Hohes Haus! Wenn ich mich als Vertreter einer
deutschen Partei, die nur als unterstützende Gruppe der derzeitigen
Regierungsmehrheit anzusehen ist, zum Worte meldete, so geschieht
dies deswegen, um einerseits unsere Stellung zum vorliegenden
Staatsvoranschlag zu kennzeichnen, andererseits aber einige Abschnitte
des Budgets in Kürze einer sachlichen Kritik zu unterziehen.
Das in Verhandlung stehende Budget für
das Jahr 1928 dürfte wohl als ein Werk des Herrn Finanzministers
Dr. Engliš anzusehen sein, der in seinem Exposé
von einem aktiven und stabilisierten Staatsvoranschlag sprach.
Ich bin überzeugt, daß der Herr Finanzminister tatsächlich
den ernsten Willen und das ständige Bestreben besitzt, die
Volkswirtschaft im Staate auf eine gesunde Grundlage zu stellen,
was gewiß durch eine Stabilisierung des Staatsvoranschlages
zu erreichen möglich ist. Diese gute Absicht wird und muß
ohne Zweifel die Anerkennung aller Völker dieses Staates
finden und der tatsächliche Eintritt der Stabilisierung kann
nur Vorteile für die allgemeine Finanz- und Wirtschaftslage
mit sich bringen.
Nicht unwesentlich aber wird diese gute Absicht
durch die Tatsache beeinflußt, daß der nach Ablauf
des budgetierten Jahres erfolgte Rechnungsabschluß gewöhnlich
ein wesentlich anderes Bild aufzeigt als das ursprüngliche
Präliminare, wie wir dies beispielsweise bei dem dem Parlamente
vorgelegten Rechnungsabschluß des Jahres 1926 sehen. Es
ist daher auch beim Staatsvoranschlag 1928 die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen, daß analog wie im Jahre 1926, in welchem
Jahre die präliminierten Einnahmen und Ausgaben des Staates
bei weitem überschritten wurden, die veranschlagten Beträge
noch eine Erhöhung erfahren werden. Im Rechnungsabschluß
1926 finden wir, daß die Einnahmen, die sich hauptsächlich
aus Steuern, Abgaben, Gebühren usw. zusammensetzen, mit einem
Betrage von fast 3,4 Milliarden überschritten wurden und
auch die Ausgabenseite weist eine um 1,4 Milliarden erhöhte
Ausgabe auf. Dadurch wurden eigentlich fast 2 Milliarden an Überschuß
erzielt und es wäre mit Berechtigung anzunehmen gewesen,
daß dieses Plus an Einnahmen auf die Budgets der Jahre 1927
und 1928 nicht ungünstig einwirken werde. Die durch das Jahr
1926 entstandene günstigere Lage der Staatsfinanzen sollte
im Voranschlag für das Jahr 1928 eigentlich in der Weise
zum Ausdruck kommen, daß die Steuern und Abgaben, die durch
den Bürger zu leisten sind, eine bedeutende Herabsetzung
hätten erfahren müssen. Daß dies aber bei vielen
Einnahmeposten des Staatsvoranschlages nicht der Fall ist, erscheint
durch die eingestellten Beträge bewiesen.
Im Zusammenhang mit dem Staatsvoranschlag für
1928 steht aber auch das im heurigen Jahr beschlossene Reformgesetz
über die direkten Steuern. Von diesem Steuergesetz erwartet
die gesamte steuerzahlende Bevölkerung, daß eine Herabsetzung
der, Steuern im Allgemeinen eintreten werde. Von dieser Überzeugung
geleitet, haben wir seinerzeit das Gesetz mitschaffen geholfen.
Das Gesetz über die Steuerreform, welches gerade den kleineren
Steuerträgern eine ziemliche Erleichterung gebracht hat,
wäre für die gesamten Steuerträger ohne Bedeutung
geblieben, wenn man nicht gleichzeitig das Gesetz betreffend die
Regelung der Finanzgebahrung der Selbstverwaltungskörper
geschaffen hätte, durch welches eine Begrenzung der Umlagenprozente
ausgesprochen wurde. Ich gebe zu, daß dieses Gesetz mitunter
die Finanzgebahrung mancher Gemeinde bedeutend einschränkt,
bemerke aber hierzu, daß nach meiner Ansicht das Gesetz
nur einen vorübergehenden Charakter besitzen kann und meine
Partei wird die erste sein, die früher oder später der
Aufhebung oder Milderung der einschränkenden Bestimmungen
desselben zustimmen wird. Vorläufig werden wohl einige Gemeinden
infolge Begrenzung der Umlagen zur Einführung neuer, vielleicht
unpopulärer Abgaben schreiten müssen. Wenn auch unsere
Partei diesen Maßnahmen der Selbstverwaltungskörper
nicht die größte Sympathie entgegenbringen kann, so
waren ihre Vertreter dennoch gezwungen, dem Gesetze die Zustimmung
nicht zu versagen, weil Gewerbe und Handel, wie überhaupt
die umlagenzahlenden Steuerträger die mitunter sehr hohen
Umlagen auf die Dauer nicht mehr zu tragen vermochten. Es ist
der gesamten Öffentlichkeit sicher nicht unbekannt, daß
durch die allzuhohe Belastung von Gewerbe, Handel und Industrie
durch direkte und indirekte Steuern, besonders aber durch die
überaus hohen Gemeindeumlagen, diese in ihrer Existenz bedroht,
ja vielfach dem Ruine zugeführt wurden. Die Selbstverwaltungskörper,
die ihre Voranschläge auf Grund der unbegründeten und
allzuhohen Steuergrundlagen aufgebaut hatten, mußten vielfach
auf Umlageneinnahmen deswegen verzichten, weil die Steuern überhaupt
nicht oder nur sehr schwer zur Einzahlung gelangten. So wurden
auch die Voranschläge der Gemeinden illusorisch gemacht,
da sie nicht jene Einnahmen zu verzeichnen hatten, mit welchen
im Voranschläge gerechnet wurde. Die Eintreibung der in enormer
Höhe bestehenden Steuerrückstände samt Umlagen
wird wohl niemals zur Gänze erfolgen können, daher werden
auch die meisten Selbstverwaltungskörper die ihnen auf Grund
der früheren hohen Steuerbasis zustehenden Umlagen nie bekommen.
Daß sich die ungleiche Höhe der Umlagen in den verschiedenen
Gemeinden auf Handel, Gewerbe und Industrie auswirkte braucht
wohl nicht erst betont werden. Hierdurch wurde die Konkurrenzfähigkeit
in erster Linie ungünstig beeinflußt, insbesondere
bei jenen Unternehmungen und Betrieben, die Lieferungen nach dem
Auslande hatten. Die weitere Folge der Ungleichheit der Umlagen
bewirkte, daß aus dem unbedingt notwendigen reellen Wettbewerb
eine Schmutzkonkurrenz entstand, die einerseits den wirtschaftlichen
Niedergang des Gewerbe- und Handelsstandes mitfördern half,
andererseits sich auch zum Schaden des Konsumenten auswirkte,
Im Exposé des Herrn Finanzministers wird darauf verwiesen,
daß die Ausgaben für die Selbstverwaltungskörper
im Jahre 1 927 gegenüber 1926 um 1.3 Milliarden gestiegen
sind, Diese Erhöhung erklärt sich dadurch, daß
die Gemeinden, die nurmehr im Jahre 1927 die Möglichkeit
besaßen, die Umlagenhöhe frei zu bestimmen alle noch
unbedingt notwendigen Investitionen durchzuführen beabsichtigten,
was nach Inkrafttreten des neuen Finanzgesetzes für längere
Zeit nicht mehr möglich sein wird.
Wenn weiters der Herr Finanzminister vom Zwang
des Sparens bei den Selbstverwaltungskörpern sprach, so gilt
dies in demselben und vielleicht noch erhöhterem Maße
für die gesamte Staatsverwaltung. Gerade diese hat die Pflicht,
mit gutem Beispiel voranzugehen und den Weg zu zeigen, welcher
zur Hebung
und zur Stärkung, aber auch zur Gesundung
der gesamten Volkswirtschaft führt.
Wenn ich mich nun in Kürze einzelnen Kapiteln
des Staatsvoranschlages zuwende, so will ich in erster Linie auf
die staatlichen Unternehmungen verweisen. Es muß mit besonderer
Genugtuung konstatiert werden, daß man schon vor Jahresfrist
daran gegangen ist, alle staatlichen Betriebe auf kommerzielle,
d. h. kaufmännische Grundlage zu stellen, Der Gesamtreinertrag
der staatlichen - Unternehmungen beträgt 1.302,494.406
Kè. Rechnet man hiervon den Reingewinn der Tabakregie im
Betrage von 1.051.309.068 Kè ab, so verbleibt ohne diese
ertragreiche Post des Tabakmonopols ein Betrag von 251 Mill. 185.338
Kè. Aus der Staatskassa wird den Staatsbahnen
ein Betrag von 140 Millionen Kè für Investitionszwecke
gegeben, es verbleibt also de facto nur mehr ein Reinertrag aus
den Staatsunternehmungen im Betrage von 111,185.338 Kè.
Stellt man diesem Gewinne die neuerliche Darlehensaufnahme im
Betrage von 314,744.230 Kè gegenüber,
rechnet man weiters den noch für die Beamten bezw. den für
die Pensionen aus der Staatskassa zugewendeten Beitrag hinzu,
so finden wir, daß eigentlich alle staatlichen Unternehmungen,
ausgenommen die Tabakregie, in der Gesamtheit
vollkommen passiv erscheinen.
Die staatlichen Betriebe hätten eigentlich
rechtmäßig alle Investitionsauslagen, die Amortisation
und Verzinsung der auf diesen Unternehmungen haftenden Schulden
als auch die gesamte Regie selbst aufzubringen, so wie es in Privatbetrieben
der Fall ist. Man darf die staatlichen Unternehmungen niemals
vom politischen Standpunkt aus betrachten, noch weniger vom parteipolitischen
oder sie gar als Versorgungsanstalten für gewisse Schichten
der Bevölkerung ansehen.
Wenn in der letzten Zeit vom Herrn Eisenbahnminister
betreffs der in der Presse aufgeworfenen Frage der Verpachtung
der Eisenbahnen gesagt wurde, daß man die Offerte wegen
Verpachtung der Eisenbahnen nicht unbeachtet in den Papierkorb
werfen kann, so hat dies vollauf seine Begründung. All das
Erwähnte gibt Anlaß zum Denken und es muß Aufgabe
der Regierung sein, den Ursachen nachzugehen, welche die Unrentabilität
dieser Unternehmen hervorrufen und man wird Mittel und Wege suchen
müssen, um all diese Übelstände, die zu einer
vollkommen unbegründeten Belastung der Steuerträger
führen, zu beheben. (Výkøiky posl. Grünznera.)
Wenn ich von dem besonderen Ertrage der Tabakregie
gesprochen habe, so sei erwähnt, daß die Rauchwaren
eigentlich kein unbedingt notwendiger, täglicher Bedarfsgegenstand
sind und man daher gegen solch einen Gewinn gewiß nichts
einzuwenden hat, weil dadurch eine Entlastung der gesamten Steuerträger
dieses Staates eintritt. Auf die Ausführungen des Herrn Finanzministers
in seinem Exposé, betreffend den übernatürlichen
Luxus der Bevölkerung, hinweisend, hätte ich zu bemerken,
daß die heutige Zeit der schweren Verdienstmöglichkeit
bei fast allen Schichten der Bevölkerung gewiß einen
großen Sparsinn erfordert, dennoch aber werden von einzelnen
Schichten der Bevölkerung übermäßige Aufwendungen
für den Luxus gemacht und ich stehe daher auf dem Standpunkte,
daß hier eine entsprechende Steuer vom Staate eingehoben
werden sollte. Es geht nicht an, daß man auf der einen Seite
Luxus und Vergnügen in größtem Überflusse
gewähren läßt, während auf der anderen Seite
Not und Elend in das Haus des Bürgers kommt. Hier besonders
könnte man einzelnen Gemeinden die Möglichkeit bieten,
sich eine besondere Einnahmsquelle in Form von entsprechenden
Gemeindeabgaben zu schaffen. Mich dem Handelsministerium, als
eine für Handel, Gewerbe und Industrie so wichtige Institution,
zuwendend, betone ich besonders, daß dieses Ministerium
für unsere gesamte Volkswirtschaft von größter
Bedeutung ist und es wäre gewiß notwendig gewesen,
diesem größere Beträge zuzuwenden. Wenn auch gegenüber
dem Vorjahre der Posten Gewerbeförderung eine kleine Erhöhung
erfahren hat, so ist dies doch in Bezug auf die Leistungen für
Handel und Gewerbe gegenüber dem Staate bei weitem nicht
das, was es eigentlich sein sollte. Gerade jetzt, in der Zeit
des schweren wirtschaftlichen Kampfes ist es unbedingt notwendig,
diese für die gesamte Volkswirtschaft so eminent wichtige
Institution besonders zu unterstützen und zu fördern.
Die so äußerst notwendige Unterstützung für
Gewerbe und Handel würde für den Staat die gewünschten
Erfolge sicherlich mit sich bringen.
Im Zusammenhange damit muß ich gleichzeitig
neuerdings wiederholen, daß das Fortbildungsschulwesen für
Handel und Gewerbe eigentlich in das Ressort des Handelsministeriums
fallen sollte, nachdem gerade dieses Ministerium diese Schulfragen
am allerbesten zu beurteilen wüßte. Das heutige System
der Fortbildungsschulen entspricht bei weitem nicht unseren gerechten
Wünschen und Forderungen und wir müssen als Vertreter
des deutschen Gewerbe- und Handelsstandes alle unsere Kraft dahin
aufwenden, daß endlich einmal die theoretische, aber auch
die fachliche Ausbildung für unseren gewerblichen und kaufmännischen
Nachwuchs geschaffen wird. Die heutige Zeit erfordert nicht nur
die praktische Ausbildung, sondern verlangt auch die fachwissenschaftliche
Bildung, die sich nicht nur im Interesse der Erhaltung der Existenzen
in Gewerbe und Handel auswirkt, sondern auch im besonderen Interesse
des Staates gelegen ist. Die Forderung des deutschen Gewerbe-
und Handelsstandes geht aber weiters auch dahin, und das muß
wiederholt werden, daß die Auflösung des Ernährungsministeriums
ehebaldigst in Angriff genommen wird. Nur durch den freien Handel
und nicht wie zur Zeit der staatlichen Bewirtschaftung kann auf
die Preisbestimmung der Waren Einfluß genommen werden, weil
sich diese Frage allein durch Nach frage und Angebot regelt, so
wie bereits der Konkurrenzkampf unter den einzelnen erzeugenden
Gruppen von selbst auf die äußerste Verbilligung der
Ware wirkt. Es muß auch weiters mit allem Nachdruck und
besonders scharf die Forderung erhoben werden, daß endlich
einmal die Wucherkommissionen abgeschafft werden, die eine ganz
überflüssige, aber auch unnütze Belastung der staatlichen
Finanzen darstellen.
Das Ministerium für soziale Fürsorge,
das die hohe Aufgabe hat, den kranken, invaliden und hilfsbedürftigen
Menschen zu schützen, leistet trotz des hohen Aufwandes von
rund 865 Mill. nicht das, was im Interesse der sozial schwachen
Schichten gelegen wäre. Es
ist gewiß ein schönes Wort, das
sich "soziale Fürsorge" nennt, aber wie sieht diese
eigentlich in der Praxis aus? Mit dem Bau von Palästen erfüllt
man gewiß nicht den Zweck, dem diese Institution eigentlich
dienen soll. Der Ruf nach Novellisierung bezw. Verbesserung des
Gesetzes für Kriegsinvalide ist bisher nicht gehört
worden und es muß das Verlangen gestellt werden, daß
dem Parlamente ein dementsprechender Entwurf vorgelegt wird. Die
Lösung dieser Frage muß gerecht erfolgen und es ist
Aufgabe des Staates bezw. der ganzen Gesellschaft, für diese
Ärmsten der Armen, für die Invaliden ein menschenwürdiges
Dasein zu sichern. Es ist unwürdig eines Kulturvolkes, wenn
es seine Invaliden um Almosen bittend herumgehen läßt.
Hier ist soziale Fürsorge am Platze und kein vernünftiger
Bürger des Staates wird sagen können, daß man
diesen bedauernswerten Menschen, die ohne ihre Schuld zu Krüppeln
wurden, eine dementsprechende Hilfe nicht zuteil werden lassen
soll. (Výkøiky posl. Pohla.) Es soll gewiß
nicht geleugnet werden, daß von Staatswegen
wohl schon so manches getan wurde, um hier Hilfe zu schaffen,
aber es muß dennoch weiter getrachtet werden, diese so klägliche
Angelegenheit einer gerechten Lösung zuzuführen.
Ich muß heute aber auch von dieser Stelle
aus auf eine im Vorjahre gefaßte Resolution, betreffend
die Aufhebung der Rückzahlung von bereits ausgezahlten Invalidenrenten,
welche bei diesen kleinen Leuten manchmal den Betrag bis zu 4000
Kè erreichen, hinweisen und das Ministerium für soziale
Fürsorge auffordern, dieser Forderung
auch Rechnung zu tragen. Diese Resolution besagt, daß bis
zu einem Jahreseinkommen bis zu 13.000 Kè die Rückzahlung
der bereits empfangenen Invalidenrenten nicht mehr vorzunehmen
ist. Die Steuervorschreibungen dieser Personen sind gewöhnlich
noch nicht in Rechtskraft erwachsen und schon tritt das Ministerium
für soziale Fürsorge bezw. die ihm unterstellten Ämter
an die Kriegsbeschädigten heran und fordern die Rückzahlung
derselben. Ich fordere daher im Namen meiner Partei, daß
man einer vom Parlament beschlossenen Resolution, die bereits
damals die Zustimmung des Herrn Ministers Šrámek
fand, vollkommen Rechnung trägt und verlange gleichzeitig
vom Minister für soziale Fürsorge oder vom Generalberichterstatter
eine klare, eindeutige Antwort, ob angenommene Resolutionen in
Hinkunft respektiert werden.
Das Ministerium für Volkserziehung und
Unterricht ist gewiß für jedes Volk die berufenste
Stelle, die alles daran zu setzen hat, für die Ausbildung
der heranwachsenden Jugend zu sorgen. Die hierzu aufgewendeten
Mittel werden sich gewiß in der Zukunft als eine produktive
Ausgabe bemerkbar machen und ich kann deshalb die Worte des Herrn
Finanzministers in seinem Exposé, die auf eine gewisse
Einschränkung des Aufwandes für das allgemeine Schulwesen
hinweisen, nicht recht verstehen. Ein ganz besonderes Kapitel
ist jedenfalls die Ausgabspost des Unterrichtsministeriums für
die Minderheitsschulen. Der Rechnungsabschluß für das
Jahr 1926 weist Sachausgaben bei den èechischen Minderheitsschulen
mit 8,6 Mill. und Personalausgaben mit 7 Mill.
aus. Hierbei ist aber das bedauerliche, daß von den vielen
aufgewandten Millionen fast gar nichts für die Errichtung
deutscher Minderheitsschulen verwendet wurde, die nachweisbar
eine viel größere Kinderanzahl hätten, als
es bei den èechischen Minderheitsschulen der Fall ist.
Es klingt unglaublich, daß noch in letzter Zeit èechische
Minderheitsschulen mit 1-3 Kindern errichtet wurden und man sogar
von weit her aus anderen èechischen Gemeinden, wo èechische
Schulen bestehen, èechische Kinder
zur Auffüllung dieser Minderheitsschulen herangezogen hat.
Ja man versucht sogar noch immer, durch den Druck der Èechisierungsvereine,
auf die Eltern deutscher Kinder einen Einfluß dahin auszuüben,
diese in die èechische Minderheitsschule
zu schicken. Ist es nicht ein Verbrechen an den Kindern eines
Kulturvolkes, wenn man dieselben in eine Schule zwingt, deren
Sprache sie nicht verstehen? Kann das èechische Volk als
Kulturvolk solch ein Verlangen stellen oder gar Zwang ausüben?
Der Herr Ministerpräsident wie
auch der Herr Unterrichtsminister der derzeitigen èechisch-deutschen
Regierungsmehrheit haben bereits in ihrem Exposé erklärt,
daß sie die derzeitigen Maßnahmen, die zur Unterdrückung
der Deutschen führen, nicht für gut halten und es
wird daher die Aufgabe der derzeitigen Regierung sein, daß
den Zwangseinschulungen deutscher Kinder durch unberechtigte Elemente
und der noch immer bestehenden stillen Nebenregierung endlich
einmal energisch Einhalt geboten wird. Dies wäre gewiß
der erste Schritt, der eine aufrichtige, auf gegenseitiges Vertrauen
gestützte Zusammenarbeit dieser beiden Kulturvölker
zur Tat werden ließe.
Im heurigen Staatsvoranschlag sind neuerdings
71,5 Millionen gegenüber 61 Millionen im Vorjahre für
Minderheitsschulen eingestellt, was einer neuerlichen Erhöhung
des Aufwandes für Minderheitsschulen gleichkommt. Hier muß
die Frage aufgeworfen werden, ob es denn tatsächlich noch
Gebiete gibt, wo es die Notwendigkeit erfordert, èechische
Minderheitsschulen zu errichten. Diese Frage
wird gewiß verneinend beantwortet werden müssen.
Es wäre mit Rücksicht auf die Beteiligung Deutscher
an der Regierung mit einer gewissen Sicherheit anzunehmen, daß
man endlich einmal den vielen deutschen Kindern im èechischen
Sprachgebiete durch die Einstellung des Millionenaufwandes
für Minderheitsschulen im Staatsvoranschlag gleichfalls die
Möglichkeit gibt, sich auch in ihrer Muttersprache das unbedingt
notwendige Wissen aneignen zu können. Die Schule ist nicht
nur ein Kleinod jedes Kulturvolkes, sondern auch das heiligste
Gut eines Volkes für die Erziehung seiner Jugend. An der
vom deutschen Volke gestellten Forderung der nationalen Schulautonomie
werden wir trotz unserer Beteiligung an der Regierungsmehrheit
festhalten und auf die eheste Erfüllung mit allen unseren
Kräften drängen. Es darf das Wort "nationale Schulautonomie"
für jedes Volk dieses Staates nicht nur als Wort ausgesprochen
oder geschrieben, sondern vielmehr in die Tat umgesetzt werden.
Im Kapitel "Finanzministerium" ist
eine erfreuliche Tatsache festzustellen, die uns eine Ermäßigung
der Erwerbsteuer um ca 40 Millionen und der Einkommensteuer um
80 Millionen bringt. Es steht fest, daß das neue Steuergesetz
tatsächlich eine Erleichterung für die Steuerträger
im allgemeinen bringen wird. Wenn man den Betrag von 7,5 Milliarden,
die an Steuern, Abgaben Gebühren usw. durch die Steuerträger
hereingebracht werden sollen, näher betrachtet, so findet
man, daß dies auf eine Bevölkerung von rund 14 Millionen
Einwohner ein unangemessen hoher Posten ist. Von diesen Einnahmen
wird eigentlich der gesamte Staatshaushalt bestritten und es müssen
hierfür sämtliche Bürger des Staates aufkommen.
Daß hierdurch die Volkswirtschaft eine besondere Belastung
erfährt, ist klar, daß aber weiters auch durch eine
derartige Belastung die Konkurrenz gegenüber dem Auslande
stark unterbunden wird, steht außer Zweifel. Die zur Vorschreibung
gelangte Umsatzsteuer betrug im Jahre 1924 1,7 Milliarden, im
Jahre 1925 1,6 Milliarden.
Die Abstattung steigt von 1,5 Milliarden im
Jahre 1924 auf fast 1,9 Milliarden im Jahre 1926. Laut dem uns
vorliegenden Voranschlag für das Jahr 1928 sind die Einnahmen
an Umsatzsteuer mit fast 2 Millarden festgesetzt. Diese Steigerung
an Umsatzsteuereingängen erscheint etwas unglaublich, da
innerhalb der letzten Jahre die Pauschalierung dieser Steuern
bei ziemlich vielen Warengattungen vorgenommen wurde, was meiner
Meinung nach eigentlich einen geringen Eingang dieser Steuer nach
sich ziehen sollte. Die Begründung des Anwachsens dieser
Steuer wäre wohl vom Herrn Finanzminister genauest aufzuklären,
damit die von mir vor Jahren vorgebrachten Bedenken nicht darin
eine Bestätigung finden mögen. Im vorigen Jahre wurde
anläßlich der Verlängerung des Umsatzsteuergesetzes
eine von mir beantragte Resolution, die eine jährliche Abfindung
bei kleinen Gewerbetreibenden und Kaufleuten mit den Steuerbemessungsämtern
vorsieht, im Ausschuß und im Plenum des Parlamentes angenommen.
In Österreich hat sich eine derartige Abfindung der Umsatzsteuer
für die staatlichen Finanzen und für die Steuerträger
nur zum Vorteil ausgewirkt. Ebenso schreitet nun Österreich
zur Pauschalierung der allgemeinen Erwerbsteuer. Ich ersuche daher
den Herrn Finanzminister, diese angenommene Resolution für
die kommenden Jahre in die Tat umzusetzen und den Steuerbemessungsämtern
den Auftrag zu erteilen, im Sinne dieser Resolution die Steuerbemessung
über Ersuchen der Steuerträger vorzu nehmen. Dies wird
nicht nur eine Erleichterung in der Administrative der Steuerbemessungsbehörden
sein, sondern auch eine Erleichterung für die kleinen Handwerker
und Kaufleute, die heute ohnedies mit für staatliche Zwecke
bestimmten schriftlichen Arbeiten nebst schwerer manueller Arbeit
belastet sind.
Ich kann heute auch nicht an einer Kundmachung
des Finanzministeriums stillschweigend vorübergehen, die
heuer am 7. August erschienen ist und auf Grund welcher das Umsatzsteuerpauschale
für Mehl und Mahlprodukte mit 2% festgesetzt wurde. Die Pauschalierung
der Umsatzsteuer bei allen Warengattungen hat nach meinem Dafürhalten
möglichst beim Erzeuger zu erfolgen und nicht bei irgendeiner
Zwischenproduktionsstelle, wie es in diesem Falle gehandhabt wird.
Die Belastung, die den kleinen und mittleren Mühlen durch
die Kundmachung erwächst, ist in jeder Hinsicht groß
und ich bin überzeugt, daß ein der Kundmachung entsprechendes
Führen der vorgeschriebenen Aufzeichnungen vollkommen ausgeschlossen
erscheint und ohne daß der betreffende Müller die geringsten
Absichten zu einer Steuerhinterziehung hat, zu ungerechter Bestrafung
führen wird. Es geht nicht an und es ist bis heute durch
keine Gesetzbestimmung begründet-, daß der kleine Gewerbetreibende,
wie in diesem Falle der kleine Müller, der nicht der Protokollierungspflicht
unterliegt, verhalten werden kann, Bücher zu führen.
Die Fachorganisationen der Müller sind auf Grund der Erlassung
der Kundmachung beim Finanzministerium wegen Abänderung derselben
vorstellig geworden und ich erwarte, daß in diesem Falle
Entgegenkommen gezeigt werden wird, Ich erkläre, daß
nicht durch so scharfe Kontrolle und Zwangsmaßnahmen die
sichere Eintreibung der gesetzlich festgelegten und zu zahlenden
Steuern erreicht wer den wird, sondern, wie schon des öfteren
erwähnt, nur durch Vertrauen der steuerbemessenden Behörden
gegenüber dem Steuerzahler und umgekehrt.
Eine besondere Einnahmspost unter den Staatssteuern
bedeutet die Einnahme von 70 Millionen für Exekutionen, Strafen
und Verzugszinsen, ich habe bereits wiederholt in meinen Budgetreden
darauf hingewiesen, daß nicht durch strenge Strafen und
Exekutionsmaßnahmen die rückständigen Steuern
eingebracht werden können, weil die Wirtschafts- wie auch
die Finanzlage des gesamten Gewerbe- und Handelsstandes sowie
der Industrie noch die denkbar schlechteste ist. Durch solch ein
Vorgehen von seiten der Steuerämter wird nur noch eine Verbitterung
in die Kreise der Steuerträger getragen und wird alles andere
bringen, nur nicht die Hebung der Steuermoral. Würde man
dem Ansuchen der Steuerzahler um zinsenfreie Ratenzahlungen von
den in Rechtskraft erwachsenen Steuern entsprechend ihren wirtschaftlichen
Verhältnissen stattgeben, so würde gewiß von Seiten
des Steuerschuldners getrachtet werden, seinen Verpflichtungen
auch nachzukommen. Niemals aber wird durch Strafen und Zwangsmittel
der gewünschte Erfolg zu verzeichnen sein.
Mit Staunen bemerkt man im Rechnungsabschluß
für das Jahr 1926, daß Steuerrückstände in
der unglaublichen Höhe von fast 6,8 Milliarden vorhanden
sind. Die Entstehung dieser Rückstände ist durch eine
allzuhohe, unbegründete und ungerechtfertigte Steuervorschreibung
entstanden, die einerseits auch in vielen Fällen auf ungerechte
Angaben von Vertrauensleuten, die dem betreffenden Steuerträger
aus Gründen welcher Art immer feindlich gegenüber stehen,
andererseits in manchen Fällen dem steuerbemessenden Beamten
zuzuschreiben ist, der aus irgendeinem Grunde eine höhere
Steuerbemessung vorgenommen hat. Ich habe authentische Dokumente
in Händen, wo bei einem Steuerträger aus den vorerwähnten
Ursachen die Erwerbsteuer mit 920 Kronen festgesetzt wurde, dann
aber auf Grund des von ihm eingebrachten Rekurses auf fast ein
Siebentel herabgesetzt worden ist. Heute ist der betreffende Steuerträger
mit einem Erwerbssteuersatz von 80 Kronen belegt, wobei der Umfang
des Geschäftes sich seit 9 Jahren gar nicht verändert
hatte. Weshalb meine Annahme über diese Ungerechtigkeit vollkommen
richtig erscheint, geht daraus hervor, daß dieser Sachverhalt
durch die Revisionskommission des Finanzministeriums festgestellt
wurde. Ich wünschte, daß bei der Anwendung des neuen
Steuergesetzes derartige Unrichtigkeiten in Hinkunft unterbleiben.