoslovakischen
Republik ausbreitende Korruption seit Anbeginn ungemein günstige
Lebensbedingungen gefunden hat. Die Bereicherung des zur Macht
gelangten èechischen Bürgertums wurde von den Regierungen
aufs eifrigste gefördert und noch keine der bisherigen Regierungen
brachte den Willen auf. jemals gegen die Ausplünderer
der Republik mit Entschlossenheit aufzutreten. Nur als die üppig
umsichgreifende Korruption den Organismus der Armee anzufressen
drohte, wurden die Schuldigen vor die Gerichte gezogen.
Für die anderen Lumpen hat sich dagegen noch kein
Staatsanwalt gefunden. sie dürfen die Beute ihrer Raubzüge
in Seelenruhe, in Freiheit und bürgerlichen Ehren verzehren.
Als die Schandwirtschaft einzelner Patrioten gewisse Bankunternehmungen
zum Verkrachen brachte, da wurden die Bankroteure und Betrüger
nicht hinter Schloß und Riegel gesetzt, sondern die Regierung
leitete eine große Hilfsaktion ein und verwendete hunderte
Millionen Steuergelder, um die in Grund und Boden gewirtschafteten
Banken wieder auf die Beine zu bringen. Die kleinen Diebe wanderten
ins Kriminal, die großen fast regelmäßig daran
vorbei, das mußte wie eine Prämie für die Korruption
wirken. Monatelang wurde die Öffentlichkeit durch die
Spiritusskandale aufgewühlt, aber vergeblich wurde Aufklärung
über den Spiritusfond verlangt. Das Ende war nicht etwa die
Einbringung eines Antikorruptionsgesetzes, sondern eine Abänderung
und Verschärfung des Gesetzes, das die Ankläger der
Korruptionisten bestraft und sich wie ein Schutzengel für
die Korruption auswirkt. Und was wird in dem neuesten, dem Bodenreformskandal
geschehen? Wird, wenn das Parlament seine, wohl nicht chne Absicht
recht langwierig gestaltete Untersuchung des Falles Dubický
abgeschlossen haben wird, der Staatsgewalt den oder die Schuldigen
vor die Schranken des Gerichtes zerren? Und werden jene Abgeordneten
und Senatoren, welche das ihnen übertragene höchste
Amt, welches das Volk zu vergeben hat, zu ihrem persönlichen
Vorteil mißbrauchten, werden sie, wie sie es verdienten,
mit Schimpf und Schande aus ihren öffentlichen Würden
davongejagt werden? Darauf zu hoffen, wäre sehr trügerisch.
Wer das fressende Geschwür der Korruption beseitigt sehen
will, der muß gegen sie kämpfen und sie kann nur wirksam
durch die Zerbrechung der Allmacht der bürgerlichen Parteien
im Staat bekämpft werden."
Auch dieser Artikel wurde konfisziert. Damit
hat wohl nicht nur der Zensor, sondern auch sein Auftraggeber,
sein höchster Vorgesetzte, das Justizministerium und der
Justizminister, in der Konfiskation ein Werkzeug, einen Behelf
zum Schutze und zur Deckung der Korruption konstruiert.
Der Justizminister, zu dessen Kapitel ich jetzt
komme, hat weiters wohl auch den Grundsatz, daß überall
gespart werden muß, bei den untersten Beamten, bei den
Arbeitstieren im Justizministerium. im Justizdienst. eingeführt;
bei den Konzeptsund bei den Kanzleibeamten wird gespart. Es wird
aber nicht nur durch Verminderung der Stellen der Kanzlei- und
Konzeptsbeamten, dieser ohnehin überlasteten Arbeiter im
Justizdienst gespart, sondern es wird noch auf Grund des Gehaltsgesetzes
ihr Einkommen vermindert. Weniger Einnahmen, mehr Arbeitsleistung,
das ist scheinbar die Parole, die unter dem jetzigen Justizminister
im Justizministerium und im Justizdienste maßgebend ist.
Ich möchte weiters anführen, daß das Justizministerium
und der Justizminister auch zu einer Rechtsbeugung, deren sich
das Innenministerium zur Zeit der letzten Wahlen schuldig machte,
geschwiegen hat. Ich glaube, es wäre Pflicht des
Vertreters der Justiz in diesem Staate gewesen, dem lnnenminister
zumindest im Ministerrat klar zu machen, daß auch seine
Tätigkeit gewisse Schranken hat und daß dieser Tätigkeit
Schranken gesetzt werden müssen. Das Justizministerium schweigt
sieh, wie gesagt, dazu aus.
Ferner möchte ich hier fragen, was der
Herr Justizminister zu einer Forderung, die wir schon oft gestellt
haben und die er selbst als Politiker und als Angehöriger
der christlichsozialen Partei mit uns wiederholt gestellt und
die er übrigens wiederholt selbst erhoben hat, nämlich
zu der Forderung der Abschaffung der Todesstrafe. Bis jetzt hat
der Herr Justizminister die Anfrage, wie er sich zur Behandlung
dieser Frage stellt, nicht erledigt. Er hat sich bisher auf alle
unsere Anfragen und unsere Anforderungen, sich darüber zu
äußern, ausgeschwiegen. Ferner möchte ich den
Herrn Justizminister fragen, ob er als Minister sein christlichsoziales
Gewissen abgelegt hat oder ob für ihn nicht mehr das
Wort Gottes gilt: "Du sollst nicht töten", oder
ob dieses Wort Gottes zumindest seit dem Tage nicht mehr
für ihn gilt, seitdem er Minister ist. Aus der letzten
Rede des Koll. Viškovský haben wir feststellen
können, daß bei den Mehrheitsparteien die Absicht zu
bestehen scheint, eine wichtige Wohltat unserer Rechtsprechung,
nämlich die sogenannte bedingte Verurteilung, aufzuheben,
oder mindestens einzuschränken. Koll. Viškovský
hat nämlich vor einigen Tagen hier gesagt, daß die
bedingte Verurteilung ein Schaden für die Justizpflege sei.
Wir können wohl das Gegenteil konstatieren und ich behaupte,
daß 99% unserer Richter gleichfalls das Gegenteil der Behauptung
des Koll. Viškovský bestätigen würden.
Tausende von Fehltritten, die durch die bedingte Verurteilung
moralisch gestraft werden, Tausende von Fehltritten, von ersten
Fehltritten überhaupt und zwar von Menschen, die in irgendeiner
bedrängten Lage, oder in einer verfänglichen Situation
zu schwach waren, um Versuchungen oder Verführungen zu widerstehen,
werden bedingt verurteilt und die bedingte Verurteilung
macht auf sie einen außergewöhnlichen moralischen Eindruck
und gerade der Umstand, daß sie nicht ins Gefängnis
wandern müssen, sondern, daß ihnen nur die Gefahr der
Einkerkerung vor Augen geführt wird, hat bei ihnen
mehr gewirkt, hat ihre moralische Gesundung mehr gefördert,
als es eine verbüßte Kerkerstrafe tun würde, wenn
sie eben mit moralisch verkommenen Individuen zusammen ihre Strafe
abbüßen würden. Auf jüngere Menschen hat
eine solche Einkerkerung moralisch vernichtend gewirkt und war
oft die erste Anleitung, der erste Schritt zu dauerndem
Verbrechertum. Wir hoffen, daß Koll. Viškovský
mit seinen Äußerungen, Anregungen und mit seinen diesbezüglich
geäußerten Wünschen und Hoffnungen allein bleiben,
daß der Justizminister ihnen nicht Rechnung tragen wird
und daß die bedingte Verurteilung als Fortschritt in der
Justizpflege weiter unbeschränkt beibehalten wird.
Unserer Überzeugung nach ist auch eine weitere wichtige Einrichtung
der Rechtspflege bedroht: Soweit wir feststellen konnten, trägt
sich das Justizministerium mit dem Gedanken, das mündliche
Verfahren bei den Gerichten einzuschränken. Das Justizministerium
begründet diese Absicht damit, daß angeblich 7.400
Akten bei dem obersten Verwaltungsgericht unerledigt geblieben
sind. 7.400 Akten, das ist die Arbeit eines Jahres. Und so wie
es beim Obersten Verwaltungsgericht ist, so schaut es auch bei
den anderen Gerichten aus. Überall häufen sich die Akten,
überall wird es täglich klarer, daß der jetzige
Beamtenstatus außerstande ist, die Arbeiten zeit- und ordnungsgemäß
zu bewältigen. Anstatt die Senate zu vermehren und die technischen
Einrichtungen zu vervollkommnen, geht der Justizminister daran,
das mündliche Verfahren einzuschränken, damit Zeit gewonnen
wird und damit die Arbeiten, die sich anhäufen, bewältigt
werden können. Dadurch würde wohl die letzte demokratische
Einrichtung bei der öffentlichen Rechtspflege vernichtet
werden. Bei Verlegung der Rechtspflege aus der Öffentlichkeit
in geheime Konventikel würde vor allem anderen die Einschränkung,
ja die völlige Aufhebung der Verteidigung platzgreifen, es
würde eine Einschränkung der Beweisführung, aber
auch der Verantwortlichkeit der Richter erfolgen. Ich glaube,
das wäre das Gefährlichste und Vernichtendste in unserer
Rechtspflege. Zum Schluß dieses Kapitels - es ist leider
nicht möglich, bei so rationierter Zeit sich eingehend mit
all diesen Fragen zu beschäftigen - möchte ich an den
Herrn Justizminister noch die Anfrage richten, wie es mit der
Ernennung der deutschen Vizepräsidenten bei den Landesgerichten
steht. Es handelt sich um eine Forderung, die vom jetzigen Justizminister
selbst seinerzeit, als er noch oppositioneller Abgeordneter war,
Schulter an Schulter mit uns erhoben wurde. Man müßte
annehmen, daß diese Ernennungen, die ebenso notwendig wie
berechtigt sind, notwendig im Justizdienst an und für sich
und berechtigt, soweit die Forderung von den deutschen Parteien
in diesem Staate gestellt wurde, unter der Leitung eines deutschen
Justizministers beschleunigt behandelt und durchgeführt werden.