Hohes Haus! Im Namen meiner Partei nehme ich
zu dieser Vorlage Stellung, zu einer Vorlage, die unter schweren
Wehen geboren und dann in kürzester Zeit durchgepeitscht
wurde. Ihre verschiedenen Regierungen und die jetzige Beamtenregierung
ist ja doch nur ein Ableger der Koalition von Švehlas
Gnaden - wollen, allerdings nur mit Worten, allen Ständen
helfen, und in Wirklichkeit sind alle Stände mit Recht unbefriedigt,
denn die vielen Staatsgelder werden von unfruchtbarem Militarismus
und von anderen zwecklosen Ausgaben verzehrt, so daß bei
einer Tagung auf der Sophieninsel einer ihrer Konnationalen an
Sie die klare und unverblümte Anfrage stellte, wohin diese
vielen Millionen von Staatsgeldern eigentlich kämen. Die
Antwort ist man darauf bis heute schuldig geblieben. Denn Ihr
verschleiertes Budget ist ein Meisterwerk nicht in dem, was es
sagt, sondern in dem, was es verschweigt. Verschleierte Bilanzen
werden verfolgt, verschleierte Staatsbudgets sind hierlands unangreifbar,
sind sakrosankt. Daß Sie vorgeben, allen Ständen helfen
zu können und tatsächlich keinem helfen, dafür
will ich Ihnen einige klare Beweisbelege gerade bei dieser Vorlage
bringen.
Mit Ihrem beliebten Schlagwort "Abbau"
will ich beginnen und Ihnen vor Augen führen, wie Sie den
deutschen Bauern, den deutschen Staatsangestellten und andere
Abbauten und unser gesamtes Volk dadurch schwer schädigten.
Sie haben seinerzeit im Hochtone vom Abbau der Preise der landwirtschaftlichen
Produkte gesprochen. Das war ein Schlagwort, das man als Allheilmittel
seinerzeit hingestellt hat. Wenn man anderen gute Lehren und gute
Weisungen erteilt, ist es wohl am Platze, selbst mit gutem Beispiele
voranzugehen und nicht, wie es geschah, es selbst ängstlich
und geflissentlich zu vermeiden, von dem gegebenen und so empfohlenen
Rezepte Gebrauch zu machen und selbst an einen Abbau der so überaus
drückenden Steuern und Abgaben und an den ausgiebigen Abbau
der Preise der staatlichen Monopolartikel zu schreiben. Die guten
Lehren, die man anderen erteilt, befolgt man selbst nicht.
Zuerst hat man unsere Bauern und am drückendsten
die Bauern unserer armen deutschen Randgebirge abgebaut. Auch
hier wurde mit zweierlei Maß gemessen. Man versetzte einfach
viele Gebirgsgegenden in die Getreidezone und schnellte damit
in jenen unwirtlichen sterilen Lagen alle staatlichen Giebigkeiten
unermeßlich in die Höhe. Vom Abbau der Steuern und
Umlagen, vom Abbau der Militärdienstzeit, vom Abbau des Zinsfußes
hört man entweder kein Wort, oder es wird darüber viel
gesprochen, viel versprochen, aber wenig gehalten. (Souhlas.)
Den mageren Zoll hat man unseren Landwirten nicht gegönnt,
daß jedoch durch die herrschende Wetterunbill Feldfrucht
und Wiesenmahd verdirbt, das will niemand sehen, davon spricht
niemand. (Souhlas.)
Der Herr Finanzminister, dem ja die Sorge obliegt,
für die vorliegenden Gesetzentwürfe die Bedeckung zu
finden, hat uns im sozialpolitischen Ausschusse bei der Generaldebatte
über diese in Verhandlung stehenden Vorlagen ein trauriges
Bild der Staatsfinanzen enthüllt und besonders die gegen
die Vorkriegszeit zehnfache Steuerbelastung hervorgehoben. Er
war der erste Finanzminister, der uns keine rein potemkinischen
Dörfer in punkto Staatsfinanzen vormalte. Allerdings hat
er aber andererseits aus leicht erklärlichen Gründen
uns noch nicht klar und eindeutig über die Gesamtverschuldung
des Staates Bericht gegeben. Allerdings kann er in etwas mehr
Aufrichtigkeit arbeiten, als seine Vorgänger es taten, da
er dermalen keine größeren ausländischen Anleihen
außer der Zettelbankanleihe braucht. Und wenn er gestern
im Ausschusse erwähnte, daß wir ungefähr 30 Milliarden
Auslandsschulden haben, so setzte er vorsichtig das Wort ungefähr
voraus, und das Wörtchen ungefähr ist ein
so dehnbarer Begriff, daß wir an diese Ziffer von 30 Milliarden
absolut nicht glauben können.
Da ja die Bedeckungsfrage wohl die Hauptsache
darstellt, so hätten aus den vorangeführten Gründen
gleichzeitig auch Aktionen einzusetzen, durch die die Zahlungsfähigkeit
der landwirtschaftlichen und der gewerblichen Kreise gehoben wird.
Wir billigen daher jede Aktion, die dahin zielt, und begrüßen
es, daß auch die Handels- und Gewerbekammern diesbezüglich
mit uns eines Sinnes sind und diese unsere Forderung - auch die
Billigung eines jeden objektiv denkenden und die Verhältnisse
voll erfassenden Mannes finden muß. Die Staatsangestellten,
die am flachen Lande leben und Söhne von Bauern und Bürgern
sind, verstehen diese unsere Stellungnahme vollkonmen. Wenn man
naturgemäß, der finanziellen Not gehorchend, ängstlich
und nervös nach neuen Steuerquellen sucht, um die Bedeckungsfragen
für viele Gesetze zu lösen, so scheint man blinde
Kuh mit der gesamten Öffentlichkeit spielen zu wollen
und nicht zu wissen, daß die Einführung gerechter landwirtschaftlicher
Zölle allein schon jährlich dem Staate eine Einnahme
von 290 Millionen bringen wird. Warum sträubten Sie nich
denn so lange, 290 Millionen für die Staatsfinanzen in Empfang
zu nehmen, wenn diese staatliche Zolleinnahme nicht unsere Staatsbürger
zahlen, sondern wenn die Wucherer und Halsabschneider, wenn die
Dollarmagnaten, wenn die überseeischen Lieferanten allein
diesbezüglich zum Zahlen kommen? Wie Amerika uns nicht schont,
so haben auch wir keinen Grund, sentimental zu sein und Onkel
Sam zu schonen.
Der Herr Finanzminister hat in unserem Ausschuß
erklärt, er wolle eine ständige Kommission für
eine genaue und wissenschaftliche Sicherstellung der Belastung
durch alle öffentlichen Abgaben auf die Produktionseinheit
errichten, um die Belastung im Vergleich zum Ausland klarzustellen
und anzupassen, da ein Exportstaat - dies bilde seine Existenzfrage
- nicht hasardieren dürfe. Wir warten - die Ministerworte
datieren vom 24. Feber 1926 - bis heute auf die Arbeiten dieser
Kommission. Allerdings versprechen wir uns von derselben auch
keine restlose Klarstellung und Erhellung der Belastungsverhältnisse,
sondern es werden, wie stets, hier wieder wohl recht sehr vage
und bestellte Ziffern zum Aufmarsch kommen, da ja schon die große
Rücksicht auf das Ausland es Ihnen verbietet, mit klaren,
einwandfreien Ziffern der Öffentlichkeit aufzuwarten. Es
wird wieder das gleiche Gaukelspiel wie bei den Budgetberatungen
sich einstellen und wie bei der Ersparungskommission unseligen
Angedenkens, war es ja doch der Herr Finanzminister selbst, der
bezweifelt hat, daß das jetzige Staatsbudget aktiv sei.
Er hat mehr Einblick in die Sache wie wir und er muß es
daher auch wissen. Zum weiteren fordern wir eine Vereinfachung
und damit eine Verbilligung der Verwaltung. Seit des Ministerpräsidenten
Körbers Zeiten wird im alten und im neuen Staate von dieser
Vereinfachung der Verwaltung gesprochen und geschrieben. Bislang
wurde ein greifbares Resultat noch nicht erzielt. Hier wäre
einmal einzusetzen und durch entsprechende Vereinfachung eine
bessere Ausnützung aller Arbeitskräfte zu finden,
damit auch die entsprechende und erhoffte Verbilligung des ganzen
Apparates erzielt würde. Ein Sequester-Zimmermann wäre
bei uns nötig und ich nicht allein, sondern auch èechische
Blätterstimmen streifen dieses für Sie allerdings heikles
Thema des öfteren.
Wenn der Berichterstatter im sozialpolitischen
Ausschuß, Malík, hervorhob, daß wir
nicht an Beamtenhypertrophie leiden, sondern daß wir, was
der Prozentsatz der Beamtenschaft zur Bevölkerung anbelangt,
an zwanzigster Staatenstelle stehen, so glauben wir, allen Grund
haben zu müssen, an dieser Behauptung ernst zu zweifeln und
dies umsomehr zu zweifeln, als wir ja alle wissen, daß nach
dem Umsturz eine Unzahl von Neuanstellungen erfolgte, da ja damals
so mancher glaubte, daß schon seine Zugehörigkeit
zum èechischen Volke allein genüge, um das Recht auf
eine Staatsanstellung und auf eine Staatsversorgung zu erwerben.
Viele dieser Umsturzprotektionskinder, die man gerne abschütteln
möchte, aber nicht abschütteln kann, belasten jetzt
nicht nur die Finanzen, sondern auch
den tadellosen Gang der Verwaltung. So mancher dieser Leute ließ
sich ja damals seinen Partiotismus recht ausgiebig bezahlen. Jeder
wollte - ich folge auch damit èechischen Blätterstimmen
- die Republik gezimmert und die Republik gebaut
haben. Im Drange und Glanze einer jeden revolutionären Bewegung
sonnen sich nicht nur die Männer, die ihr Leben und ihr ganzes
Sein für eine solche Bewegung opferten, es wollen sich daran
auch sonnen Halblinge und Demagogen. Von Kleon, dem Demagogen
des Altertums, bis heute dasselbe tragische Lied, nur mit geänderten
Varianten.
Nach dem bereits erwähnten Abbau der Landwirtschaft
kam ein weiterer Abbau einer anderen deutschen Schichte daran.
Es kam der Staatsangestellte, vorab der deutsche Staatsangestellte
an die Reihe und auch ihn hat der Abbau zur Strecke gebracht.
Jedem hat seine Stunde geschlagen und wir fühlen alle, daß
diese schwere Not sich gemeinsam an uns auswirkt. Dem deutschen
Schulwesen haben Sie die schwersten Wunden geschlagen und viele
junge Leute sind stellungslos und die schulpflichtigen Kinder
unserer Bürger und Bauern müssen durch den Schulabbau
schwere Wege im unwirtlichen Gebirge zurücklegen. Eine offensichtliche
europäische Kulturschande! Die Vakanzen an den deutschen
Hochschulen in Prag allein sind unerträglich, viele Lehrkanzeln
sind unbesetzt. Die Schwierigkeiten bei Berufungen sind gleichfalls
unerträglich geworden und dringende Neuernennungen werden
ungebührlich verzögert, wofür das Finanzministerium
wohl die Hauptschuld trifft. Bei der Eisenbahn allein wurden in
4 Jahren 42.000, und natürlich in der Überzahl Deutsche,
abgebaut. Die Zahl der Deutschen im Eisenbahndienste sank von
22 auf 14%. Das spricht Bände. Nicht nur, daß unseren
Kindern der Besuch der deutschen Schulen erschwert wird, selbst
die Gebrechlichen und Kranken in den gebirgigen Grenzgebieten
- und dies sei anlehnend an die Ärztevorlage festgestellt
- müssen oft viele Stunden um den Arzt schicken, da man oft
verabsäumt, Ärztedistrikte zu schaffen, die schon lange
verlangt wurden. Den Kranken erwachsen daraus große Nachteile
und auch große finanzielle Belastungen. Als Beispiele führe
ich nur zwei an: Witkowitz im Riesengebirge und Wassersuppen im
Bezirke Taus.
Die Bodenreform ist dann die letzte schwerste
Etappe des Abbaues, und hier ist das Opfer der deutsche Arbeiter
und der deutsche Privatangestellte in Land- und Forstwirtschaft,
die alle ihre Arbeitsplätze verlieren. So mancher unserer
Landsleute und Bürger ließ mit Mühe und Not seinen
Sohn studieren, da er ja nicht alle seiner Kinder im Erbwege versorgen
kann. Nun wurde so mancher davon restlos abgebaut und brotlos.
Die Restgüterverteilung ist dazu noch ein ganz eigenes Kapitel
für sich. Viele der neuen Besitzer treiben nicht nur offenen
Raubbau, sondern devastieren die Güter direkt. Einer dieser
westböhmischen Restgüterbesitzer hat kurzerhand große,
wertvolle, im besten Tragalter stehende größere Obstalleen
schonungslos niedergebrakt und versilbert. Was jahrzehntelange
Arbeit schuf, wird mit einem Schlage vernichtet. Viele dieser
neuen Besitzer haben fast keine und nur erbärmliche Viehbestände,
und das heißt man dann Hebung der Produktion. Mit Namen
können wir jederzeit dienen, und es ist unsere Pflicht, mit
dieser Sache nicht hinter den Bergen zu halten. Sie verschließen
die Augen und lassen Tausende von Hektaren Landes verwahrlosen.
Im Kriege herrschte viel Not, da die Eigenproduktion aus verschiedenen
Gründen eine unzureichende war. Der Bauer war im Felde und
keine Arbeitskräfte vorhanden, kein Kunstdünger etc.
Heute, wenn aber ein Krieg ausbräche, müßte durch
Ihre verfehlte Bodenreform schon in den ersten Kriegsmonaten ein
Großteil der Bevölkerung direkt verhungern. Nach dem
Abbau erfolgt die Kaltstellung der deutschen Bewerber bei Neuanstellungen.
Ich führe nur ein Beispiel an, das sich vor wenigen Tagen
ereignete: Unter den Direktoren der Zentralversicherungsanstalt
ist kein einziger Deutscher. Kein Deutscher wurde für würdig
befunden, in dieses Direktorium berufen zu werden. Die Landesgeldinstitute
betrachten Sie als ihre ureigenste Domäne und auch dort findet
kein Deutscher eine Anstellung. Den guten Deutschen kann man hier
nicht leiden, doch seine Gelder nimmt man gern.
Diese Vorlage ist wohl auch der Auftakt für
eine angeblich neuerlich geplante bevorstehende Verwaltungsreform.
Reformernst und Reformeifer sind zu begrüßen, aber
Reformnervosität und Reformüberschwang, die bei uns
auf sämtlichen Gebieten einreißen und sich den Schein
ganz besonderer und einzig dastehender guter Originalität
zu geben suchen, sind keine empfehlenswerten Eigenschaften eines
ernsten Verwaltungssystems. Eine gemessene, ruhige und ernste
Beharrlichkeit wäre hier gegenteilig wohl zu allererst am
Platze. Wie der deutsche Bauer und Handwerker, so gehört
auch der deutsche Staatsangestellte nicht zu den Liebkindern dieses
Systems. Die Staatsangestellten haben viele und mannigfache ernste
Beschwerden, die das Volk mit ihnen teilt. Man hat uns vorerst
alles versprochen, die freie, bessere Schweiz, ja es hat nur noch
gefehlt, uns den Himmel zu verheißen. Anstatt dieser Verheißungen
haben wir viele Enttäuschungen erlebt. Ja man hat uns im
Gegenteil mit Ruten und Skorpionen geschlagen. Glauben Sie ja
nicht, daß es unserem schlichten Landmanne und unserem gesamten
Volke gleichgültig ist, wenn seine Söhne aus der ihnen
so lieben Heimat versetzt und vertrieben werden. So manches traurige
Schicksal kommt in diesen harten Maßnahmen zum Ausdruck.
Unser deutscher Landmann ist politisch reif und geistig hochstehend
und will, daß seine Söhne und alle Stände seines
Volkes lebenskräftig erhalten bleiben.
Auch die beliebten Versetzungen der Staatsangestellten
sind ernst zu beanständen. Es ist an sich schon ein schweres
Unrecht, wenn man einen Staatsangestellten, der sich in sein Ressort
eingearbeitet hat - und auch diesbezüglich kommen uns wieder
Beschwerden zu - in ein anderes, ihm völlig fremdes Ressort
versetzt, wo er doch nicht sofort, sondern erst nach einigen Jahren
sattelfest werden kann. Der öffentliche Dienst und vor allem
das Recht der Bevölkerung leiden darunter schwer. Da werden
dann die Akten zur Lagerware und die Unzufriedenheit der auf Erledigung
ihrer Akten Harrenden wächst. Es klappt ja schon heute in
vielen Zweigen der öffentlichen Verwaltung nicht. Ich verweise
unter anderem nur darauf, wieviele Tausende von Steuerrekursen
noch der Erledigung harren und wieviele Sachen bei den Finanzbezirks-
und Finanzlandesdirektionen und anderen Behörden schlummern.
Der Herr Finanzminister hat in guter Absicht in Aussicht gestellt,
daß bis zum Ende des Jahres 1926 alle Steuerrekurse erledigt
sein werden. Wir wären ihm verbunden, wenn er es - natürlich
gerecht - zu Wege brächte. Dieser Abbau der Steuerrekurse,
auf den wir schon warten, er wäre mehr als sehnsüchtig
erwünscht. Es wäre allerhöchste Zeit, mit diesen
unhaltbaren Verhältnissen, mit diesen unhaltbaren Zuständen
aufzuräumen. Wir sind der klaren Ueberzeugung, daß
der Herr Finanzminister vielleicht trotz seines guten Willens
- auch Herr Minister Dr. Rašín hat es versprochen
- nicht imstande sein wird, zu bewirken, daß seine diesbezügliche
Verheißung bereits am 31. Dezember in Erfüllung geht.
Solche Angebinde sind hierzulande ein Mädchen aus der Fremde.
Im weiteren muß auch die Frage gestellt
werden: Was geschieht mit den eingezahlten Riesensummen der Vermögensabgabe?
Die Bevölkerung harrt diesbezüglich auf eine endgültige,
klare und nicht verklausulierte Antwort. Unser gebildeter Nachwuchs
lugt nach der Auswanderung, um sich in einem anderen Lande eine
erträgliche Existenz zu schaffen. Auch diese Bestrebungen
erweisen sich als erfolglos, denn alle Tore in das Ausland sind
versperrt und verriegelt. Auch viele Intelligenzberufe zählen
unter die Arbeitslosen und so und so viele Intelligenzler fallen
heute ihren alten Eltern zur Last. Wie es bei uns steht, zeigt
unter anderem nachfolgende bekannte Tatsache: Im Landesverwaltungsausschusse
in Böhmen wurde seit vielen Jahren kein einziger deutscher
Beamter angestellt, seit dem Jahre 1913 kein einziger deutscher
Konzeptsbeamter. Und da soll ein Recht in diesem Lande sein? Der
Abbau kann die erhoffte finanzielle Ersparnis vornehmlich deshalb
nicht gebracht haben, da dem Abbau auf dem Fuße eine Massenanstellung
neuer Kräfte erfolgte. Wir protestieren gegen diese neuerlichen
Massenanstellungen, die eine neuerliche finanzielle Belastung
brachten. Sie wollen uns vorrechnen, daß die finanzielle
Auswirkung des Abbaugesetzes im Budget des Jahres 1926 große
Ersparnisse brachte, und zwar eine Verringerung der Personalausgaben
um ungefähr 240 Millionen. Nach Abrechnung aller Ansprüche
sollen 79 Millionen erspart worden sein. Dieses Abbauersparnis
ist für uns eine unbewiesene Ziffer. Überall können
wir gegenteilig selbst in unseren bescheidenen Landbezirken konstatieren,
daß, um nur ein kleines Beispiel zu bringen, die Zahl der
Gendarmen, der Gefällskontrollorgane usw. sich wesentlich
vermehrt hat. Wo früher 2 Kräfte ausreichten, hat man
oft mehr als das Doppelte eingestellt. Wir haben beim Abbau überdies
auch oft das Schauspiel erlebt, daß ein Beamter abgebaut
wurde und daß man ihn dann in allerkürzester Zeit notgedrungen,
um die Maschinerie nicht zum Stehen zu bringen, wieder als Vertragsbeamten
anstellen mußte, so daß Pension und Vertragsbeamtenzahlung
ineinander flossen. Die eingearbeiteten und bewährten Fachleute
stellt man kalt, den unbeholfenen Neuling hebt man aufs Schild.
Ein großer Teil Ihrer gesamten Gesetzgebung sollte daher
nachdem Gesagten den Kerntitel führen: Abbau des deutschen
Volkes.
Auch das Sozialversicherungsgesetz wird Ihnen
ja bald die wunschgemäße Handhabe geben, einen Massenschub
von politischen Protektionskindern unterzubringen. Im weiteren
wäre mit dem verderblichen System aufzuräumen, den Beamten
nach seiner politischen Einstellung zu bewerten. Es muß
endlich einmal mit dieser Abhängigkeit der Beamten von politischen
Parteien gebrochen werden. Mit solchen Beamten, die sich von vornherein
politisch auffällig festrammen, um im Wege einer allmächtigen,
der Regierung sehr nahe stehenden Partei rascher auf der Stufenleiter
der Beförderung emporzurücken, werden Sie kein Glück
haben. Derlei Erscheinungen zeigen, daß wir weiter denn
je entfernt sind von einem wahrhaft demokratischen Wesen und einer
wahrhaft vorbildlichen Verwaltung. Sie werden somit dieselben
Erfahrungen machen, wie Sie sie mit dem Soldatenwahlrecht und
mit dem verfehlten Gemeindewahlrecht gemacht haben. Sie steuern
damit Verhältnissen zu, daß jeder Kortesch ein Beamtendekret
oder ein Offizierspatent zu heischen sich für berechtigt
ansieht. Jede staatliche Verwaltung soll dem Kliquewesen der Parteien
restlos entrückt sein, ohne daß man das freie Meinungsäußerungsrecht
und die politische Orientierung der Staatsangestellten an sich
zu kontrollieren und zu bevormunden hat. Verdiente alte Beamte
werden ohne Angabe von Gründen bei der Beförderung
übergangen. Diese Zustände sind für die Dauer nicht
erträglich. Viele èechische Staatsangestellte wünschen
oft gar nicht, in die deutschen Gebiete versetzt zu werden, da
sie die Mundart unseres Volkes nicht verstehen
und ihnen daher die Amtsführung wesentlich erschwert ist.
Die besten Posten in unserem Gebiete fallen oft jenen zu, die
den Befähigungsnachweis erbracht haben, in nationaler Unduldsamkeit
Ausgiebiges leisten zu können. Kleinliche Vernaderungen genügen
heute, um einen in getreuer Pflichterfüllung ergrauten Mann
ins schiefe Licht zu bringen. Die Staatsangestellten dachten seinerzeit
in den Bestimmungen der Dienstpragmatik einen wirksamen Schutz
zu finden, sie haben sich jedoch auch darin geirrt. Auch von slovakischer
Seite wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß dort das
Bestreben dahin geht, die slovakischen Staatsangestellten in mährische
und andere Gebiete zu versetzen, um auch sie ihrer Heimat entfremden.
Ja, ich habe eklatante Beweise in der Hand, daß von
den in unsere deutschen Gebiete entsendeten Emissären und
Vertretern ihrer verschiedenen Jednoten selbst die èechischen
Staatsangestellten vernadert werden. Viele èechische Blätter
erwerben sich den traurigen Ruhmselbst ihre eigenen Leute ohne
Grund nur deshalb an den Pranger zu stellen,
da sie - ich bediene mich der bezeichnenden drastischen Ausdrucksweise
eines solchen Betroffenen nicht täglich drei Deutsche
zum Gabelfrühstück verzehren." Ich glaube gegenteilig,
Sie hätten allen Grund, jene wenigen Staatsangestellten
wertzuschätzen, die es verstehen, trotz ihrer èechischen
Nationalität die Gefühle der deutschen Bevölkerung
nicht zu verletzen, eine Eigenschaft, die ja jeder gebildete Mensch
und daher umsomehr jeder Staatsangestellte nicht nur besitzen
soll, sondern nach meiner Anschauung besitzen muß. Mit Chauvinisten
werden Sie den Staat nicht aufbauen, mit Chauvinisten werden Sie
ihn zerstören. Das ist unsere klare und lautere Überzeugung
und die Geschichte der Staaten und Völker liefert hiefür
schlagende und unwiderlegliche Beweise. Völker, die anderen
eine Grube graben wollen, fallen oft selbst in dieselbe hinein
und die Not des sogenannten Siegervolkes, der Franzosen, der Todessturz
des Franks, einer Valuta einer Siegernation und einer Großmacht,
die Einschränkung des Brot- und Fleischverbrauches und die
drohenden anderen Drosselungen in Frankreich können anderen
chauvinistischen Gernegroßen, können den bescheidenen
Kleinstaaten, können den Pygmäen des Ostens gleichfalls,
falls sie nicht blind sind, die Augen öffnen und ihnen zeigen,
wohin der Weg des schweren Hasses und wohin der Weg des guten
Friedens führt.
Hier an dieser Stelle sei auch eines anderen Hassers gedacht,
Mussolinis, der neuestens auch ein besonderes Interesse für
die Èechoslovakei bekundet. Das Bezeichnendste
bei uns ist jedoch in dieser Sache, daß die Unfreiheit bei
uns bereits so weit geht, daß auch die Politik Mussolinis
in diesem Staate nicht mehr öffentlich kritisiert werden
darf. Mussolini beansprucht augenscheinlich für sich die
Palme politischer Unfehlbarkeit. Kaiser und Könige und jeder,
der von einem sterblichen Weibe geboren wurde, muß der Kritik
freien Raum geben. Mussolini hat keinen Freibrief, kein Monopol,
sich der Kritik zu entziehen. Der welsche überempfindliche
Herr irrt sich groß. Wir lassen uns die freie Kritik und
die freie Meinungsäußerung hier nicht erdrosseln und
erwürgen. Offen sei es hier gesagt. Die Behandlung der deutschen
Südtiroler ist ein Kulturschandmal. Der italienische Gesandte
hierlands ist nicht unser Herr und wir nicht seine Knechte und
es ist nicht am Platze, daß unsere Regierung durch ihre
Organe etwa noch den Schergen abgibt, um die freie Kritik zu unterbinden.
Es scheint, daß bei uns Mussolini gegen Angriffe auf seine
Politik mehr Schutz genießt, als der Präsident dieses
Staates bei persönlichen Angriffen seiner eigenen Konnationalen.
Natürlich ist dies eine Sache, die Sie mit sich selbst auszumachen
haben. Wenn Duce Mussolini wirklich Vorbildliches leisten will,
dann bahne er eine vollständig entschädigungslose, nicht
aber eine Scheinbefreiung der von den städtischen Nobiles
gedrückten und geknechteten italienischen Bauern, der Colonis
an, deren Elend ich kenne, und trachte er, seine eigenen Leute
zu erlösen und nicht nach anderen "Unerlösten"
zu fahnden. Die italienischen Herren in der alten Spornergasse
mögen ihre Überempfindlichkeit mäßigen und
daran denken, daß wir beispielsweise von niemandem das Recht
uns nehmen lassen, die geschichtliche Tatsache des Allianzewortbruches
ihrer Verantwortlichen festzunageln.
Daß auch in der Slovakei nicht nach Gerechtigkeit
und Billigkeit vorgegangen wird, ersieht man auch daraus, daß
alle Slovaken, deren Gesuche um Aufnahme in den Staatsdienst abweislich
beschieden wurden, sich organisieren. Diese Organisation soll
alle ausgeschriebenen Stellen in Evidenz führen und alle
Fälle von Gesuchsablehnungen eingehend untersuchen. Auch
hinter Skalitz scheint demnach sehr, sehr vieles nicht in musterhafter
Ordnung zu sein. Im sozialpolitischen Ausschusse wurde selbst
der Antrag abgelehnt, daß slovakische Beamte von slovakischen
Vorgesetzten qualifiziert werden sollen. Sie haben diesen Antrag
kurzerhand abgelehnt und damit wohl sich nicht den Beifall aller
ernst denkenden Slovaken erworben und auch nicht unseren Beifall,
da wir für unsere Leute dasselbe verlangen. In diesem Antrage
schlummerte eine kleine, so zu sagen nur formale Forderung des
Selbstverwaltungsrechtes des slovakischen Volkes. Und auch diese
kleinliche Forderung wurde nicht erfüllt. Die Vertreter der
Slovakei fordern die slovakische Amtssprache. Also ein
neuer Sprachenkonflikt taucht auf. Das Slovakische wird nicht
a:s gleichberechtigt mit dem Èechischen angesehen. Die
Slovaken fordern von jedem Beamten restlos die slovakische Sprachprüfung
und es ist sehr bezeichnend, ohne daß
wir in dieser Ihrer internen Streitigkeit ein Urteil fällen,
daß seitens der slovakischen Interpellanten verlangt wird,
daß der Unterricht des Èechischen und Slovakischen
als eines einheitlichen Gegenstandes ausgeschlossen sein soll.
Das sind tiefe Gegensätze, die bestehen, und die sich nicht
hinwegleugnen lassen und bereits in dem historischen Kampfe über
Spracheneinheit oder Nichteinheit sich widerspiegelten. Wenn ich
die slovakische Auffassung billige - Erhaltung der slovakischen
Eigenart - so muß ich aber andererseits tief bedauern, daß
anläßlich der Beeidigung eines deutschen Senators des
Bundes der Landwirte sich der Zwischenfall ereignete, daß
ein slovakischer Senator die deutsche Angelobung eines deutschen
Schwabenbauers zu beanständen sich für verpflichtet
fühlte. Ist das vielleicht der neueste charaktervolle Auftakt
für die von uns bis jetzt treu unterstützte Autonomie
der Slovakei! Für diesen Auftakt müßten wir uns
dann allerdings ganz angelegentlichst und ganz besonders bedanken.
Soll vielleicht in der Slovakei ein neuer Prager Zentralismus
unverfälschter Auflage ersteh en? Wenn die Slovaken für
ihre Eigenart und für ihre Selbstverwaltung kämpfen,
dann dürfen sie ihren wiederholt gegebenen Versicherungen
entgegen ihren eigenen Minderheiten nicht einen Dolchstoß
versetzen. Oder werden die slovakischen Schüler vielleicht
gelehriger sein wie ihre Prager Meister? Alles ist ja möglich
und Völker sind in den meisten Fällen undankbar. Der
deutsche Idealismus hat sich stets für die Freiheit anderer
Völker geopfert und seine eigene Freiheit verabsäumt.
Für die Freiheit der Hellenen, für die Polen sind unsere
Idealisten eingetreten. Das Endergebnis - auch das hat die Geschichte
uns gelehrt - war Undank und Verfolgung. Selbstverständlich
brauchten wir nicht soweit auszugreifen, der historische Vergleich
läge uns hier im Lande viel näher. Ich erinnere nur
an Namen, wie Egon Ebert, Meissner, Beck und andere. Alle diese
Männer, die vom deutschen Idealismus und von nationaler Toleranz
und Heimatsliebe erfüllt waren, fühlten sich angewidert
von ihrem späteren Chauvinismus und haben sich in schwer
erlittener Enttauschung von vielem, sehr vielem jener Tage entschieden
abgewandt.
Auch aus Karpathorußland kommen die gleichen
Klagen und erst gestern hat Abg. Mondok sich über
die èechische Bürokratie beschwert, die dort alles
nur in èechischer Sprache verlautbart. So handelt man im
Autonomieland, dem man bislang keine Autonomie gab.