Hohes Haus! Das Oberste Kontrollamt hat mit
einer anerkenneswerten Raschheit den Rechnugsabschluß für
die Periode 1925 vorgelegt. Aber trotzdem der Abschluß bereits
im Dezember ins Haus gekommen ist, hat man nicht das Bedürfnis
gefühlt, mit derselben Raschheit auch hier im Hause die Verabschiedung
vorzunehmen, sondern man hat so wie es üblich ist, diese
unagenehme Sache liegen lassen und sich damit zufrieden gegeben,
nur soweit zu kommen, um die Vorlage selbst ins Haus zu bringen.
Bevor ich mich mit dem Abschluß selbstbeschäftige,
muß ich eine Angelegenheit vorbringen, die von besonderer
Wichtigkeit ist, die zeigt, daß wir uns immer mehr zum Polizeistaat
entösterreichern, daß Zustände bei uns einreissen,
die in keinem Rechtsstaat möglich sind. (Rùznì
výkøiky nìmeckých soc. dem. poslancù.)
Wir haben die Nachricht erhalten,
daß unsere Protestversammlung gegen die Verwaltungsreform
in Karlsbad polizeilich verboten wurde. (Rùznì
výkøiky nìmeckých soc. demokratických
poslancù.) Wie
man uns mitteilt, soll von Prag aus eine Weisung an alle Stellen
hinausgegangen und der Auftrag erteilt worden sein, alle diese
Kundgebungen zu verbieten. (Výkøiky.)
Den Regierungsparteien scheint die
Kundgebung in Schlesien in alle Glieder gefahren zu sein. Sie
sehen diese Volksbewegung von ungeheuerer Wucht, die sich gegen
die Art wendet, wie hier Vorlagen mit einem geradezu unerhörten
Inhalt gemacht werden, (Výkøiky posl.
Hackenberga.) wie deutsche Parteien ihre
Sprache verraten und mitwirken, das deutsche Volk zu knebeln und
zu unterdrücken (Výkøiky.),
wie ein Stück Autonomie nach dem anderen genommen wird. (Výkøiky
posl. Heegera.) Zuerst wird die Finanzautonomie
den Gemeinden genommen, darnach kommt die Verwaltungsreform, die
den Gemeinden alle Rechte nimmt, die sie eigentlich zu nichts
herabdrückt, so daß sie überhaupt keinen Einfluß
auf die ganze Verwaltung mehr besitzen; in all den Körperschaften
versucht man nun die Autonomie einzudämmen, soweit es geht.
Die Gauerverfassung hat man ganz einfach beseitigt, weil man gesehen
hat, daß bei deren Durchführung ein Teil von Rechten
den Deutschen erhalten bleiben würde. Durch die Verwaltungsvorlage
ist diese Gefahr beseitigt, wir aber sehen uns veranlaßt,
im Namen des Klubs folgende Erklärung abzugeben:
"Wir erheben Protest gegen die unerhörte
Vergewaltigung der Meinungsfreiheit, die sich die èechisch-deutsche
Bürgerregierung zuschulden kommen ließ, indem sie unsere
Karlsbader Kundgebung gegen die Verwaltungsreformvorlage verbot.
Dieser Versuch, das berüchtigte Pendrekpatent anzuwenden,
noch ehe es gesetzliche Wirksamkeit erlangt hat,
wird den Widerstand gegen die Verwaltungsreform nicht brechen,
sondern im Gegenteil verstärken, indem er der Bevölkerung
die Augen darüber öffnet, was sie zu erwarten hat, wenn
die brutalen und dabei kurzsichtigen Polizeimethoden, die hier
in Blüte stehen, noch gesetzlich festgelegt, ja ungeheuer
erweitert werden. Wir klagen vor allem die deutschen Regierungsparteien
an, die nicht müde werden, sich der Überwindung des
alten reaktionären Systems zu rühmen, während in
Wirklichkeit unter ihrer Mitregierung und unter ihrer vollen Verantwortung
die Unterdrückung jeder oppositionellen Regung noch härter
geworden ist, als es je unter dem alten Regime der Fall war. Es
ist noch nicht allzu lange her, seit die deutschen Parteien, die
heute der Regierungsmehrheit angehören, selbst öffentliche
Protestkungebungen veranstaltet haben und selbst über die
Unterdrückung solcher Kundgebungen, über die Unterdrückung
der Pressefreiheit, die Einschränkung des Versammlungsrechtes
laute Klage geführt haben. Wenn sie heute selbst zu diesen
Methoden greifen, die sie vor kaum mehr als Jahresfrist mit Recht
aufs härteste verurteilt haben, so zeigen sie damit nur die
ganze Größe des Verrates auf, den sie an der deutschen
Bevölkerung verübt haben. Wir sind überzeugt, daß
die deutsche Bevölkerung, ihre arbeitenden Schichten vor
allem, diesen Verrat erkennen und einsehen werden, (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.),
daß der Kampf gegen die Verwaltungsreform, gegen die Reaktion
in diesem Staate überhaupt, nur dann siegreich geführt
werden kann, wenn diese Parteien, die so schwere Schuld auf sich
geladen haben, überwunden werden. Unsere Partei wird daher
den Kampf gegen diese Parteien mit aller Leidenschaft fortsetzen,
der Sieg der Sozialdemokratie und der Sturz der bürgerlichen
Volksfeinde wird die Reaktion in diesem Staate zu Falle bringen."
(Potlesk nìmeckých soc. demokratických
poslancù.)
Wenn die Regierungsparteien eine öffentliche
Auseinandersetzung über die Verwaltungsreform wollen, dann
sollen sie zu diesen Kundgebungen gehen, sollen die Verwaltungsreform
verteidigen, wenn sie den Mut dazu haben. Aber sie sind zu feige,
sie wissen, welche Niedertracht hier verübt wird, und darum
versuchen sie, sich durch die Polizeimacht, durch die Staatsmacht
dem Volksgerichte zu entziehen. Sie versuchen ganz einfach auf
diese Weise die Mißstimmung, die sich überall kundgibt,
nicht öffentlich werden zu lassen und zu unterdrücken.
Ich wende mich nun dem Gegenstand der Tagesordnung
selbst zu. Vor wenigen Wochen hat in Genf eine Konferenz stattgefunden,
zu der die Regierungen aller Staaten Fachleute entsendet haben.
Sie sollen dort prüfen, welche Mittel angewendet werden können,
um den furchtbaren Zustand, in dem sich die ganze Weltwirtschaft
befindet, zu erleichtern und zu verbessern. Die Vertreter der
Regierungen, die Fachleute sind einige Wochen beisammen gesessen
und haben sich auf Vorschläge geeinigt, welche die Möglichkeit
geben sollen, das Ankurbeln der Wirtschaft zu erleichtern. Unser
Außenminister Herr Dr Beneš hat erklärt,
er werde die Resolutionen und Vorschläge unterstützen
und sich dafür einsetzen, daß auch hier in der Èechoslovakei
diese Grundsätze angenommen und durchgeführt werden.
Der Herr Ministerpräsident, der Chef der Regierung hat sich
ebenfalls zu dieser Sache geäußert,
aber nicht mehr so positiv, sondern unter Verklausulierungen,
geschehen jedoch ist bisher nichts. Die Regierung hat bisher keine
Zeit gefunden, sich mit dieser ungeheuer wichtigen Frage zu beschäftigen;
während in Deutschland und Belgien die Regierungen bereits
ihre Zustimmung zur Durchführung gegeben haben, und erklärten,
bereit zu sein mit allen Mitteln mitzuarbeiten, um diese Grundsätze
zu verwirklichen, wird bei uns nur zu dekorativen Zwecken darüber
geredet. Aber man läßt den Worten nicht die Taten folgen,
sondern man läßt Gras darüber wachsen und führt
die Wirtschaft oder, wenn wir so sagen wollen, die Mißwirtschaft
in der bisherigen Weise weiter.
Wir haben anläßlich der Beratung
der Steuerreform bei einer Gelegenheit aus dem Munde des Finanzministers
gehört, daß sich das Finanzministerium auch damit beschäftige,
die indirekten Steuern einer Reform zu unterziehen. Wir waren
alle der Meinung, daß dadurch eine Erleichterung der Konsumsteuern
herbeigeführt und die Konsumkraft der Bevölkerung gehoben
werden sollte. Es scheint aber nicht die Absicht zu sein, die
indirekten Steuern abzubauen, um der Bevölkerung Erleichterung
zu schaffen, die Tatsachen, die bisher bekannt geworden sind,
zielen vielmehr darauf hin, diese Ersparungen zu anderen Zwecken
verwenden zu wollen.
Wir haben gehört - und es wird darüber
schon öffentlich diskutiert - daß die Zuckersteuer
eine Herabsetzung erfahren soll. (Výkøiky
na levici.) Damals, als das Gesetz über
die Zuckersteuer im Haus beschlossen wurde, haben wir unsere warnende
Stimme erhoben, haben auf die Folgen verwiesen, die entstehen
müssen, haben erklärt, daß es nicht möglich
sei, den Inlandskonsum in der Höhe aufrechtzuerhalten, und
daß ein Minderkonsum an Zucker eintreten müsse. Die
Herren haben aber nicht gehört, sie haben das Gesetz über
die Zuckersteuererhöhung beschlossen, und es zeigt sich nun,
daß der Inlanskonsum um 200.000 q zurückgegangen ist.
Trotzdem der Zuckerkonsum zurückgegangen ist, ist der Steuereingang
für die Zuckersteuer um 99 Millionen höher als in derselben
Periode der vorjährigen Zuckerkampagne. (Hört! Hört!)
Also nahezu 100 Millionen mehr an Steuern als in derselben
Periode des Vorjahres trotz Rückgang des Zuckerkonsumes von
200.000 q!
Man sagt, die Herabsetzung der Zuckersteuer
sei notwendig geworden, weil unsere Zuckerindustrie notleidend
ist. Man will die Ersparnisse, die man bei der Herabsetzung der
Zuckersteuer macht, nicht den Konsumenten zugute kommen lassen,
sondern die Zuckerindustriellen sollen die Nutznießer hievon
sein. Man will ihnen auf diese Art und Weise ein Geschenk von
unerhörter Höhe machen. Die Herren haben sich verspekuliert,
und weil sie sich verspekulierten, sollen die Inlandskonsumenten
die Kosten dafür tragen, sie sollen herangezogen werden und
dafür büssen, weil die anderen ein schlechtes Geschäft
gemacht haben. Der Zuckerexport, der in der Kampagne 1926 bis
30. April 7 Millionen q betragen hat, ist heuer in derselben Zeitperiode
auf 5.4 Millionen zurückgegangen, also um 1.6 Millionen q
weniger als im Vorjahre, das sind genau 24.2%. Wieso kommt das
nun? Ja, damals, als die Kampagne begonnen hat, war der Weltmarktpreis
im Steigen. Die staatliche Bewirtschaftung ist abgebaut worden
und man hat den Zuckerindustriellen frei Hand gelassen. Sie haben
mit dem Export zurückgehalten, sie haben gedacht, die Preise
werden weiter steigen, je weiter die Kampagne fort schreitet,
und sie werden erst dann ihr großes Geschäft, ihren
großen Fischzug machen. Es ist aber anders gekommen. Der
Weltmarktpreis ist gesunken, er hat einen Rückgang um ein
Viertel des Wertes erlitten und nun stehen die Zuckerindustriellen
mit ihrer Rohware und mit ihren Verlusten da und versuchen jetzt,
den Inlandskonsum zur Deckung der Verluste, die ihnen erwachsen
sind, heranzuziehen. Das ist die Wirtschaftspolitik dieses Staates.
Genau so ist es mit dem Straßenfond.
Das Ministerium für öffentliche Arbeiten hat dem Hause
einen Entwurf zur Schaffung eines Straßenfondes und zur
Verbesserung der Straßen, ausgenommen die Gemeindestraßen,
vorgelegt. Die Geldaufbringung stellt sich das Ministerium sehr
leicht vor. Es soll ganz einfach durch Gesetz beschloßen
werden, daß die Sozialversicherungsanstalt den Betrag von
1 Milliarde Kronen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes als Darlehen
hergebe und auf diese Art und Weise soll der Betrag aufgebracht
werden, mit dem man die Straßenreparierungen vornehmen kann.
(Výkøiky na levici.) In
10 Jahren wird die Sozialversicherung nach fachmännischer
Berechnung ungefähr eine Kapitalsreserve von 7 Milliarden
zurücklegen können. Davon müssen 30% in Staatspapieren
angelegt werden, das sind über 2 Milliarden, 1 Milliarde
wird sie für den Straßenbaufond hergeben müssen,
das ist nahezu die Hälfte des Reservebestandes, und sie wird
nicht den Aufgaben nachkommen können, die ihr ja gerade als
sozialem Institut gestellt sind. Auch hier zeigt sich die verkehrte
Finanzpolitik, die noch immer ihre Fortsetzung findet.
Wenn ich mich nun dem Rechnungsabschlusse zuwende,
möchte ich ausdrücklich hervorheben, daß damit
eine Periode der Finanzwirtschaft beendet wird, die wohl die unglückseligste
seit Bestand der Republik ist. Daß wir endlich diese Periode
liquidieren können - es ist bezeichnend, daß es so
lange gedauert hat - ist eine unbedingte Notwendigkeit für
unsere Finanzwirtschaft. Wir hatten am 1. Jänner 1924 noch
Kassenbestände in der Höhe von 2.979,000.000 Kronen.
Im Jahre 1925 sind sie auf 1.852 Millionen gesunken und im Jahre
1926 waren nur mehr 468 Millionen Kè Kassenbestände
vorhanden. Die Kassenbestände sind aufgezehrt, verbraucht
worden, infolge ungünstigen Steuereinganges, die angehäuften
Reserven sind verpulvert, die Staatschuld hat sich erhöht.
Das Bild der Gebahrung selbst zeigt, daß
die Einnahmen um 17.6% überschritten worden sind, die Ausgaben
um 16.6%, wieder ein Beweis, daß die Voranschläge,
die hier im Hause beschlossen werden, keine Beachtung finden,
daß sie ständig überschritten werden, daß
man im vorhinein bei der Verfassung der Voranschläge weiß,
mit den Beträgen nicht auskommen zu können, und absichtlich
Beträge in den Voranschlag nicht einstellt, obwohl man weiß,
daß sie ausgegeben werden müßten. Man legt so
eigentlich nur Voranschläge vor, die dekorativ nach außen
wirken sollen, aber mit der Finanzwahrheit im Widerspruche stehen.
Im Jahre 1925 ist die sogenannte Kommerzialisierung
der Staatsbetriebe vorgenommen worden und auch dieser Umstand
trägt dazu bei, daß der Überblick im Rechnungsabschluß
nicht so vollständig ist, als er sein sollte und sein könnte.
Es besteht noch immer eine Verquickung zwischen diesen Instituten
und der Staatswirtschaft weshalb diese Ziffern mit aller Vorsicht
geprüft werden müssen.
Betrachten wir das Konto der geleisteten Vorschüsse!
1925 wurden solche Vorschüsse in der Höhe von
2519 Millionen gegeben. Wo sind die hingekommen? Die Einlagen
bei den Geldinstituten zur Ermöglichung der Zeichnung auf
die IV. Staatsanleihe machen 194 Millionen Kè aus. Meine
Herren, es wäre wohl klüger gewesen, wenn die
Finanzverwaltung bei der Lösung der Kriegsanleihefrage Rücksicht
drauf genommen hätte, daß die autonomen Körperschaften
nicht imstande sind, die Mittel aufzubringen, um die Einlösung
der Kriegsanleihe durchzuführen; es wäre viel klüger
gewesen, wenn sie beim Umtausch Erleichterungen tel quel geschaffen
hätte. Die Finanzverwaltung hätte diese Millionen, die
sie als Vorschüsse an die autonomen Körperschaften herausgeben
mußte, ersparen können, ein finanzieller Effekt ist
mit dem Umtauschgesetz mit der Einlösung der IV. Staatsanleihe
nicht erzielt worden, und es wäre viel klüger und praktischer
gewesen, wenn die Finanzverwaltung eine Lösung gesucht hätte,
ohne dabei selbst eine Belastung zu erfahren.
Ee sind weiters Kontokorrentvorschüsse
erteilt worden an die Staatsbetriebe, an die Materialfonds,
an die èechoslovakischen Staatsbahnen und zur Deckung der
Investitionsausgaben. Das sind zum Teil begreifliche Dinge. Bei
der Post "Vorschüsse" sehen wir auch jetzt langsam
in Erscheinung treten die Folgen der seinerzeitigen
Staatswirtschaft bei den einzelnen Zentralen. Es zeigt sich, daß
die Vorschüsse bei der Getreideanstalt, bei der Staatsanstalt
für Fette, Öle und Milch und bei anderen Zentralen ganz
gewaltige Summen erreicht haben, die zwar noch immer als Vorschüsse
figurieren, obwohl kein Mensch weiß, woher die Deckung erfolgen
soll. Es wäre viel klüger, wenn man versuchen würde,
diese Lasten vollständig zu liquidieren. Unter den Vorschüssen
sind auch geleistete Rückzahlungsraten zur Erhöhung
der Lehrergehalte von 67 Millionen Kronen an die Länder eingestellt,
weiters neben den erwähnten 194.6 Millionen, an die autonomen
Körperschaften zur Zeichnung der Staatsanleihe eine Reihe
von anderen Vorschüssen, die an Länder gegeben worden
sind. Niemand wird sagen können, wie die Länder in die
Lage versetzt werden sollen, die Vorschüsse zurückzuzahlen,
niemand wird sagen können, wie die autonomen Körperschaften
in die Lage versetzt werden sollen, diese Vorschüsse zurückzuzahlen.
Die Länder schulden heute Vorschüsse von 1691 Millionen
Kronen, die Zahlung der Rückerstattungsraten ist selbstverständlich
nicht möglich, diese Forderung des Staates ist als uneinbringlich
zu betrachten, diese Posten sind fiktive Aktiven ebenso wie die
Forderung der russischen Legionäre von 256 Millionen Kronen.
Es ist zwar erklärt worden, die Vorschüsse an die Kaschau-Oderberger
Bahn von 920 Millionen seien eindringlich, ich möchte das
aber mit einem Fragezeichen versehen, denn schließlich und
endlich wird auch da die Möglichkeit der Einbringung eine
sehr beschränkte sein.
Die direkten Steuern haben ein Mehr gegenüber dem Vorjahre
von 814 Millionen ergeben, darunter figuriert die Einkommensteuer
allen mit 678 Millionen Kè, die Kriegssteuern mit 92 Millionen
und die Verzugszinsen mit einem Mehr von 33
Millionen. Obwohl im Voranschlag die Verzugszinsen schon mit mehr
als 70 Millionen Kronen vorgesehen waren, sind sie um 33 Millionen
überschritten worden. Man ersieht daraus, wie die Steuerträger
von den Exekutivorganen bedrängt worden sind, daß die
Steuerträger nicht in der Lage waren, die vorgeschriebenen
Steuern abzustatten, man ersieht daraus, wie mit dem Steuer Exekutor
und mit Verzugszinsen der Steuerträger zur Zahlung gebracht
werden soll. Bezeichnend ist, daß die Realsteuern um 53
Millionen die allgemeine Erwerbssteuer um 129 Millionen weniger
eingebracht haben, zwei Posten, die ziemlich hoch sind und die
anzeigen, mit welcher Vorsicht bei der Eintreibung der Realsteuern
und der allgemeinen Erwerbsteuer vorgegangen wird. Die indirekten
Steuern hingegen haben mehr gebracht, so die Umsatzsteuer um 10
Millionen, die Zölle um 47 Millionen die Brantweinsteuer,
die Zuckersteuer, all diese Steuern haben mehr gebracht, weniger
gebracht hat nur die Kohlensteuer und die Fleischsteuer. Mehr
haben gebracht die Rechtsgebühren, die neu beschlossen
worden sind, um 232 Millionen, die Verkehrssteuer um 231 Millionen,
der Personenverkehr um 79 Millionen, die Telephongebühren
um 21 Millionen, die Gebühren von Amtshandlungen um 15 Millionen
Kè; die öffentlichen Abgaben brachten
also ein Mehr von 1395 Millionen Kè, beinahe dasselbe,
was sie im Jahre 1924 trugen.
Wie schaut es mit dem kommerziellen Betrieben
aus? In keinem einzigen Falle wurde die im Voranschlage vorgesehene
Ziffer erreicht und man kann es ruhig aussprechen, daß unsere
Staatsbetriebe nicht auf der Höhe stehen. Es fehlt ihnen
der kaufmännische Schwung, die administrative Elastizität,
die in solchen Unternehmen notwendig wäre. Der Bürokratismus
erschlägt alles. Die Post sollte nach dem Voranschlage ein
Mehr von 241 Millionen bringen, tatsächlich hat sie
nur 145 Millionen mehr gebracht, trotzdem wir die höchsten
Postgebühren von allen europäischen Staaten einheben.
Die Eisenbahn sollte um 191 Millionen Kè mehr bringen,
tatsächlich hat sie nur ein Mehr von 77 Millionen gebracht.
Die Güter und Forste sollten um 134 Millionen
mehr bringen, tatsächlich haben sie nur ein Mehr von 93 Millionen
gebracht. Die Gruben und Hütten sollten 42 Millionen mehr
bringen, sie haben aber einen Verlust von 5 Millionen gebracht.
Das sind Beweise für die Mißwirtschaft in den Staatsbetrieben,
das ist ein Beweis, daß vieles faul ist und daß vieles
einer Änderung bedürfte. Wenn wir uns die Überschreitungen
anschauen, so sehen wir, daß das Ministerium des Äußern,
das Ministerium für nationale Verteidigung und das Ministerium
für soziale Fürsorge große Überschreitungen
zu verzeichnen haben.
Ganz merkwürdig und ein Beweis der Art
der Budgetierung ist die Überschreitung beim Ministerium
für soziale Fürsorge. Für die Kriegsbeschädigtenfürsorge
ist unter den ordentlichen Ausgaben um 34 Millionen mehr
ausgegeben worden, bei den außerordentlichen um 81 Millionen
Kè. Die Finanzverwaltung, resp, das Ministerium für
soziale Fürsorge mußte im Vorhinein wissen, daß
diese Beträge notwendig sind. Es war ja nicht möglich,
die Feststellung der Renten der Kriegsbeschädigten
so rasch durchzuführen, um sie alle erfassen zu können,
und aus diesem Grunde sind in den früheren Rechnungsabschlüssen
bei dieser Post Ersparnisse ausgewiesen worden, obwohl der Anspruch
der Kriegsbeschädigten und die Pflicht des Staates, diese
Summen auszubezahlen nicht bestritten werden konnte, hat man diese
Post immerwährend gedrosselt, das Finanzministerium hat die
Voranschläge fortwährend zur Korrektur zurückgeschickt
und verlangt, die Post müßte herabgesetzt werden und
als die Überschreitung gekommen ist, wollte man die Schuld
dafür einem Beamten in die Schuhe schieben, obwohl das System
die Zwangslage herbeigeführt hat.
Der Abgang bei den Lokalbahnen beträgt 169 Millionen Kè,
beim Außenministerium 72 Millionen Kè, die Bezüge
der Mlitärgagisten sind um 56 Millionen, die Naturalversorgung
der Mannschaft um 36 Millionen Kè überschritten worden.
Es zeigt sich hier auch die Tatsache, die wir bei der Beratung
des Budgets ausgestellt haben, daß die Militärverwaltung
Rücksicht zu nehmen hatte auf die allgemeine eingetretene
Teuerung. Für Sprengstoffe hat man 10 Millionen mehr ausgegeben
als vorgesehen waren. Sie werden doch zugeben, das sind wichtige
Ausgaben, die gemacht werden sollen, denn wir lesen alle Augenblicke
von den furchtbaren Katastrophen, die durch diese Sprengstoffe
herbeigeführt worden sind. Wir erinnern uns noch sehr gut
an den Leichtsinn, mit dem die Sprengstoffe in der Hauptstadt
Prag expediert worden sind, wie man die ganze Bevölkerung
der Tischlergasse der Gefahr ausgesetzt hat, in die Luft gesprengt
zu werden. Das Unglück ist auf den Leichtsinn zurückzuführen,
mit dem die Militärverwaltung solche Dinge behandelt. Die
Unifizierung der Ausgaben der russischen Legionäre ist mit
20 Millionen überschritten worden. Es ist eine neue Post
eingestellt worden, man hat sie nicht vorgesehen gehabt, trotzdem
man wußte, daß sie fällig ist. Das Budget wäre
eben sonst schlechter ausgefallen, der Verlust wäre höher
gewesen. Der Etat der Gendarmerie wurde um 28 Millionen überschritten,
die Argumentation und Ausrüstung der Mannschaft hat um 13
Millionen mehr erfordert, als vorgesehen war. Sie werden mir alle
zugeben, daß das ungeheuer wichtige Ausgaben sind, die gemacht
wurden und die sich als notwendig erwiesen haben. Die Militärverwaltung
- und das ist bezeichnend dafür - hat sich noch in keinem
Jahre um die Einhaltung des Voranschlages gekümmert, sie
hat niemals darauf Rücksicht genommen sondern sie hat ganz
einfach nach ihren Willen und nach ihren Notwendigkeiten verfügt
und Überschreitungen vorgenommen. Sie weiß ja, daß
in diesem Hause alles pardoniert wird. Das Ministerium für
nationale Verteidigung weiß, daß es niemand von den
Regierungsparteien wagt, gegen dieses System ein Wort der Kritik
zu sagen, und darum werden diese Überschreitungen
zur Gewohnheit. Die Liquidation der Garantieverpflichtungen des
Staates für Remboursforderungen der Anglo-èechoslovakischen
Bank hat 130 Millionen Kè erfordert, auch eine ganz merkwürdige
Post, die da im Rechnungsabschluß erscheint.
Die vierte Rate für den Ankauf des Hauses, in dem wir tagen,
für das Rudolphinum ist um 6 Millionen überschritten
worden. Man mußte doch gewußt haben, daß das
Haus gekauft die Raten bezahlt werden mußten, daß
man den Betrag abuzustatten hat. Aber bei der Aufstellung des
Voranschlages hat man an die 6 Millionen ganz einfach vergessen.
Beim Neubau des Gesundheitsministeriums, der auch beschlossen
worden ist, ist ebenfalls eine Überschreitung von 3.5 Millionen,
beim Ministerium für soziale Fürsorge von 6.8 Millionen
zu verzeichnen. Der Bau von Minderheitsschulen hat 18.4 Millionen
mehr erfordert, als vorgesehen war. Wir würden des Geheimnis
gerne gelöst sehen, wo und für wen diese Minderheitsschulen
errichtet wurden; ob das eine einseitige Ausgabe ist oder ob auf
alle Minderheiten Rücksicht genommen worden ist. Wir sind
nicht dagegen, daß Minderheitsschulen errichtet werden;
dort wo sie notwendig und unentbehrlich und wo sie wirklich ein
Kulturbedürfnis sind wollen wir der Errichtung der Minderheitsschulen
gerne zustimmen. Aber das beruht auf Gegenseitigkeit, das
gilt für alle Minderheitsschulen ohne Ausnahme. Leider sehen
wir, daß oft in ungerechter Weise vorgegangen wurde, daß
beispielsweise Schulen errichtet worden sind, èechische
Minderheitsschulen, für die man überhaupt
keine Schüler hatte, wo man die Schüler aus deutschen
Kreisen zusammentrommeln und zusammenfechten mußte, nur
damit diese Schulen eröffnet werden konnten. Solche Schulen
sind errichtet worden, während die deutschen Schulklassen
gesperrt wurden und die Sperrung unentwegt fortschreitet.
Der Rechnungsabschluß gibt uns also keinen
Beweis dafür, daß in der Staatsverwaltung, resp. in
der Finanzverwaltung die seinerzeit versprochene Konsolidierung
eingetreten ist. Wir ersehen aus dem Abschluß vielmehr,
daß in derselben Art und nach demselben System weiter gewirtschaftet
wird, wie man angefangen hat. Zu einer solchen Wirtschaft können
wir kein Vertrauen haben und darum sind wir nicht in der Lage,
die Genehmigung des Rechnungsabschlusses auszusprechen. Wir ersehen
daraus, daß das System, das wir bisher immer bekämpften,
nicht gebrochen ist, sondern weiterhin in voller Blüte steht.
(Souhlas poslancù nìmecké soc.
dem. strany dìlnické.)