In der Sprachenfrage kann ich feststellen,
daß uns unsere deutsche Muttersprache heilig ist wie auch
jedem anderen Volke seine Muttersprache heilig ist. Die Geltung
der deutschen Sprache hierzulande ist ein Gradmesser für
die Bedeutung, welche dem deutschen Volke in unserem Staate zuerkannt
wird. Und wenn wir die Anerkennung der deutschen Sprache in der
entsprechenden Weise auch im Parlamente in Ausübung unserer
Berufspflicht als Mandatare verlangen, ist das sicherlich nicht
eine Prestigepolitik, sondern eine politische Notwendigkeit, die
jeder Einsichtige verstehen wird. Die Schwierigkeiten, die sich
da entgegenstellen, sind dem Geiste der Verständigung sicherlich
abträglich und auch dem Staate nicht nützlich, wie schon
Herder sagt: "Jede Sprache ist der Schlüßel zu
vielen Schatzkammern." Wenn eingewendet wird, daß dies
die Geschäftsordnung und die Verfassung verbieten, kann ich
in formaler Beziehung nicht umhin, meiner Verwunderung Ausdruck
zu geben, daß sich da als Hüterin der Geschäftsordnung
in erster Reihe gerade jene Partei aufspielt, welche bei der Kongruaabstimmung
in Verletzung der Geschäftsordnung nicht unterlassen hat
die Präsidententribüne mitzustürmen und die Funktionäre
des Präsidiums an der Ausübung ihrer Funktionen nach
Möglichkeit zu behindern. (Souhlas.) In rechtlicher
Beziehung verweise ich auf einen ausgezeichneten Artikel, betitelt
"Die èecoslovakische Verfassung und die Deutschen",
des leider zu früh verstorbenen Staatrechtslehrers und früheren
deutschen Senators Prof. Dr Spiegel in der vom Prof. Flusser im
Jahre 1921 herausgegebenen Broschüre, "Deutsche Politiker
an das èechische Volk", präzisiert mit Beziehung
auf den international verpflichtenden Minderheitsschutzvertrag
vom 10. September 1919 unser Sprachenrecht nach
der Geschäftsordnung unter Darlegungen, wie wir sie wiederholt
im Parlament, in Versammlungen und in der Öffentlichkeit
abgegeben hahen, wie folgt: "In gleicher Weise entwerten
die Geschäftsordnungen die vertragsmäßig festgelegte
politische Gleichberechtigung der nationalen Minderheiten.
Die Bestimmungen über die Parlamentsprache schließen
alle diejenigen Volksvertreter von der aktiven parlamentarischen
Mitarbeit von vornherein aus, welche die èechoslovakische
Sprache nicht beherrschen. Sie verstehen nichts
von dem, was im Hause vorgeht, sie können die Gesetzentwürfe,
die ihnen vorgelegt werden nicht studieren. Nicht einmal in der
Obmännerkonferenz, die doch von vornherein dem Zwecke der
Verständigung dient, wird von Seiten des Präsidiums
oder der Regierung ein deutsches Wort gesprochen", (Výkøiky.)
Daran knüpft er die Bemerkung, daß
man es den Deutschen nicht verübeln kann, wenn sie darin
eine Verhöhnung der politischen Gleichberechtigung aller
Staatsbürger, ohne Unterschied der Sprache erblicken. Er
schließt mit einem Appele worin er sagt: "Mögen
sich endlich einmal die intelligenten Kreise des èechischen
Volkes die deutschen Beschwerden vergegenwärtigen, mögen
sie sie so vorurteilslos und unbefangen, als es ihnen möglich
ist, prüfen und mögen sie sich dann selbst fragen, ob
es im Interesse ihrer Volkes und ihres Staates
gelegen ist, über die Rechte einer so großen Minderheit,
wie der deutschen zur Tagesordnung überzugehen. Mögen
sie sich insbesondere das warnende Beispiel des alten Österreich
vor Augen halten".
Ich halte diesen Appele, auch jetzt gerade
für sehr zeitgemäß um den Willen eines Teiles
des deutschen Volkes zur Verständigung zu fördern und
nicht unmöglich zu machen. Wenn behauptet wird, daß
das im Rahmen einer großen politischen Konzeption etwas
geringes ist, so will ich im vor hinein erwidern mit einem
klassischen Wahrwort: "Geringes ist die Wiege des Großen"
und die Verständigung bis zum nationalen Ausgleich zwischen
den Èechen und Deutschen in diesem Staate ist sicherlich
etwas großes. Die Anbahnung dieser Verständigung, zu
der wir uns entschlossen haben, ist aber mit
daran geknüpf, daß auch unserer Sprache der gebührende
Platz eingeräumt wird. (Posl. de Witte: Man hat sich verständigt
über Kongrua und Getreide-Zölle!) Herr Kollege,
wir sind nicht so schnell im Endurteil, wir müssen auch Geduld
und starke Nerven haben können. Es wird Großes auch
nicht von heute auf morgen vollzogen. Dem Ziel der positiven Mitarbeit
im Interesse aller strebt unser Eintitt in die Regierung zu, welcher
unternommen wurde, als unter allgemein bedrohlichen Zersetzungserscheinungen
die Einsicht auch auf èehischer Seite sich Bahn brach,
daß der Vernichtungskampf gegen die nicht èechischen
Völker in diesem Staate aussichtslos ist und nur zur Vernichtung
des eigenen Staates führen muß. (Posl.
Hackenberg: Diese Einsieht fehlt freilich noch!) Gut
Ding braucht Weile. Einige èechische Politiker von mehr
staatsmännischem Rang haben diese Einsicht zwar schon längst
gehabt, aber unter dem Terror (Rùzné výkøiky.)
eines falsch verstandenen Patriotismus...
(Hluk na levici.)...
Místopøedseda Slavíèek
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. dr Luschka (pokraèuje):...
bisher nicht danach zu handeln gewagt.
Jetzt, wo das zwangsläufig unter dem Einfluß des Locarno-Geistes
der Welt fast mit elemnatarer Gewalt innerhalb weniger Wochen
spruchreif geworden ist, hat sich diese Erkenntnis zu einer festen
Grundlage gestaltet, die uns die beste Bürgschaft moralischer
und persönlicher Natur sein kann. (Výkøiky.)
Das Risiko dieses Verständigungsversuches
besteht nur darin, daß vielleicht nicht der Wille der in
Betracht kommenden Völker entscheidend ist, sondern daß
eine im chauvinistischen Geiste allmächtig gewordene Bürokratie
gegen den guten Willen der Staatsmänner in der Exekutive
der Staatsverwaltung ankämpfen kann, ja, den guten Willen
auch sabotieren kann. Diese nach achtjährigen Erfahrungen
bei einzelnen mächtig gewordenen Verwaltungsbeamten
nur allzu begründete Besorgnis ist der stärkste
Schatten auf dem Wege der angebahnten Verständigung der Deutschen
mit dem èechischen Volke. (Posl.
de Witte: Und trotzdem stimmen Sie für Ermächtigungsgesetze,
womit diesen Bürokraten wiederum Macht in die Hand gegeben
wird!) Herr Kollege, eine starke
Regierung ist imstande, mit der Verwaltung fertig zu werden und
wir wollen eine starke Regierung, deswegen sind wir auch für
den Eintritt in die Regierung gewesen. Wir verlangen von niemandem
das Opfer nationalen Bewustseins, wie auch wir unser deutsches
Volksbewustsein durch den Eintritt in die Staatsregierung nicht
preisgegeben haben. Im Gegenteil, wir sind der innersten Überzeugung,
daß wir hiedurch den Glauben an die innere Kraft und Zukunft
unseres sudetendeutschen Volkes neugestärkt haben. Wir deutschen
Christlichsozialen haben den Kampf Deutscher gegen Deutsche auch
dort, wo er nicht zu umgehen war, stets in maßvoller Sachlichkeit
geführt, Auswüchse in diesem Kampf verabscheut und es
abgelehnt zur Verschärfung dieses Kampfes beizutragen. Mit
derselben Entschlossenheit verwahren wir uns auch nunmehr dagegen,
daß Unterstellungen versucht werden, um unsere uneigennützige
und ehrliche Absicht zu mißdeuten, dem sudetendeutschen
Volk durch unsere aktivistische Politik Bestand und Entwicklung
zu sichern (Rùzné výkøiky
socialistických poslancù.) Wir
haben darüber unsere Auffassung, Sie die Ihre, deswegen können
wir immer noch in der gegenseitigen Auffassung die Achtung einander
gegenseitig bewahren. (Výkøiky.) Im
friedlichen Wettstret der Völker um gegenseitige Achtung
und gleiches Recht... (Posl. Hackenberg: Es wird nicht mehr
lange dauern, bis es mit der Achtung vorbei ist!) Es ist undankbar
in der Politik zu prophezeihen. (Rùzné
výkøiky posl. Bobka, dr Petersilky, Hackenberga
a de Witte. Posl. de Witte: Gehorsam ist des
Christen Schmuck!) Ja, sehr richtig,
gehorsam und nicht Drohungen, wie Sie sie fortwährend aussprechen.
Ich betone: Im friedlichen Wettstreit der Völker um gegenseitige
Achtung und gleiches Recht, wollen wir hierzulande unsere nationalen
Aufgaben erfüllen. Wir wollen durchsetzen, daß der
Wappenspruch dieses Staates "Die Wahrheit siegt" sich
auch verwirkliche. Wir fühlen uns da auf dem richtigen Wege,
den wir solange gehen werden, als wir die Hand zur Verständigung
beider Völker auf èechischer
Seite entgegen gehalten sehen. Solange
übernehmen wir auch für unsere Haltung die Verantwortung
vor dem gesamten deutschen Volke und der Geschichte. Der Vorteile
dieser Zusammenarbeit wird jeder teilhaftig, der uns zu den gleichen
Pflichten die vorbehaltslos gleichen Rechte ehrlich gewähren
will. Darauf bestehen wir. Das ist unser nationales, das ist unser
staatspolitisches Ziel. Dieses trotz aller Gegnerschaft anderer,
trotz aller Anrempelungen, trotz aller Feindschaften inzäher
Energie für unser deutsches Volk im èechoslovakischen
Staate endlich zu erringen, soll uns schönster Lohn für
unsere Arbeit sein. (Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany køes. socialní.)
Wir haben das Budget für das Jahr 1927
bereits in den Verhandlungen des Budgetausschusses als das Klassenbudget
eines kapitalistischen Staates bezeichnet. Wir brauchen dieser
Kennzeichnung nichts weiter hinzuzufügen. Es erübrigt
uns nur, hier an der Hand dieses Budgets die ganze Finanz- und
Budgetpolitik des bürgerlichen Staates zu kennzeichnen. Wir
stellen vor allem fest, daß ein Überblick über
das Budget, eine Durchrechnung der Ziffern zeigt, daß von
den Gesamtausgaben des Budgets 63.4% auf den
Machtapparat des Staates, auf den zivilen wie auf den militärischen,
und auf den Staatsschuldendienst entfallen, daß nur 10.9%
auf die wirtschaftlichen Ausgaben des Staates entfallen, daß
10.4% für Kultur und Volksaufklärung
ausgegeben werden und 15.3% für soziale
Ausgaben, vorausgesetzt, daß man in diese sozialen Aufgaben
auch die Ausgaben für die Pensionen der Staatsangestellten
einbezieht, die ein Anrecht des Staatsangestellten darstellen.
Wenn man diese Pensionen abzieht, so entfallen auf die sozialen
Leistungen des Staates in Wirklichkeit nur 10.9% der
Gesamtausgaben. Bei der Aufzählung dieser Verhältniszahlen
wurde von Seite des Herrn Finanzministers darauf aufmerksam gemacht,
was ja ganz selbstverständlich ist, daß die Ausgaben
im Staatshaushalte für Zwecke der Kultur und der Volksaufklärung
nicht die Gesamtaufwendungen im Staate für diese Zwecke enthalten,
sondern daß hier die Selbstverwaltungskörper den Löwenanteil
zu tragen haben. Das ist nicht nur in der Èechoslovakei,
sondern auch in anderen Staaten der Fall, und wenn wir die Verhältnisziffern
des Staatsbudgets anführen, so wollen wir damit nicht sagen,
daß so wenig Geld im Staate überhaupt für Kultur
und Volksaufklärung und für soziale Zwecke ausgegeben
wird, sondern es sollen diese Verhältniszahlen die staatliche
Finanzpolitik charakterisieren, sie sollen zeigen, wieviel der
Staat von den verschiedenen Aufgaben auf sich nimmt. Auf die Selbstverwaltungskörper
sich auszureden, hat am allerwenigsten der Finanzminister Dr Engliš
ein Recht, der gleichzeitig mit der Verhandlung dieses Budgets
einen Steuerreformentwurf vorgelegt hat, dessen Effekt sein wird,
daß die Ausgaben der Selbstverwaltungskörper für
diese sozialen und kulturellen Zwecke sinken werden. Soweit die
Einnahmen des Staates in Betracht kommen, sehen wir einen steigenden
Anteil der Belastung des Verbrauches, also der Verbrauchssteuern.
Wenn man sämtliche Steuern, Abgaben u. s. w. und überhaupt
alle Staatseinnahmen zusammenrechnet, die aus dem Wirtschaftsleben
herausgenommen werden - ausgenommen die direkten Steuern - also
die indirekten Steuern, die Reinerträgnisse der Staatsunternehmungen,
die Leistungen der arbeitenden Klassen u. s. w., so macht alles
zusammengenommen 8 1/2 Milliarden aus. Der Herr Finanzminister
hat diese Ziffer deshalb als unmöglich hingestellt, weil
sie einen zu großen Anteil am Arbeitslohne betragen würde.
Der Herr Finanzminister hat sich diese Rechnung leicht gemacht,
wie wenn es sich hier nur um einen ganz mechanischen Abzug von
den Löhnen handelte. Aber die Sache liegt so, daß es
sich hier um Einnahmen handelt, die der Staat daraus schöpft,
daß er nicht nur den Lohnanteil des Arbeiters an der Produktion
erfaßt, d. h. also den Anteil, den der Arbeiter in der Form
des Lohnes am Ertrage der Produktion bekommt, sondern, daß
dadurch auch der andere Ertrag der Produktion erfaßt wird,
der nicht in die Tasche des Arbeiters als Lohn fließt, den
sich die kapitalistische Gesellschaft auf Grund ihrer ökonomischen
Macht als Besitzer der Produktionsmittel für sich behält
und den arbeitenden Klassen vorenthält.
Im Budgetausschuß habe ich die Steuerreform
gekennzeichnet als ein Symptom der Tendenz unserer Steuerpolitik,
die Lasten der arbeitenden Klassen zu vermehren und die besitzenden
Klassen zu entlasten. Der Herr Finanzminister hat das beantwortet
mit der Aufforderung, es soll nachgewiesen werden, daß durch
die Steuerreform selbst die Lasten der arbeitenden Klassen erhöht
werden. Darum handelt es sich nicht. Es handelt sich vor allem
darum, daß durch die Steuerreform die Lasten der besitzenden
Klassen in bedeutender Weise herabgesetzt werden, während
die Einkommensteuer für die arbeitenden Klassen nur in sehr
geringem Maße herabgesetzt wird, und auf der anderen Seite
die Entlastung der besitzenden Klassen eine Vermehrung der indirekten
Lasten mit sich bringen muß, was ja schon aus der Ankündigung
der Zeitungen über eine geplante Erhöhung der Biersteuer
und andere Einnahmspläne zur Deckung z. B. der Lehrergehalte,
des Defizits der Länder u. s. w. klar hervorgeht. Im Steuerreformentwurf
wird das steuerfreie Existenzminimum um ein weniges heraufgesetzt.
Aber diese Heraufsetzung entspricht auch jetzt bei weitem nicht,
dem steuerfreien Existenzminimum, das vor dem Kriege Gesetz war,
wenn man es nach dem Preisindex valorisieren wollte. Aber auf
der andere Seite sehen wir, daß die Einkommensteuer für
die besitzenden Klassen, für die hohen Einkommen herabgesetzt
wird, während unsere Forderung, die Forderung der Arbeiterparteien,
darauf hinausgeht, die Lasten der arbeitenden Klassen herabzusetzen
und die Steuerleistung der besitzenden Klassen für die hohen
Einkommen progressiv heraufzusetzen. Man darf nicht vergessen,
daß es eine ganz andere Sache ist, wenn der Arbeiter Einkommensteuer
zahlt und wenn die besitzenden Klassen, wenn diejenigen, die hohe
Einkommen haben, Steuer leisten. Wenn der Arbeiter eine Steuer
zahlt, besonders angesichts der heutigen Reallöhne, angesichts
der heutigen Preisverhältnisse und der heutigen Wirtschaftsverhältnisse,
so bedeutet das nichts anderes, als daß er sich diese Kronen
vom Munde absparen muß, daß diese Steuerleistung den
Unterkonsum der arbeitenden Bevölkerung und damit den Hunger
noch verschlimmert. Denn Hunger ist nicht nur Mangel an Nahrung.
Wenn die besitzenden Klassen, wenn jene, die hunderttausend Kronen
und mehr Einkommen haben, Steuern zahlen, so bedeutet das nicht
eine Verschlechterung ihrer Existenz, nicht eine Vergrößerung
ihres Hungers, ihres Unterkonsums, sondern es bedeutet dies eine
Verlangsamung der Vermögensanhäufung auf Seite dieser
Herrschaften und höchstens, wenn wir das sehr optimistisch
beurteilen wollten, eine Einschränkung des Luxuskonsums dieser
Herrschaften mit dem hohen Einkommen. Diese Einschränkung
des Luxuskonsums würde aber auch den theoretischen Ansichten
des Herrn Finanzministers entsprechen, der uns einigemale auseinandergesetzt
hat, daß wir jetzt ärmer seien, als wir vor dem Kriege
waren, und daß wir uns infolgedessen einschränken müssen.
In seinem Steuerreformentwurf jedoch sagt Herr Dr Engliš
den besitzenden Klassen, denen die sich einschränken
könnten, nicht: "Schränkt Euch ein!" sondern
im Gegenteil: "Ihr könnt noch mehr verbrauchen, Ihr
könnt noch mehr Gewinn einstecken, ich setze Euch die Steuern
herab."
Es ist interessant, in diesem Zusammenhange
einen Vergleich zu ziehen mit den Ziftern des Budgets der Sowjetunion
für das eben abgelaufene Wirtschaftsjahr 1925/1926. Hier
sehen wir, daß von den Staatsausgaben 51.1/2%
auf wirtschaftliche Zwecke entfallen, 30% auf kulturelle
und soziale Zwecke - in der Èechoslovakei 21.3%
- 15% auf die Armee und 3.9 % auf die Administrative,
wobei bei den sozialen und kulturellen Ausgaben berücksichtigt
werden muß, daß auch die anderen Verwaltungsverbände
in diesem Punkte das Ihre zu leisten haben, auch weiter berücksichtigt
werden muß, daß die Leistungen der Unternehmungen
für die Arbeiter, die sozialen ebenso wie die kulturellen,
viel höher sind als bei uns. Kulturelle Leistungen der Unternehmer
gibt es ja bei uns überhaupt nicht. Es sind aber nicht nur
wichtig die Zahlen, die sich in einem Wirtschaftsjahr vor uns
aufrollen, sondern wir müssen die Sache auch dynamisch, wir
müssen die Tendenz der ganzen Finanz- und Budgetpolitik betrachten.
Wir sehen in der Sowjetunion - wenn wir die Ziffern, und das ist
ja bereits in der Presse geschehen, der letzten Jahre vergleichen
- ein Sinken der Ausgaben für Armee und ein Steigen derselben
für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke. Dabei
besteht noch ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Budget der
Sowjetunion und dem der èechoslovakischen Republik.
Wir sehen hier bei uns das Bestreben - wenn auch der Effekt nicht
immer dem Bestreben entspricht und dieser Effekt oft nur vorgetäuscht
wird - das Budget möglichst herabzusetzen, während wir
in der Sowjetunion die Tendenz eines stetigen
Steigens des Gesamtbudgets mit der Erweiterung der wirtschaftlichen
Basis des ganzen Staates sehen. Bei uns ist der Ehrgeiz der Finanzminister
darauf gerichtet, allerdings oft vergeblich, das Budget herabzusetzen.
Worauf ist das zurückzuführen? Darauf, daß die
ganze Finanz- und Budgetpolitik des Arbeiterstaates von ganz anderen
Gesichtspunkten als die des kapitalistischen Staates geleitet
wird. Welches sind die Gesichtspunkte der Finanzpolitik des kapitalistischen
Staates? Erstens ist der Zweck des Budgets, den Machtapparat zur
Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung so stark wie möglich
zu machen, daher die ungeheuren Ausgaben für den gesamten
Machtapparat des Staates. Zweitens den Staatsschuldendienst aufrechtzuerhalten,
die Tributpflichtigkeit des Staates gegenüber den Kapitalisten,
vor allem gegenüber dem Rentnerkapital. Drittens die wirtschaftlichen
Aufgaben nur zu übernehmen, soweit die allernotwendigste
Regelung des kapitalistischen Wirtschaftanarchismus das gebieterisch
erfordert und soweit fiskalische Interessen, die Sicherung von
Einnahmen, das erfordern, wie z. B. bei der Tabakregie, und viertens
die notwendigsten sozialen Aufgaben zu erfüllen, um die Arbeiter
zu beruhigen, soweit die Arbeiterschaft sich durch ihren Klassenkampf
die Erfüllung solcher sozialen Aufgaben erzwingt. Die Bourgeoisie
wünscht den Staat und seine Machtvollkommenheit, natürlich
auch seine wirtschaftliche, nur soweit, als es zur Erhaltung der
bürgerlich-kapitalistischen Ordnung notwendig ist. Daher
sehen wir, daß vom Gesichtspunkt der Bourgeoisie der erste
Punkt, die Erhaltung des Machtapparates, im Interesse der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung unerläßlich und die Hauptaufgabe
der ganzen staatlichen Finanzpolitik ist. Soweit der Punkt zwei,
"Staatsschuldendienst", in Betracht kommt, ist diese
Aufgabe des Staates der Bourgeoisie sehr sympathisch und wir sehen
die Tendenz, diese Seite der Ausgaben des Staates zu steigern.
Der Herr Präsident des Obersten Rechnungskontrollamtes hat
uns im Budget angekündigt, daß die Ausgaben für
den Staatsschuldendienst in den nächsten Jahren deshalb immer
und immer wieder steigen werden, weil der Staat immer mehr und
mehr - das ist auch ein Stück der Konsolidierung - Vorkriegsschulden
zu übernehmen hat. Dazu kommen noch die drohenden Reparationen,
die Befreiungstaxe, die jetzt wieder auf 750 Millionen Goldfrank
geschätzt worden ist.
Soweit der dritte Punkt in Betracht kommt,
das sind die wirtschaftlichen Ausgaben des Staates, sieht sie
die Bourgeoisie als ein notwendiges Übel an. Diese Tätigkeit
des Staates ist den besitzenden Klassen, den Kapitalisten lästig.
Dem vierten Punkt aber, das sind die notwendigsten sozialen Aufgaben
des Staates, stehen die besitzenden Klassen des Staates überhaupt
feindselig gegenüber, was vom Gesichtspunkte ihrer Interessen
selbstverständlich ist und wir sehen das ja bestätigt
durch die jetzigen Ankündigungen und die ersten Versuche
der neuen bürgerlichen Regierungsmehrheit, die Leistungen
des Staates für soziale Zwecke soweit wie möglich loszuwerden.
Worin besteht nun die Aufgabe des proletarischen Staates, eben
auch vom Gesichtspunkt der Finanz- und Budgetpolitik? Zunächst
sieht sie im Staate einen Machtapparat zur Sicherung der Herrschaft
der arbeitenden Klassen. Zweitens sieht sie den Zweck des proletarischen
Staates in der Sicherung und Verbesserung der Existenz der arbeitenden
Klassen, die ja die Grundlage des ganzen proletarischen Staates
sind. In dritter Hinsicht besteht die Aufgabe des proletarischen
Staates darin, sich auf die wirtschaftliche Arbeit zu verlegen,
diese wirtschaftliche Seite ihrem Umfange nach ständig zu
erweitern zu dem Zwecke, um die Vergesellschaftung der ganzen
Produktion und Distribution herbeizuführen und selbstverständlich
das Wirtschaftsleben zu heben. Daher sehen wir im proletarischen
Staat - und das kommt in der Ziffer 5 1/2% Ausgaben für
wirtschaftliche Aufgaben in der Sowjetunion zum Ausdruck - die
Tendenz einer ständigen Erweiterung der wirtschaftlichen
Aufgaben und damit auch der wirtschaftlichen Ausgaben des Staates.
Soweit der Punkt "Schulddienst" in Betracht kommt, ist
er im Arbeiterstaat nur soweit vorhanden, als die privatkapitalistische
Wirtschaft innerhalb und außerhalb des Staates noch stark
genug ist, um dem Staat einen derartigen Dienst aufzuerlegen.
Es ist das Bestreben - und das sehen wir ja auch an dem Stande
der russischen Staatsschulden und in der Politik bezüglich
der Frage der auswärtigen Schulden - diese Ausgabenpost,
diese Last des Staates, auf ein Minimum zu reduzieren.
Daraus ersehen wir den ganz verschiedenen Charakter
des Budgets der Sowjetunion auf der Ausgabenseite, sehen auch
auf der Einnahmenseite eine ganz andere Tendenz gegenüber
dem kapitalistischen Staat: Die Tendenz der Steigerung der Einnahmen
aus dem Reinertrag der vergesellschafteten Wirtschaft zu vollziehen
und auf der anderen Seite die Einnahmen aus den Steuern so weit
wie möglich herabzusetzen. Wir sehen diese Tendenz, die Einnahmen
aus der vergesellschafteten Wirtschaft zu erhöhen, den Anteil
der Steuern an den Einnahmen des Staates aber herabzusetzen, auch
in den Ziffern des Budgets der Sowjetunion zum Ausdruck kommen.
Bei den Steuern sehen wir das Bestreben, die arbeitenden Klassen
zu entlasten. Infolgedessen sind auch die Steuern in der Sowjetunion
stark progressiv. Das steuerfreie Existenzminimum beträgt,
nach unserem Gelde umgerechnet, 21.000 Kè und die Kleinbauern
sind in der Sowjetunion vollständig steuerfrei. Darin kommt
eben nur die Tatsache zum Ausdruck - sowohl in der Verschiedenheit
der Einnahmenwie der Ausgabenseite - daß
ein anderer Staat natürlich auch ein anderes Budget bedeutet
und es ist ja auch im allgemeinen richtig, daß es fast unmöglich
ist, die Budgets verschiedener Staaten zu vergleichen. Um so schwieriger
aber ist es, um so weniger kann man einfach nach den Ziffern das
Budget des Sowjetstaates mit dem Budget eines kapitalistischen
Staates vergleichen, weil eben beide Staaten ganz verschiedenen
Charakters sind. Man kann füglich sagen, daß die Tendenz,
das Budget des èechoslovakischen Staates so zu gestalten,
daß es dem Budget der Sowjetunion in seinen Ziffern in den
Verhältnisziffern der Einnahmen und Ausgaben immer näher
und näher komme, nicht nur eine budgetäre,
finanzpolitische sein kann, sondern daß die Konsequenz eines
solchen Bestrebens eben die Umwälzung des ganzen Staates
sein müßte.
Der verschiedene Charakter dieser beiden Formen
des Staates, des bürgerlichen Klassenstaates und des proletarischen
Klassenstaates, kommt auch in den großen Unterschieden in
Bezug auf die Organisation der öffentlichen Verwaltung zum
Ausdruck. Wir sehen bei uns in der öffentlichen Verwaltung
die Tendenz, den Anteil der Bevölkerung, bezw. der von der
Bevölkerung gewählten Vertreter an der öffentlichen
Verwaltung soweit wie möglich herabzusetzen. Man hat dafür
den schönen Ausdruck "das Laienelement" geschaffen.
So wurde in den letzten Tagen immer gesagt, der Anteil des Laienelementes
an der öffentlichen Verwaltung müsse eingeschränkt
werden. Dieses Wort ist natürlich mit der deutlich sichtbaren
Tendenz gewählt, alle, die nicht Bürokraten sind, sofort
als Leute hinzustellen, die von der Verwaltung nichts verstehen,
die eben Laien in der öffentlichen Verwaltung sind. Der Zweck
dieser Politik ist natürlich, die Übermacht der Bürokratie
festzulegen, die ganze öffentliche Verwaltung in die Hände
der Bürokratie zu legen. In der Sowjetunion sehen wir die
umgekehrte Tendenz. Während sich bei uns die regierenden
Herrschaften den Kopf darüber zerbrechen, wie man das Laienelement
beseitigen könnte, ist in Rußland das größte
Problem, mit dem man sich dort neben dem Aufbau des Sozialismus
beschäftigt - und das hängt damit zusammen - das Problem:
wie verdrängen wir, wie schränken wir die Bürokratie
auf das notwendigste Maß ein, wie steigern wir den Anteil
- allerdings sagt man dort nicht: des Laienelementes, sondern
- der arbeitenden Klassen an der gesamten öffentlichen Verwaltung,
nicht nur wie bei uns an der Gemeinde-, Bezirks-, Kreis- oder
Landesverwaltung, sondern auch an der Gerichtsverwaltung, an der
Rechtsprechung, und auch an der Wirtschaftsverwaltung, d. h. an
der Verwaltung der vergesellschafteten Industrie und Wirtschaft.
Während man in der Sowjetunion den Gedanken der Selbstverwaltung
restlos durchzuführen sucht, ist man bei uns bestrebt, die
Selbstverwaltung auf ein Minimum zu reduzieren. Aus diesen Gründen
und wegen der Wichtigkeit der ganzen staatlichen Finanzpolitik
und der gesamten öffentlichen Verwaltung ist es begreiflich,
daß sich heute die ganze reaktionäre Politik der bürgerlichen
Koalition darauf konzentriert und hier muß immer wieder
festgestellt werden, daß diese Tendenz nicht die Erfindung
der bürgerlichen Koalition ist, sondern daß das ein
Erbe der allnationalen Koalition an die bürgerliche Koalition
ist, welche das Werk nur vollenden will - daß sich also
die ganze reaktionäre Politik der bürgerlichen Koalition
in der Finanz- und Steuerpolitik und damit im Finanzministerium
konzentriert.