Hohes Haus! Eine Vorlage von ungeheuerer Bedeutung
und Tragweite liegt uns heute zur Entscheidung vor. Unser ganzes
Steuersystem soll, soweit es die direkten Steuern betrifft, neugestaltet
und in einem Gesetz vereinigt werden. Nach einem großzügigen
Plan wird alles in eine Form gegossen, welche den administrativen
Steuerdienst erleichtert und vereinfacht. Uns muß sich vor
allem die Frage aufdrängen: "Wird diese Steuerreform
dem werktätigen Volke wesentliche Erleichterungen bringen?"
Darauf gibt es nur ein kategorisches "Nein!" Die drükkenden
Lasten der indirekten Steuern, die die Wirtschaft so sehr erschweren
und den Konsum unterbinden, bleiben im vollem Umfange bestehen
und es wird an eine Einschränkung dieser Lasten nicht gedacht.
Der Entwurf zielt in seinem ganzen Wesen nicht
nur auf eine weitgehende Entlastung der besitzenden Klassen und
innerhalb dieser wieder der agrarischen Schichten (Grund- und
Hausklassensteuer), der großen Kapitalsvereinigungen (besondere
Erwerbsteuer) und des mobilen Kapitales (Rentensteuer) ab, sondern
er tut es vielfach auch in einer besonders hinterhältigen
Weise, indem er sich zwar beim Abbau der Steuersätze anscheinend
eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, dafür aber in
die Steuergrundlage weite Lücken reißt. Dadurch sollen
zunächst die breiten Massen der Bevölkerung über
das wahre Ausmaß der künftigen Belastung der besitzenden
Klassen getäuscht und diesen eine weitergehende Erleichterung
gewährt werden, als sie nach Lage der politischen Verhältnisse
ohne die gewählte Verschleierung auf dem direkten Wege einer
noch weitergehenden Herabsetzung der Steuerfüße durchzusetzen
vermöchten. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Slavíèek.)
In der weiteren Folge muß sich aber dieses
System der Steuerdemagogie an seinen eigenen Urhebern dadurch
rächen, daß jede solche Lücke bald von den Steuerberatern
der kapitalistischen Kreise zu allerlei Steuerumgebungen benützt
werden wird, die weit über die von den Verfassern des Entwurfes
gewollte Verringerung der direkten Steuern hinaus sich nicht nur
fiskalisch stark fühlbar machen, sondern auch volkswirtschaftlich
höchst abträglich wirken werden, da die Umgehungsmöglichkeiten
je nach Lage des Falles der einen von mehreren, sonst unter gleichen
Bedingungen konkurrierenden Unternehmungen leichter, der anderen
schwerer oder gar nicht zugänglich sind. So werden große
Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung entstehen, und
zwar regelmäßig mit dem Ergebnis, daß die stärkeren
Unternehmungen sich leichter als die schwächeren, die ausländischen
leichter als die inländischen einer wirksamen Besteuerung
entziehen. Die extrem kapitalistische Tendenz des Entwurfes erhellt
am besten daraus, daß die Lücken, von denen im Vorstehenden
gesprochen wurde, nicht etwa dadurch entstehen, daß der
Entwurf irgend welchen revolutionären Schutt auf dem Gebiet
des direkten Steuerrechtes wegräumt, sondern eine Reihe von
Grundsätzen des alten österreichischen Personalsteuergesetzes
preisgibt, eines Gesetzes, das soweit von Revolutionen und Kapitalsfeindlichkeiten
entfernt ist, wie es eben nur ein Gesetz sein kann, das in den
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts von einem ausschließlich
aus Vertretern der besitzenden Klassen gebildeten Parlamente geschaffen
wurde.
Es bedarf nicht erst des Beweises, daß
der hochentwickelten Technik des Kapitalismus, wie sie sich in
dem seither verflossenen Menschenalter herausgebildet hat, daß
den Trusts und Kartellen, den Holding-Gesellschaften und Konzernen
und all den anderen Organisationsformen einer fortgeschrittenen
kapitalistischen Entwicklung, die in den 90er Jahren wenigstens
in Mitteleuropa, wenn überhaupt, erst in schüchternen
Anfängen bekannt waren, daß aber auch den Erscheinungen
der Kapitalsund Steuerflucht und den in ihrem Gefolge einhergehenden
Verausländerungen, Deckkonten und wie diese Dinge alle heißen,
mit Gesetzesbestimmungen aus den 90er Jahren unmöglich beizukommen
ist, daß vielmehr ganz neue Methoden der Steuertechnik notwendig
wären. Wie aber erst, wenn statt neue Abwehrmittel zu schaffen,
noch die alten abgebaut werden?
Im Motivenbericht wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß die Frage der Aufteilung der Steuerlast
ein vorwiegend soziales und politisches Problem sei. Zum Ausdruck
kommt aber bei dieser Reform keine soziale Ausgleichung, sondern
nur der Machthunger der bürgerlichen Koalition, recht viele
Vorteile für ihre Klasse herauszuschinden, was in
den Abänderungsanträgen der "Osmièka"
ihr en beredten Ausdruck findet. Ein kritisches Wort über
die Art der Gesetzmacherei, wie sie bei uns zur Methode geworden
ist: Früher war es die sogenannte Pìtka, die die verfassungsmäßigen
Instanzen brüsk zur Seite schob und ganz
einfach mit dem "Vogel friß oder stirb!" fertige
und unabänderliche Tatsachen schuf und so den Ausschüssen
und den parlamentarischen Körperschaften jede Einflußnahme
auf die Gesetzgebung raubte. In unzähligen Reden haben deutsche
Landbündler und Christlichsoziale gegen die Beiseiteschiebung
der verfassungsmäßigen Körperschaften in der leidenschaftlichsten
Weise protestiert. Die Minister Prof. Spina und Mayr-Harting
mögen ihre seinerzeitigen Reden nachlesen, in denen sie
dieses System in Grund und Boden verdammten und wenn ihnen
noch ein Quentchen Schamgefühl verblieben ist, so müßten
sie jetzt, an der Macht als Regierungsparteien teilnehmend, diesen
Unfug beseitigen. Aber nichts von alledem. Sie sitzen jetzt in
der "Osmièka", die alten Methoden
bleiben unberührt und die Herren Windirsch und Bobek
gefallen sich heute in der Rolle der Diktatoren; sie haben
sich in dieses System, dem ihr jahrelanger Kampf galt, rasch eingelebt
und vergessen ganz daran, daß sich wieder einmal die
Gewalt gegen sie kehren wird. Bezeichnend sind die vielen Abänderungsanträge
der "Osmièka" und die Nachrichten, die aus dem
Beratungszimmer dieser Herren dringen, bestätigen nur, daß
die Vertreter der deutschen Landbündler und Christlichsozialen
die reaktionärsten Anträge vertreten
und unterstützen. Eine Reform in solchem Umfang und von solcher
Bedeutung müßte unter Teilnahme aller Parteien gemacht
werden und in den einleitenden Reden des Herrn Generalberichterstatters
und des Herrn Finanzministers wurde die Opposition zur Mitarbeit
aufgefordert und eingeladen. In den vielen, vielen Sitzungen haben
sich die Vertreter der Oppositionsparteien bemüht, Verbesserungen
unter besonderer Berücksichtigung der Notlage der werktätigen
Bevölkerung durchzusetzen. An dem starren System der Koalition
prallten alle Einwände ab, die brutale Zahl der Majorität
entschied und so ist das Gesetz in seiner heutigen Form, wie es
dem hohen Hause zur Beratung vorliegt, entstanden. Wenn wir nochmals
hier all die Mängel und Gebrechen kritisieren und ihre Abänderung
beantragen, so tun wir dies in treuer Pflichterfüllung gegenüber
unseren Mandataren und die Zeit, die Lenkerin der Geschichte,
wird die Berechtigung unseres heroischen Kampfes um eine soziale
und gerechte Steuerreform anerkennen.
Bei den Physiokraten, bei Adam Smith und seiner
Schule, bei Malthus, bei Ricardo so, wie bei allen anderen Ausläufern
der klassischen Schule und ihren Epigonen hat stets die Theorie
zu zeigen gehabt, welche Politik man zu treiben hat, vor allem
welche Steuerpolitik, welche Handelspolitik, kurz wie unser ganzes
Wirtschaftsleben befruchtet und von allen hemmenden Fesseln freigehalten
werden kann. Schon im alten Römerreiche finden wir Ansätze
eines Steuersystems, das diesen Grundsätzen gerecht zu werden
suchte. Im Mittelalter bis zur Zeit des Merkantilsystems, in welchem
die Naturalwirtschaft von der Geldwirtschaft abgelöst wurde,
wurden die Ansprüche an den freien Bauern derart gesteigert,
daß er es nicht ertragen konnte; er sank immer tiefer in
die Knechtschaft, bis er schließlich in die Leibeigenschaft
der großen Grundherren verfiel und diese als die unumschränkten
Machthaber über Leib und Leben ihrer Untertanen verfügten.
Die aufkommende Stadt war der erste Mikrokosmus des Staates. Es
bildete sich das gewerbliche und handeltreibende Bürgertum
und damit die Idee der öffentlich-rechtlichen Steuerpflicht:
Direkte Steuern wurden eingehoben vom Einkommen und Vermögen,
ferner Haus-, Grund- und Gewerbesteuern, aber nicht als rohe Kopfsteuer,
sondern abgestuft nach der Steuerkraft des Einzelnen. Erhoben
wurden diese Steuern durch die Selbsteinschätzung, die Steuermoral
war hoch entwickelt, man brauchte nicht eigene Strafbestimmungen
gegen die Steuerhinterziehung.
Mit der Änderung der Kriegstechnik, die
auch eine Wandlung in wirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher
Hinsicht zur Folge hatte, wuchs die Macht der Fürsten, die
Staatsmacht festigte sich und riß die Steuerhoheit an sich.
Die Verbrauchsteuern, deren Ansätze weit zurückreichen,
wurden zu großen Einnahmsquellen erschlossen und der gemeine
Mann war rückhaltlos dem Steuereinnehmer preisgegeben. Dem
Engländer Adam Smith war es vorbehalten, Grundsätze
aufzustellen, deren sittlicher Inhalt von allen Nationalökonomen
anerkannt wurde. Sie lauten:
1. Die Steuer soll gerecht sein, das heißt
die Untertanen sollen so genau wie möglich zu ihren Fähigkeiten
besteuert werden.
2. Die Steuer soll bestimmt sein, das heißt
die Steuer, die ein jedes Individuum zu zahlen verpflichtet ist,
soll bestimmt und nicht willkürlich sein. Die Zeit der Zahlung,
die Art der Zahlung, sowie die zu zahlende Qualität sollen
dem Steuerzahler und jeder anderen Person klar und deutlich sein.
3. Die Steuer soll bequem sein, das heißt
jede Steuer soll zu der Zeit und in der Art erhoben werden, in
der es am wahrscheinlichsten ist, daß der Steuerzahler sie
bequem zahlen kann.
4. Die Steuer soll wohlfeil sein, das heißt
jede Steuer soll so ersonnen werden, daß sie möglichst
wenig aus den Taschen des Volkes entnimmt und fernhält über
das hinaus, was sie dem öffentlichen Staatsschatz einbringt,
mit anderen Worten, die Erhebungskosten der Steuern sollen so
gering als möglich sein.
Wie stellt sich nun unsere Finanzverwaltung
zu den Smithschen Grundsätzen bei der Steuerreform? Sie kehrt
sie direkt ins Gegenteil. Nicht das gerechte und sittliche System
der Gleichmäßigkeit kommt in ihr zum Ausdruck, im Gegenteil,
der Besitzklasse werden Erleichterungen in großem Ausmaß
geschaffen, während die werktätige Bevölkerung
in den Begünstigungsbestimmungen nahezu leer ausgeht.
Um dies zu beweisen, untersuchen wir einmal unser ganzes Steuersystem.
Nach dem Voranschlag für das Jahr 1927 bringen wir auf: an
direkten Steuern 2.167,272.600 Kè, an indirekten Steuern
6.494,294.250 Kè. Dazu kommt dem Charakter nach als indirekte
Steuern die Einnahme aus den Monopolen,
der Tabakregie und vom Verkauf des Spiritus in der Höhe von
1.349,578.864 Kè, insgesamt also 10.011,145.514 Kè
an Steuern. Es stehen daher den direkten Steuern von 2.167,272.600
Kè indirekte Steuern in der Höhe von 7.848,873.114
Kè gegenüber oder prozentuell berechnet 22 zu 78%.
Die Steuerlast, die der einzelne Bürger zu tragen hat, ist
so hoch geworden, daß alles unter dieser Last zusammenbricht.
Dies bestätigt vor allem der Bericht der Finanzverwaltung
über die Höhe der Steuerrückstände,
die bis Ende 1925 nach dem Bericht des Obersten Kontrollamtes
die Höhe von 4,5 Milliarden Kè erreichten. Gerade
bei den direkten Steuern sind die unerhörten Rückstände,
woran vor allem die verspäteten Vorschreibungen die Ursache
sind. Diese Verspätung aber ist zurückzuführen
auf die Desorganisation der Steueradministrationen, die ihren
eigentlichen Aufgabenkreis nicht erfüllen konnten, weil sie
mit anderen Arbeiten überbürdet wurden. Der junge Staat
konnte sich nicht genug tun an Einführung neuer Steuerquellen;
die Schaffung der eigenen Währung ohne die notwendige Vorbereitung,
die Vermögensabgabe und die damit verbundenen Konskriptionen,
die Umsatzsteuer und die sonstigen finanzwirtschaftlichen Reformen
forderten soviel Zeit und Mühe, daß all dies zusammen,
weil nicht planmäßig vorbereitet, ein Chaos herbeiführte,
in welchem es kein Ordnen, kein klagloses Funktionieren mehr gab.
Haben Sie sich jemals gefragt: "Können wir dies alles
verdauen? Ist der administrative Dienst so ausreichend organisiert,
daß, die Durchführung dieser Gesetze gesichert ist?"
Die Regierungsparteien sind mitschuldig, vor allem aber unsere
damalige Finanzverwaltung, die bei der Durchführung vollständig
versagte. Dazu wirkten insbesondere mit: 1. die Deflationskrise,
2. die Übersteuerung und 3. die allgemeine Weltkrise
mit Berücksichtigung der besonderen Krise in der Èechoslovakei,
um unser blühendes Wirtschaftsleben zum Verfall zu bringen
und hievon einen Trümmerhaufen zu hinterlassen. Wohl paradieren
wir mit einer aktiven Handelsbilanz, aber die
schweren Opfer, die wir hierfür bringen müssen, wiegen
den Vorteil vollständig auf. In immer kürzeren Zwischenräumen
verschärfen sich die wiederkehrenden Krisen, die Arbeitslosigkeit
tausender fleißiger Hände wird zur ständigen Erscheinung,
Kurzarbeit und zum Teil vollständige Stillegung von Betrieben
gehören zum Inventar unserer Wirtschaft. Und was uns das
Aktivum unserer Handelsbilanz auf der einen Seite bringt, wird
auf der anderen Seite durch Ausgleiche und Konkurse zusammengebrochener
Unternehmungen mehr als aufgezehrt.
Das Aktivum der Handelsbilanz betrug in den
vier Jahren 1923 bis 26 eine Summe von 7339.9
Millionen Kè. Die Verluste, die die Volkswirtschaft durch
Ausgleiche und Konkurse in derselben Zeit erlitten hat, betrugen
in Summe 3472.8 Mill. Kè, die sich noch
erhöht, nachdem die Aktivwerte nicht in der ausgewiesenen
Höhe verwertet werden konnten. Rechnet man dazu die Kapitalsverluste
der Industrie und Handelsunternehmungen und die infolge der Deflation
bei den Waren und Rohstoffbeständen eingetretenen
Wertverluste, so wird bestätigt, daß das Aktivum der
Handelsbilanz spurlos verschwindet und der Volkswirtschaft keinerlei
Erleichterung bringt.
Wenn man bedenkt, über welchen Reichtum
an Bodenschätzen der Staat verfügt, welch arbeitsames
und fleißiges Volk hier wohnt, und wenn man dagegen vergleicht,
wie wir immer tiefer in Not und Elend geraten, dann kommen uns
die schweren Sünden des fanatischen Rausches der ersten Periode
unserer Staats- und Volkswirtschaft zum Bewußtsein und man
sagt nicht zu viel mit der Behauptung: Wir haben leichtfertig
vergeudet und ein vollgerütteltes Maß der Schuld trifft
die Staatsverwaltung, die planlos und ziellos experimentierte.
Die Übersteuerung hat mit beigetragen
zu dem katastrophalen Niedergang der Wirtschaft, der Export leidet
unter den unsicheren Handelsbeziehungen mit unseren Nachbarstaaten
und so wird die Absatzkrise verschärft durch geringe Aufnahmsfähigkeit
des inneren Marktes. Die werktätige Bevölkerung ist
verelendet, der sogenannte Mittelstand durch Inflation und Deflation
verfallen, viele dieser beiden Schichten gehen in Jammer und Not
unter. Während der Zeit des Unterganges des einen Teiles
erntete der andere Teil, führte ein aufreizendes Prasser-
und Luderleben, vergiftet Sitte und Moral und gerade diesem Teil
soll die Steuerreform in erster Linie Erleichterungen bringen.
Wenn man schon an einen Steuerabbau denkt, warum beginnt man nicht
bei den indirekten Steuern, bei der Umsatzsteuer, Verkehrssteuer,
Kohlensteuer? Würde nicht auch damit die Ankurbelung der
Wirtschaft erleichtert? Oder gilt wirklich als die Hauptursache
der Dringlichkeit der Steuerreform einzig und allein die Erleichterung
der Unternehmertätigkeit, wie es der Motivenbericht so verschämt
ausspricht? Eine große Erleichterung für Handel und
Industrie bringt die Entspannung des Geldmarktes, denn schließlich
und endlich war auch der hohe Zinsfuß, die Versteifung des
Geldmarktes ein ganz bedeutendes Hindernis für den gesunden
Wiederaufbau der Wirtschaft.
Nun noch ein Wort zur Handelsbilanz. Man hört
allgemeines Frohlocken über die Aktivität, die Berichte
der letzten Monate werden zu einer Hymne, als wäre alles
eitel Gold. Können wir wirklich so stolz auf diese Ziffern
sein, oder müßten sie uns nicht zu Nachdenken zwingen?
Im ersten Quartal des Jahres 1927 ergibt sich gegen das Jahr 1926
eine Mindereinfuhr von 535 Millionen Kè und eine Minderausfuhr
von 236 Millionen Kè. Eine Mindereinfuhr deshalb, weil
unser Markt nicht aufnahmsfähig ist, weil mächtige Industrien
stillstehen und daher weniger Rohware
zur Veredelung bedürfen. Und die 236 Millionen Kè
Minderausfuhr? Sie sagen uns, daß wir auf unseren Absatzmärkten
immer mehr und mehr verdrängt werden, daß andere fremde
Lieferanten sich zu unseren früheren Abnehmern hindrängen
und uns langsam, aber stetig verdrängen. Wie viele Hände
würden beschäftigt werden können, wenn unsere Ausfuhrziffer
zumindest auf der gleichen Höhe geblieben wäre, wie
im Vorjahre! Und wie war es im Jahre 1926? Auch hier beträgt
die Mindereinfuhr gegen das Jahr 1925 2332.6
Millionen, die Minderausfuhr 951 Millionen Kè, trotzdem
uns der englische Kohlenstreik eine erhöhte Ausfuhr an Kohle
brachte. Von den Erzeugnissen aus Baumwolle haben wir im Jahre
1926 um 456 Millionen Kè weniger ausgeführt, Wollwaren
um 146 Millionen Kè weniger, Holzwaren um 34 Millionen
Kè, Glaswaren um 129 Millionen Kè, Rohstoffe und
Maschinen für die Landwirtschaft um 228 Millionen Kè;
in diesen 5 Warengattungen zusammen um 895 Millionen Kè
weniger, eine Summe, die uns die Verschärfung der Krise wohl
erklärt. Und was geschieht zur Sicherung des Absatzes auf
den Auslandsmärkten von Seite unserer Regierung? Sie sperrt
durch erhöhte Zölle die Grenzen ab, bringt die Verhandlungen
über Handelsverträge mit unseren wichtigsten Partnern
durch unerfüllbare Forderungen zum Scheitern und hüllt
sich zu allem in ein vornehmes Schweigen, mag's drunter und drüber
gehen, wie es will. Ja, früher mußte sie besorgt sein,
die Arbeitslosen zu unterstützen und dies verschlang eine
große Summe Geldes, jetzt aber seit Einführung des
Genter Systems ist sie von dieser Sorge befreit, die Gewerkschaften
mögen sich kümmern, wo sie die Mittel hernehmen, um
die Arbeitslosen vor dem Verhungern zu schützen.
Und trotzalledem fehlen dem Staate die Mittel,
die er für die Staatswirtschaft braucht und es gäbe
nur einen Weg, diesen Zustand zu bessern durch einen radikalen
Abbau der Ausgaben. Die Verzinsung, Amortisation und Verwaltung
der Staatsschuld allein beträgt bei einem Schuldenstand von
35 Milliarden Kè rund 235 Milliarden. Kein Mensch
weiß aber, welche Höhe die Staatsschuld erreichen wird,
denn nach Artikel 208 des Friedensvertrages sind die Nachfolgestaate
verpflichtet, den Wert des von Österreich und Ungarn übernommenen
öffentlichen Gutes in die gemeinsame Reparationskasse zu
bezahlen. Zu einer einheitlichen Wertermittlung ist es bis jetzt
nicht gekommen, weil die Schätzungen so weit auseinandergehen,
aber eines Tages wird die Reparationskommission unseren sogenannten
Befreiungsbeitrag festsetzen, um den sich sodann die Staatsschuld
erhöhen würde. Ich schließe mich all den Stimmen
an und erkläre mit ihnen, daß wir wirtschaftlich nicht
in der Lage sind, einen Befreiungsbeitrag zu leisten, denn die
öffentlichen Güter wurden mit unseren Geldern bezahlt,
die historischen Länder waren es, die die Hauptlast
der Steuern in früheren Zeiten zu zahlen hatten. Bedeutungsvoll
ist für uns aber, daß sich die Zinsenlast erheblich
erhöhen würde, wenn die Reparationskommission eine für
die Èechoslovakei ungünstige Entscheidung treffen
würde. Die Staatsschuld beträgt
heute schon 2500 Kè pro Kopf, also weit mehr als genug.
Eine weitere unsinnig große Belastung bildet unser Militäretat.
Die Ausgaben betragen nach dem Voranschlage 1370 Millionen Kè,
wozu noch der Rüstungsfond per 315 Millionen Kè kommt.
Bis auf die punzierten Militaristen sind sich
alle einig, daß unser kleiner Staat mit seinen ca 14 Millionen
Einwohnern diese Last nicht ertragen kann. Die territoriale Lage
des Staates mit seinen langgestreckten Grenzen läßt
eine wirksame Verteidigung nicht zu und die letzten Tage werden
ihnen wohl zum Bewußtsein gebracht haben, daß ein
Bündnis nichts anderes ist, als ein Fetzen Papier, der durch
einen einzigen Zug einer Großmacht zerrissen werden kann.
Besonnerer Freundschafts- und Verständigungswille würden
uns bessere Früchte tragen als Säbelrasseln, würde
auch unsere Handelsbeziehungen erheblich bessern.
Der Weltkrieg hat alles bis zum Weißbluten
gebracht. Die Staaten sind verschuldet, die Steuerschraube zum
Platzen angezogen. Trotzdem wird in allen Ländern fieberhaft
gerüstet. Die Technik schreitet aber von Tag zu Tag vorwärts,
insbesondere aber die Verbesserung der Mord- und Giftwaffen und
alles, was wir heute an Rüstungsgegenständen anschaffen,
wird in den nächsten Jahren wertloser Plunder und Alteisen
sein. Die Vernunft müßte uns daher zwingen, die Berechtigung
solcher Ausgaben auf das genaueste zu untersuchen und sie auf
ein Mindestmaß einzuschränken. In allen Variationen
tönen uns die Worte entgegen: "Wir sind arm geworden
und müssen uns den Verhältnissen anpassen." Ja,
tun wir dies vor allem bei unserem Ausgabenetat, erleichtern wir
das Los der großen Masse der Bevölkerung, indem wir
den Druck der indirekten Steuern mildern und die Lebenshaltung
erleichtern. Wir gehen aber den umgekehrten Weg, entziehen durch
die verminderte Kaufkraft dem inneren Markt den Absatz und tun
so alles, den Leerlauf der Wirtschaft in einen dauernden Zustand
zu verwandeln. Blicken Sie hinaus in die Welt, wie sich da alles
lebendig und kraftvoll mit den großen Problemen der Zeit
beschäftigt, wie Fusionierung, Rationalisierung und Egalisierung
die Wirtschaft erleichtern soll, und wie vor allem die Kartellbildung
eine Industriegruppe um die andere erfaßt. Unsere Wirtschaftskörper
aber verlegen sich aufs Raunzen, anstatt selbst tatkräftig
mit Hand anzulegen, um den toten Punkt zu überwinden.
Alle die Umstände, die hier angeführt
wurden, erfordern eine erhöhte Tatkraft der Arbeiterklasse,
denn schließlich und endlich wird darum gekämpft, ob
die Errungenschaften der Revolutionszeit weiter bestehen
oder aufgehoben werden sollen. Es ist doch kein Zufall, daß
sich das Bürgertum in der Èechoslovakei in einer Koalition
nur zu dem Zwecke zusammengefunden hat, den reaktionären
Gelüsten freien Lauf lassen zu können. Von den Zöllen
und der Kongrua angefangen, bis zur geplanten
Verwaltungsreform, der Aufhebung des Soldatenwahlrechtes und zu
der Verschlechterung der Sozialversicherung wird ein Zug sichtbar:
Die Macht des Bürgertums zu festigen, die Arbeiterklasse
zu knebeln und zu drücken. Dient nicht auch die in Beratung
stehende Vorlage letzten Endes diesem Zwecken? Aus welchen Quellen
stammen denn die hohen Eingänge der Personaleinkommensteuer?
Wir haben in Böhmen 948.602 Zensiten mit einem Einkommen
bis zu 20.000 Kè. Im Jahre 1914 hatten wir in den historischen
Ländern insgesamt nur 415.137 Zensiten mit einem Steuerertrag
von 33,506.176 Kè, während im Jahre 1925 laut Ertragstabelle
1247 Millionen vorgeschrieben wurden. Das ist eine Steigerung
um 3.600%, so daß man nicht von einer Valorisierung
des Goldindexes sprechen kann. Von den direkten Steuern überragt
daher die Personaleinkommensteuer alles andere bei weitem und
bringt um ca 500 Millionen Kè mehr, als die Grund-,
Gebäude-, allgemeine und besondere Erwerbsteuer, die Rentensteuer
und die Tantiemenabgabe. Die Hauptlast von diesen großen
Eingängen hatten aber die 948.602 Zensiten mit einem Einkommen
bis zu 20.000 Kronen zu tragen, und ich glaube
kaum, daß irgend einer in diesem Saale die vorerwähnten
Steuerträger zur Besitzklasse zählen dürfte.