Ètvrtek 7. èervence 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 95. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 7. èervence 1927 odpol.

1. Øeè posl. dr Rosche (viz str. 2381 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Habe ich bei Behandlung des Budgets, des Staatsrechnungsabschlusses, der Umsatz- und Luxussteuer, der Steuerreform, der Sanierung der Volksgeldanstalten usw. zu den finanzpolitischen Problemen des Staates Stellung genommen und versucht, Ihnen in objektiver Weise und unverhüllt und unverblümt den tatsächlichen Stand der Dinge darzulegen, so will ich heute anläßlich der Behandlung des Handelsvertrages mit Ungarn den Versuch unternehmen, das handelspolitische Problem in Verbindung mit dem sozialpolitischen Problem, das doch damit in engster Verbindung steht, darzulegen, die Sachlage zu schildern, wie sie weltwirtschaftlich und insbesondere vom Standpunkt der Èechoslovakei zu betrachten ist. Über das Verhältnis Amerikas zur weltwirtschaftlichen Lage etwas zu sagen, kann ich mir ersparen, ich verweise diesbezüglich auf meine früheren Reden. Ich kann es zusammenfassen mit den Worten: ständig wachsende wirtschaftliche Übermacht Amerikas über Europa. Ich möchte mich heute einen Moment bei der, wenn ich so sagen darf, europawirtschaftlichen Situation aufhalten mit besonderer Berücksichtigung der äußeren Verhältnisse in ihren Wirkungen insbesondere auf das Wirtschaftsleben der Èechoslovakei. In der letzten Zeit war prägnant ausgedrückt, das finanzpolitische Problem Europas im Zusammenbruch der latainischen Münzkonvention zu sehen, wirtschaftlich allgemein ausgedrückt in dem Bestreben nach Rationalisierung und engem Zusammenschluß. Europa steht noch unter den Folgen der Nachkriegszeit, steht unter einer kolossalen wirtschaftlichen Depression. Ein Akt der Selbsthilfe aus dieser wirtschaftlichen Not sind eigentlich die von Amerika übernommenen Bestrebungen nach Rationalisierung und Kartellierung; sie sind Selbsthilfeakte der Wirtschaft, weil das tatkräftige Eingreifen der Regierungen, die dazu verpflichtet wären, fehlt. Geschaffen wurde der Begriff der Rationalisierung aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands. Man rationalisiert, typisiert, standardisiert, wie immer Sie es nennen wollen, die Methode der Arbeit soll einfacher werden, der Absatz soll erleichtert werden, die sozialpolitische Stellung des Arbeitnehmers soll dabei nicht beeinträchtigt werden. Wir finden da schon kolossale Fortschritte, finden sie gerade in Deutschland, wo sie in einer Zeit der schwersten wirtschaftlichen Depression gemacht worden sind. Man hat sich für bessere Zeiten gerüstet in einer fürchterlich schlechten Wirtschaftslage. Wir finden da Zusammenschlüsse wie die Rohstahlvereinigung, die Interessengemeinschaft der Farbenindustrie, wir finden auch internationale Zusammenschlüsse, wie das Weltkupferhandelssyndikat oder das Syndikat der deutschen und belgischen Drahtindustrie, das Leimsyndikat, das Walzdrahtsyndikat und wie sie alle heißen mögen, wir sehen die Grundtendenz, diese Zusammenschlüsse nicht im Rahmen eines Wirtschaftskörpers zu belassen, sondern sehen, daß sie international zu werden trachten. Darin liegt die größte Bedeutung, und ich prophezeie Ihnen, daß die ganze europawirtschaftliche Lage sich nicht bessern wird, bevor nicht in Verfolg dieses Gedankens privatseitlich diese Zusammenschlüsse in enge Fühlung mit den internationalen Organisationen der Arbeiter kommen, weil die Regierungen den wirtschaftlichen Notlagen scheinbar nicht gewachsen oder vielfach national zu stark beeinflußt sind und die ganze Lage unter einem zu engen Gesichtswinkel betrachten. Eines aber ist sicher, meine Herren, und daran wollen Sie denken: Wehe dem Lande, das von der fortschreitenden Entwicklung überholt wird, wehe dem Lande, welches sich diesen modernen Errungenschaften verschließt oder nicht mitkann: denn die künftige Konkurrenz wird sich mit diesen Organisationen zu befassen haben, wobei der Außenbleibende unter allen Umständen wirtschaftlich ins Hintertreffen kommt. Natürlich muß nicht jeder Staat diesen Notwendigkeiten in gleich hohem Maße Rechnung tragen; ein Staat, der in erster Linie auf den Export angewiesen ist, wird sich allerdings in seinen internationalen Wirtschaftsbelangen vor allem nach diesen neuen Situationen zu richten haben. Dabei darf ich mir nun nicht verhehlen, daß unsere Wirtschaft, die èechische wie die deutsche, den Gedanken der Rationalisierung und der Bestrebungen nach wirtschaftlichem Zusammenschluß noch nicht in einem Maße erfaßt hat, wie es die Jetztzeit dringend gebieten würde.

Aus diesen Drangsalen der Wirtschaft heraus ist ja eigentlich auch der Gedanke der Weltwirtschaftskonferenz entsprungen. Ich muß kurz die Weltwirtschaftskonferenz berühren; dabei möchte ich mir folgende unverblümte Äußerung nicht vorenthalten. Sie mögen darüber denken, wie immer Sie wollen, Sie mögen dem Parlamente keine hohe Bedeutung beilegen; aber eines ist sicher, daß unsere verantwortlichen Regierungsstellen scheinbar nicht den nötigen Respekt vor dem Parlamente haben. Das motiviere ich damit, daß eigentlich mit Ausnahme des Herrn Ministers Dr Engliš anläßlich des Budgets und des Ministers Dr Hodža in eigener Sache so gut wie kein Minister zu uns Abgeordneten gesprochen hat, mögen die Probleme wie Steuerreform, Verwaltungsreform, Weltwirtschaftskonferenz usw. von noch so großer Bedeutung sein. Meine Herren, ich erblicke darin eigentlich eine Mißachtung des Parlamentes; denn wenn Demokratie Diskussion ist, dann müssen auch die verantwortlichen Minister sich der Mühe unterziehen, im Hause zu uns zu sprechen, denn die Sprache im Ausschusse ist nicht dasselbe. Sie müssen auch zu uns sprechen, selbst auf die Gefahr hin, daß der größte Teil der Abgeordneten mit ihren Ausführungen nicht einverstanden ist (Výkøiky posl. dr Lehnerta.) Ich bin über ein Jahr Abgeordneter und habe mit Ausnahme der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Dr Švehla lediglich die Ausführungen der Herren Minister Dr Engliš und Dr Hodža gehört. Sonst habe ich noch keine Minister sprechen gehört. Ich glaube, daß in dieser Beziehung unter allen Umständen eine Wandlung eintreten müßte.

Wenn wir die Weltwirtschaftskonferenz betrachten, über die noch niemand von regierungsoffizieller Stelle zu uns gesprochen hat, wiewohl ich eine Stellungnahme zu diesem Problem für äußerst wichtig halte, müssen wir dies unter dem Gesichtswinkel tun, daß Politik und Wirtschaft in vielen Punkten etwas gemeinsames haben und in vielen Punkten zusammengehören. Eine Politik, die die Wirtschaft nicht berücksichtigt, ist eine schlechte Politik, und ich wage zu behaupten, daß auch die Wirtschaft, die glaubt, ohne Politik auszukommen, auf dem Irrwege ist (Sehr richtig!) und ich werfe den maßgebenden Wirtschaftskreisen vor, daß sie leider Gottes sich politisch nicht betätigen. Dann wären Sie vielleicht in manchen Fällen in der Lage, bestimmte Wirtschaftsprobleme in andere Bahnen zu bringen. Der französische Finanz- und Wirtschaftspolitiker Loucheur begleitet seine Ansicht über die Weltwirtschaftskonferenz in wunderbarer Weise ein, indem er sagt: "Es genügt nicht, in einem Lande eine gesunde Währung zu haben, auch nicht eine auf fester Grundlage stehende Emmissionsbank zu schaffen. Es ist vielmehr unbedingt notwendig, gleichzeitig der besprochenen Zahlungsbilanz die größte Sorgfalt zuzuwenden und sich ihrer Verläßlichkeit zu vergewissern, sonst läuft der ganze mühsam aufgeführte Bau Gefahr, einzustürzen." Wie ist die Sachlage bei uns? Wir sind mit 80 bis 88% der Zahlungsbilanz auf die Handelsbilanz angewiesen. Das Moment allein muß Ihnen schon die maßgebende Richtung Ihrer Auffassung geben. Loucheur sagt aber auch weiter: "Die politische Befriedung wird erst durch die wirtschaftliche Befriedung ihre wahre Kräftigung erhalten." Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß Politik von Wirtschaft und umgekehrt Wirtschaft von Politik nicht zu trennen ist. Eine private Ansicht von mir, meine Verehrten! Die Regierungen haben bisher dem Mißstande nicht Widerstand leisten können, sie haben die mißlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bessern können. Eines sage ich Ihnen, theoretisch genommen: Die Gelegenheit zu haben, sämtliche Außenminister, die von der Wirtschaft nichts verstehen oder sie nicht berücksichtigen wollen, absägen, an ihre Stelle Wirtschaftspolitiker setzen zu können, die das richtige Verständnis nicht nur für die wirtschaftliche, sondern auch für die sozialpolitische Lage haben, und ich garantiere Ihnen: in ein bis zwei Jahren haben Sie wirtschaftlichen Frieden und wirtschaftliche Entwicklung. Natürlich läßt sich das praktisch nicht durchführen, aber das muß uns veranlassen, den maßgebenden Stellen immer wieder einzuimpfen: Nicht allein die politische Lage ist das, was Du berücksichtigen darfst, Du mußt auch die wirtschaftliche Lage Deines Landes berücksichtigen, denn ohne Wirtschaft oder mit dem Niedergang der Wirtschaft kann der beste Außenminister keine Politik treiben.

Die Weltwirtschaftskonferenz ist vom 4. bis 23. Mai in Genf abgehalten worden. Die Èechoslovakei hat mit einem 21gliedrigen Komitee unter der Führung des früheren Handelsministers Ingenieur Dvoøáèek daran teilgenommen. (Výkøiky posl. dr Lehnerta.) 50 Staaten sind vertreten gewesen, also eine Anzahl, deren Größe allein schon die wirklich objektive Beurteilung garantiert. Auf der Weltwirtschaftskonferenz sind so gut wie alle wirtschaftlichen Probleme durchbesprochen worden, und als Vorbereitung, die übrigens glänzend war, liegt eine Dokumentensammlung vor, die uns ein ungemein reiches statistisches Material bietet, um für die Zukunft aus der Vergangenheit Schlüsse ziehen zu können. Aber einen großen Fehler hatte die Konferenz: Keine Regierungsleute waren dort, es waren Privatpersonen, die keine bindenden Beschlüsse fassen konnten, die lediglich ihren Regierungen Empfehlungen geben konnten. Leider haben wir gesehen, daß der Standpunkt des Außenministers Dr Stresemann bei der Völkerbundratstagung von Minister Chamberlain abgelehnt wurde. Stresemann sagte: Akzeptieren wir die Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz, während Chamberlain gesagt hat: Bitte, wir werden sie unseren Regierungen empfehlen. Das ist eine sehr gefährliche Sache, weil man leicht zu dem Schlusse kommen kann: Hier liegt nur Theorie vor, und man wird sie nicht in die Praxis umsetzen. Die Wirtschaftskonferenz hat sich in drei Gruppen geteilt: Industrie, Landwirtschaft und Handel. Naheliegend war natürlich, daß die größte Bedeutung der Handelskommission zukam, weil alle Gelehrten der Wirtschaft sich einig sind, daß nur durch die Beseitigung der Hemmnisse der Wirtschaft, durch die freie Entwicklung des Handels, eine Besserung der Lage erzielt werden kann. Die Generaldebatte ist abgeführt worden und man hat sich dann in die Kommission geteilt. Wie Ihnen bekannt ist, hat der Industriekommission der Herr Dr Hodáè vorgesessen. Sie hat sich im Prinzip mit der Rationalisierung und dem Kartellwesen beschäftigt und hat in dieser Hinsicht ihre Resolutionen abgegeben. Die Landwirtschaftskommission will natürlich Gleichberechtigung, beziehungsweise Ausgleichung in den einzelnen Staaten zwischen der Industrie und der Landwirtschaft. Die Probleme haben sich gedreht um die Verbesserung der Absatzmethoden, um die wirtschaftliche Standardisierung der Agrarproduktion, besonders um technische Verbesserungen, um den Ausbau des landwirtschaftlichen Kredit-, Versicherungs- und Genossenschaftswesens. Die größte Bedeutung der Weltwirtschaftskonferenz lag in der Handelskommission und da wieder ganz besonders in der Behandlung der Zolltarife und Handelsverträge. Die Grundidee, wie sie der Präsident dieser Handelskommission im Schlußwort zum Ausdruck gebracht hat, ist die Erkenntnis: Mehr Freiheit einer Welt zu geben, die bisher durch die während des Krieges angehäuften Hindernisse und deren Folgen ebenso wie durch falsche wirtschaftliche Anschauungen gehemmt war. "Freiheit des internationalen Handels von allen willkürlichen Erschwernissen und Hemmnissen" ist der Ruf. Diese Kommission, die ungefähr zwei Drittel der Handelsresolutionen verfaßt hat, hat sich in Unterkommissionen geteilt, von denen eine die Freiheit des Handels, die zweite die Behandlung der Zolltarife und Handelsverträge und die dritte, die indirekten Mittel, den nationalen Handel zu fördern, behandelte. Die erste Gruppe hat sich mit den Ein- und Ausfuhrverboten und Beschränkungen befaßt. Sie wissen, daß die Kriegs- und Nachkriegszeit in dieser Beziehung manigfache Hindernisse gebracht hat. Das ist begreiflich, aber man durfte damit nicht so lange warten, sondern mußte schon frühzeitig an den Abbau dieser Hindernisse denken. Wir haben auch tatsächlich gesehen, daß gerade die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen uns im internationalen Verkehr mit den anderen Staaten ungemein geschadet haben, weil man nämlich bald darauf gekommen ist, daß man trotz der Meistbegünstigung eigentlich auf dem Wege der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen das wieder wettmacht, was man konzediert hat. Der gegenwärtige Stand ist immer noch so, daß wir auf der Ausfuhrseite von 658 Positionen 65 gebunden haben und auf der Einfuhrseite 115. Wir haben zwar beim Handelsvertrag mit Ungarn etwas nachgelassen, es soll aber erst beim Handelsvertrag mit Deutschland zur vollständigen Aufräumung mit dem Ein- und Ausfuhrsystem kommen. Man hat sich aber natürlich in dieser Voraussicht wieder ein Gesetz geschaffen, bei uns das Gesetz Nr. 215 vom 12. Oktober 1925, die Dumpingzölle betreffend. Da weiß man natürlich nicht, in welchem Maße sie sich bei ihrer Anwendung auswirken werden.

Ein wichtiger Punkt dieser Untergruppe ist die Handelsfreiheit, beziehungsweise Handelsgleichheit der privaten und staatlichen Unternehmungen, soweit nämlich die staatlichen Unternehmungen als privatwirtschaftliche Unternehmungen aufzufassen sind. Wir haben dann legislative oder reglementäre Bestimmungen, welche den internationalen Handel betreffen, Vereinfachung der Zollformalitäten, Bestrebungen, das Wechselrecht auf eine einheitliche Basis zu bringen, Schiedsgerichtverfahren, unlauterer Wettbewerb usw. Dann wird die Behandlung der von einem Staat zur Niederlassung zugelassenen Staatsangehörigen und Gesellschaften auf dem Gebiete des anderen Staates in ökonomischer und fiskalischer Hinsicht, also mit einem Wort das Fremdenrecht behandelt.

Die zweite Gruppe der Handelskommission hat sich mit dem Gebiete der Zolltarife beschäftigt, und da ist natürlich sofort der Standpunkt vertreten worden, daß man es auf diesem Gebiete unbedingt zu einer Vereinfachung kommen lassen müsse, sowohl im Zollgesetz als solchem als auch in der Nomenklatur. Ich erinnere daran, daß es in dieser Hinsicht zu fürchterlichen Auswüchsen gekommen ist. Wie Ihnen bekannt ist, hat die französische Regierung einen neuen Zolltarif vorgelegt, der durch die Stellungnahme der sozialistischen Parteien wieder an den Ausschuß zwecks Beilegung statistischen Materiales zurückverwiesen wurde. Nun hören Sie: Dieser französische Zolltarif, der ja nur mit geringen Änderungen wieder an das Tageslicht kommen wird, zählt 1750 Hauptpositionen, das sind 715 mehr als der zur Zeit geltende und 1096 Positionen mehr als der Vorkriegszolltarif. Dazu kommen Unterteilungen, so daß die Positionen zusammen die Zahl von 8000 ausmachen. (Výkøiky posl. dr Lehnerta.) Das ist als kollossale Leistung hingestellt worden, doch ist dieses Elaborat ein wirtschaftliches Monstrum, mit dem kein Mensch arbeiten kann. Fragen Sie die Unterhändler, ob es möglich ist, in kürzerer Zeit mit einem Zolltarif von 8000 Positionen zu Fach zu kommen. Das ist ganz unmöglich. Infolgedessen wird es natürlich notwendig sein, daß man sich dem Gedanken nicht verschließt und endlich dafür Einsicht bekommt, die Zolltarife möglichst einfach zu machen und sie auf eine einheitliche Basis zu stellen. Die Kommission hat freilich in ihrer Resolution der Weltwirtschaftskonferenz den Auftrag gegeben, in dieser Richtung zu arbeiten. Aber hier meine ich, meine Damen und Herren, wäre es nötig, die Initiative zu ergreifen und sich einmal mit den anderen zusammenzusetzen, meinetwegen in größeren oder kleineren Gruppen, und allen Ernstes als Männer der Wirtschaft zu sagen: Wir wollen jetzt endlich einmal einen einheitlichen Zolltarif aufbauen, damit wenigstens wir im gegenseitigen Verkehr schneller vorwärts kommen. Denn diese Schwierigkeiten des Zolltarifes bereiten natürlich den Handelsvertragsverhandlungen kollossale Hemmnisse, andererseits wissen wir, wie sehr notwendig wir Handelsverträge brauchen. Natürlich ist sowohl die Vereinfachung der Zolltarife als auch die Unifizierung der Zolltarif- Nomenklatur und die Stabilität sowie die Anwendung des Zolltarifes und der Zollformalitäten in diesem Gedanken inbegriffen. Dazu kommt noch die Anempfehlung der Zollstatistik. Man hat in dieser Beziehung schon seinerzeit am 31. Dezember 1913 zu Brüssel eine Konvention abgeschlossen.

Die dritte Gruppe ist die Gruppe, die sich mit der Handelspolitik beschäftigt hat. Sie kam zu dem Schlusse, daß die Zeit gekommen wäre, diesem unaufhörlichen Steigen der Tarife ein Ende zu machen und sich endlich einmal in entgegengesetzter Richtung zu bewegen. Denn die Höhe der Tarife ist ganz unvernünftig und dem Wirtschaftsleben hinderlich. Dafür gibt es wieder glänzende Beispiele. Wenn wir die Èechoslovakei hernehmen und ihre Zolltarife mit andern vergleichen, so finden wir, daß wir ziemlich hohe Zollpositionen haben, und zwar deshalb, weil wir zur Zeit der Inflation das Koeffizientensystem eingeführt und genau so wie bei den Steuern nicht daran gedacht haben, automatisch abzubauen, entsprechend dem Gang der Entwicklung der Valuta. Das ist natürlich ein Fehler gewesen. Wir haben unsere Positionen lediglich im Wege von Handelsvertragsverhandlungen verändert. Das hatte zur Folge, daß wir heute in unserem Zolltarif unvergleichlich hohe Positionen haben, auch in Fällen, die als Kompensationsobjekt bei Verträgen mit anderen Staaten gar nicht verwendet werden. Es ist interessant zu sehen, wie sich beim Vergleiche der Zollbelastungen von 14 europäischen Staaten auf der Weltwirtschaftskonferenz unser Zolltarif in die anderen Zolltarife einrangiert. Er rangiert z. B. bei einer vergleichenden Aufstellung, die vom österreichischen Komitee gemacht worden ist, mit 33.6% zwischen 30% und 40%. Bitte, wir haben Zölle in Belgien, Holland und Dänemark unter 15%. In der Schweiz 17.50%, in Österreich 18.06%, in Schweden 18.09% und in Deutschland 19.08%, also zwischen 15 und 20%. Wir haben den neuen französischen Minimaltarif zwischen 20 und 30%. Hinter uns sind noch Polen, Jugoslavien und Rumänien. Man wird einwenden, daß das nicht ganz stimmt und die Auslegung in der Frage der Bewertung und des Gesamtquantums nicht ganz richtig ist. Ich gebe zu, daß eventuelle Verschiebungen sein können. Aber man kann sich unter keinen Umständen auf den schweizerischen oder ungarischen Handelsvertrag berufen, weil die Veränderungen nicht in dem Maße wesentlich sind. Wir sehen, daß im Prinzipe unser Zolltarif viel zu hoch ist.

Eine andere Aufstellung, die anläßlich der Weltwirtschaftskonferenz ebenfalls gemacht worden ist, gibt uns einen Vergleich zwischen Zollhöhe 13 und 25 und da sehen wir, daß wir auch da ziemlich weit vorne rangieren. Früh er hatten wir z. B. 18, bei Fertiggütern haben wir jetzt 27, Österreich dagegen 18.16. Wir rangieren mit einem Worte in der Reihe der Nachfolgestaaten wiederum in der ersten Linie. Wir finden aber natürlich auch bei diesem Vergleich das Schöne, daß speziell die Staaten, die kolossale Zollschutzmauern haben, wie Amerika, Spanien und Brasilien, gerade diejenigen sind, die nicht am Völkerbund teilnehmen, weil sie Sorge haben, daß sie dort abbauen müssen. Die Höhe der Tarife spielt natürlich eine unendlich große Rolle und man ist auf der Konferenz auf den Standpunkt gekommen, daß endlich einmal mit den Kampftarifen gebrochen werden müsse. Denn gewöhnlich ist es so, daß, sobald Aussicht ist, daß Handelsvertragsverhandlungen kommen, von den einzelnen Staaten, ob das jetzt Österreich, oder Rumänien oder Jugoslavien ist, die Tarife schon auf Grund der künftigen Verhandlungen wahnsinnig erhöht werden. Bitte, wenn wir hier nicht eine solide Basis im gegenseitigen Verkehr bekommen, wenn wir uns von vornherein auf das Feilschen einstellen, wird natürlich nicht das zustande kommen, was wir brauchen. Es wird der Standpunkt vertreten, daß wir in Bezug auf die Ausfuhr der Rohstoffe vollständig frei sind. Die Handelsverträge hat man in der Ansicht der Weltwirtschaftskonferenz auf die Meistbegünstigungsklausel gestellt im Gegensatz zur Reziprozität, wie sie seitens Frankreichs angewendet worden ist, Reziprozität ohne Begünstigung des andern, Leistung - Gegenleistung u. s. w.

Wenn ich diese Ausführungen über die Weltwirtschaftskonferenz Ihnen vorgebracht habe, so habe ich es in der Erwägung getan, daß uns eigentlich die regierungsoffiziellen Stellen über ihre Auffassung und Stellung zu den Beschlüssen der Weltwirtschaftskonferenz vollständig im unklaren belassen haben. Es ist zwar richtig, daß die Delegation, die in Genf gewesen ist, beim Ministerpräsidenten Švehla erschienen ist, es ist auch richtig, daß man die Verarbeitung der Beschlüsse dem Wirtschaftsbeirat übergeben hat, es ist aber auch ebenso richtig, daß wir auf eine Äußerung der Regierung bis in den Herbst werden warten müssen, wo dann schon wieder die nächste Völkerbundtagung vorbei sein wird. Dieser Standpunkt ist falsch und infolgedessen würde es mich ungemein interessieren, wenn der Herr Handelsminister - er ist unser fleißigster Ministerbesucher im Parlament, das muß ich anerkennen im Hause er klären würde, wie sich die Regierung zu den Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz verhält. Verhält sie sich ablehnend, verhält sie sich bejahend oder sind Unterschiede zu machen u. s. w.? Privat weiß ich ganz gut, daß der Herr Handelsminister mit den Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz einverstanden ist; unsere Minister reden zwar in Versammlungen, aber sie schreiben im Auslande; ich habe dagegen nichts einzuwenden, wenn Sie objektiv sprechen und über den Rahmen von Parteiversammlungen hinausgehen. Der Herr Handelsminister hat im "Volkswirt" in Zürich seine bejahende Stellungnahme zu den Resolutionen der Weltwirtschaftskonferenz zu erkennen gegeben. Das stelle ich rühmend fest. Auf der andern Seite gibt es viele Praktiker, die daran zweifeln, daß diese Resolutionen aus der Theorie in die Praxis übergehen. Ich bin persönlich der Ansicht, daß es natürlich wertvoll ist, daß so viele Fachleute zusammengekommen sind, daß es wertvoll ist, so viel objektives Material zusammenbekommen zu haben und daß es am wertvollsten ist, wenn man aus dieser grauen Theorie einmal herauskäme und zur Praxis überginge. Denn die Praxis, die ist das Entscheidende. Ich meine überhaupt, daß wir im Zeitalter der Theorie leben, daß wir alles theoretisieren und nichts praktizieren. Dazu ist natürlich guter Wille und ein weitsichtiger Blick über den engen Rahmen des eigenen Staates hinaus notwendig.

Ziemlich parallel laufend mit der Weltwirtschaftskonferenz fand am 27. Juni l. J. in Stockholm die internationale Handelskammertagung statt, die, um es abzukürzen, sich im Prinzip vollständig mit den Beschlüssen der Weltwirtschaftskonferenz einverstanden erklärt hat. Allerdings hat sie, was ich sehr lobend hervorhebe, auch die ganze Sache - im Ausdruck ihres Präsidenten - vom Standpunkt des sozialen Problems aus aufgefaßt. Denn übersehen Sie nicht, daß Europa heute noch 20 Millionen Arbeitslose incl. der Familienzugehörigen hat. Das ist ein Problem, das dringend der Lösung bedarf und nachdem für eine gute Sozialpolitik eine gute Wirtschaftspolitik Voraussetzung ist, wird man diesem Problem dadurch, daß man der Wirtschaft in Europa auf die Beine hilft, am besten beikommen.

Wenn ich nach diesen Ausführungen, die ich machen mußte, nachdem sie uns niemand gegeben hat, zur handelspolitischen Lage unseres Staates übergehe, so habe ich im Prinzip eigentlich kein rosiges Bild zu entwerfen, aus dem einfachen Grunde, weil wir in Wahrheit seit Beginn des Staates von einer Krise in die andere kommen. Daran ändert auch das Aktivum der Zahlungs- bezw. Handelsbilanzen nichts. Ich werde an dem Beispiel der Jahre 1925 und 1926 nachweisen, daß auch ein Aktivum der Handelsbilanz der Ausdruck des Niederganges bezw. der Depression der Wirtschaft sein kann. Wenn ich über die handelspolitische Lage der Èechoslovakei spreche und mich mit der letzten Periode beschäftige, so ist sie dadurch dokumentiert, daß unsere wirtschaftliche Lage schlecht ist. Lassen wir uns nicht beirren, wenn wir eventuell zeitweilig eine bessere Konjunktur wahrnehmen, denn auch die jetzige Konjunktur z. B. in der Textilindustrie, wenn man von einer solchen sprechen kann, beruht nicht auf einer normalen Basis, sie ist wieder durch die Stabilisierung der Lira hervorgerufen und beruht hauptsächlich in den Absätzen nach Ungarn, Südslavien, Rumänien usw., die sonst italienische Bezieher sind. Wir sehen folgenden Unterschied: Wir haben im Jahre 1925 eine Einfuhr von 17.594 Millionen gehabt, dem steht im Jahre 1926 eine Einfuhr von 15.262 Millionen gegenüber. Das ist ein Manko von fast 2.3 Milliarden. Die Ausfuhrseite ist im Jahre 1925 18.799 und im Jahre 1926 17.848 Millionen. Wir sehen, daß wir beide Bilanzen aktiv haben, sehen aber auch aus den gesamten Ein- und Ausgängen das Manko des Jahres 1926 gegenüber 1925. Wenn ich nun bei der handelspolitischen Lage der Gegenwart stehenbleibe, so möchte ich Ihnen auch wieder zur Deklarierung der wirtschaftlichen Depression bekanntgeben, daß z. B. die Ausgleichs- und Konkursstatistik der letzten 4 Jahre folgende Ziffern zeigt: Die Überschuldung bei Konkursen beträgt 458,892.840 Kè bei den Ausgleichen beträgt die Überschuldung 2.969,301.395 Kè. Eine andere Ziffer, die Ihnen ebenfalls die wirtschaftliche Lage charakterisieren soll, ist die, daß der Staat an Arbeitslosenunterstützung 1.226,191.125 Kè ausgegeben hat. Da erfassen Sie das richtige Bild, in welchem Zustande gerade sich unsere Wirtschaft befunden hat.


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