Meine Damen und Herren! Habe ich bei Behandlung
des Budgets, des Staatsrechnungsabschlusses, der Umsatz- und Luxussteuer,
der Steuerreform, der Sanierung der Volksgeldanstalten usw. zu
den finanzpolitischen Problemen des Staates Stellung genommen
und versucht, Ihnen in objektiver Weise und unverhüllt und
unverblümt den tatsächlichen Stand der Dinge darzulegen,
so will ich heute anläßlich der Behandlung des Handelsvertrages
mit Ungarn den Versuch unternehmen, das handelspolitische Problem
in Verbindung mit dem sozialpolitischen Problem, das doch
damit in engster Verbindung steht, darzulegen, die Sachlage zu
schildern, wie sie weltwirtschaftlich und insbesondere vom Standpunkt
der Èechoslovakei zu betrachten ist. Über das Verhältnis
Amerikas zur weltwirtschaftlichen Lage etwas
zu sagen, kann ich mir ersparen, ich verweise diesbezüglich
auf meine früheren Reden. Ich kann es zusammenfassen mit
den Worten: ständig wachsende wirtschaftliche Übermacht
Amerikas über Europa. Ich möchte mich heute einen Moment
bei der, wenn ich so sagen darf, europawirtschaftlichen
Situation aufhalten mit besonderer Berücksichtigung der äußeren
Verhältnisse in ihren Wirkungen insbesondere auf das Wirtschaftsleben
der Èechoslovakei. In der letzten Zeit war prägnant
ausgedrückt, das finanzpolitische Problem
Europas im Zusammenbruch der latainischen Münzkonvention
zu sehen, wirtschaftlich allgemein ausgedrückt in dem Bestreben
nach Rationalisierung und engem Zusammenschluß. Europa steht
noch unter den Folgen der Nachkriegszeit, steht unter einer kolossalen
wirtschaftlichen Depression. Ein Akt der Selbsthilfe aus dieser
wirtschaftlichen Not sind eigentlich die von Amerika übernommenen
Bestrebungen nach Rationalisierung und Kartellierung; sie sind
Selbsthilfeakte der Wirtschaft, weil das tatkräftige Eingreifen
der Regierungen, die dazu verpflichtet wären, fehlt. Geschaffen
wurde der Begriff der Rationalisierung aus dem Wirtschaftsleben
Deutschlands. Man rationalisiert, typisiert, standardisiert, wie
immer Sie es nennen wollen, die Methode der Arbeit soll einfacher
werden, der Absatz soll erleichtert werden, die sozialpolitische
Stellung des Arbeitnehmers soll dabei nicht beeinträchtigt
werden. Wir finden da schon kolossale Fortschritte, finden sie
gerade in Deutschland, wo sie in einer Zeit der schwersten wirtschaftlichen
Depression gemacht worden sind. Man hat sich für bessere
Zeiten gerüstet in einer fürchterlich schlechten Wirtschaftslage.
Wir finden da Zusammenschlüsse wie die Rohstahlvereinigung,
die Interessengemeinschaft der Farbenindustrie, wir finden auch
internationale Zusammenschlüsse, wie das Weltkupferhandelssyndikat
oder das Syndikat der deutschen und belgischen Drahtindustrie,
das Leimsyndikat, das Walzdrahtsyndikat und wie sie alle heißen
mögen, wir sehen die Grundtendenz, diese Zusammenschlüsse
nicht im Rahmen eines Wirtschaftskörpers zu belassen, sondern
sehen, daß sie international zu werden trachten. Darin liegt
die größte Bedeutung, und ich prophezeie Ihnen, daß
die ganze europawirtschaftliche Lage sich nicht bessern wird,
bevor nicht in Verfolg dieses Gedankens privatseitlich diese Zusammenschlüsse
in enge Fühlung mit den internationalen Organisationen der
Arbeiter kommen, weil die Regierungen den wirtschaftlichen Notlagen
scheinbar nicht gewachsen oder vielfach national zu stark beeinflußt
sind und die ganze Lage unter einem zu engen Gesichtswinkel betrachten.
Eines aber ist sicher, meine Herren, und daran wollen Sie denken:
Wehe dem Lande, das von der fortschreitenden Entwicklung überholt
wird, wehe dem Lande, welches sich diesen modernen Errungenschaften
verschließt oder nicht mitkann: denn die künftige Konkurrenz
wird sich mit diesen Organisationen zu befassen haben, wobei der
Außenbleibende unter allen Umständen wirtschaftlich
ins Hintertreffen kommt. Natürlich muß nicht jeder
Staat diesen Notwendigkeiten in gleich hohem Maße Rechnung
tragen; ein Staat, der in erster Linie auf den Export angewiesen
ist, wird sich allerdings in seinen internationalen Wirtschaftsbelangen
vor allem nach diesen neuen Situationen zu richten haben.
Dabei darf ich mir nun nicht verhehlen, daß unsere Wirtschaft,
die èechische wie die deutsche, den Gedanken der Rationalisierung
und der Bestrebungen nach wirtschaftlichem Zusammenschluß
noch nicht in einem Maße erfaßt hat, wie es die Jetztzeit
dringend gebieten würde.
Aus diesen Drangsalen der Wirtschaft heraus
ist ja eigentlich auch der Gedanke der Weltwirtschaftskonferenz
entsprungen. Ich muß kurz die Weltwirtschaftskonferenz berühren;
dabei möchte ich mir folgende unverblümte Äußerung
nicht vorenthalten. Sie mögen darüber denken, wie immer
Sie wollen, Sie mögen dem Parlamente keine hohe Bedeutung
beilegen; aber eines ist sicher, daß unsere verantwortlichen
Regierungsstellen scheinbar nicht den nötigen Respekt vor
dem Parlamente haben. Das motiviere ich damit, daß eigentlich
mit Ausnahme des Herrn Ministers Dr Engliš anläßlich
des Budgets und des Ministers Dr Hodža in
eigener Sache so gut wie kein Minister zu uns Abgeordneten gesprochen
hat, mögen die Probleme wie Steuerreform, Verwaltungsreform,
Weltwirtschaftskonferenz usw. von noch so großer Bedeutung
sein. Meine Herren, ich erblicke darin eigentlich eine Mißachtung
des Parlamentes; denn wenn Demokratie Diskussion ist, dann müssen
auch die verantwortlichen Minister sich der Mühe unterziehen,
im Hause zu uns zu sprechen, denn die Sprache im Ausschusse ist
nicht dasselbe. Sie müssen auch zu uns sprechen, selbst auf
die Gefahr hin, daß der größte Teil der Abgeordneten
mit ihren Ausführungen nicht einverstanden ist (Výkøiky
posl. dr Lehnerta.) Ich
bin über ein Jahr Abgeordneter und habe mit Ausnahme der
Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Dr
Švehla lediglich die Ausführungen der Herren
Minister Dr Engliš und Dr Hodža gehört.
Sonst habe ich noch keine Minister sprechen gehört. Ich glaube,
daß in dieser Beziehung unter allen Umständen eine
Wandlung eintreten müßte.
Wenn wir die Weltwirtschaftskonferenz betrachten,
über die noch niemand von regierungsoffizieller Stelle zu
uns gesprochen hat, wiewohl ich eine Stellungnahme zu diesem Problem
für äußerst wichtig halte, müssen wir dies
unter dem Gesichtswinkel tun, daß Politik und Wirtschaft
in vielen Punkten etwas gemeinsames haben und in vielen Punkten
zusammengehören. Eine Politik, die die Wirtschaft nicht berücksichtigt,
ist eine schlechte Politik, und ich wage zu behaupten, daß
auch die Wirtschaft, die glaubt, ohne Politik auszukommen, auf
dem Irrwege ist (Sehr richtig!) und ich werfe den maßgebenden
Wirtschaftskreisen vor, daß sie leider Gottes sich politisch
nicht betätigen. Dann wären Sie vielleicht in manchen
Fällen in der Lage, bestimmte Wirtschaftsprobleme in andere
Bahnen zu bringen. Der französische Finanz- und Wirtschaftspolitiker
Loucheur begleitet seine Ansicht über die Weltwirtschaftskonferenz
in wunderbarer Weise ein, indem er sagt: "Es genügt
nicht, in einem Lande eine gesunde Währung zu haben, auch
nicht eine auf fester Grundlage stehende Emmissionsbank zu schaffen.
Es ist vielmehr unbedingt notwendig, gleichzeitig der besprochenen
Zahlungsbilanz die größte Sorgfalt zuzuwenden und sich
ihrer Verläßlichkeit zu vergewissern, sonst läuft
der ganze mühsam aufgeführte Bau Gefahr, einzustürzen."
Wie ist die Sachlage bei uns? Wir sind mit 80 bis 88% der Zahlungsbilanz
auf die Handelsbilanz angewiesen. Das Moment allein muß
Ihnen schon die maßgebende Richtung Ihrer Auffassung geben.
Loucheur sagt aber auch weiter: "Die politische Befriedung
wird erst durch die wirtschaftliche Befriedung ihre wahre Kräftigung
erhalten." Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß Politik
von Wirtschaft und umgekehrt Wirtschaft von Politik nicht zu trennen
ist. Eine private Ansicht von mir, meine Verehrten! Die Regierungen
haben bisher dem Mißstande nicht Widerstand leisten können,
sie haben die mißlichen wirtschaftlichen Verhältnisse
nicht bessern können. Eines sage ich Ihnen, theoretisch genommen:
Die Gelegenheit zu haben, sämtliche Außenminister,
die von der Wirtschaft nichts verstehen oder sie nicht berücksichtigen
wollen, absägen, an ihre Stelle Wirtschaftspolitiker setzen
zu können, die das richtige Verständnis nicht nur für
die wirtschaftliche, sondern auch für die sozialpolitische
Lage haben, und ich garantiere Ihnen: in ein bis zwei Jahren haben
Sie wirtschaftlichen Frieden und wirtschaftliche Entwicklung.
Natürlich läßt sich das praktisch nicht durchführen,
aber das muß uns veranlassen, den maßgebenden Stellen
immer wieder einzuimpfen: Nicht allein die politische Lage ist
das, was Du berücksichtigen darfst, Du mußt auch die
wirtschaftliche Lage Deines Landes berücksichtigen, denn
ohne Wirtschaft oder mit dem Niedergang der Wirtschaft kann der
beste Außenminister keine Politik treiben.
Die Weltwirtschaftskonferenz ist vom 4. bis 23. Mai in Genf abgehalten
worden. Die Èechoslovakei hat mit einem 21gliedrigen Komitee
unter der Führung des früheren Handelsministers
Ingenieur Dvoøáèek daran
teilgenommen. (Výkøiky posl. dr Lehnerta.)
50 Staaten sind vertreten gewesen, also
eine Anzahl, deren Größe allein schon die wirklich
objektive Beurteilung garantiert. Auf der Weltwirtschaftskonferenz
sind so gut wie alle wirtschaftlichen Probleme durchbesprochen
worden, und als Vorbereitung, die übrigens glänzend
war, liegt eine Dokumentensammlung vor, die uns ein ungemein reiches
statistisches Material bietet, um für die Zukunft aus der
Vergangenheit Schlüsse ziehen zu können. Aber einen
großen Fehler hatte die Konferenz: Keine Regierungsleute
waren dort, es waren Privatpersonen, die keine bindenden Beschlüsse
fassen konnten, die lediglich ihren Regierungen Empfehlungen geben
konnten. Leider haben wir gesehen, daß der Standpunkt des
Außenministers Dr Stresemann bei der Völkerbundratstagung
von Minister Chamberlain abgelehnt wurde. Stresemann sagte: Akzeptieren
wir die Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz, während
Chamberlain gesagt hat: Bitte, wir werden sie unseren Regierungen
empfehlen. Das ist eine sehr gefährliche Sache, weil man
leicht zu dem Schlusse kommen kann: Hier liegt nur Theorie vor,
und man wird sie nicht in die Praxis umsetzen. Die Wirtschaftskonferenz
hat sich in drei Gruppen geteilt: Industrie, Landwirtschaft und
Handel. Naheliegend war natürlich, daß die größte
Bedeutung der Handelskommission zukam, weil alle Gelehrten der
Wirtschaft sich einig sind, daß nur durch die Beseitigung
der Hemmnisse der Wirtschaft, durch die freie Entwicklung des
Handels, eine Besserung der Lage erzielt werden kann. Die
Generaldebatte ist abgeführt worden und man hat sich dann
in die Kommission geteilt. Wie Ihnen bekannt ist, hat der Industriekommission
der Herr Dr Hodáè vorgesessen. Sie hat sich im Prinzip
mit der Rationalisierung und dem Kartellwesen
beschäftigt und hat in dieser Hinsicht ihre Resolutionen
abgegeben. Die Landwirtschaftskommission will natürlich Gleichberechtigung,
beziehungsweise Ausgleichung in den einzelnen Staaten zwischen
der Industrie und der Landwirtschaft. Die Probleme haben sich
gedreht um die Verbesserung der Absatzmethoden, um die wirtschaftliche
Standardisierung der Agrarproduktion, besonders um technische
Verbesserungen, um den Ausbau des landwirtschaftlichen Kredit-,
Versicherungs- und Genossenschaftswesens. Die größte
Bedeutung der Weltwirtschaftskonferenz lag in der Handelskommission
und da wieder ganz besonders in der Behandlung der Zolltarife
und Handelsverträge. Die Grundidee, wie sie der Präsident
dieser Handelskommission im Schlußwort zum Ausdruck gebracht
hat, ist die Erkenntnis: Mehr Freiheit einer Welt zu geben, die
bisher durch die während des Krieges angehäuften Hindernisse
und deren Folgen ebenso wie durch falsche wirtschaftliche Anschauungen
gehemmt war. "Freiheit des internationalen Handels von allen
willkürlichen Erschwernissen und Hemmnissen" ist der
Ruf. Diese Kommission, die ungefähr zwei Drittel der Handelsresolutionen
verfaßt hat, hat sich in Unterkommissionen geteilt, von
denen eine die Freiheit des Handels, die zweite die Behandlung
der Zolltarife und Handelsverträge und die dritte, die indirekten
Mittel, den nationalen Handel zu fördern, behandelte. Die
erste Gruppe hat sich mit den Ein- und Ausfuhrverboten und Beschränkungen
befaßt. Sie wissen, daß die Kriegs- und Nachkriegszeit
in dieser Beziehung manigfache Hindernisse gebracht hat. Das ist
begreiflich, aber man durfte damit nicht so lange warten, sondern
mußte schon frühzeitig an den Abbau dieser Hindernisse
denken. Wir haben auch tatsächlich gesehen, daß gerade
die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen uns im internationalen
Verkehr mit den anderen Staaten ungemein geschadet haben, weil
man nämlich bald darauf gekommen ist, daß man trotz
der Meistbegünstigung eigentlich auf dem Wege der Ein- und
Ausfuhrbeschränkungen das wieder wettmacht, was man konzediert
hat. Der gegenwärtige Stand ist immer noch so, daß
wir auf der Ausfuhrseite von 658 Positionen 65 gebunden haben
und auf der Einfuhrseite 115. Wir haben zwar beim Handelsvertrag
mit Ungarn etwas nachgelassen, es soll aber erst beim Handelsvertrag
mit Deutschland zur vollständigen Aufräumung mit dem
Ein- und Ausfuhrsystem kommen. Man hat sich aber natürlich
in dieser Voraussicht wieder ein Gesetz geschaffen, bei uns das
Gesetz Nr. 215 vom 12. Oktober 1925, die Dumpingzölle betreffend.
Da weiß man natürlich nicht, in welchem Maße
sie sich bei ihrer Anwendung auswirken werden.
Ein wichtiger Punkt dieser Untergruppe ist
die Handelsfreiheit, beziehungsweise Handelsgleichheit der privaten
und staatlichen Unternehmungen, soweit nämlich die staatlichen
Unternehmungen als privatwirtschaftliche Unternehmungen aufzufassen
sind. Wir haben dann legislative oder reglementäre Bestimmungen,
welche den internationalen Handel betreffen, Vereinfachung der
Zollformalitäten, Bestrebungen, das Wechselrecht auf eine
einheitliche Basis zu bringen, Schiedsgerichtverfahren, unlauterer
Wettbewerb usw. Dann wird die Behandlung der von einem Staat zur
Niederlassung zugelassenen Staatsangehörigen und Gesellschaften
auf dem Gebiete des anderen Staates in ökonomischer und fiskalischer
Hinsicht, also mit einem Wort das Fremdenrecht behandelt.
Die zweite Gruppe der Handelskommission hat
sich mit dem Gebiete der Zolltarife beschäftigt, und da ist
natürlich sofort der Standpunkt vertreten worden, daß
man es auf diesem Gebiete unbedingt zu einer Vereinfachung kommen
lassen müsse, sowohl im Zollgesetz als solchem als auch in
der Nomenklatur. Ich erinnere daran, daß es in dieser Hinsicht
zu fürchterlichen Auswüchsen gekommen ist. Wie Ihnen
bekannt ist, hat die französische Regierung einen neuen Zolltarif
vorgelegt, der durch die Stellungnahme der sozialistischen Parteien
wieder an den Ausschuß zwecks Beilegung statistischen Materiales
zurückverwiesen wurde. Nun hören Sie: Dieser französische
Zolltarif, der ja nur mit geringen Änderungen wieder an das
Tageslicht kommen wird, zählt 1750 Hauptpositionen, das sind
715 mehr als der zur Zeit geltende und 1096 Positionen mehr als
der Vorkriegszolltarif. Dazu kommen Unterteilungen, so daß
die Positionen zusammen die Zahl von 8000 ausmachen. (Výkøiky
posl. dr Lehnerta.) Das ist als kollossale
Leistung hingestellt worden, doch ist dieses Elaborat ein wirtschaftliches
Monstrum, mit dem kein Mensch arbeiten kann. Fragen Sie die Unterhändler,
ob es möglich ist, in kürzerer Zeit mit einem Zolltarif
von 8000 Positionen zu Fach zu kommen. Das ist ganz unmöglich.
Infolgedessen wird es natürlich notwendig sein, daß
man sich dem Gedanken nicht verschließt und endlich dafür
Einsicht bekommt, die Zolltarife möglichst einfach zu machen
und sie auf eine einheitliche Basis zu stellen. Die Kommission
hat freilich in ihrer Resolution der Weltwirtschaftskonferenz
den Auftrag gegeben, in dieser Richtung zu arbeiten. Aber hier
meine ich, meine Damen und Herren, wäre es nötig, die
Initiative zu ergreifen und sich einmal mit den anderen zusammenzusetzen,
meinetwegen in größeren oder kleineren Gruppen, und
allen Ernstes als Männer der Wirtschaft zu sagen: Wir wollen
jetzt endlich einmal einen einheitlichen Zolltarif aufbauen, damit
wenigstens wir im gegenseitigen Verkehr schneller vorwärts
kommen. Denn diese Schwierigkeiten des Zolltarifes bereiten natürlich
den Handelsvertragsverhandlungen kollossale Hemmnisse, andererseits
wissen wir, wie sehr notwendig wir Handelsverträge brauchen.
Natürlich ist sowohl die Vereinfachung der Zolltarife als
auch die Unifizierung der Zolltarif- Nomenklatur und die Stabilität
sowie die Anwendung des Zolltarifes und der Zollformalitäten
in diesem Gedanken inbegriffen. Dazu kommt noch die Anempfehlung
der Zollstatistik. Man hat in dieser Beziehung schon seinerzeit
am 31. Dezember 1913 zu Brüssel eine Konvention abgeschlossen.
Die dritte Gruppe ist die Gruppe, die sich
mit der Handelspolitik beschäftigt hat. Sie kam zu dem Schlusse,
daß die Zeit gekommen wäre, diesem unaufhörlichen
Steigen der Tarife ein Ende zu machen und sich endlich einmal
in entgegengesetzter Richtung zu bewegen. Denn die Höhe der
Tarife ist ganz unvernünftig und dem Wirtschaftsleben hinderlich.
Dafür gibt es wieder glänzende Beispiele. Wenn wir die
Èechoslovakei hernehmen und ihre Zolltarife
mit andern vergleichen, so finden wir, daß wir ziemlich
hohe Zollpositionen haben, und zwar deshalb, weil wir zur Zeit
der Inflation das Koeffizientensystem eingeführt und genau
so wie bei den Steuern nicht daran gedacht haben, automatisch
abzubauen, entsprechend dem Gang der Entwicklung der Valuta. Das
ist natürlich ein Fehler gewesen. Wir haben unsere Positionen
lediglich im Wege von Handelsvertragsverhandlungen verändert.
Das hatte zur Folge, daß wir heute in unserem Zolltarif
unvergleichlich hohe Positionen haben, auch in Fällen, die
als Kompensationsobjekt bei Verträgen mit anderen Staaten
gar nicht verwendet werden. Es ist interessant zu sehen, wie sich
beim Vergleiche der Zollbelastungen von 14 europäischen Staaten
auf der Weltwirtschaftskonferenz unser Zolltarif in die anderen
Zolltarife einrangiert. Er rangiert z. B. bei einer vergleichenden
Aufstellung, die vom österreichischen Komitee gemacht worden
ist, mit 33.6%
zwischen 30% und 40%. Bitte, wir haben Zölle in Belgien,
Holland und Dänemark unter 15%. In der Schweiz 17.50%,
in Österreich 18.06%,
in Schweden 18.09%
und in Deutschland 19.08%,
also zwischen 15 und 20%. Wir haben den neuen französischen
Minimaltarif zwischen 20 und 30%. Hinter uns sind noch
Polen, Jugoslavien und Rumänien. Man wird einwenden, daß
das nicht ganz stimmt und die Auslegung in der Frage der Bewertung
und des Gesamtquantums nicht ganz richtig ist. Ich gebe zu, daß
eventuelle Verschiebungen sein können. Aber man kann sich
unter keinen Umständen auf den schweizerischen oder ungarischen
Handelsvertrag berufen, weil die Veränderungen nicht in dem
Maße wesentlich sind. Wir sehen, daß im Prinzipe unser
Zolltarif viel zu hoch ist.
Eine andere Aufstellung, die anläßlich
der Weltwirtschaftskonferenz ebenfalls gemacht worden ist, gibt
uns einen Vergleich zwischen Zollhöhe 13 und 25 und da sehen
wir, daß wir auch da ziemlich weit vorne rangieren. Früh
er hatten wir z. B. 18, bei Fertiggütern haben wir jetzt
27, Österreich dagegen 18.16. Wir rangieren mit einem Worte
in der Reihe der Nachfolgestaaten wiederum in der ersten Linie.
Wir finden aber natürlich auch bei diesem Vergleich das Schöne,
daß speziell die Staaten, die kolossale Zollschutzmauern
haben, wie Amerika, Spanien und Brasilien, gerade diejenigen sind,
die nicht am Völkerbund teilnehmen, weil sie Sorge haben,
daß sie dort abbauen müssen. Die Höhe der Tarife
spielt natürlich eine unendlich große Rolle und man
ist auf der Konferenz auf den Standpunkt gekommen, daß endlich
einmal mit den Kampftarifen gebrochen werden müsse. Denn
gewöhnlich ist es so, daß, sobald Aussicht ist, daß
Handelsvertragsverhandlungen kommen, von den einzelnen Staaten,
ob das jetzt Österreich, oder Rumänien oder Jugoslavien
ist, die Tarife schon auf Grund der künftigen Verhandlungen
wahnsinnig erhöht werden. Bitte, wenn wir hier nicht eine
solide Basis im gegenseitigen Verkehr bekommen, wenn wir uns von
vornherein auf das Feilschen einstellen, wird natürlich nicht
das zustande kommen, was wir brauchen. Es wird der Standpunkt
vertreten, daß wir in Bezug auf die Ausfuhr der Rohstoffe
vollständig frei sind. Die Handelsverträge hat man in
der Ansicht der Weltwirtschaftskonferenz auf die Meistbegünstigungsklausel
gestellt im Gegensatz zur Reziprozität, wie sie seitens Frankreichs
angewendet worden ist, Reziprozität ohne Begünstigung
des andern, Leistung - Gegenleistung u. s. w.
Wenn ich diese Ausführungen über
die Weltwirtschaftskonferenz Ihnen vorgebracht habe, so habe ich
es in der Erwägung getan, daß uns eigentlich die regierungsoffiziellen
Stellen über ihre Auffassung und Stellung zu den Beschlüssen
der Weltwirtschaftskonferenz vollständig im unklaren belassen
haben. Es ist zwar richtig, daß die Delegation, die in Genf
gewesen ist, beim Ministerpräsidenten Švehla erschienen
ist, es ist auch richtig, daß man die Verarbeitung der Beschlüsse
dem Wirtschaftsbeirat übergeben hat, es ist aber auch ebenso
richtig, daß wir auf eine Äußerung der Regierung
bis in den Herbst werden warten müssen, wo dann schon wieder
die nächste Völkerbundtagung vorbei sein wird. Dieser
Standpunkt ist falsch und infolgedessen würde es mich ungemein
interessieren, wenn der Herr Handelsminister - er ist unser fleißigster
Ministerbesucher im Parlament, das muß ich anerkennen im
Hause er klären würde, wie sich die Regierung zu den
Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz verhält. Verhält
sie sich ablehnend, verhält sie sich bejahend oder sind Unterschiede
zu machen u. s. w.? Privat weiß ich ganz gut, daß
der Herr Handelsminister mit den Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz
einverstanden ist; unsere Minister reden zwar in Versammlungen,
aber sie schreiben im Auslande; ich habe dagegen nichts einzuwenden,
wenn Sie objektiv sprechen und über den Rahmen von Parteiversammlungen
hinausgehen. Der Herr Handelsminister hat im "Volkswirt"
in Zürich seine bejahende Stellungnahme zu den Resolutionen
der Weltwirtschaftskonferenz zu erkennen gegeben. Das stelle
ich rühmend fest. Auf der andern Seite gibt es viele Praktiker,
die daran zweifeln, daß diese Resolutionen aus der Theorie
in die Praxis übergehen. Ich bin persönlich der Ansicht,
daß es natürlich wertvoll ist, daß so viele Fachleute
zusammengekommen sind, daß es wertvoll ist, so viel objektives
Material zusammenbekommen zu haben und daß es am wertvollsten
ist, wenn man aus dieser grauen Theorie einmal herauskäme
und zur Praxis überginge. Denn die Praxis, die ist das Entscheidende.
Ich meine überhaupt, daß wir im Zeitalter der Theorie
leben, daß wir alles theoretisieren und nichts praktizieren.
Dazu ist natürlich guter Wille und ein weitsichtiger Blick
über den engen Rahmen des eigenen Staates hinaus notwendig.
Ziemlich parallel laufend mit der Weltwirtschaftskonferenz
fand am 27. Juni l. J. in Stockholm die internationale Handelskammertagung
statt, die, um es abzukürzen, sich im Prinzip vollständig
mit den Beschlüssen der Weltwirtschaftskonferenz einverstanden
erklärt hat. Allerdings hat sie, was ich sehr lobend hervorhebe,
auch die ganze Sache - im Ausdruck ihres Präsidenten - vom
Standpunkt des sozialen Problems aus aufgefaßt. Denn übersehen
Sie nicht, daß Europa heute noch 20 Millionen Arbeitslose
incl. der Familienzugehörigen hat. Das ist ein Problem, das
dringend der Lösung bedarf und nachdem für eine gute
Sozialpolitik eine gute Wirtschaftspolitik Voraussetzung ist,
wird man diesem Problem dadurch, daß man der Wirtschaft
in Europa auf die Beine hilft, am besten beikommen.
Wenn ich nach diesen Ausführungen, die
ich machen mußte, nachdem sie uns niemand gegeben hat, zur
handelspolitischen Lage unseres Staates übergehe, so habe
ich im Prinzip eigentlich kein rosiges Bild zu entwerfen, aus
dem einfachen Grunde, weil wir in Wahrheit seit Beginn des Staates
von einer Krise in die andere kommen. Daran ändert auch das
Aktivum der Zahlungs- bezw. Handelsbilanzen nichts. Ich
werde an dem Beispiel der Jahre 1925 und 1926 nachweisen, daß
auch ein Aktivum der Handelsbilanz der Ausdruck des Niederganges
bezw. der Depression der Wirtschaft sein kann. Wenn ich über
die handelspolitische Lage der Èechoslovakei
spreche und mich mit der letzten Periode beschäftige, so
ist sie dadurch dokumentiert, daß unsere wirtschaftliche
Lage schlecht ist. Lassen wir uns nicht beirren, wenn wir eventuell
zeitweilig eine bessere Konjunktur wahrnehmen, denn auch die jetzige
Konjunktur z. B. in der Textilindustrie, wenn man von einer solchen
sprechen kann, beruht nicht auf einer normalen Basis, sie ist
wieder durch die Stabilisierung der Lira hervorgerufen und beruht
hauptsächlich in den Absätzen nach Ungarn, Südslavien,
Rumänien usw., die sonst italienische Bezieher sind. Wir
sehen folgenden Unterschied: Wir haben im Jahre 1925 eine Einfuhr
von 17.594 Millionen gehabt, dem steht im Jahre 1926 eine Einfuhr
von 15.262 Millionen gegenüber. Das ist ein Manko von fast
2.3 Milliarden. Die Ausfuhrseite ist im Jahre 1925 18.799 und
im Jahre 1926 17.848 Millionen. Wir sehen, daß wir beide
Bilanzen aktiv haben, sehen aber auch aus den gesamten Ein- und
Ausgängen das Manko des Jahres 1926 gegenüber 1925.
Wenn ich nun bei der handelspolitischen Lage der Gegenwart stehenbleibe,
so möchte ich Ihnen auch wieder zur Deklarierung der wirtschaftlichen
Depression bekanntgeben, daß z. B. die Ausgleichs- und Konkursstatistik
der letzten 4 Jahre folgende Ziffern zeigt: Die Überschuldung
bei Konkursen beträgt 458,892.840 Kè bei den
Ausgleichen beträgt die Überschuldung 2.969,301.395
Kè. Eine andere Ziffer, die Ihnen ebenfalls die wirtschaftliche
Lage charakterisieren soll, ist die, daß der Staat an Arbeitslosenunterstützung
1.226,191.125 Kè ausgegeben hat. Da
erfassen Sie das richtige Bild, in welchem Zustande gerade sich
unsere Wirtschaft befunden hat.