Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind in
der vergangenen Zeit oftmals in die Lage gekommen, in diesem Staate
einen politischen Szenenwechsel zu erleben, ohne daß dadurch
die politischen Parteien oder gar die breite Öffentlichkeit
sich besonders erregt hätten, weil dergleichen stets nur
einen Personenwechsel, niemals aber einen Wechsel des Systems
bedeutete.
Der Ministerwechsel aber, der sieh hier nunmehr
vollzogen hat, ist deswegen ein politisches Ereignis ersten Ranges,
ja von historischer Bedeutung, weil das erstemal seit dem Bestehen
dieses Staates zwei Vertreter der tief gehaßten, durch Minister
Dr Beneš in seinem Memoire III geradezu abgeleugneten
deutschen Minderheit als Mitglied des neuen Ministeriums sich
der in- und ausländischen Öffentlichkeit vorstellen,
so daß ein allgemeines Staunen und Aufhorchen durch die
Welt geht und allüberall diese zweifellos folgenschwere Tatsache
einer kritischen Beurteilung unterzogen wird, wobei deren Ergebnisse
je nach der politischen Einstellung jedes Einzelnen selbstverständlich
ganz verschieden ausfallen müssen.
So wollen denn auch wir, die Deutsche Nationalpartei,
zu dieser eben vollzogenen Tatsache unsere Meinung äußern.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
Slavíèek.)
Es hat lange gedauert, ehe das politische Intriguenspiel
beendet war, ein Intriguenspiel, welches bereits während
der letzten Wahlvorbereitungen unter dem Schatten des Hradschin
begonnen und seither ununterbrochen gedauert hat, bis Herr Švehla
seine Gesundheit endgültig wiedergefunden hat, welche er
in der Zwischenzeit aus politischen Gründen mehrmals verloren
hat. Nun ist Herr Švehla wieder Ministerpräsident,
für uns ebenso ein alter Bekannter, wie es der verflossene
Herr Ministerpräsident Èerný
war. Wir kennen beide aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit
und wissen sehr wohl, alles das zu würdigen, was sie gegen
uns Sudetendeutsche ins Werk gesetzt haben. Ihre Verdienste für
die èechische Herrennation sind für uns gleichbedeutend
mit ebensoviel offenkundigen Verletzungen unserer Rechte als Nation.
Mögen diese Herren auf èechischer
Seite auch als nachahmenswerte Vorbilder nationaler Seelengröße
und staatsmännischer Weisheit gelten, uns allerdings erscheinen
sie nur als Würger des Deutschtums und jeder Freiheit, die
unbarmherzig Stück für Stück aus unserem
Volksleibe rissen, als Vollstrecker des Hasses gegen alles Deutsche.
ein Haß, der den maßgebenden Teil des èechischen
Volkes heute wohl eben so beseelt wie vor 10, 20 und 50 Jahren.
"An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen",
heißt es, und wir haben sie wohl erkannt, daher sind
sie uns bisher alle gleich sympathisch gewesen, die Herren èechoslovakischen
Ministerpräsidenten von weiland Tusar
angefangen bis jetzt zu Herren Švehla
III. Wir konnten sie und die hinter ihnen Stehenden immer nur
auf das schärfste ablehnen. Wie sollen die Deutschnationalen
auch zu einem Manne vertrauen haben, der uns als Innenminister
und als Ministerpräsident nur mit Gewalt gegenübertrat,
der auch vor Blutvergießen nicht zurückschreckte, dem
nach dem Zeugnis seiner eigenen Anhänger cäsarische
Allüren anhaften und der niemals einen anderen Willen neben
dem seinigen geduldet hat. Und sein Wille war auch gleichbedeutend
mit dem System, das diesem Staate seinen besonderen Stempel aufdrückt,
in einem Staate, in dem jeder, der anders denkt als die
Regierung, in den Kerker wandert und in dem die anderen Völker
außer den Èechen überhaupt keine Rolle spielten.
Was hatte uns nun der neue Herr Ministerpräsident
anläßlich dieses geschichtlichen Ereignisses zu sagen?
Eigentlich so gut wie nichts. Aus den vielfach gewundenen Sätzen
konnte man nur entnehmen, daß die Regierung die im Dezember
v. J. vorgetragenen Regierungserklärungen als Grundlage ihrer
Tätigkeit bezeichnet - also kein Systemwechsel, sondern die
Fortsetzung des alten Systems einer Tätigkeit, welche sich
auf die Genehmigung des Staatsvoranschlages, die Steuerreform,
das Bauförderungsgesetz, die Militärgesetznovelle und
einige nicht mehr bezeichnete andere Gesetze erstrecken soll.
Es wird weiter gesagt, daß die Leistungsfähigkeit
des Parlamentes erhöht werden müsse und daß aus
dieser Entwicklung die neue Regierung hervorgegangen sei. Auf
das Verhältnis zwischen Deutschen und Èechen wird
gar nicht eingegangen, es wird nur dadurch angedeutet, daß
die Regierungserklärung behauptet, daß
der hiesige Staat ein klassisches Beispiel der engen Beziehungen
verschiedener Volkskulturen sei und daß sich die Regierungsparteien
zur gemeinsamen Arbeit zusammenschließen, um in dem
Rahmen und den Grenzen des èechischen Staates und seiner
großen historischen Sendung in Mitteleuropa
ein harmonisch es Zusammenleben zu schaffen. Worin diese
große historische Sendung des èechischen Staates
besteht und wie man sich das harmonische Zusammenleben
vorstellt, wird allerdings nicht verraten. Nach unseren Erfahrungen
in diesem Staate glauben wir es aber zur Genüge zu kennen.
Der Herr Ministerpräsident ist sich bewußt, daß
die aus den verschiedenen Volkskulturen erwachsenen Differenzen
nicht verschwinden werden, er hofft sie aber offenbar zu mildern.
Wie, das sagt er allerdings auch nicht. Er will in dieser
Richtung neue Wege einschlagen und dadurch die Aufgabe des èechischen
Staates verwirklichen. So viel Worte, so viel
Rätsel, Und erst recht tiefsinnig wird die Regierungserklärung,
wenn sie behauptet, daß ganze lange Jahrzehnte erfüllt
waren von den Versuchen, eine bessere Art des Zusammenlebens,
offenbar der Völker, zu schaffen, daß diese Versuche
jedoch von äußeren Faktoren unternommen worden seien,
welchen die hiesigen Verhältnisse unbekannt waren und daher
niemals zu einem Ziele führten. Es scheint fast, als ob der
Herr Ministerpräsident damit die Friedenskonferenz von Versailles
und St. Germain bezeichnen wollte, denn diese Konferenz war zweifellos
ein äußerer Faktor, welcher die hiesigen Verhältnisse
mächtig beeinflußte, ohne sie in Wirklichkeit zu kennen.
Zu erwähnen ist noch, daß zum Schlusse eine uns Deutschnationalen
seit längerer Zeit wohl bekannte Phrase von der tausendjährigen
Symbiose der Deutschen und Èechen auf diesem Boden
variiert wird, eine Phrase, welche wohl den
Einfluß der neuen deutschen Regierungsparteien auf die Stilisierung
der Regierungserklärung verrät.
Die Regierungserklärung ist ein Musterbeispiel
dafür, wie man Worte stellen kann, um scheinbar viel und
in Wirklichkeit nichts zu sagen, um seine Gedanken nicht auszusprechen,
sondern zu verbergen. Festgestellt muß nur werden, daß
sogar die Tatsache, daß mehrere Völker diesen Staat
bewohnen, dadurch verschleiert wird, daß man anstatt von
Völkern von Volkskulturen spricht, etwas, was uns für
die nächste Zukunft nur Anlaß zum schärfsten Mißtrauen
geben kann. Viel wichtiger als diese nichtssagende Regierungserklärung
ist und bleibt die Tatsache, daß nunmehr zwei große
deutsche Parteien nicht nur im stillen, sozusagen Incognito die
neue Regierung stützen, sondern daß sie dadurch, daß
sie ihre Vertreter ins Ministerium entsendet haben, offen vor
aller Welt auch bekunden, daß sie die volle politische Verantwortung
für alles das übernehmen und tragen wollen, was hier
unter dem neuen Ministerium künftig geschehen oder auch nicht
geschehen wird. Wir wissen genau, daß der Eintritt der deutschen
Minister die notwendige und letzte Etappe ihrer jahrelangen Politik
ist und daß sie durch die Härte der Tatsachen zu diesem
Eintritt in Bälde gezwungen worden wären, wenn sie es
jetzt nicht schon für geraten gehalten hätten, die Folgerungen
ihres Tuns zu ziehen. Und trotzdem, behaupte ich, ist noch der
wichtigste Teil dieser an und für sich logischen Entwicklung
in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, in ein Dunkel,
welches die politische Atmosphäre merklich trübt. Das
ist das Verhältnis der Deutschen zu den èechischen
Regierungsparteien das ist die Frage: Was wollen die zwei deutschen
Parteien in der Regierung, was erwarten sie von ihr, worin besteht
bei beiden Teilen Leistung und Gegenleistung? Die Regierungserklärung
schweigt sich bezeichnender Weise darüber vollkommen aus.
Bei der außerordentlichen Tragweite des Ereignisses muß
doch angenommen werden, daß zwischen den zwei deutschen
Parteien und dem èechischen Regierungsblock ein
fester Vertrag zustande gekommen ist, der beide Teile bindet,
beiden Pflichten, aber auch Rechte verleiht. Denn es hat sich
dadurch das politische Leben grundlegend verändert u. zw.
so stark, daß wohl noch vor wenigen Monaten
an diese Möglichkeit niemand denken konnte. In jedem anderen
Staate hätte der verantwortliche Ministerpräsident unter
solchen Umständen klipp und klar die Gründe einer so
gewichtigen Neueinstellung sowie auch ihre zu gewärtigenden
Auswirkungen der Volksvertretung und damit der gesamten Öffentlichkeit
mitgeteilt.
Die gesamte Öffentlichkeit hat wohl ein
begründetes Recht zu erfahren, was für Dinge sich zugetragen
haben, die es plötzlich u. zw. gerade jetzt für gerade
notwendig erscheinen lassen, aus einer rein èechischen
Regierung eine gemischt-nationale zu machen. Denn auf das müßte
es letztenendes hinauslaufen, wenn alles mit richtigen und lauteren
Dingen zugegangen ist und wenn wirklich der Eintritt der zwei
deutschen Parteien in die Regierungsmehrheit sich
in der Gesetzgebung und in der Staatsverwaltung auswirken sollte.
Und diese Auswirkungen müssen, so meinen wir, vorbesprochen
und vorher festgelegt sein, sie müssen den Inhalt eines Vertrags
ausmachen, der zwischen hüben und trüben geschlossen
worden ist und der der Öffentlichkeit von beiden Vertragsteilen
bisher absichtlich verheimlicht wird. In einer Republik sind die
Minister nur die Bevollmächtigten ihrer Parteien. Daher regieren
eigentlich nicht sie selbst, sondern die hinter ihnen stehenden
Parteien. So müssen wohl diese Parteien alle in Betracht
kommenden Fragen unter einander ins reine gebracht haben, ehe
sie ein gemeinsames Ministerium bilden können, benötigen
doch auch die einzelnen Minister feste Bürgschaften dafür,
daß sie im Ministerrate in grundlegenden Fragen nicht überstimmt
werden können. Sonst wären sie ja binnen kürzester
Zeit gezwungen abzudanken oder sie wären zu einer so traurigen
Statistenrolle verurteilt, daß sie jedem Amtsdiener aufrichtig
leid tun müßten, andererseits glaube ich doch,
daß zwischen den Deutschen, im allgemeinen wenigstens, und
dem èechischen Staatssystem so manches strittig ist und
zu bereinigen wäre. Ich will da nur auf einiges zu sprechen
kommen, was Herr Minister Dr Spina am
18. Dezember 1925 im Abgeordnetenhaus und Herr Sen. Luksch
im Senate als programatische Erklärung des deutschen
Verbandes verkündet haben. Es heißt dort: "Als
gewählte Vertreter des sudetendeutschen Volkes erneuern wir
im Namen des Bundes der Landwirte, der deutschen christlichsozialen
Volkspartei, der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei
und der deutschen Gewerbepartei bei Beginn der zweiten Session
in feierlicher Weise die Erklärung, die wir am 2. und 4.
Juni 1920 im Parlamente abgegeben haben. Gleichzeitig erstrecken
wir den Protest gegen die Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes
des deutschen Volkes auf das Hultschiner Land, Ostschlesien und
die ehemals niederösterreichischen Gebiete. Wir entbieten
den Volksgenossen dieser Gebiete unsere brüderlichen Grüße.
Wir erklären neuerlich, die Friedensverträge
von Versailles, St. Germain und Trianon als Rechtsquelle nicht
anzuerkennen. Die während des siebenjährigen Bestandes
des èechoslovakischen Staates gemachten
Erfahrungen haben gezeigt, daß sein Nationalstaatlicher
Aufbau und sein einseitiges nationalistisches Regierungssystem
für die ihm einverleibten Völker unerträglich sind.
Wir klagen dieses System an, seinem Wesen und seiner Absicht nach
unserem Volke schweres Unrecht und unermeßlichen Schaden
zugefügt zu haben. Wir erblicken in der inneren. Unwahrheit
dieses Regierungssystems die Wurzel aller Übel, an denen
dieses Staatswesen krankt. Wir sehen darin vor allem ein mit der
Sicherheit und Wohlfahrt der sudetendeutschen Volkes unvereinbares
Prinzip, fest auf dem Boden unserer angestammten Heimat stehend,
erklären wir dieses System und seine Auswirkung rücksichtslos
gemeinsam bekämpfen zu wollen. Diesen gemeinsamen Kampf werden
wir führen, bis das erlittene Unrecht wieder gutgemacht und
in allen staatlichen Einrichtungen der. Tatsache Rechnung getragen
ist, daß die Grenzen dieses Staates mehrere gleich zu wertende
und gleich berechtigte Völker umfassen. Zwangsweise einverleibt
in einem nationalgemischten Staat erklären wir unbeschadet
des grundsätzlichen Festhaltens an dem Rechte der freien
nationalen Selbstbestimmung unsere Gleichberechtigung in Sprache,
Arbeitsplatz, Schule und Scholle als unser innerpolitisches Ziel."
Ich will also zunächst voraussetzen, daß
bezüglich aller oder doch der schwerstwiegenden Beschwerden,
welche damals die genannten Herren als programmatische
Erklärung vorgebracht haben, ein günstiges Einvernehmen
zwischen den deutschen und èechischen Regierungsparteien
zustande gekommen ist, daß wir also sicher sein können,
daß das erlittene Unrecht demnächst
wieder gutgemacht und in allen staatlichen Einrichtungen der Tatsache
Rechnung getragen wird, daß die Grenzen dieses Staates mehrere
gleich zu wertende und gleichberechtigte Völker umfassen,
daß also nunmehr der Kampf, auf den sich die Parteien des
deutschen Verbandes am 18. Dezember 1925 eingeschworen haben,
überflüssig geworden ist.
Warum, so frage ich, sagt man uns das nicht
von berufenster Seite? Sollte meine Annahme der Wirklichkeit entsprechen,
dann allerdings wäre die jetzige Regierung wirklich und wahrhaftig
keine rein èechische mehr, sondern eine gemischtnationale,
da ja selbst von den Slovaken abgesehen unter den deutschen Regierungsparteien
sich auch eine stattliche Anzahl von Vertretern der ungarischen
Nation befinden, deren Volksrechte nunmehr
von Regierungswegen wahrzunehmen wären. Von jetzt an hätte
die Regierung die Pflicht, mit derselben peinlichen Sorgfalt,
mit der sie bisher nur die Ansprüche der èechischen
Herrennation gewahrt hat, auch die Rechte der anderen Minderheitsvölker
zu wahren.
Dann allerdings gehört der èechische Nationale Einheitsstaat,
für den Masaryk,
Beneš und viele andere, die ins Ausland flüchteten
und viele andere die größten Entbehrungen auf sich
nahmen und den sie alle miteinander mit bewundernswerter fanatischer
Liebe aufbauten und erfüllten, der Vergangenheit an. Dann
allerdings hätte die Einsicht in die Macht der gegebenen
Tatsachen gesiegt, denn hätte man den Rebellen, mit denen
man 1918 nicht verhandelte, die Bruderhand gereicht und sie als
gleichberechtigte Teilhaber an der Staatsmacht zu sieh herangezogen,
denn hätte man Frieden gemacht im Innern und mit dem nächstliegenden
Auslande, mit dem man seit der Staatsgründung in stetem offenen
wirtschaftlichen und versteckten politischen Kampfe lag. Ich sehe
schon die Frage der Kriegsanleihe wieder aufgenommen, die gesperrten
deutschen Schulen wieder geöffnet, eine funkelnagelneue deutsche
Universität, Technik, Berg-, Handels-, Kunst- und Forsthochschule,
ich sehe die Zentralstellen, insbesondere das Bodenamt und die
Zentralversicherungsanstalt national geteilt, mit deutschen Beamten
besetzt, die entlassenen deutschen Beamten, Angestellten, Lehrer
und Arbeiter zurückgerufen, entschädigt, die Verbrauchssteuern
fast abgeschafft, die Arbeitslosigkeit, von der merkwürdigerweise
der Herr Finanzminister nichts wissen will, die überhandnehmende
Teuerung und den Hunger gebannt, kurz, jetzt beginnt die goldene
Zeit des neuen Aufbaues, aus Nacht wird Tag. Oder sollte ich mich
am Ende getäuscht und eine falsche Voraussetzung angenommen
haben? Der Umstand, daß der Pakt zwischen den deutschen
Regierungsparteien und der èechischen Regierungsmehrheit
offiziell nicht bekanntgegeben wird, gibt schließlich doch
allerlei zu denken. Man hat scheinbar kein ganz reines Gewissen,
man schämt sich des neuen Verhältnisses
- die èechischen Regierungsparteien oder die deutschen
Parteien, oder gar alle beide?
Über all diesen Verhältnissen liegt
ein undurchdringliches Dunkel. Gleich dem Chor in der antiken
Tragödie begleitet der Chor der Presse den Gang dieser
Ereignisse. Und aus ihm heraus hört man die verschiedensten
Töne. Da behauptet die èechische Presse, daß
den deutschen Regierungsparteien in keinem völkisch wichtigen
Punkte etwas versprochen worden sei, niemals würden die Èechen
von ihrer politischen Methode gegen die Minderheitsvölker
ablassen. Heftig wird da mit der weiß-rot-blauen Flagge
gewedelt und die Herren um Dr Kramáø geben
ihren Unmut über die neue Lage der Dinge dadurch Ausdruck,
daß sie ihrerseits keinen Parlamentarier in das neue Ministerium
entsendet haben.
Wenn in früheren Zeiten die Parteien der allèechischen
Koalition miteinander verhandelten, dann allerdings wurde alles
klar und deutlich abgemacht. Die deutschen
Parteien behandelt man scheinbar anders. Es ist ja, noch gar nicht
so lange her, daß man ihnen für ihre Dienstbereitschaft
eine ganze Menge schöner Dinge versprochen hat, über
die in der Öffentlichkeit allerhand Märchen verbreitet
wurden, aber man hat es geflissentlich unterlassen, diese
Versprechen einzulösen. Und so behaupten auch wiederum jetzt
die èechischen Blätter, daß der Lohn der deutschen
Regierungsparteien sozusagen in der guten Tat selbst gelegen sein
soll. Dadurch, daß sie diesen Staatskarren vorwärtsschieben
helfen, die Staatsmaschine vor dem Stillstande
bewahren, werden sie eben von selbst anteilnehmen an allen Vorzügen
und Vergünstigungen, welche üblicherweise hierzulande
Regierungsparteien zukommen, es sei daher gar nicht notwendig,
daß da ein förmlicher Vertrag gemacht werde, der diese
Guttat außerdem noch belohnt.
Merkwürdigerweise äußerten sich die beiden deutschen
Minister in ganz ähnlicher Weise einigen Journalisten gegenüber
während der Rückfahrt aus Topolèianky. Sie sagten
nach der "Bohemia", das Ziel sei und bleibe die
praktische Verwirklichung der nationalen Gleichberechtigung, die
schon jetzt äußerlich in der Teilnahme Deutscher an
der Regierung ausgedrückt, in der schrittweisen Durchsetzung
der nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Forderungen der
Deutschen bestehen müssen. Welcher Art diese Forderungen
sein werden, darüber schwiegen sie sich allerdings wohlweislich
aus.
Von Seite der deutschen Regierungsparteien
ertönte in der jüngsten Vergangenheit laut und mächtig
der Schrei nach der Teilnahme an der Macht in diesem Staate. Sie
wollen damit ihren Besitz erhalten. Wie sie das meinen, ist nicht
recht klar, denn vorläufig wenigsten ist der bäuerliche
Klein- und Mittelbesitz in diesem Staate unmittelbar z. B. durch
Enteignung nicht gefährdet. Meinen sie aber damit etwa die
immer elender werdende Lebensmöglichkeit des Bauern, so bitte
ich nicht zu vergessen, daß da der Bauer eine Menge Leidensgenossen
hat, die alle dasselbe Klagelied berechtigter Weise singen können:
Der Gewerbsmann, der Handelsmann, das Heer der Angestellten und
Arbeiter und nicht zuletzt die Arbeitslosen selbst.
Wollen die deutschen Regierungsparteien da
anpacken, da rühren sie allerdings am gewaltigen Probleme
der jetzigen Wirtschaftskrise, die alle Stände ergriffen
hat und nicht nur eine Erscheinung dieses Staates, sondern ein
europäisches Problem ist, in dessen Hintergrunde als letzte
Ursache die Friedensverträge auftauchen. Dieser Hydra an
den Leib zu rücken, könnten wohl alle Parteien, selbst
dieses Parlamentes, bereit sein, und es ist da wahrhaftig eine
so überlaute Betonung des Gegensatzes zwischen Sozialisten
und Nichtsozialisten, sowie es von den deutschen Regierungsparteien
beliebt wird, nicht am Platze. Aber gerade die überlaute
Betonung dieses Gegensatzes, ja die geradezu wütende Kampfansage
gegen alle sozialen Einrichtungen der neuen Zeit muß in
uns Deutschnationalen wie in jedem sozialempfindenden Menschen
den Verdacht erwecken, daß die deutschen Regierungsparteien
für die allgemeinen nationalen deutschen Interessen, für
das, was dem Volke als Ganzes zugute kommen soll, herzlich
wenig übrig haben und von dem Wahn befallen sind, jetzt -
anno 1926 - mit Hilfe der ihnen nahestehenden èechischen
Standesparteien eine reaktionäre manchesterliberale Wirtschaftspolitik,
übersetzt ins Agrarische, beginnen zu
können. In dieselbe Kerbe haut scheinbar der Herr Ministerpräsident
selbst, indem er in seiner Regierungserklärung den Satz einfließen
ließ, daß für die Lösung großer Aufgaben
Ruhe und Ordnung eine unerläßliche Bedingung sei. So
selbstverständlich dieser Satz auch klingen mag, für
den Eingeweihten aber erscheint hinter den Worten "Ruhe und
Ordnung" der Gendarm mit dem aufgepflanzten Bajonette.
Aus allem dem scheint hervorzugehen, daß
die deutschen Regierungsparteien ohne sichere Zusagen sich den
èechischen Regierungsparteien zur Verfügung gestellt
haben. Sie fühlen auch selbst die Schwäche ihrer Stellung
und versuchen auf alle mögliche Weise eine Stimmung in der
deutschen Bevölkerung herbeizuführen, welche es nach
ihrer Ansicht ermöglichen soll,
daß die èechischen Regierungsparteien sich des geduldigen
lammfromm gewordenen deutschen Volkes endlich
erbarmen und ihm aus Gnade und Barmherzigkeit das angelegte Korallenhalsband
etwas locker lassen.
Nur so kann ich den Ausspruch eines führenden
Staatsmannes der deutschen Regierungsparteien verstehen,
welcher vor kurzem sagte: "Eine Verhinderung der Neuauflage
der èechischen chauvinistischen Politik kann nur erreicht
werden, wenn auch die radikalsten Èechen die Überzeugung
gewinnen, daß die Deutschen nicht gegen
den Staat eingestellt sind." So weit also soll das deutsche
Volk durch diese Art von Politik gebracht werden, daß es
auf alles, was es bisher dulden mußte, in christlicher Liebe
und Demut vergesse. Demütig sollen wir nach jedem empfangenen
Backenstreiche auch die andere Wange hinhalten und gleich
einem geprügelten Hund die Hand lecken, die uns gestraft
hat. Von einer Neuauflage der èechischen chauvinistischen
Politik spricht dieser Herr! Als ob diese Politik schon jemals
aufgehört hätte zu bestehen! Es ist
Metternichscher Geist, der da wieder einmal umgeht und der dem
Volk in seiner Not nichts anderes zu sagen weiß, als "Ruhe
ist des Bürgers erste Pflicht".
Und wie sieht denn eigentlich die Macht aus,
welche nunmehr die deutschen Regierungsparteien inne haben? Von
14 Ministerstellen besitzen sie nur zwei. Sie sind also in einer
kläglichen Minderheit, wenn sie sich nicht irgendwie vor
Überraschungen bereits gesichert haben. Diese Macht ist wahrlich
nicht allzuweit her! Du glaubst zu schieben und du wirst
geschoben! So beläufig wird ihr Verhältnis zur Gegenseite
ausschauen. Daher wiederhole ich nochmals: Die Öffentlichkeit
und das deutsche Volk insbesondere haben ein Recht zu wissen,
was zwischen den èechischen und deutschen Regierungsparteien
vereinbart wurde. Jetzt darf es keine Heimlichkeit
mehr geben, es geht ums Ganze, ist alles ehrlich und sauber zugegangen,
braucht niemand das Licht der Sonne zu scheuen. Wird jedoch die
Geheimnistuerei fortgesetzt, so kann es niemandem verübelt
werden, wenn er dahinter ein schmutziges Geschäft vermutet.
(Výkøiky na levici.) Wir
Deutschnationalen blicken auf alle diese Dinge mit einem tiefen
Mißtrauen. Die Vergangenheit war uns eine zu strenge und
zu gute Lehrmeisterin, als daß wir uns leichtfertig von
dem Wandel der Ereignisse beeinflussen lassen könnten. Wir
kennen den Herrn Ministerpräsidenten zu gut, als daß
wir glauben könnten, daß er und seinesgleichen über
Nacht aus einem Saulus ein Paulus werden könnte, daß
er und seinesgleichen es zulassen könnte, daß aus
dem èechischen Einheitsstaat automatisch mit der Zeit ein
Bündnisstaat der ihn bewohnenden Völker wird, wir kennen
auch die Beweggründe und die geistige Einstellung der deutschen
Regierungsparteien und können uns daher schwerwiegender Zweifel
an dem Gelingen ihrer vielleicht auch guten
Absichten nicht erwehren.
Wir werden daher gegen die Regierungserklärung stimmen. Klar
sehen wir allerdings eins: Durch den Eintritt der deutschen Parteien
in die èechische Regierung haben sie den èechischen
Staat innerlich so erneuert, daß er mit
seinem alten uns sattsam bekannten Gewaltsystem fester steht als
je zuvor.
Die deutschen Regierunggsparteien, welche noch
am 18. Dezember 1925 das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen
wenigstens im Munde führten, dann sich auf die Forderung
einer stets nebulosen Autonomie zurückgezogen haben, haben
nunmehr auch dieses letzte fallen gelassen. Sie sehnen sich nicht
mehr nach Freiheit, haben keinen Sinn mehr für einen großdeutschen
Gedanken, starr sind ihre Augen nach dem Hradschin gerichtet,
Besitz, Macht erreichen und erhalten dünkt ihnen als das
höchste Gut. Und wofür? Für sich selbst und ihre
Parteien, das Volk als ganzes, die andern Stände, sind vergessen
und abgetan. Uns Deutschnationalen aber obliegt es nunmehr, die
den andern entglittene Fahne der deutschen Freiheit, des Selbstbestimmungsrechtes
erst recht hoch zu halten, unser weiteres politisches Verhalten
trotz der neuen Verhältnisse nicht nach kleindeutschen, sondern
nach großdeutschen Gesichtspunkten einzurichten, weil wir
uns, mag geschehen was wolle, nicht den Glauben rauben lassen
wollen, daß einmal eine Zeit kommen wird, in der es dem
deutschen Volk beschieden ist, sein geschlossenes Siedlungsgebiet,
zu dem, wir wenigstens, auch Sudetendeutschland rechnen, zu einem
einheitlichen Staatsgebilde zu gestalten. Hiezu und nicht zur
Konsolidierung eines Staates beizutragen, der naturnotwendigerweise
stets ein deutschfeindlicher sein und bleiben muß, halten
wir für unsere heilige völkische Pflicht. (Souhlas
na levici.)