Úterý 3. kvìtna 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 77. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v úterý dne 3. kvìtna 1927.

1. Øeè posl. Dietla (viz str. 810 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Eine Vorlage von ungeheuerer Bedeutung und Tragweite liegt uns heute zur Entscheidung vor. Unser ganzes Steuersystem soll, soweit es die direkten Steuern betrifft, neugestaltet und in einem Gesetz vereinigt werden. Nach einem großzügigen Plan wird alles in eine Form gegossen, welche den administrativen Steuerdienst erleichtert und vereinfacht. Uns muß sich vor allem die Frage aufdrängen: "Wird diese Steuerreform dem werktätigen Volke wesentliche Erleichterungen bringen?" Darauf gibt es nur ein kategorisches "Nein!" Die drükkenden Lasten der indirekten Steuern, die die Wirtschaft so sehr erschweren und den Konsum unterbinden, bleiben im vollem Umfange bestehen und es wird an eine Einschränkung dieser Lasten nicht gedacht.

Der Entwurf zielt in seinem ganzen Wesen nicht nur auf eine weitgehende Entlastung der besitzenden Klassen und innerhalb dieser wieder der agrarischen Schichten (Grund- und Hausklassensteuer), der großen Kapitalsvereinigungen (besondere Erwerbsteuer) und des mobilen Kapitales (Rentensteuer) ab, sondern er tut es vielfach auch in einer besonders hinterhältigen Weise, indem er sich zwar beim Abbau der Steuersätze anscheinend eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, dafür aber in die Steuergrundlage weite Lücken reißt. Dadurch sollen zunächst die breiten Massen der Bevölkerung über das wahre Ausmaß der künftigen Belastung der besitzenden Klassen getäuscht und diesen eine weitergehende Erleichterung gewährt werden, als sie nach Lage der politischen Verhältnisse ohne die gewählte Verschleierung auf dem direkten Wege einer noch weitergehenden Herabsetzung der Steuerfüße durchzusetzen vermöchten. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

In der weiteren Folge muß sich aber dieses System der Steuerdemagogie an seinen eigenen Urhebern dadurch rächen, daß jede solche Lücke bald von den Steuerberatern der kapitalistischen Kreise zu allerlei Steuerumgebungen benützt werden wird, die weit über die von den Verfassern des Entwurfes gewollte Verringerung der direkten Steuern hinaus sich nicht nur fiskalisch stark fühlbar machen, sondern auch volkswirtschaftlich höchst abträglich wirken werden, da die Umgehungsmöglichkeiten je nach Lage des Falles der einen von mehreren, sonst unter gleichen Bedingungen konkurrierenden Unternehmungen leichter, der anderen schwerer oder gar nicht zugänglich sind. So werden große Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung entstehen, und zwar regelmäßig mit dem Ergebnis, daß die stärkeren Unternehmungen sich leichter als die schwächeren, die ausländischen leichter als die inländischen einer wirksamen Besteuerung entziehen. Die extrem kapitalistische Tendenz des Entwurfes erhellt am besten daraus, daß die Lücken, von denen im Vorstehenden gesprochen wurde, nicht etwa dadurch entstehen, daß der Entwurf irgend welchen revolutionären Schutt auf dem Gebiet des direkten Steuerrechtes wegräumt, sondern eine Reihe von Grundsätzen des alten österreichischen Personalsteuergesetzes preisgibt, eines Gesetzes, das soweit von Revolutionen und Kapitalsfeindlichkeiten entfernt ist, wie es eben nur ein Gesetz sein kann, das in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts von einem ausschließlich aus Vertretern der besitzenden Klassen gebildeten Parlamente geschaffen wurde.

Es bedarf nicht erst des Beweises, daß der hochentwickelten Technik des Kapitalismus, wie sie sich in dem seither verflossenen Menschenalter herausgebildet hat, daß den Trusts und Kartellen, den Holding-Gesellschaften und Konzernen und all den anderen Organisationsformen einer fortgeschrittenen kapitalistischen Entwicklung, die in den 90er Jahren wenigstens in Mitteleuropa, wenn überhaupt, erst in schüchternen Anfängen bekannt waren, daß aber auch den Erscheinungen der Kapitalsund Steuerflucht und den in ihrem Gefolge einhergehenden Verausländerungen, Deckkonten und wie diese Dinge alle heißen, mit Gesetzesbestimmungen aus den 90er Jahren unmöglich beizukommen ist, daß vielmehr ganz neue Methoden der Steuertechnik notwendig wären. Wie aber erst, wenn statt neue Abwehrmittel zu schaffen, noch die alten abgebaut werden?

Im Motivenbericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Frage der Aufteilung der Steuerlast ein vorwiegend soziales und politisches Problem sei. Zum Ausdruck kommt aber bei dieser Reform keine soziale Ausgleichung, sondern nur der Machthunger der bürgerlichen Koalition, recht viele Vorteile für ihre Klasse herauszuschinden, was in den Abänderungsanträgen der "Osmièka" ihr en beredten Ausdruck findet. Ein kritisches Wort über die Art der Gesetzmacherei, wie sie bei uns zur Methode geworden ist: Früher war es die sogenannte Pìtka, die die verfassungsmäßigen Instanzen brüsk zur Seite schob und ganz einfach mit dem "Vogel friß oder stirb!" fertige und unabänderliche Tatsachen schuf und so den Ausschüssen und den parlamentarischen Körperschaften jede Einflußnahme auf die Gesetzgebung raubte. In unzähligen Reden haben deutsche Landbündler und Christlichsoziale gegen die Beiseiteschiebung der verfassungsmäßigen Körperschaften in der leidenschaftlichsten Weise protestiert. Die Minister Prof. Spina und Mayr-Harting mögen ihre seinerzeitigen Reden nachlesen, in denen sie dieses System in Grund und Boden verdammten und wenn ihnen noch ein Quentchen Schamgefühl verblieben ist, so müßten sie jetzt, an der Macht als Regierungsparteien teilnehmend, diesen Unfug beseitigen. Aber nichts von alledem. Sie sitzen jetzt in der "Osmièka", die alten Methoden bleiben unberührt und die Herren Windirsch und Bobek gefallen sich heute in der Rolle der Diktatoren; sie haben sich in dieses System, dem ihr jahrelanger Kampf galt, rasch eingelebt und vergessen ganz daran, daß sich wieder einmal die Gewalt gegen sie kehren wird. Bezeichnend sind die vielen Abänderungsanträge der "Osmièka" und die Nachrichten, die aus dem Beratungszimmer dieser Herren dringen, bestätigen nur, daß die Vertreter der deutschen Landbündler und Christlichsozialen die reaktionärsten Anträge vertreten und unterstützen. Eine Reform in solchem Umfang und von solcher Bedeutung müßte unter Teilnahme aller Parteien gemacht werden und in den einleitenden Reden des Herrn Generalberichterstatters und des Herrn Finanzministers wurde die Opposition zur Mitarbeit aufgefordert und eingeladen. In den vielen, vielen Sitzungen haben sich die Vertreter der Oppositionsparteien bemüht, Verbesserungen unter besonderer Berücksichtigung der Notlage der werktätigen Bevölkerung durchzusetzen. An dem starren System der Koalition prallten alle Einwände ab, die brutale Zahl der Majorität entschied und so ist das Gesetz in seiner heutigen Form, wie es dem hohen Hause zur Beratung vorliegt, entstanden. Wenn wir nochmals hier all die Mängel und Gebrechen kritisieren und ihre Abänderung beantragen, so tun wir dies in treuer Pflichterfüllung gegenüber unseren Mandataren und die Zeit, die Lenkerin der Geschichte, wird die Berechtigung unseres heroischen Kampfes um eine soziale und gerechte Steuerreform anerkennen.

Bei den Physiokraten, bei Adam Smith und seiner Schule, bei Malthus, bei Ricardo so, wie bei allen anderen Ausläufern der klassischen Schule und ihren Epigonen hat stets die Theorie zu zeigen gehabt, welche Politik man zu treiben hat, vor allem welche Steuerpolitik, welche Handelspolitik, kurz wie unser ganzes Wirtschaftsleben befruchtet und von allen hemmenden Fesseln freigehalten werden kann. Schon im alten Römerreiche finden wir Ansätze eines Steuersystems, das diesen Grundsätzen gerecht zu werden suchte. Im Mittelalter bis zur Zeit des Merkantilsystems, in welchem die Naturalwirtschaft von der Geldwirtschaft abgelöst wurde, wurden die Ansprüche an den freien Bauern derart gesteigert, daß er es nicht ertragen konnte; er sank immer tiefer in die Knechtschaft, bis er schließlich in die Leibeigenschaft der großen Grundherren verfiel und diese als die unumschränkten Machthaber über Leib und Leben ihrer Untertanen verfügten. Die aufkommende Stadt war der erste Mikrokosmus des Staates. Es bildete sich das gewerbliche und handeltreibende Bürgertum und damit die Idee der öffentlich-rechtlichen Steuerpflicht: Direkte Steuern wurden eingehoben vom Einkommen und Vermögen, ferner Haus-, Grund- und Gewerbesteuern, aber nicht als rohe Kopfsteuer, sondern abgestuft nach der Steuerkraft des Einzelnen. Erhoben wurden diese Steuern durch die Selbsteinschätzung, die Steuermoral war hoch entwickelt, man brauchte nicht eigene Strafbestimmungen gegen die Steuerhinterziehung.

Mit der Änderung der Kriegstechnik, die auch eine Wandlung in wirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Hinsicht zur Folge hatte, wuchs die Macht der Fürsten, die Staatsmacht festigte sich und riß die Steuerhoheit an sich. Die Verbrauchsteuern, deren Ansätze weit zurückreichen, wurden zu großen Einnahmsquellen erschlossen und der gemeine Mann war rückhaltlos dem Steuereinnehmer preisgegeben. Dem Engländer Adam Smith war es vorbehalten, Grundsätze aufzustellen, deren sittlicher Inhalt von allen Nationalökonomen anerkannt wurde. Sie lauten:

1. Die Steuer soll gerecht sein, das heißt die Untertanen sollen so genau wie möglich zu ihren Fähigkeiten besteuert werden.

2. Die Steuer soll bestimmt sein, das heißt die Steuer, die ein jedes Individuum zu zahlen verpflichtet ist, soll bestimmt und nicht willkürlich sein. Die Zeit der Zahlung, die Art der Zahlung, sowie die zu zahlende Qualität sollen dem Steuerzahler und jeder anderen Person klar und deutlich sein.

3. Die Steuer soll bequem sein, das heißt jede Steuer soll zu der Zeit und in der Art erhoben werden, in der es am wahrscheinlichsten ist, daß der Steuerzahler sie bequem zahlen kann.

4. Die Steuer soll wohlfeil sein, das heißt jede Steuer soll so ersonnen werden, daß sie möglichst wenig aus den Taschen des Volkes entnimmt und fernhält über das hinaus, was sie dem öffentlichen Staatsschatz einbringt, mit anderen Worten, die Erhebungskosten der Steuern sollen so gering als möglich sein.

Wie stellt sich nun unsere Finanzverwaltung zu den Smithschen Grundsätzen bei der Steuerreform? Sie kehrt sie direkt ins Gegenteil. Nicht das gerechte und sittliche System der Gleichmäßigkeit kommt in ihr zum Ausdruck, im Gegenteil, der Besitzklasse werden Erleichterungen in großem Ausmaß geschaffen, während die werktätige Bevölkerung in den Begünstigungsbestimmungen nahezu leer ausgeht.

Um dies zu beweisen, untersuchen wir einmal unser ganzes Steuersystem. Nach dem Voranschlag für das Jahr 1927 bringen wir auf: an direkten Steuern 2.167,272.600 Kè, an indirekten Steuern 6.494,294.250 Kè. Dazu kommt dem Charakter nach als indirekte Steuern die Einnahme aus den Monopolen, der Tabakregie und vom Verkauf des Spiritus in der Höhe von 1.349,578.864 Kè, insgesamt also 10.011,145.514 Kè an Steuern. Es stehen daher den direkten Steuern von 2.167,272.600 Kè indirekte Steuern in der Höhe von 7.848,873.114 Kè gegenüber oder prozentuell berechnet 22 zu 78%. Die Steuerlast, die der einzelne Bürger zu tragen hat, ist so hoch geworden, daß alles unter dieser Last zusammenbricht. Dies bestätigt vor allem der Bericht der Finanzverwaltung über die Höhe der Steuerrückstände, die bis Ende 1925 nach dem Bericht des Obersten Kontrollamtes die Höhe von 4,5 Milliarden Kè erreichten. Gerade bei den direkten Steuern sind die unerhörten Rückstände, woran vor allem die verspäteten Vorschreibungen die Ursache sind. Diese Verspätung aber ist zurückzuführen auf die Desorganisation der Steueradministrationen, die ihren eigentlichen Aufgabenkreis nicht erfüllen konnten, weil sie mit anderen Arbeiten überbürdet wurden. Der junge Staat konnte sich nicht genug tun an Einführung neuer Steuerquellen; die Schaffung der eigenen Währung ohne die notwendige Vorbereitung, die Vermögensabgabe und die damit verbundenen Konskriptionen, die Umsatzsteuer und die sonstigen finanzwirtschaftlichen Reformen forderten soviel Zeit und Mühe, daß all dies zusammen, weil nicht planmäßig vorbereitet, ein Chaos herbeiführte, in welchem es kein Ordnen, kein klagloses Funktionieren mehr gab. Haben Sie sich jemals gefragt: "Können wir dies alles verdauen? Ist der administrative Dienst so ausreichend organisiert, daß, die Durchführung dieser Gesetze gesichert ist?" Die Regierungsparteien sind mitschuldig, vor allem aber unsere damalige Finanzverwaltung, die bei der Durchführung vollständig versagte. Dazu wirkten insbesondere mit: 1. die Deflationskrise, 2. die Übersteuerung und 3. die allgemeine Weltkrise mit Berücksichtigung der besonderen Krise in der Èechoslovakei, um unser blühendes Wirtschaftsleben zum Verfall zu bringen und hievon einen Trümmerhaufen zu hinterlassen. Wohl paradieren wir mit einer aktiven Handelsbilanz, aber die schweren Opfer, die wir hierfür bringen müssen, wiegen den Vorteil vollständig auf. In immer kürzeren Zwischenräumen verschärfen sich die wiederkehrenden Krisen, die Arbeitslosigkeit tausender fleißiger Hände wird zur ständigen Erscheinung, Kurzarbeit und zum Teil vollständige Stillegung von Betrieben gehören zum Inventar unserer Wirtschaft. Und was uns das Aktivum unserer Handelsbilanz auf der einen Seite bringt, wird auf der anderen Seite durch Ausgleiche und Konkurse zusammengebrochener Unternehmungen mehr als aufgezehrt.

Das Aktivum der Handelsbilanz betrug in den vier Jahren 1923 bis 26 eine Summe von 7339.9 Millionen Kè. Die Verluste, die die Volkswirtschaft durch Ausgleiche und Konkurse in derselben Zeit erlitten hat, betrugen in Summe 3472.8 Mill. Kè, die sich noch erhöht, nachdem die Aktivwerte nicht in der ausgewiesenen Höhe verwertet werden konnten. Rechnet man dazu die Kapitalsverluste der Industrie und Handelsunternehmungen und die infolge der Deflation bei den Waren und Rohstoffbeständen eingetretenen Wertverluste, so wird bestätigt, daß das Aktivum der Handelsbilanz spurlos verschwindet und der Volkswirtschaft keinerlei Erleichterung bringt.

Wenn man bedenkt, über welchen Reichtum an Bodenschätzen der Staat verfügt, welch arbeitsames und fleißiges Volk hier wohnt, und wenn man dagegen vergleicht, wie wir immer tiefer in Not und Elend geraten, dann kommen uns die schweren Sünden des fanatischen Rausches der ersten Periode unserer Staats- und Volkswirtschaft zum Bewußtsein und man sagt nicht zu viel mit der Behauptung: Wir haben leichtfertig vergeudet und ein vollgerütteltes Maß der Schuld trifft die Staatsverwaltung, die planlos und ziellos experimentierte.

Die Übersteuerung hat mit beigetragen zu dem katastrophalen Niedergang der Wirtschaft, der Export leidet unter den unsicheren Handelsbeziehungen mit unseren Nachbarstaaten und so wird die Absatzkrise verschärft durch geringe Aufnahmsfähigkeit des inneren Marktes. Die werktätige Bevölkerung ist verelendet, der sogenannte Mittelstand durch Inflation und Deflation verfallen, viele dieser beiden Schichten gehen in Jammer und Not unter. Während der Zeit des Unterganges des einen Teiles erntete der andere Teil, führte ein aufreizendes Prasser- und Luderleben, vergiftet Sitte und Moral und gerade diesem Teil soll die Steuerreform in erster Linie Erleichterungen bringen. Wenn man schon an einen Steuerabbau denkt, warum beginnt man nicht bei den indirekten Steuern, bei der Umsatzsteuer, Verkehrssteuer, Kohlensteuer? Würde nicht auch damit die Ankurbelung der Wirtschaft erleichtert? Oder gilt wirklich als die Hauptursache der Dringlichkeit der Steuerreform einzig und allein die Erleichterung der Unternehmertätigkeit, wie es der Motivenbericht so verschämt ausspricht? Eine große Erleichterung für Handel und Industrie bringt die Entspannung des Geldmarktes, denn schließlich und endlich war auch der hohe Zinsfuß, die Versteifung des Geldmarktes ein ganz bedeutendes Hindernis für den gesunden Wiederaufbau der Wirtschaft.

Nun noch ein Wort zur Handelsbilanz. Man hört allgemeines Frohlocken über die Aktivität, die Berichte der letzten Monate werden zu einer Hymne, als wäre alles eitel Gold. Können wir wirklich so stolz auf diese Ziffern sein, oder müßten sie uns nicht zu Nachdenken zwingen? Im ersten Quartal des Jahres 1927 ergibt sich gegen das Jahr 1926 eine Mindereinfuhr von 535 Millionen Kè und eine Minderausfuhr von 236 Millionen Kè. Eine Mindereinfuhr deshalb, weil unser Markt nicht aufnahmsfähig ist, weil mächtige Industrien stillstehen und daher weniger Rohware zur Veredelung bedürfen. Und die 236 Millionen Kè Minderausfuhr? Sie sagen uns, daß wir auf unseren Absatzmärkten immer mehr und mehr verdrängt werden, daß andere fremde Lieferanten sich zu unseren früheren Abnehmern hindrängen und uns langsam, aber stetig verdrängen. Wie viele Hände würden beschäftigt werden können, wenn unsere Ausfuhrziffer zumindest auf der gleichen Höhe geblieben wäre, wie im Vorjahre! Und wie war es im Jahre 1926? Auch hier beträgt die Mindereinfuhr gegen das Jahr 1925 2332.6 Millionen, die Minderausfuhr 951 Millionen Kè, trotzdem uns der englische Kohlenstreik eine erhöhte Ausfuhr an Kohle brachte. Von den Erzeugnissen aus Baumwolle haben wir im Jahre 1926 um 456 Millionen Kè weniger ausgeführt, Wollwaren um 146 Millionen Kè weniger, Holzwaren um 34 Millionen Kè, Glaswaren um 129 Millionen Kè, Rohstoffe und Maschinen für die Landwirtschaft um 228 Millionen Kè; in diesen 5 Warengattungen zusammen um 895 Millionen Kè weniger, eine Summe, die uns die Verschärfung der Krise wohl erklärt. Und was geschieht zur Sicherung des Absatzes auf den Auslandsmärkten von Seite unserer Regierung? Sie sperrt durch erhöhte Zölle die Grenzen ab, bringt die Verhandlungen über Handelsverträge mit unseren wichtigsten Partnern durch unerfüllbare Forderungen zum Scheitern und hüllt sich zu allem in ein vornehmes Schweigen, mag's drunter und drüber gehen, wie es will. Ja, früher mußte sie besorgt sein, die Arbeitslosen zu unterstützen und dies verschlang eine große Summe Geldes, jetzt aber seit Einführung des Genter Systems ist sie von dieser Sorge befreit, die Gewerkschaften mögen sich kümmern, wo sie die Mittel hernehmen, um die Arbeitslosen vor dem Verhungern zu schützen.

Und trotzalledem fehlen dem Staate die Mittel, die er für die Staatswirtschaft braucht und es gäbe nur einen Weg, diesen Zustand zu bessern durch einen radikalen Abbau der Ausgaben. Die Verzinsung, Amortisation und Verwaltung der Staatsschuld allein beträgt bei einem Schuldenstand von 35 Milliarden Kè rund 235 Milliarden. Kein Mensch weiß aber, welche Höhe die Staatsschuld erreichen wird, denn nach Artikel 208 des Friedensvertrages sind die Nachfolgestaate verpflichtet, den Wert des von Österreich und Ungarn übernommenen öffentlichen Gutes in die gemeinsame Reparationskasse zu bezahlen. Zu einer einheitlichen Wertermittlung ist es bis jetzt nicht gekommen, weil die Schätzungen so weit auseinandergehen, aber eines Tages wird die Reparationskommission unseren sogenannten Befreiungsbeitrag festsetzen, um den sich sodann die Staatsschuld erhöhen würde. Ich schließe mich all den Stimmen an und erkläre mit ihnen, daß wir wirtschaftlich nicht in der Lage sind, einen Befreiungsbeitrag zu leisten, denn die öffentlichen Güter wurden mit unseren Geldern bezahlt, die historischen Länder waren es, die die Hauptlast der Steuern in früheren Zeiten zu zahlen hatten. Bedeutungsvoll ist für uns aber, daß sich die Zinsenlast erheblich erhöhen würde, wenn die Reparationskommission eine für die Èechoslovakei ungünstige Entscheidung treffen würde. Die Staatsschuld beträgt heute schon 2500 Kè pro Kopf, also weit mehr als genug. Eine weitere unsinnig große Belastung bildet unser Militäretat. Die Ausgaben betragen nach dem Voranschlage 1370 Millionen Kè, wozu noch der Rüstungsfond per 315 Millionen Kè kommt. Bis auf die punzierten Militaristen sind sich alle einig, daß unser kleiner Staat mit seinen ca 14 Millionen Einwohnern diese Last nicht ertragen kann. Die territoriale Lage des Staates mit seinen langgestreckten Grenzen läßt eine wirksame Verteidigung nicht zu und die letzten Tage werden ihnen wohl zum Bewußtsein gebracht haben, daß ein Bündnis nichts anderes ist, als ein Fetzen Papier, der durch einen einzigen Zug einer Großmacht zerrissen werden kann. Besonnerer Freundschafts- und Verständigungswille würden uns bessere Früchte tragen als Säbelrasseln, würde auch unsere Handelsbeziehungen erheblich bessern.

Der Weltkrieg hat alles bis zum Weißbluten gebracht. Die Staaten sind verschuldet, die Steuerschraube zum Platzen angezogen. Trotzdem wird in allen Ländern fieberhaft gerüstet. Die Technik schreitet aber von Tag zu Tag vorwärts, insbesondere aber die Verbesserung der Mord- und Giftwaffen und alles, was wir heute an Rüstungsgegenständen anschaffen, wird in den nächsten Jahren wertloser Plunder und Alteisen sein. Die Vernunft müßte uns daher zwingen, die Berechtigung solcher Ausgaben auf das genaueste zu untersuchen und sie auf ein Mindestmaß einzuschränken. In allen Variationen tönen uns die Worte entgegen: "Wir sind arm geworden und müssen uns den Verhältnissen anpassen." Ja, tun wir dies vor allem bei unserem Ausgabenetat, erleichtern wir das Los der großen Masse der Bevölkerung, indem wir den Druck der indirekten Steuern mildern und die Lebenshaltung erleichtern. Wir gehen aber den umgekehrten Weg, entziehen durch die verminderte Kaufkraft dem inneren Markt den Absatz und tun so alles, den Leerlauf der Wirtschaft in einen dauernden Zustand zu verwandeln. Blicken Sie hinaus in die Welt, wie sich da alles lebendig und kraftvoll mit den großen Problemen der Zeit beschäftigt, wie Fusionierung, Rationalisierung und Egalisierung die Wirtschaft erleichtern soll, und wie vor allem die Kartellbildung eine Industriegruppe um die andere erfaßt. Unsere Wirtschaftskörper aber verlegen sich aufs Raunzen, anstatt selbst tatkräftig mit Hand anzulegen, um den toten Punkt zu überwinden.

Alle die Umstände, die hier angeführt wurden, erfordern eine erhöhte Tatkraft der Arbeiterklasse, denn schließlich und endlich wird darum gekämpft, ob die Errungenschaften der Revolutionszeit weiter bestehen oder aufgehoben werden sollen. Es ist doch kein Zufall, daß sich das Bürgertum in der Èechoslovakei in einer Koalition nur zu dem Zwecke zusammengefunden hat, den reaktionären Gelüsten freien Lauf lassen zu können. Von den Zöllen und der Kongrua angefangen, bis zur geplanten Verwaltungsreform, der Aufhebung des Soldatenwahlrechtes und zu der Verschlechterung der Sozialversicherung wird ein Zug sichtbar: Die Macht des Bürgertums zu festigen, die Arbeiterklasse zu knebeln und zu drücken. Dient nicht auch die in Beratung stehende Vorlage letzten Endes diesem Zwecken? Aus welchen Quellen stammen denn die hohen Eingänge der Personaleinkommensteuer? Wir haben in Böhmen 948.602 Zensiten mit einem Einkommen bis zu 20.000 Kè. Im Jahre 1914 hatten wir in den historischen Ländern insgesamt nur 415.137 Zensiten mit einem Steuerertrag von 33,506.176 Kè, während im Jahre 1925 laut Ertragstabelle 1247 Millionen vorgeschrieben wurden. Das ist eine Steigerung um 3.600%, so daß man nicht von einer Valorisierung des Goldindexes sprechen kann. Von den direkten Steuern überragt daher die Personaleinkommensteuer alles andere bei weitem und bringt um ca 500 Millionen Kè mehr, als die Grund-, Gebäude-, allgemeine und besondere Erwerbsteuer, die Rentensteuer und die Tantiemenabgabe. Die Hauptlast von diesen großen Eingängen hatten aber die 948.602 Zensiten mit einem Einkommen bis zu 20.000 Kronen zu tragen, und ich glaube kaum, daß irgend einer in diesem Saale die vorerwähnten Steuerträger zur Besitzklasse zählen dürfte.


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