Pátek 19. listopadu 1926

In der Sprachenfrage kann ich feststellen, daß uns unsere deutsche Muttersprache heilig ist wie auch jedem anderen Volke seine Muttersprache heilig ist. Die Geltung der deutschen Sprache hierzulande ist ein Gradmesser für die Bedeutung, welche dem deutschen Volke in unserem Staate zuerkannt wird. Und wenn wir die Anerkennung der deutschen Sprache in der entsprechenden Weise auch im Parlamente in Ausübung unserer Berufspflicht als Mandatare verlangen, ist das sicherlich nicht eine Prestigepolitik, sondern eine politische Notwendigkeit, die jeder Einsichtige verstehen wird. Die Schwierigkeiten, die sich da entgegenstellen, sind dem Geiste der Verständigung sicherlich abträglich und auch dem Staate nicht nützlich, wie schon Herder sagt: "Jede Sprache ist der Schlüßel zu vielen Schatzkammern." Wenn eingewendet wird, daß dies die Geschäftsordnung und die Verfassung verbieten, kann ich in formaler Beziehung nicht umhin, meiner Verwunderung Ausdruck zu geben, daß sich da als Hüterin der Geschäftsordnung in erster Reihe gerade jene Partei aufspielt, welche bei der Kongruaabstimmung in Verletzung der Geschäftsordnung nicht unterlassen hat die Präsidententribüne mitzustürmen und die Funktionäre des Präsidiums an der Ausübung ihrer Funktionen nach Möglichkeit zu behindern. (Souhlas.) In rechtlicher Beziehung verweise ich auf einen ausgezeichneten Artikel, betitelt "Die èecoslovakische Verfassung und die Deutschen", des leider zu früh verstorbenen Staatrechtslehrers und früheren deutschen Senators Prof. Dr Spiegel in der vom Prof. Flusser im Jahre 1921 herausgegebenen Broschüre, "Deutsche Politiker an das èechische Volk", präzisiert mit Beziehung auf den international verpflichtenden Minderheitsschutzvertrag vom 10. September 1919 unser Sprachenrecht nach der Geschäftsordnung unter Darlegungen, wie wir sie wiederholt im Parlament, in Versammlungen und in der Öffentlichkeit abgegeben hahen, wie folgt: "In gleicher Weise entwerten die Geschäftsordnungen die vertragsmäßig festgelegte politische Gleichberechtigung der nationalen Minderheiten. Die Bestimmungen über die Parlamentsprache schließen alle diejenigen Volksvertreter von der aktiven parlamentarischen Mitarbeit von vornherein aus, welche die èechoslovakische Sprache nicht beherrschen. Sie verstehen nichts von dem, was im Hause vorgeht, sie können die Gesetzentwürfe, die ihnen vorgelegt werden nicht studieren. Nicht einmal in der Obmännerkonferenz, die doch von vornherein dem Zwecke der Verständigung dient, wird von Seiten des Präsidiums oder der Regierung ein deutsches Wort gesprochen", (Výkøiky.) Daran knüpft er die Bemerkung, daß man es den Deutschen nicht verübeln kann, wenn sie darin eine Verhöhnung der politischen Gleichberechtigung aller Staatsbürger, ohne Unterschied der Sprache erblicken. Er schließt mit einem Appele worin er sagt: "Mögen sich endlich einmal die intelligenten Kreise des èechischen Volkes die deutschen Beschwerden vergegenwärtigen, mögen sie sie so vorurteilslos und unbefangen, als es ihnen möglich ist, prüfen und mögen sie sich dann selbst fragen, ob es im Interesse ihrer Volkes und ihres Staates gelegen ist, über die Rechte einer so großen Minderheit, wie der deutschen zur Tagesordnung überzugehen. Mögen sie sich insbesondere das warnende Beispiel des alten Österreich vor Augen halten".

Ich halte diesen Appele, auch jetzt gerade für sehr zeitgemäß um den Willen eines Teiles des deutschen Volkes zur Verständigung zu fördern und nicht unmöglich zu machen. Wenn behauptet wird, daß das im Rahmen einer großen politischen Konzeption etwas geringes ist, so will ich im vor hinein erwidern mit einem klassischen Wahrwort: "Geringes ist die Wiege des Großen" und die Verständigung bis zum nationalen Ausgleich zwischen den Èechen und Deutschen in diesem Staate ist sicherlich etwas großes. Die Anbahnung dieser Verständigung, zu der wir uns entschlossen haben, ist aber mit daran geknüpf, daß auch unserer Sprache der gebührende Platz eingeräumt wird. (Posl. de Witte: Man hat sich verständigt über Kongrua und Getreide-Zölle!) Herr Kollege, wir sind nicht so schnell im Endurteil, wir müssen auch Geduld und starke Nerven haben können. Es wird Großes auch nicht von heute auf morgen vollzogen. Dem Ziel der positiven Mitarbeit im Interesse aller strebt unser Eintitt in die Regierung zu, welcher unternommen wurde, als unter allgemein bedrohlichen Zersetzungserscheinungen die Einsicht auch auf èehischer Seite sich Bahn brach, daß der Vernichtungskampf gegen die nicht èechischen Völker in diesem Staate aussichtslos ist und nur zur Vernichtung des eigenen Staates führen muß. (Posl. Hackenberg: Diese Einsieht fehlt freilich noch!) Gut Ding braucht Weile. Einige èechische Politiker von mehr staatsmännischem Rang haben diese Einsicht zwar schon längst gehabt, aber unter dem Terror (Rùzné výkøiky.) eines falsch verstandenen Patriotismus... (Hluk na levici.)...

Místopøedseda Slavíèek (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Luschka (pokraèuje):... bisher nicht danach zu handeln gewagt. Jetzt, wo das zwangsläufig unter dem Einfluß des Locarno-Geistes der Welt fast mit elemnatarer Gewalt innerhalb weniger Wochen spruchreif geworden ist, hat sich diese Erkenntnis zu einer festen Grundlage gestaltet, die uns die beste Bürgschaft moralischer und persönlicher Natur sein kann. (Výkøiky.) Das Risiko dieses Verständigungsversuches besteht nur darin, daß vielleicht nicht der Wille der in Betracht kommenden Völker entscheidend ist, sondern daß eine im chauvinistischen Geiste allmächtig gewordene Bürokratie gegen den guten Willen der Staatsmänner in der Exekutive der Staatsverwaltung ankämpfen kann, ja, den guten Willen auch sabotieren kann. Diese nach achtjährigen Erfahrungen bei einzelnen mächtig gewordenen Verwaltungsbeamten nur allzu begründete Besorgnis ist der stärkste Schatten auf dem Wege der angebahnten Verständigung der Deutschen mit dem èechischen Volke. (Posl. de Witte: Und trotzdem stimmen Sie für Ermächtigungsgesetze, womit diesen Bürokraten wiederum Macht in die Hand gegeben wird!) Herr Kollege, eine starke Regierung ist imstande, mit der Verwaltung fertig zu werden und wir wollen eine starke Regierung, deswegen sind wir auch für den Eintritt in die Regierung gewesen. Wir verlangen von niemandem das Opfer nationalen Bewustseins, wie auch wir unser deutsches Volksbewustsein durch den Eintritt in die Staatsregierung nicht preisgegeben haben. Im Gegenteil, wir sind der innersten Überzeugung, daß wir hiedurch den Glauben an die innere Kraft und Zukunft unseres sudetendeutschen Volkes neugestärkt haben. Wir deutschen Christlichsozialen haben den Kampf Deutscher gegen Deutsche auch dort, wo er nicht zu umgehen war, stets in maßvoller Sachlichkeit geführt, Auswüchse in diesem Kampf verabscheut und es abgelehnt zur Verschärfung dieses Kampfes beizutragen. Mit derselben Entschlossenheit verwahren wir uns auch nunmehr dagegen, daß Unterstellungen versucht werden, um unsere uneigennützige und ehrliche Absicht zu mißdeuten, dem sudetendeutschen Volk durch unsere aktivistische Politik Bestand und Entwicklung zu sichern (Rùzné výkøiky socialistických poslancù.) Wir haben darüber unsere Auffassung, Sie die Ihre, deswegen können wir immer noch in der gegenseitigen Auffassung die Achtung einander gegenseitig bewahren. (Výkøiky.) Im friedlichen Wettstret der Völker um gegenseitige Achtung und gleiches Recht... (Posl. Hackenberg: Es wird nicht mehr lange dauern, bis es mit der Achtung vorbei ist!) Es ist undankbar in der Politik zu prophezeihen. (Rùzné výkøiky posl. Bobka, dr Petersilky, Hackenberga a de Witte. Posl. de Witte: Gehorsam ist des Christen Schmuck!) Ja, sehr richtig, gehorsam und nicht Drohungen, wie Sie sie fortwährend aussprechen. Ich betone: Im friedlichen Wettstreit der Völker um gegenseitige Achtung und gleiches Recht, wollen wir hierzulande unsere nationalen Aufgaben erfüllen. Wir wollen durchsetzen, daß der Wappenspruch dieses Staates "Die Wahrheit siegt" sich auch verwirkliche. Wir fühlen uns da auf dem richtigen Wege, den wir solange gehen werden, als wir die Hand zur Verständigung beider Völker auf èechischer Seite entgegen gehalten sehen. Solange übernehmen wir auch für unsere Haltung die Verantwortung vor dem gesamten deutschen Volke und der Geschichte. Der Vorteile dieser Zusammenarbeit wird jeder teilhaftig, der uns zu den gleichen Pflichten die vorbehaltslos gleichen Rechte ehrlich gewähren will. Darauf bestehen wir. Das ist unser nationales, das ist unser staatspolitisches Ziel. Dieses trotz aller Gegnerschaft anderer, trotz aller Anrempelungen, trotz aller Feindschaften inzäher Energie für unser deutsches Volk im èechoslovakischen Staate endlich zu erringen, soll uns schönster Lohn für unsere Arbeit sein. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany køes. socialní.)

3. Øeè posl. Kreibicha (viz str. 381 tìsnopisecké zprávy):

Wir haben das Budget für das Jahr 1927 bereits in den Verhandlungen des Budgetausschusses als das Klassenbudget eines kapitalistischen Staates bezeichnet. Wir brauchen dieser Kennzeichnung nichts weiter hinzuzufügen. Es erübrigt uns nur, hier an der Hand dieses Budgets die ganze Finanz- und Budgetpolitik des bürgerlichen Staates zu kennzeichnen. Wir stellen vor allem fest, daß ein Überblick über das Budget, eine Durchrechnung der Ziffern zeigt, daß von den Gesamtausgaben des Budgets 63.4% auf den Machtapparat des Staates, auf den zivilen wie auf den militärischen, und auf den Staatsschuldendienst entfallen, daß nur 10.9% auf die wirtschaftlichen Ausgaben des Staates entfallen, daß 10.4% für Kultur und Volksaufklärung ausgegeben werden und 15.3% für soziale Ausgaben, vorausgesetzt, daß man in diese sozialen Aufgaben auch die Ausgaben für die Pensionen der Staatsangestellten einbezieht, die ein Anrecht des Staatsangestellten darstellen. Wenn man diese Pensionen abzieht, so entfallen auf die sozialen Leistungen des Staates in Wirklichkeit nur 10.9% der Gesamtausgaben. Bei der Aufzählung dieser Verhältniszahlen wurde von Seite des Herrn Finanzministers darauf aufmerksam gemacht, was ja ganz selbstverständlich ist, daß die Ausgaben im Staatshaushalte für Zwecke der Kultur und der Volksaufklärung nicht die Gesamtaufwendungen im Staate für diese Zwecke enthalten, sondern daß hier die Selbstverwaltungskörper den Löwenanteil zu tragen haben. Das ist nicht nur in der Èechoslovakei, sondern auch in anderen Staaten der Fall, und wenn wir die Verhältnisziffern des Staatsbudgets anführen, so wollen wir damit nicht sagen, daß so wenig Geld im Staate überhaupt für Kultur und Volksaufklärung und für soziale Zwecke ausgegeben wird, sondern es sollen diese Verhältniszahlen die staatliche Finanzpolitik charakterisieren, sie sollen zeigen, wieviel der Staat von den verschiedenen Aufgaben auf sich nimmt. Auf die Selbstverwaltungskörper sich auszureden, hat am allerwenigsten der Finanzminister Dr Engliš ein Recht, der gleichzeitig mit der Verhandlung dieses Budgets einen Steuerreformentwurf vorgelegt hat, dessen Effekt sein wird, daß die Ausgaben der Selbstverwaltungskörper für diese sozialen und kulturellen Zwecke sinken werden. Soweit die Einnahmen des Staates in Betracht kommen, sehen wir einen steigenden Anteil der Belastung des Verbrauches, also der Verbrauchssteuern. Wenn man sämtliche Steuern, Abgaben u. s. w. und überhaupt alle Staatseinnahmen zusammenrechnet, die aus dem Wirtschaftsleben herausgenommen werden - ausgenommen die direkten Steuern - also die indirekten Steuern, die Reinerträgnisse der Staatsunternehmungen, die Leistungen der arbeitenden Klassen u. s. w., so macht alles zusammengenommen 8 1/2 Milliarden aus. Der Herr Finanzminister hat diese Ziffer deshalb als unmöglich hingestellt, weil sie einen zu großen Anteil am Arbeitslohne betragen würde. Der Herr Finanzminister hat sich diese Rechnung leicht gemacht, wie wenn es sich hier nur um einen ganz mechanischen Abzug von den Löhnen handelte. Aber die Sache liegt so, daß es sich hier um Einnahmen handelt, die der Staat daraus schöpft, daß er nicht nur den Lohnanteil des Arbeiters an der Produktion erfaßt, d. h. also den Anteil, den der Arbeiter in der Form des Lohnes am Ertrage der Produktion bekommt, sondern, daß dadurch auch der andere Ertrag der Produktion erfaßt wird, der nicht in die Tasche des Arbeiters als Lohn fließt, den sich die kapitalistische Gesellschaft auf Grund ihrer ökonomischen Macht als Besitzer der Produktionsmittel für sich behält und den arbeitenden Klassen vorenthält.

Im Budgetausschuß habe ich die Steuerreform gekennzeichnet als ein Symptom der Tendenz unserer Steuerpolitik, die Lasten der arbeitenden Klassen zu vermehren und die besitzenden Klassen zu entlasten. Der Herr Finanzminister hat das beantwortet mit der Aufforderung, es soll nachgewiesen werden, daß durch die Steuerreform selbst die Lasten der arbeitenden Klassen erhöht werden. Darum handelt es sich nicht. Es handelt sich vor allem darum, daß durch die Steuerreform die Lasten der besitzenden Klassen in bedeutender Weise herabgesetzt werden, während die Einkommensteuer für die arbeitenden Klassen nur in sehr geringem Maße herabgesetzt wird, und auf der anderen Seite die Entlastung der besitzenden Klassen eine Vermehrung der indirekten Lasten mit sich bringen muß, was ja schon aus der Ankündigung der Zeitungen über eine geplante Erhöhung der Biersteuer und andere Einnahmspläne zur Deckung z. B. der Lehrergehalte, des Defizits der Länder u. s. w. klar hervorgeht. Im Steuerreformentwurf wird das steuerfreie Existenzminimum um ein weniges heraufgesetzt. Aber diese Heraufsetzung entspricht auch jetzt bei weitem nicht, dem steuerfreien Existenzminimum, das vor dem Kriege Gesetz war, wenn man es nach dem Preisindex valorisieren wollte. Aber auf der andere Seite sehen wir, daß die Einkommensteuer für die besitzenden Klassen, für die hohen Einkommen herabgesetzt wird, während unsere Forderung, die Forderung der Arbeiterparteien, darauf hinausgeht, die Lasten der arbeitenden Klassen herabzusetzen und die Steuerleistung der besitzenden Klassen für die hohen Einkommen progressiv heraufzusetzen. Man darf nicht vergessen, daß es eine ganz andere Sache ist, wenn der Arbeiter Einkommensteuer zahlt und wenn die besitzenden Klassen, wenn diejenigen, die hohe Einkommen haben, Steuer leisten. Wenn der Arbeiter eine Steuer zahlt, besonders angesichts der heutigen Reallöhne, angesichts der heutigen Preisverhältnisse und der heutigen Wirtschaftsverhältnisse, so bedeutet das nichts anderes, als daß er sich diese Kronen vom Munde absparen muß, daß diese Steuerleistung den Unterkonsum der arbeitenden Bevölkerung und damit den Hunger noch verschlimmert. Denn Hunger ist nicht nur Mangel an Nahrung. Wenn die besitzenden Klassen, wenn jene, die hunderttausend Kronen und mehr Einkommen haben, Steuern zahlen, so bedeutet das nicht eine Verschlechterung ihrer Existenz, nicht eine Vergrößerung ihres Hungers, ihres Unterkonsums, sondern es bedeutet dies eine Verlangsamung der Vermögensanhäufung auf Seite dieser Herrschaften und höchstens, wenn wir das sehr optimistisch beurteilen wollten, eine Einschränkung des Luxuskonsums dieser Herrschaften mit dem hohen Einkommen. Diese Einschränkung des Luxuskonsums würde aber auch den theoretischen Ansichten des Herrn Finanzministers entsprechen, der uns einigemale auseinandergesetzt hat, daß wir jetzt ärmer seien, als wir vor dem Kriege waren, und daß wir uns infolgedessen einschränken müssen. In seinem Steuerreformentwurf jedoch sagt Herr Dr Engliš den besitzenden Klassen, denen die sich einschränken könnten, nicht: "Schränkt Euch ein!" sondern im Gegenteil: "Ihr könnt noch mehr verbrauchen, Ihr könnt noch mehr Gewinn einstecken, ich setze Euch die Steuern herab."

Es ist interessant, in diesem Zusammenhange einen Vergleich zu ziehen mit den Ziftern des Budgets der Sowjetunion für das eben abgelaufene Wirtschaftsjahr 1925/1926. Hier sehen wir, daß von den Staatsausgaben 51.1/2% auf wirtschaftliche Zwecke entfallen, 30% auf kulturelle und soziale Zwecke - in der Èechoslovakei 21.3% - 15% auf die Armee und 3.9 % auf die Administrative, wobei bei den sozialen und kulturellen Ausgaben berücksichtigt werden muß, daß auch die anderen Verwaltungsverbände in diesem Punkte das Ihre zu leisten haben, auch weiter berücksichtigt werden muß, daß die Leistungen der Unternehmungen für die Arbeiter, die sozialen ebenso wie die kulturellen, viel höher sind als bei uns. Kulturelle Leistungen der Unternehmer gibt es ja bei uns überhaupt nicht. Es sind aber nicht nur wichtig die Zahlen, die sich in einem Wirtschaftsjahr vor uns aufrollen, sondern wir müssen die Sache auch dynamisch, wir müssen die Tendenz der ganzen Finanz- und Budgetpolitik betrachten. Wir sehen in der Sowjetunion - wenn wir die Ziffern, und das ist ja bereits in der Presse geschehen, der letzten Jahre vergleichen - ein Sinken der Ausgaben für Armee und ein Steigen derselben für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke. Dabei besteht noch ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Budget der Sowjetunion und dem der èechoslovakischen Republik. Wir sehen hier bei uns das Bestreben - wenn auch der Effekt nicht immer dem Bestreben entspricht und dieser Effekt oft nur vorgetäuscht wird - das Budget möglichst herabzusetzen, während wir in der Sowjetunion die Tendenz eines stetigen Steigens des Gesamtbudgets mit der Erweiterung der wirtschaftlichen Basis des ganzen Staates sehen. Bei uns ist der Ehrgeiz der Finanzminister darauf gerichtet, allerdings oft vergeblich, das Budget herabzusetzen. Worauf ist das zurückzuführen? Darauf, daß die ganze Finanz- und Budgetpolitik des Arbeiterstaates von ganz anderen Gesichtspunkten als die des kapitalistischen Staates geleitet wird. Welches sind die Gesichtspunkte der Finanzpolitik des kapitalistischen Staates? Erstens ist der Zweck des Budgets, den Machtapparat zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung so stark wie möglich zu machen, daher die ungeheuren Ausgaben für den gesamten Machtapparat des Staates. Zweitens den Staatsschuldendienst aufrechtzuerhalten, die Tributpflichtigkeit des Staates gegenüber den Kapitalisten, vor allem gegenüber dem Rentnerkapital. Drittens die wirtschaftlichen Aufgaben nur zu übernehmen, soweit die allernotwendigste Regelung des kapitalistischen Wirtschaftanarchismus das gebieterisch erfordert und soweit fiskalische Interessen, die Sicherung von Einnahmen, das erfordern, wie z. B. bei der Tabakregie, und viertens die notwendigsten sozialen Aufgaben zu erfüllen, um die Arbeiter zu beruhigen, soweit die Arbeiterschaft sich durch ihren Klassenkampf die Erfüllung solcher sozialen Aufgaben erzwingt. Die Bourgeoisie wünscht den Staat und seine Machtvollkommenheit, natürlich auch seine wirtschaftliche, nur soweit, als es zur Erhaltung der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung notwendig ist. Daher sehen wir, daß vom Gesichtspunkt der Bourgeoisie der erste Punkt, die Erhaltung des Machtapparates, im Interesse der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unerläßlich und die Hauptaufgabe der ganzen staatlichen Finanzpolitik ist. Soweit der Punkt zwei, "Staatsschuldendienst", in Betracht kommt, ist diese Aufgabe des Staates der Bourgeoisie sehr sympathisch und wir sehen die Tendenz, diese Seite der Ausgaben des Staates zu steigern. Der Herr Präsident des Obersten Rechnungskontrollamtes hat uns im Budget angekündigt, daß die Ausgaben für den Staatsschuldendienst in den nächsten Jahren deshalb immer und immer wieder steigen werden, weil der Staat immer mehr und mehr - das ist auch ein Stück der Konsolidierung - Vorkriegsschulden zu übernehmen hat. Dazu kommen noch die drohenden Reparationen, die Befreiungstaxe, die jetzt wieder auf 750 Millionen Goldfrank geschätzt worden ist.

Soweit der dritte Punkt in Betracht kommt, das sind die wirtschaftlichen Ausgaben des Staates, sieht sie die Bourgeoisie als ein notwendiges Übel an. Diese Tätigkeit des Staates ist den besitzenden Klassen, den Kapitalisten lästig. Dem vierten Punkt aber, das sind die notwendigsten sozialen Aufgaben des Staates, stehen die besitzenden Klassen des Staates überhaupt feindselig gegenüber, was vom Gesichtspunkte ihrer Interessen selbstverständlich ist und wir sehen das ja bestätigt durch die jetzigen Ankündigungen und die ersten Versuche der neuen bürgerlichen Regierungsmehrheit, die Leistungen des Staates für soziale Zwecke soweit wie möglich loszuwerden. Worin besteht nun die Aufgabe des proletarischen Staates, eben auch vom Gesichtspunkt der Finanz- und Budgetpolitik? Zunächst sieht sie im Staate einen Machtapparat zur Sicherung der Herrschaft der arbeitenden Klassen. Zweitens sieht sie den Zweck des proletarischen Staates in der Sicherung und Verbesserung der Existenz der arbeitenden Klassen, die ja die Grundlage des ganzen proletarischen Staates sind. In dritter Hinsicht besteht die Aufgabe des proletarischen Staates darin, sich auf die wirtschaftliche Arbeit zu verlegen, diese wirtschaftliche Seite ihrem Umfange nach ständig zu erweitern zu dem Zwecke, um die Vergesellschaftung der ganzen Produktion und Distribution herbeizuführen und selbstverständlich das Wirtschaftsleben zu heben. Daher sehen wir im proletarischen Staat - und das kommt in der Ziffer 5 1/2% Ausgaben für wirtschaftliche Aufgaben in der Sowjetunion zum Ausdruck - die Tendenz einer ständigen Erweiterung der wirtschaftlichen Aufgaben und damit auch der wirtschaftlichen Ausgaben des Staates. Soweit der Punkt "Schulddienst" in Betracht kommt, ist er im Arbeiterstaat nur soweit vorhanden, als die privatkapitalistische Wirtschaft innerhalb und außerhalb des Staates noch stark genug ist, um dem Staat einen derartigen Dienst aufzuerlegen. Es ist das Bestreben - und das sehen wir ja auch an dem Stande der russischen Staatsschulden und in der Politik bezüglich der Frage der auswärtigen Schulden - diese Ausgabenpost, diese Last des Staates, auf ein Minimum zu reduzieren.

Daraus ersehen wir den ganz verschiedenen Charakter des Budgets der Sowjetunion auf der Ausgabenseite, sehen auch auf der Einnahmenseite eine ganz andere Tendenz gegenüber dem kapitalistischen Staat: Die Tendenz der Steigerung der Einnahmen aus dem Reinertrag der vergesellschafteten Wirtschaft zu vollziehen und auf der anderen Seite die Einnahmen aus den Steuern so weit wie möglich herabzusetzen. Wir sehen diese Tendenz, die Einnahmen aus der vergesellschafteten Wirtschaft zu erhöhen, den Anteil der Steuern an den Einnahmen des Staates aber herabzusetzen, auch in den Ziffern des Budgets der Sowjetunion zum Ausdruck kommen. Bei den Steuern sehen wir das Bestreben, die arbeitenden Klassen zu entlasten. Infolgedessen sind auch die Steuern in der Sowjetunion stark progressiv. Das steuerfreie Existenzminimum beträgt, nach unserem Gelde umgerechnet, 21.000 Kè und die Kleinbauern sind in der Sowjetunion vollständig steuerfrei. Darin kommt eben nur die Tatsache zum Ausdruck - sowohl in der Verschiedenheit der Einnahmenwie der Ausgabenseite - daß ein anderer Staat natürlich auch ein anderes Budget bedeutet und es ist ja auch im allgemeinen richtig, daß es fast unmöglich ist, die Budgets verschiedener Staaten zu vergleichen. Um so schwieriger aber ist es, um so weniger kann man einfach nach den Ziffern das Budget des Sowjetstaates mit dem Budget eines kapitalistischen Staates vergleichen, weil eben beide Staaten ganz verschiedenen Charakters sind. Man kann füglich sagen, daß die Tendenz, das Budget des èechoslovakischen Staates so zu gestalten, daß es dem Budget der Sowjetunion in seinen Ziffern in den Verhältnisziffern der Einnahmen und Ausgaben immer näher und näher komme, nicht nur eine budgetäre, finanzpolitische sein kann, sondern daß die Konsequenz eines solchen Bestrebens eben die Umwälzung des ganzen Staates sein müßte.

Der verschiedene Charakter dieser beiden Formen des Staates, des bürgerlichen Klassenstaates und des proletarischen Klassenstaates, kommt auch in den großen Unterschieden in Bezug auf die Organisation der öffentlichen Verwaltung zum Ausdruck. Wir sehen bei uns in der öffentlichen Verwaltung die Tendenz, den Anteil der Bevölkerung, bezw. der von der Bevölkerung gewählten Vertreter an der öffentlichen Verwaltung soweit wie möglich herabzusetzen. Man hat dafür den schönen Ausdruck "das Laienelement" geschaffen. So wurde in den letzten Tagen immer gesagt, der Anteil des Laienelementes an der öffentlichen Verwaltung müsse eingeschränkt werden. Dieses Wort ist natürlich mit der deutlich sichtbaren Tendenz gewählt, alle, die nicht Bürokraten sind, sofort als Leute hinzustellen, die von der Verwaltung nichts verstehen, die eben Laien in der öffentlichen Verwaltung sind. Der Zweck dieser Politik ist natürlich, die Übermacht der Bürokratie festzulegen, die ganze öffentliche Verwaltung in die Hände der Bürokratie zu legen. In der Sowjetunion sehen wir die umgekehrte Tendenz. Während sich bei uns die regierenden Herrschaften den Kopf darüber zerbrechen, wie man das Laienelement beseitigen könnte, ist in Rußland das größte Problem, mit dem man sich dort neben dem Aufbau des Sozialismus beschäftigt - und das hängt damit zusammen - das Problem: wie verdrängen wir, wie schränken wir die Bürokratie auf das notwendigste Maß ein, wie steigern wir den Anteil - allerdings sagt man dort nicht: des Laienelementes, sondern - der arbeitenden Klassen an der gesamten öffentlichen Verwaltung, nicht nur wie bei uns an der Gemeinde-, Bezirks-, Kreis- oder Landesverwaltung, sondern auch an der Gerichtsverwaltung, an der Rechtsprechung, und auch an der Wirtschaftsverwaltung, d. h. an der Verwaltung der vergesellschafteten Industrie und Wirtschaft. Während man in der Sowjetunion den Gedanken der Selbstverwaltung restlos durchzuführen sucht, ist man bei uns bestrebt, die Selbstverwaltung auf ein Minimum zu reduzieren. Aus diesen Gründen und wegen der Wichtigkeit der ganzen staatlichen Finanzpolitik und der gesamten öffentlichen Verwaltung ist es begreiflich, daß sich heute die ganze reaktionäre Politik der bürgerlichen Koalition darauf konzentriert und hier muß immer wieder festgestellt werden, daß diese Tendenz nicht die Erfindung der bürgerlichen Koalition ist, sondern daß das ein Erbe der allnationalen Koalition an die bürgerliche Koalition ist, welche das Werk nur vollenden will - daß sich also die ganze reaktionäre Politik der bürgerlichen Koalition in der Finanz- und Steuerpolitik und damit im Finanzministerium konzentriert.


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