Der Rechnungsabschluß für das Jahr
1924 wurde uns im Juli 1926 vom Obersten Rechnungskontrollamt
vorgelegt. Heute haben wir bereits den April 1927 und jetzt erst
wird dieser Rechnungsabschluß, obwohl er seit Monaten auch
bereits im Budgetausschuß erledigt ist, vom Plenum des Abgeordnetenhauses
verhandelt. Aus dieser Tatsache geht hervor, wie wenig sich die
Regierungsparteien für die Kontrolle der Staatswirtschaft
interessieren. Es scheint überhaupt, daß auf der Seite
der Regierungsparteien das Wort "Kontrolle" einen sehr
üblen Klang hat. Es geht daraus hervor, daß den Regierungsparteien
nichts weniger sympatisch ist und sie nichts mehr fürchten,
als eine gründliche Kontrolle aller Zweige der staatlichen
Wirtschaft und die Veröffentlichung der Ergebnisse einer
derartigen Kontrolle. Wie sehr die Durchführung der Kontrolle
der staatlichen Wirtschaft vom heutigen Regierungssystem vernachläßigt
wird, hat uns der Chef des staatlichen Kontrollamtes, Herr Dr.
Körner, bei der Verhandlung des Staatsvoranschlages
für 1927 im Budgetausschuß sehr lebhaft auseinandergesetzt,
wo er uns vor allem sehr detailliert bewies, daß die ganze
staatsrechtliche Stellung des Rechnungskontrollamtes gegenüber
der Regierung, den Ministerien und dem Parlamente vollständig
ungeklärt ist, daß überhaupt noch keine gesetzlichen
Vorkehrungen getroffen wurden, auch noch nicht einmal ein Entwurf
ausgearbeitet wurde, um die Stellung des staatlichen Rechnungskontrollamtes
überhaupt verfassungsmäßig, staatsrechtlich und
gesetzmäßig genau festzulegen. Und dann hat uns der
Herr Präsident des Rechnungskontrollamtes auch sehr detailliert
auseinandergesetzt, was die Folge eines solchen ungeklärten
Verhältnisses ist, daß damit auch die Durchführung
der Arbeiten des Kontrollamtes bei den einzelnen Ministerien,
den einzelnen Staatsämtern, und Unternehmungen usw. auf eine
ganze Reihe von Hindernissen stößt und darum auch diese
Kontrolle nicht mit der entsprechenden Gründlichkeit und
Raschheit durch geführt werden kann. Es ist jedenfalls bezeichnend
für dieses Regime, daß es die Frage der Kontrolle der
staatlichen Wirtschaft, der öffentlichen Finanzen, in derart
nachläßiger Weise behandelt und diese Kontrolle und
ihre Stellung in solcher Unklarheit läßt.
Der Rechnungsabschluß für 1924 zeigt
uns auch, welcher Verlaß auf die von der Regierung vorgelegten
Staatsvoranschläge ist. Wir sehen hier bei den Ausgaben eine
Überschreitung von insgesamt 1550 Millionen, bei den Einnahmen
dagegen eine Überschreitung von 16161/2 Millionen, wodurch
der Rechnungsabschluß gegenüber dem Budget, das seinerzeit
erledigt wurde, eine Steigerung in den Ausgaben von 17 auf 181/2
Milliarden und bei den Einnahmen von 161/2
auf rund 18 Milliarden aufweist. Diese Erhöhung der Einnahmen,
mit welchen die Überschreitung der Ausgaben ausbalanciert
wurde, ist einzig und allein dadurch erzielt worden, daß
die Steuerschraube gewaltig angezogen wurde, daß der Betrag,
der nach dem Staatsvoranschlag aus der Wirtschaft von Staatsbürgern
aufgebracht werden sollte, weitaus überschritten worden ist.
Bei den direkten Steuern sehen wir eine Differenz zwischen dem
Staatsvoranschlag und dem Rechnungsabschluß von 571 Millionen.
Um 571 Millionen wurde an direkten Steuern mehr hereingebracht
durch Anziehen der Steuerschraube, als im Staatsvoranschlag vorgesehen
war! Das ist eine Steigerung von 17601/2
Millionen auf 2332 Millionen. Die Einnahmen aus den Zöllen
sind von 603 Millionen nach dem Staatsvoranschlag auf 930 Millionen
nach dem Rechnungsabschluß gestiegen, so daß an Zöllen
um 326 Millionen mehr eingenommen wurde. Bei den Verbrauchssteuern
ist ein Defizit von 240 Millionen zu verzeichnen. Anstatt der
präliminierten 1593 Millionen sind nur 1353 Millionen eingegangen
- wohl gemerkt ich folge hier bei der Aufzählung dieser verschiedenen
Steuerarten der Methode der Einreihung wie sie im Staatsvoranschlag
gehandhabt wird. Dieses Defizit von 240 Millionen ist aber darauf
zurückzuführen, daß die Kohlensteuer einen Mindereingang
um 274 Millionen auf Grund der Ermässigung der Kohlensteuer
aufweist. Ein interessantes Detail ist auch, daß auf der
einen. Seite die allgemeine Getränkesteuer gegenüber
dem Voranschlag eine Steigerung um 43 Millionen aufweist, die
Flaschenweinsteuer dagegen einen Mindereingang um 6 Millionen,
weil man eben es für notwendig gefunden hat, den armen Teufeln
von Konsumenten des Flaschenweins die Steuer zu ermässigen,
damit ihre wirtschaftliche Existenz nicht gefährdet wird.
Bei den Gebühren. Stempeln usw. - darunter sind auch die
Verkehrssteuern mit inbegriffen ist eine Steigerung von 2667 Millionen,
die präliminiert waren auf 3486 Millionen zu verzeichnen,
die tatsächlich eingegangen sind, das ist also eine Steigerung
um 819 Millionen. Auch die Einnahmen aus dem Tabakmonopol weisen
eine Steigerung um 28 Millionen auf. Wir sehen also, wenn wir
den Rechnungsabschluß mit dem Voranschlag vergleichen und
nur diese wenigen Ziffern herausheben, daß der Staat seine
Mißwirtschaft, die Überschreitung des Budgets dadurch
gutgemacht hat, daß er einfach die Steuerschraube stark
angezogen hat; und selbstverständlich sind darunter jene
Steuern am stärksten herangezogen worden, die von den großen
Massen, aufgebracht werden müssen: die Zölle, die Gebühren
und die anderen indirekten Steuern, vor allem aber auch unter
den sogenannten direkten Steuern natürlich die Einkommensteuer,
die heute zum großen Teil von den arbeitenden Klassen aufgebracht
werden muß. Wenn wir dieses Ergebnis der staatlichen Finanzwirtschaft
mit den Budgets vergleichen, die uns seit dem Abschluß des
Rechnungsjahres 1924 also für die Jahre 1925, 1926 und 1927
vorgelegt worden sind, wenn wir die Entwicklung der Steuerpolitik
seit jener Zeit betrachten, so sehen wir, daß diese Tendenz
der Starken Heranziehung der arbeitenden Klassen zur Steuerleistung
und die Tendenz, die Steuerlasten der besitzenden Klassen zu ermäßigen
in diesen drei Jahren erst wirklich zur vollen Geltung gekommen
ist. Das wird sich erst besonders im Rechnungsabschluß für
das Jahr 1926 zeigen. Auch der Rechnungsabschluß des Jahres
1925 weist eine ähnliche Erscheinung auf worüber noch
bei der Verhandlung im Ausschuß und im Plenum wird gesprochen
werden müssen. Aber nach dem Rechnungsabschluß des
Vorjahres wird sich zeigen, wie wertlos für die wirkliche
Beurteilung, für die Gewinnung eines Bildes über die
staatlichen Steuern der Voranschlag für 1926 war, weil man
z. B. im Voranschlag für 1926, um Zwecke der Beschwindelung
der Wähler bei den allgemeinen Parlamentswahlen ein aktives
Budget vorzutäuschen, einfach eine ganze Reihe wichtiger
Ausgaben, die unabänderlich waren, vor allem die Ausgaben
für die Regelung der Gehälter der Staatsangestellten
einfach nicht ins Budget eingestellt hat. Auf der anderen Seite
wird der Rechnungsabschluß für 1926 uns bezüglich
der indirekten Steuern ein Bild zeigen, wie diese Steuern gestiegen
sind, denn gerade das Jahr 1926 wurde noch von der alten Koalition
durch eine Erhöhung der indirekten Steuern eingeleitet und
schließlich wird sich noch zeigen, wie man die Steuerleistung
der arbeitenden Klassen gerade im Jahre 1926, in welchem Jahre
die gewaltige Eintreibung der rückständigen Einkommensteuer
durch Abzüge von den Arbeitslöhnen und Gehältern
durchgeführt wurde sowohl auf dem Wege der indirekten Steuer
wie auf dem Wege der Einkommensteuer ganz gewaltig in die Höhe
getrieben hat. Das ist ein Beweis dafür, wie sich die staatliche
Finanzpolitik nicht nur vollständig in den Dienst des Kapitalismus,
sondern wie sie speziell sich in den Dienst der kapitalistischen
Stabilisierungspolitik stellt. Wir sehen auch aus den laufenden
gesetzgeberischen Arbeiten des Parlaments, mit denen wir seit
der Existenz der neuen deutsch-čechischslovakischen
bürgerlichen Regierungskoalition beglückt worden sind,
wie diese Tendenz gerade durch die jetzige Regierung mit aller
Kraft durchgeführt wird, wie diese Regierung zielbewußt
daran arbeitet, die Stabilisierungspolitik des Kapitalismus
mit aller Macht zu unterstützen. Wir haben das auch nachgewiesen
im Budget für 1927 gelegentlich der Budgetdebatte, wir haben
schon viel früher die Gesetze über die Bankensanierung,
über die Kriegsanleihe, über die Kriegslieferungsforderungen
an das alte Regime usw. erledigt und wir haben jetzt vor uns den
ganzen Komplex der Steuerreform liegen.
Wir werden im Verlaufe der Verhandlungen immer
deutlicher sehen, wie sehr diese Steuerreform auf die Stabilisierungspolitik
des Kapitalismus zugeschnitten ist. Diese Steuerreform im Verein
mit dem Gesetz über die Stabilisierungsbilanzen und dem Gesetz
über die Regelung der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper
wird sich, wenn sie fertig sein wird mit aller Deutlichkeit als
ein gewaltiges Geschenk an die Kapitalisten, als gewaltige Förderung
der kapitalistischen Stabilisierungspolitik herausstellen. Wir
haben in der letzten Zeit im Budgetausschuß den Vertrag
mit der Notenbank erledigt, wodurch die Währungspolitik des
Staates auch noch dem Privatkapital, dem Bankkapital, ausgeliefert
wurde, wir sehen das auch bei den sog. Fusionen, bei dem Gesetz
über Erleichterungen bei der Zusammenziehung von Unternehmungen,
wobei außer Gebührenherabsetzungen auch noch eine Streichung
der Umsatzsteuer vorgenommen wird. Dieses Gesetz zeigt uns, daß
der Staat durch seine Gesetzgebung bestrebt ist, die Konzentration
des Kapitals zu fördern, jene Tendenz zu fördern, die
wir im heutigen Wirtschaftsleben zu verzeichnen haben, daß
nämlich die Herrschaft über das gesamte Wirtschaftsleben
in die Hand des Großkapitals, des Finanzkapitals, gelegt
wird. Wir sehen das auch im Gesetz über die direkten Steuern.
Jene Unternehmungen, jene Aktiengesellschaften, z. B., welche
mindestens ein Zehntel der Aktien von fremden Unternehmungen in
ihrem Besitz haben, zahlen von den Einnahmen aus diesem Aktienbesitz
keine besondere Erwerbsteuer, diese Einnahme wird nicht mit zur
Besteuerungsgrundlage bei der Bemessung der besonderen Erwerbsteuer
herangezogen. Das bedeutet nichts anderes, als die Unterstützung
des Bankkapitals in seinem Bestreben durch Erwerbung von Aktien
der Industrieunternehmungen die Herrschaft über die ganze
Industrie und damit über das ganze Wirtschaftsleben in die
Hand zu bekommen. Ich greife das nur heraus, es gibt verschiedene
Arten, wie besonders das Großkapital durch die Steuergesetzgebung
geschützt und protegiert wird. Darüber zu sprechen ist
heute nicht der Anlaß, darüber wird noch bei der Erledigung
der Steuerreform gesprochen werden. Ich führe das nur an,
um jene Tendenz der staatlichen Finanzpolitik und Gesetzgebung
zur Förderung der Konzentration des Kapitals und zur Unterstützung
der Stabilisierung des Kapitalismus aufzuzeigen. Wie sehr das
Bankkapital besonders der ausgiebigen staatlichen Unterstützung
bedarf, sehen wir z. B. an der Bilanz der Agrarbank, die
einen Reingewinn von 6.171.381 Kč aufweist. Von diesem
Reingewinn werden 2 Millionen für innere Reserven verwendet.
500.000 Kč dem Reservefond und 300,000 Kč dem Pensionsfond
der Beamten zugewiesen und außerdem werden 3 Millionen
zur Auszahlung einer 5%igen Dividende verwendet. Wir sehen hier,
daß das Bankkapital bei dieser Fürsorge, welche ihm
die Regierung und die staatliche Gesetzgebung angedeihen lassen,
sehr gut gedeiht. Diese Förderung der Stabilisierungspolitik
des Kapitalismus und der Konzentration des Kapitals wird von den
Regierungsparteien mit der Losung betrieben, daß es gelte,
das Wirtschaftsleben und die Industrie zu fördern. Wir sehen
aber, daß der Effekt dieser Politik auf der einen Seite
der ist, daß die Profite der Kapitalisten in die Höhe
steigen, auf der anderen Seite aber das Wirtschaftsleben selbst
absolut nicht gehoben wird. Wir sehen, daß der Tatsache,
daß die Profite der einzelnen Unternehmungen in die Höhe
gegen, auf der anderen Seite die Tatsache des ständigen Rückganges
unseres ganzen Wirtschaftslebens und unserer Industrie und vor
allem die Tatsache der steigenden Verelendung der arbeitenden
Klassen gegenübersteht. Den arbeitenden Klassen kommt diese
sogenannte Förderung des Wirtschaftslebens überhaupt
nicht zugute, aber auf der anderen Seite müssen sie vor allem
durch die Steuern, die sie aufbringen müssen, die Kosten
dieser Förderung der kapitalistischen Stabilisierungspolitik
mit Staatsmitteln tragen. Nicht nur die Arbeiter selbst, sondern
auch die Mittelschichten werden auf dem Wege der Steuergesetzgebung
zur Tragung dieser Kosten herangezogen; doch man zieht sie außerdem
auch noch dadurch heran, daß man es ihnen immer mehr und
mehr unmöglich macht, ihre eigenen Kapitalien und Ersparnisse
selbst zu verwalten und selbst über sie zu verfügen;
dies geschieht dadurch, daß der Staat die Einrichtungen
und Unternehmungen, die sich diese Schichten geschaffen haben,
um ihre Ersparnisse im eigenen Interesse zu verwerten, die Sparkassen,
die genossenschaftlichen Organisationen absolut nicht fördert,
im Gegenteil sie durch die Steuergesetzgebung benachteiligt, anderseits
das Emporwachsen und die Konzentration des Bankkapitals fördert,
so daß das Bankkapital zu einem immer größeren
Teile die Ersparnisse der mittleren und ärmeren Schichten
der Bevölkerung, der kleinen Produzenten, heranzieht, um
deren eigene Gelder dazu zu benützen, diese Schichten zu
ruinieren und wirtschaftlich unter seine Oberherrschaft zu bringen.
Wir können gerade jetzt an einem Beispiel
sehen, wie die sogenannte staatliche Förderung der Industrie
in der Praxis aussieht, und zwar an dem Beispiel der Glasindustrie
des Isergebirges. Wir haben es hier mit einer Industrie zu tun,
deren Absatz nach der Statistik sich nur zu 8% im Inlande vollzieht,
während 92% der Erzeugnisse dieser Industrie im Auslande
abgesetzt werden. Wie fördert nun die Regierung diese Industrie?
Der Effekt der ganzen Unterstützung dieser Industrie, von
der die Regierung immer spricht, der Effekt dieser Politik ist
der, daß die Krise in der Glasindustrie des Isergebirges,
die seit 1922 zu einer ständig schleichenden Krise geworden
ist, sich von Jahr zu Jahr verschärft, daß der Export
immer mehr zu leiden hat und zurückgeht. Vor allem aber ist
bezeichnend, daß der Export dieser Industrieprodukte in
Bezug auf Qualität immer mehr zurückgeht. Wenn wir uns
die Ziffern der Ausfuhr speziell in der Glasindustrie des Isergebirges
vor Augen führen, so sehen wir, daß nach der Menge
diese Ausfuhr nicht besonders stark gesunken ist. Sie betrug 1924
6460 q, 1925 5162 q und 1926 5952 q. Wenn wir uns aber den Wert
der ausgeführten Erzeugnisse vor Augen führen, so sehen
wir, daß dieser Wert, 1924 noch 1833/4
Millionen betrug, 1925 nur mehr 1651/2 und
1926, wo der Menge nach dieser Export um ungefähr 800 Meterzentner
gestiegen ist, der Wert der ausgeführten Produkte von 1651/2
auf 1113/4 Millionen herabgesunken ist.
Darin kommt vor allem die Verschlechterung der Qualität der
Exportware zum Ausdruck; in der Glasindustrie des Isergebirges
nimmt die Erzeugung der minderwertigen Waren überhand, während
die Erzeugung der Waren, die künstlerischen Wert haben, der
qualifizierten hochwertigen Produkte, immer mehr und mehr zurückgeht,
und heute stehen wir vor der Tatsache, daß durch die Ausbreitung
der Erzeugung der Schmirgelware auf verschiedene Produkte, die
bisher durch diese Methode nicht hergestellt wurden, ein ganzer
Arbeitszweig vollständig dem Hungertode überlassen ist.
Denn diese Arbeiter, die Schleifer, finden bei der Erzeugung dieser
Produkte nach dem Schmirgelverfahren einfach keine Arbeit mehr.
Was bedeutet das aber für die Glasindustrie
des Isergebirges? Diese Industrie konnte sich nur dadurch halten,
daß sie eben bestimmte Qualitätsware erzeugte, in der
das Isergebirge seine Spezialität hatte. Wenn diese Industrie
zugrunde gerichtet wird und man zur Erzeugung der minderwertigen
Waren übergeht, bedeutet das eben, daß sich auch diese
Produktion der minderwertigen Waren nicht wird halten können,
weil auf diesem Gebiete die Konkurenz das Auslandes viel gewaltiger
ist, als sie bisher auf dem Gebiete der qualifizierten hochwertigen
Erzeugnisse dieser Industrie sein konnte.
Es gibt Leute, die sagen, es handle sich hier
um einen technischen Fortschritt. Es handelt sich in Wirklichkeit
nicht um einen technischen Fortschritt, denn das, was durch diese
Methode des Schmirgelns erzeugt wird, ist nicht das, was durch
die Schleiferei erzeugt wurde. Es steckt dahinter nur die eine
Tatsache, daß sich das kapitalistische System hier auf dem
absteigenden Aste befindet, im Stadium der Zersetzung, weil eine
Produktion von höherwertigen Artikeln sich in diesem ganzen
Wirtschaftssystem überhaupt nicht mehr halten kann. Es ist
auch hier unmöglich, die Frage des technischen Fortschrittes
in der Produktion heute mechanisch so zu stellen, wie man sie
vor Jahr zehnten noch, in der Zeit des Aufstieges der kapitalistischen
Wirtschaft und Industrie stellen konnte. Denn als in den 30er,
40er Jahren des vorigen Jahrhunderts und in den späteren
Jahrzehnten die Hausweberei durch den mechanisch en Webstuhl zugrundegerichtet
wurde, war das nur eine vorübergehende Verelendung. Die weitere
wirtschaftliche und industrielle Entwicklung führte dazu,
daß später an den mechanischen Webstühlen viel
mehr Menschen arbeiteten als vorher in der Textilindustrie an
den Handwebstühlen. Warum? Weil damals der Kapitalismus noch
in der Periode war, wo er sich die Märkte eroberte, seinen
Absatz ausdehnte und eine ungeheure Möglichkeit der Ausdehnung
und der Eroberung der Märkte vor sich hatte. Heute ist diese
Entwicklung abgeschlossen. Heute sehen wir, daß der Kapitalismus
keine Möglichkeit mehr hat, neue Gebiete zu erobern. Im Gegenteil,
wir sehen, daß auf der einen Seite der weiteren Ausdehnung
des Kapitalismus nicht nur Grenzen gesetzt sind, sondern daß
darüber hinaus in einer ganzen Reihe von Staaten neue gewaltige
Konkurrenzen in den dort aufgekommenen Industrien entstehen. Auf
der einen Seite schränkt heute das kapitalistische System
durch die Verelendung der arbeitenden Massen den Absatzmarkt in
den eigenen kapitalistischen Ländern immer mehr und mehr
ein, weil eben der Konsum dieser breiten Schichten der arbeitenden
Klassen infolge ihrer Verelendung ständig sinkt. Infolgedessen
bietet heute die Einführung neuerer besserer Arbeitsmethoden
keine Aussicht mehr auf die Förderung der wirtschaftlichen
Entwicklung, sie bedeutet keinen Ausweg, keine Maßnahme
zu neuem wirtschaftlichen Aufstieg, sondern nichts weiter als
eine Erhöhung des kapitalistischen Profites, als eine neue
Verelendung der arbeitenden Massen und eine Verschärfung
der gesamten wirtschaftlichen Krise. Aus diesem Grunde kann man
heute den Ruin ganzer Industriezweige durch die Einführung
neuer Produktionsmethoden nicht mehr von dem Gesichtspunkte aus
betrachten, von dem man die Krise bei der Einführung z. B.
eben des mechanischen Webstuhles betrachten konnte. Wenn sich
heute die arbeitenden Klassen, die Arbeiter der betreffenden Industriezweige
gegen diese Einführung neuer Arbeitsmethoden zur Wehr setzen
(Výkřiky komunistických poslanců.),
so ist das nicht eine Bewegung, die man
mit den Revolten der Handweber in den 40er Jahren vergleichen
kann, sondern es handelt sich hier um den Widerstand der arbeitenden
lassen, dagegen, daß auf ihrem Rücken der Kampf des
kapitalistischen Systems gegen seine Todeskrise ausgetragen wird,
es handelt sich darum, daß die arbeitenden Klassen sich
dagegen wehren, daß die Stabilisierungspolitik des Kapitalismus
zur Rettung des zusammenbrechenden kapitalistischen Systems derart
betrieben wird, daß die Kosten dieser Politik der arbeitenden
Klasse aufgehalst werden. (Výkřiky na
levici.)
Wenn wir bei dem Beispiel der Gablonzer Industrie
bleiben wollen, so muß darauf aufmerksam gemacht werden,
daß die Regierung seit Jahren fast jeden Monat mindestens
einmal durch Resolutionen, Kundgebungen, Proteste, durch Deputationen
und Interventionen darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß
der Ruin der Gablonzer Industrie auch auf andere Ursachen zurückzuführen
ist. (Výkřiky na levici.) Die
Ursache der Krise in der Gablonzer Industrie ist zurück zu
führen auf die hohen Transporttarife, die hohen Kohlenpreise,
wodurch die ganze Produktion in der Gablonzer Glasindustrie ungeheuer
verteuert wird. Sie ist ist zurückzuführen auf die hohe
Umsatzsteuer, die die Glasindustrie des Isergebirges im Auslande
vollständig konkurrenzunfähig macht. Aber sie ist auch
vor allem zurückzuführen auf die Zollpolitik nicht nur
der heutigen, sondern auch der früheren Regierungsparteien.
Schon die allnationale Regierungskoalition hat in der Zollpolitik
unter anderen die Politik der gewaltigen Protegierung der
chemischen Industrie eingeführt, ein Protektionismus, der
deshalb durchgeführt wurde, weil der Konzern der Živnobanka
hauptsächlich an der chemischen Industrie interessiert ist,
weil der Živnokonzern die Steigerung
der Profite der chemischen Industrie gebieterisch verlangte und
weil die Mehrheitsparteien in der allnationalen Regierungskoalition,
auch die sozialistischen Mehrheitsparteien, sich dem Diktat des
Živnokonzerns einfach beugten. Und so wurden auf
Chemikalien, die im Inland überhaupt nicht erzeugt werden
und die zur Erzeugung des Glasses unbedingt notwendig sind, gewaltig
hohe Zölle gelegt, wodurch die Produktinskosten der Glasindustrie
des Isergebirges bedeutend hinaufgesetzt wurden. Aber dabei blieb
es nicht. Da das Bezugsland für diese Chemikalien Deutschland
ist, so hat Deutschland als Revanche für die Erhöhung
der Zölle auf diese deutschen Chemikalien die Zölle
auf die Erzeugnisse unserer Glasindustrie hinaufgesetzt und so
ist infolge dessen im Jahre 1926 allein der Export unserer Glasindustrie
nach Deutschland um 50 Millionen zurückgegangen. Wir sehen
also, wenn wir die hohen Frachtsätze, die Kohlensteuer, die
Umsatzsteuer und die Zollpolitik betrachten, daß die Krise
der Glasindustrie des Isergebirges nicht nur eine Folgeerscheinung
der gesamten Absatzkrise in den kapitalistischen Ländern,
nicht nur eine Folgeerscheinung der internationalen Wirtschaftskrise
und der besonderen Wirtschaftskrise in der Čechoslovakei
ist, sondern daß diese Krise der Glasindustrie
des Isergebirges direkt auch zum großen Teil ein Produkt
der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung ist, daß
die Regierung direkt die Verantwortung für die Krise der
Glasindustrie des Isergebirges trägt.
Auf diese Umstände ist die Regierung seit
1922, seit dem die Krise in der Glasindustrie des Isergebirges
schleichend geworden ist, hundertmal aufmerksam gemacht worden,
es sind Interpellationen eingebracht, es sind Deputationen entsendet,
es sind Resolutionen eingebracht worden und wir sehen, es hat
das absolut keinen Erfolg gehabt. Die Regierung hat nicht den
kleinen Finger gerührt nicht nur nicht, um für die Glasindustrie
des Isergebirges wirklich etwas zu tun, sondern auch nicht, um
wenigstens ihre eigenen Maßnahmen, die zur Schädigung
der Glasindustrie des Isergebirges führten, irgendwie wieder
gutzumachen. Und so ist durch die Schuld der Regierung die Krise
der Glasindustrie im Isergebirge so gewaltig gestiegen, hat sich
so gewaltig verschärft, und die Folge davon ist, daß
heute die Glasindustrie vor dem völligen Ruin steht, daß
heute die Arbeitslosigkeit in dieser Industrie kolossale Dimensionen
annimmt, daß heute eine ganze Arbeiterschichte dem Verhungern
preisgegeben ist. Wenn erst jetzt, nachdem fünf Jahren vergebens
von Seite der Arbeiterschaft, aber auch von Seite der Erzeuger
die Regierung bestürmt wurde und nachdem die Protestbewegung
im Isergebirge jetzt gewaltige Dimensionen angenommen hat, wenn
jetzt erst, durch Hunger und Sorge um die Zukunft getrieben, die
Glasarbeiter des Isergebirges Kundgebungen veranstaltet haben,
so ist das ein Beweis für die Schafsgeduld der Glasarbeiter
im Isergebirge und es sind die Kundgebungen und Ausschreitungen,
die dabei stattgefunden haben, durchaus nicht in dem Sinne auszulegen,
wie es von Seite der Behörde geschehen ist. Am 21. März
fand eine gewaltige Kundgebung in Gablonz an der Neiße statt.
In dieser Kundgebung, an der die Arbeiterschaft und die Erzeuger
des ganzen Isergebirges teilnahmen, wurden an die Regierung dringende
Mahnungen gerichtet, sie möge für die Glasindustrie
des Isergebirges etwas tun. Wieder hat die Regierung nichts unternommen,
hat dadurch gezeigt, daß sie sich für das Schicksal
der Glasindustrie im Isergebirge überhaupt nicht interessiert.
Durch dieses skandalöse Verhalten der Regierung gezwungen,
haben die Glasarbeiter des Isergebirges am 28. März einen
eintätigen Streik durchgeführt und große Kundgebungen
veranstaltet. Bei diesen Kundgebungen ist es zu Ausschreitungen
gekommen aber zu Ausschreitungen gegen solche Unternehmer, die
die Arbeiterschaft durch ihr brutales Vorgehen einfach provoziert
haben.