Meine Damen und Herren! Es ist ein bezeichnendes
Symptom der Steuertechnik dieses Staates, daß sie seit Jahr
und Tag immer mehr und mehr die direkten Steuern zurückdrängt
und an ihre Stelle die indirekte Besteuerung setzt. Gewiß,
die indirekten Steuern sind für den Herrn Finanzminister
bequem und erträgnisreich. Wie aber wirken sie sich auf die
schaffende Bevölkerung aus? Sie belasten die Arbeiter, die
Beamten und Angestellten, die Gewerbetreibenden und Kleinlandwirte
im ungeheuerlichsten Maße, während sie die kapitalkräftigsten,
die reichen Bevölkerungsschichten in aufreizendster Form
schont. Immer deutlicher merkt man es an der Steuertechnik dieses
Staates, daß er nicht nur politisch, sondern noch mehr wirtschaftlich
eine Kolonie des westlerischen Bank- und Börsenkapitalismus
geworden ist. Die Èechoslovakei steht gegenwärtig
mit einer Jahresbesteuerung von 1085 Kronen an der Spitze aller
europäischen Staaten. Es ist ein trauriger Ruhm, daß
wir gerade auf diesem Gebiete einen Rekord
aufgestellt haben. Innerhalb der Steuern selbst sind es gerade
die indirekten Steuern, die ununterbrochen vermehrt werden. Auch
die Zölle, die erst vor wenigen Tagen gerade auf die wichtigsten
Lebensmitteln wie Mehl, Fleisch und Fett gelegt wurden, wirken
genau so als indirekte Besteuerung. Und jetzt stehen wir wiederum
vor einer neuen großen Besteuerung auf Zucker und Spiritus.
Die beiden Vorlagen auf Erhöhung der Spiritus- und Zuckerabgaben
sollen nach den amtlichen Begründungen der Regierungsvorlagen
zur Deckung der Staatsbeamtenvorlagen dienen. Der Finanzeffekt
bei Spiritus soll 40 Millionen Kè und bei Zucker bei einem
Jahresverbrauch von 3.5 Millionen q rund 200 Millionen Kronen
jährlich betragen. Wir sind der Ansicht, daß diese
neue Belastung der Verbraucher schon deshalb
überflüssig geworden ist, weil sich inzwischen ein Ereignis
zugetragen hat, das uns vor eine neue Finanzlage stellt. Durch
die Annahme der Zollvorlage Mašata sind dem Finanzminister
Dr. Engliš ohne jede Anstrengung nach seiner eigenen
sehr niedrigen Schätzung 290 Millionen, nach anderen Schätzungen
400 bis 500 Millionen als Finanzeffekt in den Schoß gefallen.
Schon aus diesem Betrage ist das Erfordernis der Beamtengehaltsgesetze
gedeckt, so daß wir vor einer weiteren Belastung der Bevölkerung
ruhig absehen können.
Wir müssen aber noch aus anderen Gründen
entschieden gegen diese neue schwere Belastung der Konsumenten
in Stadt und Land Verwahrung einlegen. Die Notwendigkeit und Möglichkeit
der Preiserhöhung von Zucker und Spiritus wird damit begründet,
daß der Zuckerpreis von 4.40 K weit unter der Valutarelation
der Friedenszeit, die 78 Heller betrug, liegt, und daß die
Aufwertung dieses Betrages einen Zuckerpreis von 5 K 07 Hellern
ergeben würde. Es wird gesagt, daß die Verbrauchssteuer
auf Zucker in Polen 151 Kronen, in Deutschland 168 Kronen, in
Italien sogar 544 Kronen beträgt. Aber gerade diese Darlegung
ist ein Beweis gegen die Notwendigkeit der beabsichtigten Zuckersteuererhöhung.
Sie zeigt nur, daß man auf Zucker in manchen Ländern
sogar Steuern außerordentlicher Art wie z. B. in Italien,
legen kann. Bei uns spielt aber der Zucker eine ganz andere Rolle
in der Volksernährung als in den genannten Ländern.
Wird die Zuckersteuer angenommen, dann werden
auf jeden Zentner Zucker nicht weniger als 184 Kè,
also auf jedes Kilogramm 1.84 Kè Steuer entfallen, während
die Zuckersteuer bisher 54 Heller betrug, wozu der zwischen Regierung
und den Zuckerproduzenten vereinbarte Zuschlag von 70 Heller pro
1 kg kam, so daß sich gegenwärtig
eine Belastung von 1.24 Kè ergibt. Wenn man berücksichtigt,
daß heute Rohzucker an der Aussiger Börse mit 150 Kè
pro Meterzentner gehandelt wird, so muß eine Steuer von
184 Kronen pro Meterzentner als eine ungeheuere Belastung angesehen
werden, denn der Konsument wird dann an Steuern
mehr bezahlen müssen als der Produzent für die mit der
Produktion von Rüben verbundene Mühe und Arbeit einschließlich
Zinsen und Nebenzinsen, Produktionssteuern und Löhnen einerseits
und der Fabrikant für die Verarbeitung der Rübe zu Zucker
andererseits erhält. Es dürfte dies der einzige Fall
sein, wo der Urproduzent und die Verwertungsindustrie mit dem
kleineren Betrage am Konsumentenpreis beteiligt sind als der Staat
mit seinen Steuern.
Wir stehen in einer schweren Wirschaftskrise.
Nach den amtlichen Ausweisen ist die Ziffer der Arbeitslosen auf
66.000 hinaufgeschnellt. Die Textilindustrie macht eine schwere
Absatzkrise durch, Tausende Arbeiter sind nur zum Teil, oft nur
3 bis 4 Tage in der Woche, beschäftigt. Das Gleiche gilt
von der Metallindustrie, und vielleicht noch schlimmer steht es
im Bergbau, der besonders im Falkenauer Gebiet und in Nordwestböhmen
schwer darniederliegt. Das Lohneinkommen dieser Kurzarbeiter ist
weit unter dem Existenzminimum. Wochenlöhne von 80 bis 120
Kronen sind an der Tagesordnung. In einer solchen Zeit kommt die
Regierung mit neuen schweren indirekten Steuern.
Der Regierungsantrag sagt in seiner Begründung,
daß es nicht angängig sei, daß die Finanzverwaltung
von Jahr zu Jahr mit der Zuckerindustrie freiwillige Abkommen
abschließe. Auch wir halten diesen Zustand weder für
nützlich noch für praktisch. Aber es muß auch
hier doch einmal auf die Lage der Zuckerindustrie hingewiesen
werden. Einer der Herren Redner hat heute darauf hingewiesen,
daß der Zucker das "weiße Gold" der Republik
sei. Mehr noch als für die Republik gilt dies aber wohl für
die Zuckerfabriksgesellschaften selbst. Wenn man die Bilanzen
der verschiedenen Unternehmungen einer Untersuchung unterzieht,
dann kommt man zu Ergebnissen, die uns zeigen, wo der Staat
für seine Bedürfnisse Geld holen könnte. Da sind
z. B. die Zuckerfabriken Schoeller & Co. A. G., die bei einem
Aktienkapital von 32 Millionen nicht weniger als 10,379.000 Kè
Reingewinn ausgewiesen und eine 24%ige Dividende ausbezahlt
hat. Die Nestomitzer. Zuckerraffinerie, Sitz Aussig, hatte bei
15 Millionen Aktienkapital einen Reingewinn von mehr als 4 Millionen
Kè und schüttete demnach 25%
Dividende im Jahre 1924 aus. Dabei ist der Gesamtbesitz
mit 20 Millionen Kè in diese Bilanz eingestellt,
während er 1914 nur 10 Millionen betrug. Noch größer
ist der Gewinn der Böhmischen Zuckerindustriegesellschaft
in Prag, die bei 24 Millionen Aktienkapital 35% Dividende,
d. h. nahezu 10 Millionen Kè, im Jahre 1924 ausgezahlt
hat. Dabei ist der Gesamtbesitz des Jahres 1914 von 3.3 Millionen
Kè auf 32 Millionen, also um das 10fache gestiegen. Das
Aktienkapital ist von 8 Millionen auf 24 Millionen erhöht
worden. Die Methoden dieser Kapitalserhöhungen kennen wir
ja zur Genüge. Aber dieses Unternehmen
hatte im Jahre 1921/22 bei 20 Millionen Aktienkapital nicht weniger
als 12 Millionen Kè Reinertrag und hat auch damals sage
und schreibe 60% Dividende
zur Verteilung gebracht. Wir könnten die Beispiele noch um
eine ganze Reihe ähnlicher vermehren. Aber sie mögen
dem hohen Hause genügen. Klar ist es, daß der Staat
hier genug Möglichkeiten hätte, bei einer ordentlichen
Besteuerung gerade derartiger ungeheuerlicher Erträgnisse
sich alle notwendigen Mittel zu beschaffen.
Bei dieser Sachlage wird es auch schwer sein,
der Bevölkerung gegenüber eine neue Preiserhöhung
des Zuckers durch eine neue staatliche Abgabe zu verteidigen.
Auch bei diesem Anlasse verwahren wir uns entschieden dagegen,
daß die Finanzverwaltung den Weg der allgemeinen Preisverteuerung
beschreitet, anstatt ihre Gelderfordernisse aus der Besteuerung
der Gewinne der großen Unternehmungen zu decken. Aber es
scheint, daß der Herr Finanzminister den mächtigen
Zuckermagnaten gegenüber ein schwacher Mann ist. Die Allmacht
des Živno-Konzerns, das in allen großen
Zuckerindustrieunternehmungen seine Verwaltungsräte und Kapitalien
arbeiten läßt, ist ein "noli me tangere",
ein Blümlein "Rühr mich nicht an", dessen
Schonung ein ungeschriebenes Gesetz ist.
Wir werden solange jede finanzielle Belastung
der schaffenden Stände ablehnen, als das herrschende System
mit den alten Methoden der wirtschaftlichen und nationalen Unterdrückung
am Ruder ist. Wir werden daher auch selbstverständlich gegen
die Erhöhung der Spiritus- und Zuckersteuer stimmen.
Wir stimmen aber auch gegen diese Steuern, weil wir kein Vertrauen
zur Regierung haben. Nichts, aber auch gar nichts, hat sich in
dem System der èechoslovakischen Regierung geändert.
Daher bleibt auch unsere Haltung die gleich
ablehnende. Es gilt hier nicht nur die objektive Zustimmung zu
dem Gesetz, sondern es gilt hier auch, bei einer solchen Vorlage
der Regierung das subjektive Vertrauen entgegen zu bringen. Wir
haben zu der Regierung kein Vertrauen und werden daher das Gesetz
aus den genannten Gründen ablehnen. (Potlesk na levici.)
Wiederum unternimmt die Regierung einen Raubzug
gegen die arbeitenden Klassen. Das Gelingen dieses neuen Planes
ist gesichert, nicht nur weil die Regierung bereits eine Mehrheit
für die Steuervorlagen gefunden hat, sondern auch deshalb,
weil die sozialistische Opposition in diesem Hause sich mit dem
bloßen oppositionelen Kampfe im Parlament begnügt,
von keiner wirklichen Einheitsfront etwas wissen will und auch
die Mobilisierung der Massen zum Kampfe außerhalb des Parlaments
nur unter dem Drucke der Massen und widerwillig durchführt.
Uns allein bleibt es überlassen, die proletarischen Massen
in den Kampf zu führen und nur unsere Kampfmethode wird schließlich
zum Siege führen, weil wir das Schwergewicht auf den Kampf
außerhalb des Parlamentes legen. Wenn auch die Führer
sich dagegen sträuben, die Massen selbst verstehen diese
unsere Taktik gut und gehen mit uns. Die Weigerung der Führer
bedeutet nur, daß sie ebenso umzufallen bereit sind, wie
in der letzten Zeit die oppositionellen deutschbürgerlichen
Parteien umgefallen sind. Aber die Arbeiter, Kleinbauern und Kleingewerbetreibenden
werden die Abrechnung für einen solchen Verrat nicht
schuldig bleiben. Das ganze Steuersystem der Èechoslovakei
ist auf der rücksichtslosesten Ausbeutung der arbeitenden
Bevölkerung und des Mittelstandes in Stadt und Land aufgebaut.
Diese Ausbeutung durch das Steuersystem ist jetzt schon schlimm
genug. Die Regierung will diese Ausbeutung
in einer Zeit der drohenden Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit
und Teuerung noch verschlimmern. Die Zukkersteuer soll auf einen
Ertrag von über 200 Millionen gebracht werden. Vor dem Kriege
betrug die Zuckersteuer pro Meterzentner 28 Kronen, wozu im Kriege
noch ein Zuschlag von 16 Kronen kam. Jetzt haben wir eine Zuckersteuer
von 124 Kronen, die auf 184 Kronen erhöht werden soll. In
einer Zeit der Krise und der Teuerung muß eine solche Erhöhung
der Zuckersteuer, die natürlich auch eine Erhöhung des
Zuckerpreises bedeutet, unweigerlich zu einer Einschränkung
des Zuckerkonsums führen. Diese Drosselung des Zuckerkonsums
bedeutet vor allem eine Gefahr für die Volksgesundheit. Bekanntlich
spielt der Zucker in der arbeitenden Bevölkerung auch die
Rolle des Ersatzes für das Fett, das die Arbeiter in viel
zu geringen Mengen konsumieren. Wenn jetzt der Zuckerkonsum und
auch der Fettkonsum infolge der Erhöhung der Zuckersteuer
und der Erhöhung der Agrarzölle zu gleicher Zeit eingeschränkt
werden, so bedeutet das einen gewaltigen Ausfall an den für
die menschliche Ernährung so wichtigen Kohlehydraten. Unsere
Volksernährung ist ohnehin vom Gesichtspunkt der Ernährungswissenschaft
eine sehr schlechte. Die Folge der jetzigen Zoll- und Steuerpolitik
wird eine Verschlimmerung, wird ein weiteres Umsichgreifen der
Unterernährung sein. Unterernährung ist aber nichts
weiter als ein wissenschaftlicher Ausdruck für den Hunger.
Schon Lassalle hat in einer seiner Reden die Arbeiter darauf aufmerksam
gemacht, daß das Hungern nicht nur in dem Zustand des leeren
Magens und das Verhungern nicht nur in dem Zugrundegehen wegen
absoluten Nahrungsmangels besteht, sondern daß auch ein
Mensch, der den Magen vollgestopft hat, dessen Magenfüllung
aber nicht den für den Organismus erforderlichen Nährwert
hat, hungert und daß auch die Verschlechterung der Volksgesundheit
durch andauernd ungenügende Ernährung, durch Unterernährung
ein langsames Verhungern ist. So können wir ohne Übertreibung
sogen, daß die Steuer- und Zollpolitik der Regierung und
der internationalen bürgerlichen Mehrheit dieses Hauses eine
Hungerpolitik im wahrsten Sinne dieses Wortes ist.
Aber auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt,
vom Gesichtspunkt unserer Zukkerproduktion ist diese Steuerpolitik
verwerflich. Und unsere Zuckerproduktion spielt in der Industrie
der Èechoslovakei eine wichtige Rolle. 1,600.000 Tonnen
beträgt die jährliche Zuckerproduktion in der Èechoslovakei,
das ist ein Fünftel der gesamten europäischen Zuckerproduktion
vom 7.6 Millionen Tonnen. Diese Zuckerindustrie
ist eine ausgesprochene Exportindustrie und wird als solche vom
Staate gefördert, im Interesse unserer Zahlungsbilanz, das
hat dazu geführt, daß die Regierung in der Frage der
Zuckerindustrie nur vom Gesichtspunkte des Exportes ausgeht,
den inländischen Konsum dagegen übersieht. So kommt
es, daß der èechoslovakische Zucker in England 2.40
per kg kostet, also billiger ist als bei uns. Aber diesem Zuckerexport
droht eine von Jahr zu Jahr steigende Gefahr durch die Absperrungspolitik
jener Länder, in die wir Zucker exportieren, durch die fieberhaften
Anstrengungen dieser Länder, die eigene Zuckerproduktion
in die Höhe zu bringen und sich auf diese Art vom Import
unabhängig zu machen. Was wird dann aus unserer Zuckerindustrie
werden, wenn dazu noch eine Einschränkung und nicht eine
Steigerung des Konsums im Inland erfolgt?
Auch die Erhöhung der Spiritussteuer ist
auf die Ausbeutung der arbeitenden Massen berechnet. Die Ärmsten
der Armen, die Bedauernswerten, die dem Schnapstrinken verfallen
sind, sollen vom Staate ausgebeutet werden. Dabei hört man
aus den Reihen der Mehrheit Bemerkungen darüber, daß
die Erhöhung der Spiritussteuer und die Verteuerung des Schnapses
eine Einschränkung des Schnapstrinkens bingen werde. Die
Erfahrung zeigt das Gegenteil. Die Verteuerung des Schnapses hat
regelmäßig zur Folge, daß nicht weniger, sondern
schlechterer Fusel getrunken wird. So bedeutet auch diese Steuermaßnahme
einen Angriff auf die Volksgesundheit, um so mehr, als die Regierung,
je mehr sie durch das Schnapstrinken einnimmt, desto mehr auch
am Schnapstrinken interessiert ist, und destoweniger zur Bekämpfung
des Alkoholismus beiträgt. Dabei spielt der Spiritus in unserem
Staate auch noch eine wichtige Rolle in der politischen Korruption.
Wir brauchen nur an den bekannten Spiritusskandal zu erinnern,
der heute noch nicht aufgeklärt ist, weil die damalige Koalitionsmehrheit
im Vollbesitze ihres schlechten Gewissens von einem parlamentarischen
Untersuchungsausschuß nichts wissen wollte und der agrarische
Vorsitzende des Budgetausschusses sein Versprechen, in diesem
Ausschuß eine Debatte über die Spirituskorruption abführen
zu lassen, wohlweislich nicht eingelöst hat. In Rußland
geht man mit Korruptionisten anders um, dort können solche
Individuen keine Rolle mehr in der Öffentlichkeit spielen.
So ist die ganze Steuerpolitik auf die Bereicherung,
die legale und illegale Bereicherung der besitzenden Klassen und
auf die Verelendung der arbeitenden Klassen eingestellt. Das Elend
wird immer größer, das Elend in den proletarischen
Familien und in der proletarischen Jugend, die jetzt von weiterer
Unterernährung und Gefährdung ihrer körperlichen
Entwicklung bedroht wird. Zu diesem Steuerraubzug gegen die arbeitenden
Klassen gehört ja auch das erpresserische System der Eintreibung
der rückständigen Einkommensteuer auf dem Wege des Lohnabzuges.
Ich will hier zur Illustration das Beispiel
eines Arbeiters von Lischwitz anführen, der 5 Kinder hat
und dessen Frau infolge des schlechten Verdienstes des Mannes
gezwungen ist, ebenfalls in die Arbeit zu gehen. Mann und Frau
verdienen zusammen 200 bis 220 Kronen wöchentlich und davon
müssen sie 10 bis 15 Kronen Steuer zahlen. Alle Klagen der
Bevölkerung, alle Notschreie werden unbeachtet gelassen.
Unsere Behörde richten sich nach dem bekannten Grundsatz,
den Heine in den Versen ausgedrückt hat: "Wenn Du aber
gar nichts hast, ach, dann lasse Dich begraben, denn ein Recht
zum Leben, Lump, haben nur, die etwas haben".
Wenn aber die Arbeiter sich diesen Steuerraub
nicht gefallen lassen und dagegen demonstrieren, dann geht man
in der brutalsten Weise gegen die Arbeiter und ihre Vertreter
vor. So war es in Podersam im Feber der Fall. Dort ereignete es
sich, daß als ich mit einigen Arbeitern bei der Steueradministration
war, um dort mit den Beamten zu verhandeln, ein gewisser Dr Sedláèek
von der politischen Bezirksverwaltung mit einigen Gendarmen in
das Zimmer eindrang und es räumen ließ. Wir wurden
von den Gendarmen brutal hinausgedrängt und auch auf mich
wurde eingeschlagen. Dann machte die Gendarmerie
noch einen Angriff auf die draußen wartenden Arbeitermassen.
Mit solchen Mitteln wird die Steuerpolitik der Regierung gegenüber
der Arbeiterschaft durchgesetzt. Selbstverständlich wenden
wir uns in der schärfsten Weise gegen diese Politik und werden
den Kampf nicht nur hier im Hause, sondern auch draußen
führen. Wir fordern die Sozialisierung der Zucker- und Spiritusproduktion,
zu mindest die Kontrolle derselben durch die Organe der Arbeiterschaft.
Und weil wir wissen, daß keine kapitalistische Regierung
diese Forderung bewilligen wird, kämpfen wir für die
Beseitigung dieser Regierung und für die Arbeiter- und Bauernregierung.
Das ganze gegen die Arbeiterklasse gerichtete
Steuersystem der Regierung hat in den deutschen Agrariern und
Klerikalen eine neue Stütze gefunden. Es ist wohl an der
Zeit, die deutschen Landbündler heute daran zu erinnern,
wie sie seinerzeit, als sie sich noch als verläßliche
Oppositionelle aufspielten, den Umfall der Hlinkapartei beurteilen.
Damals schrieb die "Deutsche Landpost": "Uns überrascht
dieser Umfall Hlinkas nicht. Wir gehörten immer zu
jenen, die mit der slovakischen Volkspartei als zuverlässigem
Bestandteil der Opposition nicht gerechnet haben. Namentlich Hlinka
erkannten wir schon rechtzeitig als einen Politiker, der
heute ganz anders kann, als er gestern erklärt hatte. Enttäuscht
von diesem Schritte können nur jene Politiker sein, die noch
heute nicht die Psyche der slovakischen Volkspartei kennen. So
behält nur jener èechische Politiker
recht, der das slovakische Problem als ein Problem der Millionen
erklärte: seine Lösung hänge von der Anzahl der
Millionen Kè ab, die die Regierung den Slovaken für
wirtschaftliche Zwecke geben wolle und werde." Das liest
sich doch heute wirklich wie eine Prophezeiung
der eigenen Entwicklung und die Prophezeiung stimmt geradezu unheimlich
genau. Der Unterschied ist nur der, daß die "Deutsche
Landpost" in Bezug auf die Hlinkaleute nur allgemein von
Millionen schreiben konnte, während man seit der freitägigen
Sitzung des Budgetausschusses in Bezug auf die deutschen Agrarier
schon ganz präzis von 21 Millionen Kè, die sie für
ihren Umfall für die Deutsche Agrarbank bekommen haben, sprechen
kann. Das also hat Herr Dr Hanreich
gemeint, als er in seinem Referat auf dem Kreisparteitag des Bundes
der Landwirte in Jechnitz am 6. Juni d. J. sagte: "Diese
Verhältnisse bedingen eine andere Einstellung der deutschen
Politik. Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, im Rahmen dieses
Staates, von dem wir uns nicht loslösen können, für
unser deutsches Volk etwas zu erreichen, uns bessere Lebensbedingungen
zu erkämpfen, ist es mit der bloßen Negierung nicht
mehr getan." Die Erhöhung der Profite durch die Zölle
auf Kosten auch der deutschen arbeitenden Bevölkerung, vielleicht
auch ein Anteil an den Geschäften des Bodenkorruptionsamtes,
schließlich ein ganz konkreter Anteil an der Bankenkorruption
- das sind die schmutzigen Vorteile, denen zuliebe die Herren
von Halm und Ar auf das nationale Selbstbestimmungsrecht und die
nationale Autonomie pfeifen und ohneweiters umfallen. Um dieser
schäbigen Vorteile willen unterstützen die Landbündler
die Regierung, welche die deutschen Angestellten aus ihren Stellungen
vertreibt, die deutschen Schulen drosselt und die deutsche Arbeiterschaft
ebenso wie die èechische mit den brutalsten Polizeimaßnahmen
verfolgt. Binnen wenigen Wochen sind die deutschen Agrarier und
Klerikalen zu den Stützen des brutalsten Polizeiregimes herabgesunken.
Politisch haben sie dabei nichts erreicht, sie sind ja nicht einmal
Minister geworden, sie begnügen sich damit, politische Lakaiendienste
zu leisten und Pfeifendeckel beim General Gajda zu werden. Bei
den deutschen Klerikalen kommt hiezu noch das sehr wenig ideale,
dafür aber sehr materielle Interesse der sonst immer auf
den Gotteslohn verweisenden Pfaffen an einer Erhöhung ihrer
Bezüge und damit an einer Stärkung der Agitationskraft
der klerikalen Partei. Um dieses schäbigen materiellen Vorteils
willen sind auch die deutschen Christlichsozialen umgefallen und
zu Lakaien der Regierung geworden, als solche helfen sie jetzt,
den Arbeitern die Lasten nicht nur der höheren Zölle,
sondern auch der neuen Steuern aufzubürden. Es wird nicht
lange dauern, bis die betrogenen Christlichsozialen Arbeiter und
die gerade in diesen Tagen von den deutschen Zollparteien so schmählich
im Stiche gelassenen Staats- und öffentlichen Angestellten
diesen Verrat durchschauen und den Schuldigen heimzahlen werden.
Die Deutschen Nationalsozialisten sind zwar
auf ihrem oppositionellen Standpunkt geblieben, aber trotz des
sozialen und nationalen Verrates der Landbündler und Christlichsozialen
bleiben sie weiter mit ihnen in einem parlamentarischen Verband
vereinigt. Die deutschen Agrarier und Christlichsozialen haben
in diesen Tagen klar und deutlich gezeigt, was sie unter dem "Aktivismus",
der doch die leitende politische Idee dieses parlamentarischen
Verbandes ist, verstehen. Die Nationalsozialisten müssen
sich jetzt einverstanden ob sie mit diesem Aktivismus einverstanden
sind oder nicht. Es ist doch unmöglich, daß eine parlamentarische
Vereinigung existieren kann, deren eine Hälfte zur Regierungsmehrheit
gehört, während die andere Hälfte in Opposition
steht. Wer es ernst mit der Opposition gegen diese Regierung und
gegen dieses System meint, der kann nicht mit einer Regierungspartei
parlamentarisch vereinigt sein.
Der Umfall, der Verrat der deutschen Agrarier
und Klerikalen ist für uns nichts Überraschendes. Er
zeigt uns nur, daß die besitzenden Klassen nicht nur ihre
Klasseninteressen, sondern auch ihre schäbigsten Profitinteressen
höher stellen als alles andere, höher auch als jene
nationalen Interessen, die sie nur als Vorspann für ihre
Klasseninteressen benützen. Über alle nationalen Gegensätze
hinweg schließt sich die Einheitsfront der besitzenden Klassen
zusammen. Die arbeitenden Klassen müssen daraus die richtige
Konsequenz ziehen und diese ist die internationale Einheitsfront
der Arbeiter und Bauern. Wir werden alles daransetzen, um diese
Einheitsfront zustande zu bringen und die arbeitenden Klassen
zum Sturm auf dieses verfaulte System zu führen. (Potlesk
komunistických poslancù.)